Berliner Stadtverkehr kontrovers diskutiert

  • Dem Wirtschaftsverkehr würde es vor allem helfen, wenn weniger mit Einzelpersonen besetzte PKW die Straßen verstopfen. Die Autobahnverlängerung bewirkt das genaue Gegenteil.

  • Ein Blick auf Autobahnstadtkarte von Berlin genügt und man erahnt, dass weite Teile des östlichen und nördlichen Berlins, wo über 500.000 Einwohner leben, vom schnellen innerstädtischen Pkw-Verkehr abgeschnitten sind.

    Das gibt es nicht. Es gibt entweder Innenstadt oder schnellen Pkw-Verkehr. In Berlin hat man in früheren Jahrzehnten viel für den Pkw-Verkehr getan und dafür ziemlich viel Innenstadt vernichtet. Jetzt sollte man mal wieder etwas mehr Stadtentwicklung betreiben, die man nicht ohne entsprechende sanfte Verkehrsplanung hinbekommt. Somit völlig verständlich, dass der Großteil des Senats gegen die Planung ist.

  • Das gibt es nicht. Es gibt entweder Innenstadt oder schnellen Pkw-Verkehr. In Berlin hat man in früheren Jahrzehnten viel für den Pkw-Verkehr getan und dafür ziemlich viel Innenstadt vernichtet.

    Nope. 2 mal falsch.


    1. Berlin zählt zu westlichen Metropolen die zwischen 1950-1990 einen eher geringen Fokus auf KfZ-Verkehr hatten. Warum ? Weil West-Berlin in der Hochphase der Motorisierung knapp 30 Jahre geopolitisch abgeschnitten war und nicht wesentlich ins Umland expandieren konnte. Ost-Berlin wiederum hatte nicht die ökonomische Kraft für individuellen PKW-Besitz und auch keinen ideologischen Willen überhaupt Autobahnen im Stadtgebiet zu bauen.


    2. In Millionen- Metropolen gibt es keinen Entweder-Oder-Verkehr. Es gibt zig Mobilitätsformen gleichzeitig und nebeneinander. Deshalb ist auch das Schlagwort von einer Verkehrswende Humbug und Illusion. Eine verantwortungsvolle Politik nimmt alle Verkehrsträger ernst.

    Man kann von Glück sagen, dass der Staatskonzern DB und das Verkehrsministerium wesentliche Projekte vorantreibt, Stichwort BER, Hauptbahnhof, Adlershof-Autobahn etc. Das Land Berlin setzt sich in den letzten 5 nur noch für Fußverkehr, Trams und Fahrradwege ein. Und bekommt selbst das nicht vorangebracht.

  • Vielleicht hilft es hier sich auch noch mal den genauen Trassenverlauf zu vergegenwärtigen.

    A100 ba17 in 3D (Link zum RBB, eine Animation von 2016)


    Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie man eine Schneise verbauen kann, die städtebaulich so viel besser nutzbar wäre, gerade in der aktuellen Zeit. Auf der anderen Seite der Stadt denkt man über den Rückbau von AB Zubringers nach und hier würde man es direkt wieder aufbauen. Diese Ringerschließung so sinnvoll sie verkehrstechnisch auch wäre, liegt meiner Meinung nach einfach zu dicht in der Stadt.

  • Dann fahren auch größere LKW weiterhin vorwiegend durch nicht anbaufreie Hauptstraßen, nicht gut.

    Nicht gut, aber nicht zu verhindern, da ein Großteil der vom Wirtschaftsverkehr angesteuerten Ziele auch in dicht bebauten Gebieten, Wohngebieten etc.. liegt. Daher müssen die Hauptstraße auch in Zukunft die nötige Kapazität aufweisen, das ist klar. Aber eine Stadtautobahn ist dafür weder notwendig noch förderlich. Sie ist sogar kontraproduktiv.


    (Wie bereits mehrfach dargelegt. Ich würde mich freuen, wenn das nicht immer wieder einfach ignoriert werden würde, danke)

  • Also die autogerechte Stadt fing nicht erst in den 50er Jahren an. Der Artikel legt nahe, dass man schon in den 20ern mit der Planung zur Innenstadtentkernung für die Zukunft anfing. Natürlich brauchten auch die Nazis für Panzer und Aufmärsche breite Schneisen. Das alles nahm man in der Nachkriegszeit dankend an ohne sich um Stadtreparatur zu bemühen, auch wenn es nicht mehr so viel Verkehr gab. In den 60ern ging es aber durchaus mit Neubauten weiter.Auch die DDR plante Aufmarschschneisen, hier bemüht man sich jetzt ebenfalls nur zaghaft um einen Rückbau.

    Und was ist jetzt? In Barcelona gibt es Superblocks, in Paris schließt man sogar schon Tunnel (!) für den Autoverkehr.

