Berliner Stadtverkehr kontrovers diskutiert

  • Sehr unterschiedliche Signale zum Umgang mit dem Autoverkehr kommen aus der SPD: Auf der einen Seite macht sich Ephraim Gothe, der SPD-Baustadtrat von Mitte, für weniger Autotrassen in der Innenstadt stark. Viel Aufmerksamkeit hat sein Eintreten für eine schmalere Mühlendammbrücke gefunden. Auch die autofreie Friedrichstadt wurde von ihm mit vorangetrieben. Auf der anderen Seite lehnt SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey die Einschränkung des öffentlichen Raumes für Autos ab. Dies meldet zumindest der Tagesspiegel.

    https://www.tagesspiegel.de/be…hkeitsfremd/27427242.html

    Auf mich wirkt die SPD wie eine Wundertüte, bei der man nicht weiß, welche Positionen sich nach den Wahlen durchsetzen werden.

  • Auf der anderen Seite lehnt SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey die Einschränkung des öffentlichen Raumes für Autos ab.

    Das steht so nicht in dem Zeitungsartikel, das würde ich eher als tendenziöse Verkürzung des Interviews empfinden.


    Giffey erklärt in dem Gespräch lediglich, dass sie sich auch in Zukunft keine Stadt mit 3,7 Mio. Einwohnern ohne Autoverkehr vorstellen kann. Und ich kann ihr nur zustimmen. Das Auto wird auch in Zukunft eine sehr wichtige Rolle im Stadtverkehr spielen. Die Frage ist aus meiner Sicht vielmehr, wie man den Autoverkehr stärker steuert und auf das sicher auch künftig notwendige Maß reduziert. Übrigens will dies auch die Initiative "Berlin autofrei". Das Thema ist am Ende also weit weniger kontrovers als in den Überschriften z.T. dargestellt, denn auch Giffey plädiert für eine solche Zielsetzung, wenngleich weniger "absolut" als die Initiative suggeriert und fordert.


    Ich persönlich finde die Forderung nach derartiger Einschränkung des Privatverkehrs z. B. aus einer Anwohnergarage als ziemlich übertrieben und rechtlich wohl auch kaum durchsetzbar. Viel wäre stattdessen schon gewonnen, wenn man den Durchgangs- und Pendlerverkehr vermeiden könnte..


    d.

  • Wenn ich mir die Vorstellungen der SPD in Mitte anschaue, dann finde ich dort Forderungen nach einer radikalen Verknappung des öffentlichen Raums für Autos. Konkret wird gefordert:

    -Der Autoverkehr ist "radikal auf ein Minimum zu reduzieren."

    -Die Karl-Liebknecht-Straße erhält nur noch eine Mischspur für Bus, Taxis und Anliegerverkehr sowie eine Fahrradspur, für den MIV wird sie komplett gesperrt

    -Die Spandauer Straße wird autofrei

    -Die Straße Unter den Linden wird ebenfalls für den MIV gesperrt

    -Die Grunerstraße und Leipziger Straße erhalten nur noch eine Fahrspur pro Richtung für den MIV

    Schließlich heißt es: "Im Vergleich zu Städten wie Paris, Barcelona und Oslo bedarf es in Berlin noch einer strategischen Umsteuerung, die den Autoverkehr weitgehend verbannt."

    https://www.spd-berlin-mitte.d…ftsort_Berliner_Mitte.pdf


    Wenn man diese Vorstellungen nimmt und dann die Aussagen von Frau Giffey dagegenhält, dann sehe ich schon große Unterschiede. Sie erklärt ganz klar, dass sie eine Verknappung des öffentlichen Raumes für Autos kritisch sieht. Und ich bin der Meinung, dass sie damit den vielen Sozialdemokraten, die sich genau dafür einsetzen, einen Bärendienst erwiesen hat. Gerade in Wahlkampfzeiten sind solche Signale verheerend.

