Berliner Stadtverkehr kontrovers diskutiert

  • Die Express-S-Bahnzüge gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie wurden damals Bankierszüge genannt und fuhren mit 120 Stundenkilometern ohne Halt von Zehlendorf bis zum Potsdamer Bahnhof - allerdings auf Fernbahngleisen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/DR-Baureihe_ET_125

    Allerdings gab es damals noch nicht die heutigen Regionalexpress-Angebote. Wahrscheinlich wäre es heute besser, die Regionalexpress-Angebote als schnellere Ergänzung zur S-Bahn zu verbessern. Dazu sollte auch der Wiederaufbau der Ferngleise der Potsdamer Bahn gehören, wie er ja auch geplant ist. Dann könnten schnelle Regionalexpress-Züge von Potsdam über Zehlendorf in die Innenstadt fahren.

  • Warum bis heute diese Strecken nicht wieder durchgängig zweigleisig sind ist mir ein absolutes Rätsel.

    Bei der S-Bahn sieht man das genauso. Der Bau einer eingleisigen Strecke ist mehr als halb so teuer wie einer zweigleisigen Strecke, aber eben billiger als diese. Betrieblich gesehen sind eingleisige Strecken der S-Bahn Berlins nur nachteilig. Ein großer Teil der betrieblichen Instabilität der S-Bahn geht auf Kosten der eingleisigen Abschnitte. Man will z. B. tunlichst vermeiden, eine Linie zu bilden, die an beiden Enden eingleisige Streckenanteile hat.


    Der Wiederaufbau grenzüberschreitender Strecken der S-Bahn sollte schnell erfolgen. Dumm ist nur, dass sich der nachträgliche zweigleisige Ausbau wirtschaftlich schwerlich mit besserer betrieblicher Stabilität begründen lässt. Vielleicht verstehen auch viele Beteiligte die Zusammenhänge nicht. Im Fall Potsdam wurde die Nuthe-Schnellstraße leider so errichtet, dass nach heutigen Maßstäben im Bereich der Kreuzung leider keine Zweigleisigkeit möglich sein wird.

  • Ich denke eine Ursache der ganzen Malaise besteht in der gescheiterten Länderfusion und dem völlig zerrütteten Verhältnis von Berlin und Brandenburg.

    Berliner Arroganz und Brandenburger Sturheit haben dann in Jahren des Ignorierens gemeinsame Planung der so wichtigen Infrastruktur verhindert, ähnlich wie in anderen Bereichen auch. Das Ergebnis ist ziemlich deprimierend.

    Dazu kam, dass Berlin sich hauptsächlich auf die Innenstadt konzentriert und den Rest vernachlässigt hat, erst als die Bevölkerung so massiv anstieg, konnte die Notwendigkeit einer leistungsstarken Anbindung der Außenbezirke und des Umlandes nicht mehr ignoriert werden. Aber grüne Verkehrswende fokussierte sich - außer Lippenbekenntnissen - weiterhin auf die Innenstadt und sinnfreie und vermeintlich billige Straßenbahnprojekte anstatt zu erkennen, dass leistungsstarke S Bahn und Regionalbahnen (und U-bahnen) wesentlich wichtiger wären und überhaupt erstmal Voraussetzung für jegliche Reduzierung von Autoverkehr für eine Metropolregion von 5 Millionen Einwohnern sind. Die Kosten sind natürlich enorm, aber je länger man wartet, desto teuer wird es. Der Ausbau nach Falkensee / Nauen wird seit 20 Jahren diskutiert, bei anderen Strecken ist es ähnlich. Und die Planungs, Prozess- und Bauzeiten sind mittlerweile 10 bis 20 Jahre für ein paar Kilometer wie bei der Anbindung des Flughafens zu sehen, ganz zu schweigen von der S21 die sich zu einem Jahrhundertprojekt entwickelt.

  • ^ Korrekterweise muss erwähnt werden, dass die in Rede stehenden S-Bahnverlängerungen nach Rangsdorf, Velten und Falkensee in großen Teilen, wenn nicht gar komplett eingleisig geplant sind. In Falkensee geht das nach derzeitigem Stand nicht anders. Irgendwie schleppt man das Problem in die Zukunft.

  • Es wäre sehr wünschenswert, eine zweigleisige Befahrung wieder möglich zu machen. Somit könnte man Express-Züge einführen, die nur die allerwichtigsten Stationen anfahren und eine noch schnellere Verbindung in die Innenstadt ermöglichen. Die S1 zum Beispiel durchquert 11 Stationen auf dem Weg von Wannsee nach Potsdamer Platz. Dies auf vielleicht 3 Zwischenstationen mit einem Expresszug, also meinetwegen Wannsee - Zehlendorf - Rathaus Steglitz - Schöneberg - Potsdamer Platz zu reduzieren, würde die Reisezeit enorm verkürzen.