    Dass es in einer Millionenstadt zig Mobilitätsformen nebeneinander gibt ist eine Binsenweisheit. Die sind aber aktuell nicht gleichberechtigt!

    Ja, was die Bahn ausgebaut hat ist ganz schön. Wenn man sich aber nur ansieht wie viele und wie breite Autobahnen es gibt und wie viele Radschnellwege... nenene. Hier ist das Verkehrsministerium übrigens eher der Bremser und nicht der Beschleuniger, denn die Bahn ist der einzige Verkehrsträger, der mit seiner Infrastruktur Geld erwirtschaften muss. Und für Radwegebau fühlt sich der Bund grundsätzlich nicht zuständig, auch nicht wenn die begleitend zu Bundesstraßen gebaut werden. Da bleiben dann halt nur die ineffizienteren und an Personalmangel leidenden Landes- und Kommunalstrukturen.

    MIV kann man auch nicht einfach nach Belieben fördern und ausbauen, da es sich um die flächenineffizienteste und schädlichste aller Mobilitätsformen handelt.

  • Es gibt zig Mobilitätsformen gleichzeitig und nebeneinander. Deshalb ist auch das Schlagwort von einer Verkehrswende Humbug und Illusion. Eine verantwortungsvolle Politik nimmt alle Verkehrsträger ernst

    Bullshit. Eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik setzt Prioritäten nach einer ganz klaren normativen Integration. Normative Integration heißt, dass gesellschaftliche Leitbilder entwickelt werden oder existierende identifiziert werden, z.B. das Leitbild der lebenswerten Stadt. Das kann erst al viel heißen. Auf Grundlage dieser Leitbilder werden dann Zielkriterien erstellt, z.B. Schutz vor Luftverschmutzung. Dem Zielkriterium folgen Strategien, um das Ziel zu erreichen, nach wie vor alles dem Leitbild folgend. Eine Strategie könnte dabei z.B. die Verringerung der Geschwindigkeit für PKW in der Stadt sein. Der Strategie folgt schließlich die letztlich für alle sichtbare Maßnahme, in dem Fall z.B. Tempo 30 auf besonders belasteten Straßen.


    Gütekriterien einer Normativen Integration im Sinne einer Integrierten Verkehrsplanung sind Nachvollziehbarkeit (warum wird etwas gemacht), Evidenzbasiertheit (es braucht eine Datengrundlage, z.B. Feinstaubbelastung an gewissen Straßen), Evaluierbarkeit (wurden die Ziele erreicht), Zielorientierung (folgen Maßnahmen den ursprünglichen Leitbildern) sowie Transparenz (für alle einsehbare Schritte).


    Es gibt kein Leitbild, welches auch nur ansatzweise den Bau eines weiteren BA der A100 rechtfertigt. Das Lügen-Argument der Entlastung von Stadtstraßen durch den Autobahnbau ist fast so alt wie das Auto selbst und wissenschaftlich im Sinne einer evidenzbasierten Untersuchung in keinster Weise haltbar. Im Gegenteil. Im Zuge des induzierten Verkehrs steigt mit jeder angebotsorientierten Maßnahme wie der Verbreiterung von Straßen auch der Verkehr, da das verbesserte Angebot neue Kunden anlockt. Der ursprüngliche Zustand, wegen dem eine Maßnahme durchgeführt wird (meistens verstopfte Straßen), wird daher meist recht schnell nach Beendigung der Maßnahme erneut erreicht. Von Entlastung keine Spur.


    Ich fürchte, ideologisch derart indoktrinierte Menschen wie Arty Deco müssen ihr Gedankengut mit ins Grab nehmen. Zu Lebzeiten werden sie ihre starren Denkmuster nicht ablegen. Dazu benötigte es ein Mindestmaß an Reflexionsfähigkeit und Offenheit für die Ansichten des 21. Jahrhunderts. Eine dieser Ansichten heißt, dass man die Schäden durch übermäßigen Autoverkehr (gefördert durch eine entsprechende Verkehrspolitik) nicht mehr einfach hinnimmt und als "freie Fahrt für freie Bürger" romantisiert, wie es im Zuge der Propaganda für die autogerechte Stadt die letzten 80 Jahre betrieben wurde und noch immer wird, siehe die unsägliche Regierende aka Beton-Franzi.

  • Wenn es um Verkehrsplanung und Verkehrspolitik geht befürworte ich persönlich 2 scheinbar diametral entgegengesetzte Positionen.


    Zum einen ist mir ein Zurückdrängen des individuellen PkW-Besitzes / Gebrauches in Metropolen wie Berlin wichtig. Parkraumbewirtschaftung, hohe Steuern für SUVs, lärmabhängige Steuern, Reduzierung der Pendlerpauschale wären für eine Verbesserung der Lebensqualität in einer Großstadt und dessen Umland aus meiner Sicht zentral.


