Rund um die Parochialkirche

  • Nein, bzgl. der Turmspitze der Parochialkirche hat sich leider noch nichts getan.


    Einen Aufsatz aus Holz und Blech (sofern dieser dann tatsächlich einigermaßen vernünftig aussieht) kann ich nicht mit dem Begriff "Ruinenchic" in Zusammenhang bringen. Dass man keine Vollreko macht, liegt a) am fehlenden Geld und b) an der fehlenden Notwendigkeit. Um die Parochialkirche wieder im Stadtbild bzw. in der Stadtsilhouette erkennbar zu machen und ihr die alte äußere Gestalt zurückzugeben, bedarf es nicht unbedingt einem Originalnachbau aus Ziegel und Putz. Man würde heute eh Beton nehmen.


    Innenraum: So wie die Kirche heute genutzt wird, kann man mit der rauen rohen Innengestaltung gut leben. Die Wiederherstellung der barocken Pracht als Innenraum wäre hier allenfalls ein "nice to have", das erforderliche Geld (wenn es denn da wäre) kann man sinnvoller ausgeben.

  • Die Kirche hatte vor ihrer Zerstörung einen in gestrichenem Kupferblech verkleideten Turm und soll ihn beim Wiederaufbau auch wieder bekommen. Hier muss niemand die Pferde scheu machen. Und der Innenraum wirkt m.E. sehr erhaben in seiner Rohheit.

  • ^die Kirche hatte einen Turm, der auch mit Kupferblech verkleidet war, ganz oben, die Spitze allerdings nur. Der Rest war natürlich massiv!


    Auf diesem Bild ist durch die Lichtreflexionen ganz gut der Kupferblechteil vom Massivteil unterscheidbar (das Bild ist gemeinfrei, daher erlaube ich mir, es gleich hier einzubinden):




    Zur "Erhabenheit": man kann es sich auch schön reden. Die ganze Kulturgeschichte des Barock oder Renaissance in Europa muss sich getäuscht haben, in ihrem Bestreben Erhabenheit durch ausgefeilte, künstlerische Innenraumgestaltung zu erreichen, wenn es doch ein grober Rohbau auch tut!? Wieviel erhabener wäre zB der Petersdom in Rom, wenn er im Inneren nur aus blankem Mauerstein bestünde, statt so profan gestaltet zu sein wie aktuell... ja, ist klar ;)

  • Quelle zum Turm?


    Ich denke man sieht auf dem Foto , dass die Säulen dunkler sind, als der Naturstein der Kirche, daher Kupfer. Dieses ist im Helmbereich anders oxidiert und daher heller.


    anderes Bild hier, auf dem man den Unterschied zwischen dem bestehenden Stumpf und der mit Kupfer verkleideten oberen Hälfte besser erkennt: https://commons.wikimedia.org/…ialkirche_Berlin_1910.jpg


    und hier:


    https://commons.wikimedia.org/…le:Klosterstra%C3%9Fe.jpg


    ^



    Zur "Erhabenheit": man kann es sich auch schön reden. Die ganze Kulturgeschichte des Barock oder Renaissance in Europa muss sich getäuscht haben, in ihrem Bestreben Erhabenheit durch ausgefeilte, künstlerische Innenraumgestaltung zu erreichen, wenn es doch ein grober Rohbau auch tut!? Wieviel erhabener wäre zB der Petersdom in Rom, wenn er im Inneren nur aus blankem Mauerstein bestünde, statt so profan gestaltet zu sein wie aktuell... ja, ist klar ;)


    Was soll das?

  • Es ist Ironie, Tomov! :D


    Und wie ich finde, durchaus angebrachte angesichts des rohen
    abgestrippten Innenraums.

  • Ich bedauere es sehr, dass der Turmbau noch nicht begonnen hat. Hoffentlich ist es bald soweit.


    @Pumpernickel: Du befürwortest doch offenbar Rekonstruktionen im Berliner Stadtbild (wie ich auch). Ich finde es kontraproduktiv solche Bemühungen wie hier schlecht zu machen. Wenn man sich Berliner Kirchen anschaut, so ist klar, dass sehr streng gewirtschaftet werden muss. Bedeutende Kirchen wie die Sophienkirche oder die Zionskirche haben erheblichen Sanierungsbedarf. Für das Klosterviertel ist der Wiederaufbau des amputierten Turmes städtebaulich enorm wichtig, ebenso für die Außenwirkung der Kirche. Das geplante vorgehen ist handwerklich absolut in Ordnung und wird sicher zu einem guten Ergebnis des Turmes führen. Warum so etwas von Befürwortern von Rekos verunglimpft wird ist mir schleierhaft. Das ist nicht von Vernunft gesteuert sondern von Trotz und Wut.


