^ Sie vergreifen sich im Ton.
Ich versuche es trotzdem nochmal sachlich: Die Museumsinsel ist kein Zustand, sie ist ein Prozess. Von 1825 bis 1930 und seit 1990 wurde und wird dort eigentlich immer gebaut. Seit der Wende werden die erhaltenen Museen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert mustergültig saniert. Bereits fertig sind Alte Nationalgalerie und Bode-Museum, in Arbeit ist das Pergamonmuseum und danach folgt das Alte Museum. Sie alle werden (mit Ausnahme von Haustechnik, Toiletten, Fluchtwegen, etc.) in ihren Ur-Zustand zurückversetzt. Mit großartigem Ergebnis, wie ich meine.
Ein Sonderfall ist das Neue Museum, das den Krieg nur als Ruine überstanden hatte. Die Entscheidung gegen eine Voll-Reko polarisiert, und ich verstehe alle, die lieber das Original zurückgehabt hätten. Mich aber fasziniert diese Mischung aus Erhaltenem, Ruinenhaftem und Neuem. Seien es die Säle mit den beschädigt konservierten Fresken (die auf mich wirken, als befinde man sich in einer archäologischen Ausgrabung), sei es das abstrahiert wiedererrichtete Treppenhaus, dessen Raumeindruck mich jedes Mal überwältigt. Als Voll-Reko wäre es ein weiteres, zweifellos schönes Museum aus dem 19. Jahrhundert geworden – so ist es etwas Einmaliges.
Und schließlich wird ergänzt: Die untererirdische Promenade, die vier der Museen miteinander verbindet; die James-Simon-Galerie als Empfangs- und Veranstaltungsbau; die Ungers-Anbauten am Pergamon-Museum. Anders als Sie hier behaupten, wird dafür nichts Historisches zerstört. Keine "Dekorationen und Rundungen" werden geraubt.
1. Die James-Simon-Galerie ist ein kompletter Neubau – an ihrer Stelle standen bis 1938 die baufälligen Reste des Neuen Packhofes von Schinkel, der allerdings schon im 19. Jahrhundert größtenteils neuen Museumsbauten hatte weichen müssen (sowas würde heute niemand mehr machen). Auch wenn tegula das anders sieht, ist die JSG in meinen Augen eine gelungene Ergänzung des Ensembles, die in Proportion und Material Kontrast und respektvoller Zusatz in einem ist. Der Packhof-Rest war viel zu klein, um neben Neuem und Pergamonmuseum bestehen zu können, die JSG bildet einen Schlusspunkt zum Kupfergraben und vermittelt geschickt zwischen den beiden Dickschiffen.
2. Die Promenade wird, wenn sie einmal fertig ist, eine faszinierende Raumfolge bilden – Teile davon kann man im Neuen Museum ja schon sehen. Sie macht aus vier Solitären ein Museum. Eine tolle Neuerung; nur schade, dass kein Abzweig zur Alten Nationalgalerie geplant ist.
3. Die Ungers-Erweiterungen des Pergamonmuseums sind eine zeitgenössische Auslegung der Teile des Messel-Entwurfs, die nie gebaut wurden. Anders als bei Messel, wo sie reine Schmuckelemente darstellten, haben sie bei Ungers aber auch eine Funktion: Vierter Museums-Flügel und Eingangshalle mit Verbindung zur Promenade. Auch hier wird nichts zerstört (außer der DDR-Eingangshalle aus den 80ern), und die Proportionen des "Tempelchens" gefallen mir bei Ungers besser als bei Messel (dessen Eingang neben den gewaltigen Kopfbauten doch ziemlich absoff). Mit einer endgültigen Bewertung halte ich mich hier noch zurück, bis alles fertig ist. Bin aber guter Dinge.
Insgesamt ist die Runderneuerung der Museumsinsel für mich das spannendste Städtebau-Projekt in Berlin und weit darüber hinaus. Sage ich als jemand, der gute historische und zeitgenössische Architektur gleichermaßen schätzt. Ich hoffe nur, ich kann sie noch im (vorläufigen) Endzustand erleben und werde nicht vorher von einem Auto überfahren. Wie man angesichts dieses Gesamtkunstwerks derart missgünstig und wutentbrannt sein kann, nur weil einem nicht jede Ergänzung gefällt – das leuchtet mir echt nicht ein.