    Allerdings erkenne ich wesentliche Bedürfnisse der Mehrheitsbevölkerung und Wirtschaft an, die Ausbauten der Infrastruktur erfordern. Dazu gehören Investitionen in langfristige wirkende Projekte, die die Wettbewerbsfähigkeit und Erreichbarkeit Berlins verbessern. Zu nennen wären hier direkte ICE-Verbindungen nach Warschau und Prag, zahlreiche Bahnstrecken nach Brandenburg, der Aufbau eines Drehkreuzes am BER, aber eben auch die Erweiterung des A100-Rings.


    Politisch vereine ich mit dieser Haltung sowohl Positionen der CDU-FDP-IHK als auch von Grünen-SPD.

  • Bezieht sich hierauf.

    ^^Mal als kleines Zwischenupdate. Frau Jarasch kündigte kürzlich an, dass es nach dem ab Juni beginnenden 9-Euro-Tickets ein attraktives Anschlussangebot geben soll (spekuliert wird über die Einführung des bereits früher diskutierten 365-Euro-Jahrestickets für rund 30,50 Euro im Monat). Allerdings müsse sich der ÖPNV jetzt auch leistungsfähig, sauber und sicher genug präsentieren, damit er zur echten Alternative werde. Da kann ich nur beipflichten und hoffe, dass Worten bald noch mehr Taten folgen.


    Interessanterweise las ich gerade auch ein bundesweites Umfrageergebnis, wonach 7 Prozent der Autofahrer zumindest vorerst komplett auf ihr Auto verzichten wollen und ganze 40 Prozent zumindest deutlich häufiger auf ÖPNV, E-Bikes etc umsteigen möchten. Dieses Momentum sollte man mE unbedingt nutzen, auch wenn man ja leider nur langsam mit solchen Projekten vorankommt. Jedenfalls habe ich zunehmend Lust, die Verkehrswende noch selbst mitzuerleben. Ich fahre ja ohnehin sehr wenig Auto, hätte aber gerne noch bessere Angebote im Bahnnetz sowie beim Radwegenetz.

  • Ich finde die Idee genial und bin mir ziemlich sicher, dass das die Abhängigkeit von Putin und Co. ordentlich drücken wird.


    Freue mich auch persönlich sehr darauf (weil bei mir in der Firma zum Sommer hin die Präsenz-Kultur wieder ein bisschen Einzug halten soll, aber auch, weil ich einfach gerne in Hamburg bin).


    Ich hoffe ehrlich gesagt, dass das (ähnlich wie Pop-Up-Radwege und Home Office der crazy Corona-Zeit) über den aktuellen Anlass hinaus wirkt.


    Wegen mir könnte der ÖPNV auch ganz zum steuerfinanzierten Gut gemacht werden (vulgo: "gratis"). Da gib'ts wesentlich dümmere Sachen für die Geld ausgegeben wird.

  • Mal ein paar Zahlen zu unserem neuen ÖPNV-Experiment:

    - reguläre BVG-Abonnenten: 500.000

    - Schüler, Azubis und Studenten mit kostenlosen bzw. reduzierten Abos: 600.000

    - bislang in nur 1 Woche allein über die BVG verkaufte 9-Euro Monatskarten: 370.000! (auch die DB vertreibt diese, die kommen also on top)

    Quelle Tagesspiegel


    Damit steigt die Zahl der ÖPNV-Flatrates also mal eben von 1,1 Mio auf mindestens 1,5 Mio. Oder anders gesagt: Statt knapp jedem dritten Berliner dürfte bald rund die Hälfte ein Abo besitzen. Natürlich werden sich dadurch die Verkäufe der beschränkteren Zeittickets deutlich verringern. Dennoch dürfte der Effekt in Bussen und Bahnen bald spürbar sein. Könnte kuschlig werden. Vielleicht kommen die Busse und Trams dafür ja mal schneller vom Fleck, wenn hoffentlich entsprechend weniger Autos unterwegs sind.


    Aus dem Thread U-Bahn/S-Bahn/Tram hierhin verschoben.

  • ^ Stimmt, und die Zahl war von Anfang an bekannt.


    Auch den Tankrabatt, die Coronahilfen und was es noch so alles an (je nach Sichtweise mehr oder weniger sinnvollen) Unterstützungen gab und gibt, bezahlt letzlich der Steuerzahler. Der Tankrabatt kostet sogar 6 Mia. Euro (laut dieser Nachricht), keine Ahnung, ob das stimmt).