    Dieses System findet man auch in anderen Großstädten wie New York oder Seoul und funktioniert dort sehr gut.


    Hier auch eine kleine Korrektur, Express-S-Bahnen gibt es in Berlin. Allerdings derzeit nur als S3 Express zwischen Charlottenburg und Friedrichshagen. Ich nutze Sie regelmäßig zwischen Ost-X und Friedrichshagen - Sie hält dann nur in Karlshorst und Köpenick und lässt Rummelsburg, Betriebsbahnhof Rummelsburg, Wuhlheide und Hirschgarten aus. Ist man ratz fatz in Friedrichshagen. Davon wünsche ich mir mehr.

  • ^ Das geht allerdings in Berlin nur auf einem solchen kurzen Abschnitt wie Friedrichshagen - Ostkreuz (denn nur dort ist die S3 Express ein Expresszug), da man auch bei zweigleisigen Strecken nicht wild zwischen den Gleisen hin- und herspringen kann und die schnelleren Züge sonst ja irgendwann aufeinander auflaufen (Bspw. Abfahrt Köpenick S3: XX:10 / S3X: XX:15 - Ankunft Ostkreuz S3: XX:23 / S3X: XX:25) . Das Express-System in NYC ist dann doch ein etwas anderes, dort gibt es dann meist ein drittes Gleis, entsprechend fahren die Expressverbindungen zum AM-Rush Richtung Zentrum und zum PM-Rush in die Außenbezirke.

  • ^ Erstmal schön zu lesen, dass es mit yourrulez jemanden gibt, der dieses Angebot nutzt und auch damit zufrieden ist. Bei 3 Minuten Ersparnis ist der Zeitgewinn ja eher überschaubar. Ich hatte diesen "S3-Express" immer eher für einen aufgepeppten Verstärkerzug gehalten (und tue das eigentlich immer noch). 🙂


    Am Ende sind es eher die Regios, die im Großraum Berlin als Express dienen, wenn sie parallel zu den S-Bahn Linien fahren, was ja oft der Fall ist. Erkner - Hbf, Strausberg - Ostkreuz, KW - Hbf oder Spandau - Hbf bringen tatsächlich eine größere Zeitersparnis. Nur haben sie natürlich keinen 10 Minuten-Takt.


    Für echte Express S-Bahnen fehlen, wie DaseBLN schon schrieb, zusätzliche Gleise.

  • Das stimmt, mit den Regios haben wir schon Express-Züge. Praktisch ist im Vergleich zu NYC die S-Bahn schon der Deutsche Express. Und eigentlich ist sogar die normale U-Bahn in Berlin gegen die rumpeligen Kisten in NYC schon Express.


    Und stimmt, es sind zwar nur 3 Minuten, gefühlt sind es aber 10, die man mit der S3 Express ab Ostkreuz spart. Weitere Express-Abschnitte würden selbstverständlich nur auf den Strecken außerhalb des Rings funktionieren, aber einen riesen Mehrwert für die wachsende Metropolregion bieten. Ein X-Press-Ring wäre natürlich traumhaft, wird aber Platztechnisch nicht funktionieren. Und auf der Stadtbahn ist sowieso fast jeder Bahnhof ein wichtiger Transitbahnhof.

  • Und stimmt, es sind zwar nur 3 Minuten, gefühlt sind es aber 10, die man mit der S3 Express ab Ostkreuz spart.

    Ich glaube, beim Wegfall von Stationen ist der Zeitgewinn weniger wichtig als das Mehr an Komfort. Zwischen Charlottenburg und Ostkreuz ist der RE de facto nicht schneller als die S-Bahn (beide ca. 25 Minuten). Er hält zwar seltener, dafür aber länger und er beschleunigt langsamer. Dennoch ist die Strecke mit dem RE sehr viel entspannter.


    Noch stärker fällt das auf, wenn man von Potsdam aus den einzigen Intercity zum Ostbahnhof nimmt: Fast gleiche Fahrtdauer wie der RE1, aber leerer und nur zwei statt sechs Zwischenhalte - fühlt sich völlig anders an.

  • Ich nutze ab und an die Strecke Alex - Spandau und da sind es immer min. 10Min Ersparnis plus natürlich dem erwähnten Komfort. Es ist einfach leise.

  • ^ Ja, wenn man von der Stadtbahn runter kommt, ist der RE natürlich auch schneller als die S-Bahn: 120 statt 80 km/h und weniger Haltepunkte - ich glaube zwischen Charlottenburg und Potsdam kommen auch 10 Minuten zusammen (und es fühlt sich noch mehr an, weil das endlose S-Bahn-Gegurke parallel zur Avus wirklich nervtötend ist).