    In einer Abwägung unter der Erkenntnis begrenzter Mittel, halte ich das geplante Vorgehen für absolut richtig und den Innenraum so wie er ist für sehr beeindruckend. Wenn deutlich mehr Geld da wäre, hätte ich natürlich nichts gegen eine Wiederherstellung des historischen Innenraumes, sowie des gesamten Straßenzuges.

  • ^^ Ich bin mir sicher, dass dem Tomov die "Ironie" nicht entgangen ist. Sie zielt nur völlig an dem vorbei, was er geschrieben hat.

  • Zum Material des Turmes:


    "Über den beiden steinernen Untergeschossen erhebt sich der hölzerne, kupferverkleidete Aufbau des Glockengeschosses, über dem der Turm in einer schlanken Pyramide endet, deren Verbindung mit dem Glockengeschoss durch eingezogene Voluten hergestellt wird. Die plastischen Flammenvasen von den Bildhauern Glume, Koch und Führe beleben reizvoll den Übergang vom breiteren Unterbau zum schmaleren Turm."


    aus Berlinarchiv Seite B05071 von Klünner

  • Was erzählt Pumpernickel da eigentlich? Der originale Turm war auch nur zur Hälfte gemauert (siehe Spreetunnels Beitrag). Der gemauerte Teil ist ja erhalten und nun wird obenauf, wie früher, eine Holzkonstruktion mit Kupferblechverkleidung gesetzt. Der neue Turm wird keine kritische Rekonstruktion sondern eine originalgetreue. Es wird sogar das Glockenspiel des Turms rekonstruiert werden.

  • Der originale Turm war eine Stein-Holz Konstruktion mit Kupferblechen. Der neue Turm wird eine Stein-Stahl-Holz Konstruktion mit Kupferblechen. Alles ist natürlich irgendwann auch "originalgetreu", wenn du Bauelemente nur weit genug abstrahierst (a lá ein Satteldach ist ein Satteldach, ob mit gebrannten Tonziegeln oder mit eingefärbten Dachsteinen aus Beton gedeckt ist im Detail gar nicht so wichtig).


    Es wird definitiv eine andere Konstruktion sein, die lediglich optisch aus der Straßenansicht dem alten Turm nahe kommen wird. Das mag ja ok sein, aber dann spreche man bitte nicht von einer originalgetreuen Rekonstruktion. Für mich ist ein rekonstruiertes Gebäude mehr als eine Kulisse, die handwerkliche Komponente ist mindestens ebenso kunsthistorisch bedeutsam, wie der sinnliche Eindruck für den betrachtenden Fußgänger (und mich persönlich fasziniert die technische Leistung zB hinter dem Dachstuhl einer mittelalterlichen Kathedrale, der komplett ohne heutige technische Hilfsmittel, ohne unser Wissen über Statik usw. entstand, häufig mehr, als hübsche Fassaden; genau diese Komponente fehlt mir einfach, wenn eine Re-Konstruktion nicht auch bei der Konstruktion auf Authentizität setzt!).


    Auch in Kirchenkreisen "verheimlicht" man das gar nicht: "Die Konstruktion der ursprünglich aus Holz gebauten Turmspitze wird bei einem Neubau durch eine Konstruktion aus Stahl und Holz ersetzt" (http://www.denk-mal-an-berlin.…/templates/media/Ebko.pdf)


    Auch das Glockenspiel wird übrigens ein anderes sein: "Das Wichtigste am Wiederaufbau wird ein neues Glockenspiel (Carillon) sein, das statt wie früher aus 37 Glocken nun aus 52 Glocken bestehen soll." (https://de.wikipedia.org/wiki/Parochialkirche_%28Berlin%29)



    Das heißt nicht es wird besser oder schlechter sein, aber eben anders und nicht wortwörtlich originalgetreu. Ich "erzähle" gar nichts, mir gefällt nur all zu kreativer Umgang mit Rekos nicht, so dass hinterher gar nicht mehr genau klar ist, was eigentlich die originale Konstruktion war und was freie Abänderung späterer Bauherren ist (und hier erstmal nachzufragen und/oder selbst nachzuforschen hätte auch dem Rote-Punkt Bewerter gut getan, der vorschnell meinte mit der süffisanten Bewertung "Immer dieses falsche Halbwissen, Kind." - natürlich anonym - glänzen zu müssen, genau genommen ist es nämlich "falsches Halbwissen", hier von einer originalgetreuen Rekonstruktion zu sprechen, ich wäre darauf jetzt nicht so rumgeritten, wenn mich diese anonyme "Bewertung", inkl. Herabsetzung als "Kind", nicht so genervt hätte).

    2 Mal editiert, zuletzt von Pumpernickel ()

  • @Pumpernickel


    Eine detailliertere Beschäftigung mit Rekonstruktionen, Denkmalschutz und Baugeschichte wäre hilfreich.
    Was ist bitte für dich die "originale Konstruktion" bei dieser Kirche? Welche Epoche setzt du als Massstab? Allein der Brandschutz wird die Stahlkonstruktion erzwingen.