    Die Pro und Contra Argumente zum 9 €-Ticket sind hinlänglich bekannt und der Erfolg/Misserfolg kann letztlich erst abschließend bewertet werden, wenn die ersten Wochen um sind. Ich selbst freue mich darauf und werde es auch gern nutzen, sehe es aber auch als interessantes Experiment. Für bestimmte Strecken an Wochenenden/Feiertagen gehe auch ich von übervollen Zügen aus (und werde diese möglichst meiden), aber das muss m. E. nicht generell und überall der Fall sein. Das Ticket ist ja nicht mit Sonderurlaub verknüpft. ;) Bald wissen wir mehr.


    Das einzige, was mich vorab stört, ist die Tatsache, dass es letzlich viel mehr eine PR Aktion ist als eine Entlastung der Bürger. Aber warum soll man es nicht mal ausprobieren, vielleicht bringt es ja doch was für den ÖPNV und dessen Zukunft.

  • ^ Und nochmal zum 9 €-Ticket. Der erste Geltungstag ist noch nicht mal zur Hälfte um, da melden Spiegel und rbb24 schon erste Erfahrungen: :)


    Demnach gab es in Berlin bisher weder überfüllte Züge noch lange Schlangen vor den Fahrkartenautomaten. Es war z. T. etwas voller als sonst, aber nicht chaotisch. An Knoten wie Hbf, Alex oder Zoo war eher Normalbetrieb zu verzeichnen. Auch die Regios waren nicht überfüllt. Im RE2 hatten angeblich 3/4 der Fahrgäste ein 9 €-Ticket.


    Auch der Spiegel brichtet von einem weitgehend entspannten Start, im heutigen Berufsverkehr sind alle Fahrgäste weitgehend reibungslos ans Ziel gekommen. Die DB spricht von einer ruhigen Verkehrslage.


    Am Pfingswochenende wird es dann erstmals richtig interessant.

  • Sehr erfreuliche Nachrichten gibt es in Sachen A 100: Auf dem gestrigen Landesparteitag hat sich die Berliner SPD für einen Planungsstopp für den 17. Bauabschnitt der A 100 ausgesprochen. Die Bedarfsanmeldung für den Bundesverkehrswegeplan soll zurückgenommen werden, der Flächennutzungsplan soll keine Vorhalteflächen für die A 100 mehr vorsehen.

    https://www.tagesspiegel.de/be…nungsgesetz/28437402.html


    Da Grüne und Linke schon immer gegen den Weiterbau der A 100 waren, kann die Koalition nun geschlossen gegen den A 100 - Weiterbau vorgehen. Ich finde es gut, dass die Anhänger einer Verkehrswende immer mehr an Einfluss gewinnen.

  • Was daran erfreulich sein soll, erschließt sich mir nicht.

    Erstaunlich ist ebenso, dass hier die Mehrheit der Berliner eine andere Meinung hat, diese allerdings plötzlich für diese Protagonisten völlig irrelevant ist.

    Und das als Verkehrswende zu propagieren ist auch so ein Schwindeletikett.

    Verkehrswende wäre ein massiver Ubahnausbau und Ausbau der Radwege.

    Beides findet nicht statt.

    Es grenzt an Volksverdummung diesen Beschluss als Verkehrswende zu feiern. Damit ist per se absolut nichts gewonnen. Es ist einfach nur lachhaft.

    Die Zukunft wird zeigen was passieren wird.

  • ^ du hast deine Meinung zu dem Thema, andere haben ihre. Das ist auch ok. Andere Ansichten als "Volksverdummung", "lachhaft" usw. zu bezeichnen, eher nicht.


    Natürlich ist es Teil einer Verkehrswende, wenn ein absurder Geldbetrag für eine umstrittene Autobahn nicht ausgegeben wird, die nur wieder den Autoverkehr attraktiver macht und mehr Autoverkehr generieren wird.


    Dass ein Ausbau von U-Bahn und Radwegen sinnvoll ist, wird kaum jemand bestreiten, das wird durch den angestrebten Planungsstopp auch nicht infrage gestellt.

  • Ich habe nicht andere Meinungen als Volksverdummung bezeichnet sondern die Argumentation, ein Baustopp der A100 würde eine Verkehrswende darstellen.

    Und das ist nun mal so. Es wird nicht ein einziges Auto deswegen weniger in Berlin zugelassen oder ein Kilometer weniger in Berlin gefahren.

    Das ist einfach nur Wunschdenken und Irreführung und trägt nichts zu einer nötigen Verkehrswende bei.

    Uns wenn Klarenbach in seinem bekannten, bewusst manipulativen Stil diese Meldung hier kolportiert, sollte mir das auch zugestanden werden lieber Backstein.

  • Wenn Klarenbach diese Meldung für erfreulich hält, hat das absolut nichts mit manipulativ zu tun. Du hingegen, hälst dein Meinung für für die reine Wahrheit und der Weisheit letzter Schluss. Das halte ich für manipulativ!