  • Das stimmt, mit den Regios haben wir schon Express-Züge. Praktisch ist im Vergleich zu NYC die S-Bahn schon der Deutsche Express. Und eigentlich ist sogar die normale U-Bahn in Berlin gegen die rumpeligen Kisten in NYC schon Express.

    Auf der IND A zum Flughafen sind die Schienen immerhin verschweißt, während die local trains über verlaschte Stöße rumpeln. Die Berliner U-Bahn ist im internationalen Vergleich sehr leise, stimmt. Wenn die S-Bahn eines Tages nach Falkensee fahren sollte, so gibt es durchaus Ideen einige Zwischenhalte ab Westkreuz auszulassen. Das würde gehen, da die Strecke komplett zweigleisig ist.

  • Ich nutze ab und an die Strecke Alex - Spandau und da sind es immer min. 10Min Ersparnis plus natürlich dem erwähnten Komfort. Es ist einfach leise.

    Was das Thema leise angeht freue ich mich sehr auf die flächendeckende Nutzung der neuen S-Bahn-Generation, die jetzt schon auf der S47 rollt und bald auch auf der S45 zum Flughafen. Der Fahrkomfort ist doch schon ein Quantensprung und die Serienfertigung läuft.

  • Zum Thema Express S-Bahn S3:


    Mit 3min Zeitersparnis schafft man bei mehreren Anschlüssen mit Bahn oder Tram die frühere Verbindung und spart so in der Summe 3min + 10 bzw. 20min. Berichtigt mich, falls ich einen Denkfehler habe.

  • ^ Rein rechnerisch hat du recht. Ist der angestrebte Anschluss ein Regio mit 60-Min-Takt, wäre die Zeitersparnis *theoretisch* 3 Min. + 60 Min. :)


    In der Praxis wird das meist irrelevant sein, da ich ja immer die 5 (bzw. stadtauswärts 7 Minuten) früher fahrende normale S-Bahn nehmen kann (bzw. nehmen müsste, wenn es den S3-Express nicht gäbe). Mehr als diese 5/7 Minuten spare ich dann insgesamt gesehen nicht.


    Klar gibt es Einzelfälle, bei denen man den früheren Zug nicht nehmen kann (z. B. man kommt nicht früher von der Arbeit los). Für wen es gerade gut passt, der wird sich über die paar Minuten freuen und kann vor dem Losgehn nochmal schnell aufs Klo oder so. Ansonsten bleibe ich dabei, es ist eher ein Verstärkerzug als ein Expresszug mit nennenswertem Zeitgewinn.

  • Im Koalitionsvertrag wird offenbar nicht nur der schrittweise Rückbau der A104 sondern auch der Rückbau der A103 als Ziel der Stadtentwicklung genannt. Diesen Vorschlag gab es meines Wissens nach schon vor einigen Jahren, allerdings gab es damals zu viel Widerstand als dass die Planungen ernsthaft fortgeführt wurden.


    Ich halte den Rückbau der A103 beinahe für wichtiger als den der A104, da die Autobahn mitten durch Steglitz und Friedenau verläuft und die Kieze voneinander trennt. Eine große Autobahnschlucht, die meinen Beobachtungen nach für das Verkehrsaufkommen gar nicht notwendig ist. Eine breite Stadtstraße als Fortführung von Unter den Eichen sollte eigentlich genügen.


    Hoffentlich wird daraus etwas und es verschwindet nicht einfach wieder in der Schublade.


    https://www.tagesspiegel.de/do…nftshauptstadt-berlin.pdf

  • Danke, maselzr, das sind ja noch mehr gute Neuigkeiten zur Stadtentwicklung Berlins. Etwas wehmütig werde ich allerdings, da dies die skurrilsten Autobahnen sind, dich kenne. Alleine das Durchfahren der Schlange (Schlangebader Straße) ist ein Ereignis für sich. Zudem ist das Vorbeifahren auf der aufgeständerten Schildhornstraße am (aus meiner Sicht) schrillsten Gebäude Berlins, dem Bierpinsel einfach Filmreif.

  • Das Ensemble Bierpinsel, U-Bahnhof Schlossstrasse und Joachim-Tiburtius-Brücke steht laut Denkmalverzeichnis unter Denkmalschutz und wird von den Plänen nicht betroffen sein. Das finde ich eigentlich auch gut so, denn an keinem anderen Ort ist das Verständnis von Urbanität der Nachkriegsjahre so erlebbar wie dort. Man regt sich zwar häufig über die zerschneidende Brücke mitten in der Schlossstraße auf, allerdings versprüht das gesamte Ensemble, abgerundet durch die Pop-Architektur von Schüler-Witte, einen sehr spannenden Zeitgeist.

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    Das dürfte auch die Bebauung an der Schlangenbader Straße betreffen, deren originärer Zweck ja die Überbauung einer Straße ist.