    Einmal editiert, zuletzt von Klarenbach ()

  • -Die Karl-Liebknecht-Straße erhält nur noch eine Mischspur für Bus, Taxis und Anliegerverkehr sowie eine Fahrradspur, für den MIV wird sie komplett gesperrt

    -Die Spandauer Straße wird autofrei

    -Die Straße Unter den Linden wird ebenfalls für den MIV gesperrt

    -Die Grunerstraße und Leipziger Straße erhalten nur noch eine Fahrspur pro Richtung für den MIV

    Diese Maßnahmen wären aus meiner Sicht sinnvoll und sind so ja auch schon Teil von einigen veröffentlichten Planungen (so z. B. beim Straßenbahnbau in der Leipziger). Die Konfliktlinie liegt hier aber sicher nicht innerhalb der SPD sondern eher zwischen den Ebenen Bund und Kommune. Die aufgezählten Straßen sind ja in Bundeshand und letztlich kann Berlin hier nicht einfach "durchregieren".


    Ein anderer Fall ist die Verknappung von Parkplätzen in den Nebenstraßen. Da könnte natürlich schneller was passieren und auch dies wäre z. T. sinnvoll wenn der Raum dann auch wirklich sinnvoll zur Begrünung oder zur sonstigem genutzt wird.


    d.

  • "Die Spandauer Straße wird autofrei"


    Hab mir die vertrakte Situation vor dem Rathaus-MarxEngelsForum-Alex vor Jahren angeschaut und bin auf dasselbe Ergebnis gekommen. Mit einer Schließung der Spandauer Straße und einer kompletten Neugestaltung des Innenbereichs am Alex, der dann bis bis zur Spree führt, könnte man dort etwas Aufenthaltsqualität und Stil kreieren.

  • ... < Was ich schon vor Jahren vorgeschlagen habe. dann muss man auch nichtmehr in RF und MEF unterscheiden sonden kann diese zusammenhängendende Fläche endlich als einen Bereich neu denken. Eine grosser innerstädtischer Garten zwischen Fernsehturm und Humboldt-Forum. Was wäre stylischer und sinnstiftender?!

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Hier nochmal die unschuldige Falckensteinstrasse bevor sie vergewaltigt wird.


    111bimmelbahnbdkfk.jpg


    Noch stehen, radeln und flanieren sie alle.


    Aber wenn dann die moderne Berliner Verkehrspolitik zuschlägt, ist es damit bald vorbei.

    Ich habe gerade gelesen, dass die BVG eine noch größere Strassenbahn vorgestellt hat und mit etwas Glück wird in ein paar Jahren dann ein Modell entwickelt das zwei Etagen hat, das wär doch die ultimative Freude!


    Der Gedanke dass dieser Schwachsinn weiterverfolgt wird, ähnlich wie auf der Mühlendammbrücke, lässt einen den Magen umdrehen.

    Berlin versinkt in völliger Provinzialität.



    111bimmelbahn2hljnm.jpg

  • Glaubst du den Blödsinn, den du schreibst? Ich rate dir, deine Wortwahl etwas anzupassen. "Vergewaltigen" ist keine angemessene und eine einfach dümmliche Ausdrucksweise, die sehr tiefe Einblicke in deine Psyche ermöglicht.


    Und wieso eine Straßenbahn, die völlig neue Verbindungen ermöglicht, ein Zeichen von Provinzialität sein soll, das weißt du wahrscheinlich selber nicht.

  • Nanu, ich dachte immer, weniger Autoverkehr und Ausbau der Radinfrastruktur sei provinziell, wenn man einigen 50er-Jahre-Geistern hier im Forum glauben schenkt?

  • Über die Kleinstadt Paris habe ich gerade diese Meldung gelesen:


    https://www.gmx.net/magazine/p…bild-deutschland-36095336


    Hier in Berlin kommt man mit der Verkehrswende kaum voran.