    Es heisst auch immer abwägen zwischen Aufwand und Nutzen. Das alte Glockenspiel nachzuempfinden ist fast unmöglich, da jede Glocke einmalig ist. Also kann man auch neues hinzufügen.


    Und wieviele grosse gothische Kathedralen haben heute noch ein Holzgebälk? Bereits im 19. Jahrhundert wurden diese in vielen Fällen durch Stahl und Eisen ersetzt und stehen bis heute. Auch damals der Hauptgrund: Feuerschutz.



    Überlege dir mal wieviele Bauten tatsächlich rekonstruiert oder nachempfunden würden, wenn alle solch radikale Kriterien ansetzen würden wie du?

  • @Pumpernickel
    Eine detailliertere Beschäftigung mit Rekonstruktionen, Denkmalschutz und Baugeschichte wäre hilfreich.


    Hier möchte ich ergänzen: und eine Beschäftigung mit der Bauordnung Berlin und den Brandschutzbestimmungen.


    Derartige Veränderungen sind i. d. R. ja nicht dem "allzu kreativen Umgang mit Rekonstruktionen" geschuldet sondern zu einem großen Teil den geltenden Bestimmungen des Baurechts inkl. Brandschutz und EnEv (bei der Kirche nun letzteres nicht). Dass ein reines Holzgebälk heute von einem Statiker und dem Brandschutzprüfer abgenommen wird - hhm.


    Wir können uns lange über die Sinnhaftigkeit vieler Vorschriften streiten. Solange aber die Gesetz- und Verordnungslage ist, wie sie ist, müssen wir mit veränderten Konstruktionen leben.

  • Bzgl. Wiederaufbau des Kirchenturms erfährt man im jüngsten Artikel der Berliner Zeitung, dass dessen Finanzierung gesichert sei und Mitte 2016 der Turm Stück für Stück aufgebaut wird.
    Die ersten Säulen und Träger seien schon angefertigt und werden nun farblich beschichtet. Schon ab September werde das Holzpodest in der Klosterstraße gebraucht, so dass dort alle Geschosse vollständig am Boden montiert werden können.
    Das historische Glockenspiel wird übrigens von der königlichen Glockengießerei Petit & Fritsen in den Niederlanden angefertigt. Das neue Glockenspiel werde künftig 52 statt 37 Bronzeglocken haben.
    3,5 Mio € wird der neue Turm samt Glockenspiel am Ende kosten.

  • Und wieviele grosse gothische Kathedralen haben heute noch ein Holzgebälk? Bereits im 19. Jahrhundert wurden diese in vielen Fällen durch Stahl und Eisen ersetzt und stehen bis heute. Auch damals der Hauptgrund: Feuerschutz.


    Eher pflegeaufwand denn Feuerschutz. Holz brennt in Ringen ab und hat deswegen eine längere Brenndauer, wenns ordentlich gepflegt ist ist es auch recht schwer anzuzünden. Stahl dagegen hält eine Weile durch, speichert aber viele Wärme und sackt von einer auf die ander Sekunde zusammen weil es seine Steifigkeit verliert.

  • 3,5 Mio € wird der neue Turm samt Glockenspiel am Ende kosten.


    Das stimmt ja nicht. Ich bin hier ja vor einem Jahr verspottet worden, weil ich nicht gleuben konnte, dass es angeblich mit 2,0 Millionen geht. Jetzt stellt sich heraus, dass mit einer weiteren Tranche von 1,5 Milionen aus Lottomitteln gerecnet wird. Dann kommen noch die von Hans Wall gespendeten 800.000 Euro Planungskosten hinzu.


    Wir sind also mindestens bei 4,3 Millionen Euro. Trotzdem halte ich den Aufwand für das Projekt für berechtigt und sinnvoll. Ohne den Anschub von Hans Wall wäre es nicht soweit gekommen.

  • Hallo Forum! :)


    Scheinbar wurde nun die stählerne Unterkonstruktion des Turmaufbaus der Parochialkirche angeliefert.


    Ein Kran war allerdings noch nicht vor Ort.


  • Seit den letzten Bildern hat sich leider noch nichts neues getan.


    (meine Bilder vom 18.10. bei einsetzender Dunkelheit, deshalb nicht so tolle Qualität)






    Witzige Begebenheit am Rande:


    Ich kam mit einem Polizisten der an der Rückseite vom Stadthaus Wache schob ins Gespräch und wir unterhielten uns über den Kirchturm und das Glockenspiel.


    Der Polizist meinte dann...
    "hoffentlich ist das Glockenspiel eher fertig bzw. in Betrieb als die Nobelmieter nebenan in ihre Luxuswohnungen einziehen, sonst könnten die auf die Idee kommen wegen ruhestörenden Lärm gegen das Glockenspiel zu klagen".



    Gruß, Jockel