    Berlin hat immer noch doppelt so viele Radfahrer pro Kopf in der Bevölkerung wie Paris. Durch die viel schmaleren Straßen dort wird Paris auch nie den Ausbaustand an Fahrradstrecken wie in Berlin erreichen können.


    In Europa gibt es keine Millionenmetropole (außer München), die eine vergleichsweise hohe Anzahl an Radlern im Modal Mix mitbringt.

    Einmal editiert, zuletzt von Arty Deco ()

  • Wie oft gibt es Schneeregen in Paris?


    Denn dann sehe ich in Berlin kaum einen Radfahrer.

    Woran könnte das liegen?


    Kleiner Tipp: Kopenhagen hat ein vergleichbares Klima mit Berlin.

  • 1915 glaubte man, es würde die Menschen krank machen, wenn sie sich dauerhaft mit mehr als 10km/h bewegen. Solange die Frage nicht abschließend geklärt ist, bin ich für 10km/h, weil 30km/h potentiell 3x mehr krank macht. Denn wir tun es ja für uns! Damit wir uns alle endlich wieder gut fühlen können. :freund:

  • Brüller Beitrag, ich gehe dann auf die Suche nach Substanz...


    Finde es witzig, dass die, die immer plärren, die ein oder andere verkehrspolitische Entscheidung (und da zähle ich die Diskussion um Tempo 30 dazu) würde Berlin um Bullerbü und Kaff machen, nun ganz still daherkommen, da es die Weltmetropole Paris nun gewagt hat, stadtweit eben dieses provinzielle Tempo 30 einzuführen.

  • 1915 glaubte man, es würde die Menschen krank machen, wenn sie sich dauerhaft mit mehr als 10km/h bewegen.

    Diese Äußerung galt schon um 1915 als Polemik, bezieht sich das Zitat doch auf ein bis heute nicht gefundenes Gutachten eines Königlich Bayerischen Obermedizinalkollegiums, das jedoch lange vor dem von diesem angeblich 1835 erstellten Gutachten aufgelöst wurde - verbreitet vom preußischen Hofhistoriker und Auslöser des Berliner Antisemitismusstreits Heinrich von Treitschke, der so seine Probleme mit der bayerischen Monarchie hatte und das mögliche delirium furiosa, das einen auf der Strecke Nürnberg - Fürth ereilen konnte, als Polemik gegen Bayern hochstilisierte.


    Davon abgesehen: Bezogen auf Umweltauswirkungen und Unfallgefahr ist die Polemik im Kern ironischerweise sogar gar nicht falsch...:lach:

  • da es die Weltmetropole Paris nun gewagt hat, stadtweit eben dieses provinzielle Tempo 30 einzuführen.

    Der Verkehr in Paris ist überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Verkehr in Berlin. Das ist eine ziemlich andere Kultur und Mentalität was motorisierte Fortbewegung betrifft. Der wohl wichtigste Unterschied ist: Paris hat einen komplett-geschlossenen, innerstädtischen Autobahnring, der (wenn er nicht gerade von wütenden Milchbauern blockiert wird) überaus viel Verkehr aufnehmen kann, der normalerweise durch das Zentrum müsste. Darüber hinaus gibt es einen zweiten, äußeren Ring, der das Umland bedient. Da ist Berlin noch meilenweit von entfernt. Wir schaffen es ja nicht einmal dieses winzige Stück A100 bis zur Frankfurter in diesem Jahrzehnt fertig zu stellen. Es ist geradezu lächerlich im Vergleich. Im Übrigen ist das Metro/Öffis-Netz im Pariser Innenstadtbereich derart dicht, dass man idr keine 400m bis zur nächsten Station laufen muss. Auch da ist Berlin noch weit von entfernt. Wir schaffen es ja nicht einmal die U5 in diesem Jahrzehnt bis zur Turmstraße zu bauen. Nein, Berlin kann sich jede Menge von Paris abschauen und sollte das auch. Tempo 30 gehört nicht dazu.