Bousset Solche gereizten Reaktionen kommen wenig souverän rüber. Gerade wenn Du Dir so sicher mit Deiner Auffassung der Dinge bist, sollte die Sachebene für die Darlegung Deiner Argumente völlig ausreichen. Passiert uns allen mal, dass man allergisch auf eine Kritik o.ä. reagiert, aber da kann man mE auch mal abrüsten.
-Zum Denkmalschutz: Dieser bedeutet zunächst einmal einen Erhalt der geschützten Substanz. In Abstimmung mit den Behörden kann aber durchaus etwas drum herum gestaltet werden, so lange die Substanz nicht beschädigt wird und es rückbaubar bleibt.
Ein Beispiel: Im Tierpark Berlin gibt es ein großes, architektonisch auffälliges historisches Raubtierhaus, das ebenfalls unter Denkmalschutz steht (Alfred-Brehm-Haus). Dieses war sogar recht lange das größte Zootierhaus der Welt aber die meisten Gehege waren winzig (die historischen Vorstellungen von Raubtierhaltung haben wenig mit den heutigen Vorstellungen von Großzügigkeit zu tun und so gab es wachsende Kritik). Man wollte das riesige Haus aber weiter nutzen und erlebbar machen. Daher hat man viele Teile verblendet und davor eine Art Dschungellandschaft gestaltet (einzelne Gehege durfte man zudem auch umbauen). Gestaltungsräume für geschützte aber in der Form nicht mehr genutzte/nutzbare Objekte zu definieren, ist also sicher ein gewisser Aufwand, aber es ist grundsätzlich möglich und mE wünschenswerter als kontrollierter Verfall. Man will ja immer noch in der Stadt leben und nicht auf ewig in Ehrfurcht vor jedem Stück Beton erstarren, das dann oft genug noch nicht einmal aktiv gepflegt und geschützt wird.
-Zur Rolle der BVG: Niemand hat mW behauptet, dass diese den Bahnhof völlig in eigener Regie künstlerisch neu gestalten soll. Ebenso hat mW niemand behauptet, dass der BVG für genau diesen Bahnhof ein künstlerisches oder sonstiges Konzept ohne Personenaufkommen vorgeschlagen und diese das daraufhin abgelehnt hat. Es ging vielmehr um einen früheren Fall, wo die BVG (aus teils durchaus legitimen Gründen) gegen ein "wild" errichtetes Projekt vorgegangen ist. Da wurde meiner Erinnerung nach - wie gesagt berechtigterweise - u.a. mit Betriebssicherheit argumentiert. Aber es wurde leider auch nicht eine grundsätzliche Offenheit für solche Dinge erörtert, sondern es blieb bei dem ablehnenden Eindruck. Es gibt ja diese romantische Vorstellung, dass man die wilden Rebellen in für beide Seiten vertretbare Strukturen einbindet und so vielleicht sogar ein win-win-Szenario mit Mehrwert entsteht. Die BVG hat da mE eher unentspannt als souverän reagiert, was nicht zu ihrem aufwändig erschaffenen PR-Bild passt und nicht gerade kreative Leute zu Ideen einlädt (vor echter Kunst haben übrigens teils sogar die wilden Sprüher Respekt, die jetzt weiter wild Züge etc kreativ "umgestalten").
Zum Vergleich mal ein Fun-Game: Zähl mal die kleinen und großen Verstöße gegen die geltenden Richtlinien in diesem und in diesem PR-Video und beobachte dann mal aufmerksam, wie konkret die BVG darin Bezug darauf nimmt. Ich bin eigentlich ein großer Fan der BVG und auch ihrer PR aber hier wird mE trotz ironischer Note Vandalismus/Verwahrlosung implizit etc. als cool und authentisch dargestellt. In der Realität würde ich mir dagegen mehr Offenheit für echte Kunst in diesem riesigen, täglich massenhaft genutzten öffentlichen Raum wünschen (denn da verkümmert und verwahrlost leider recht viel). Das geht jetzt etwas über den konkreten Bahnhof hinaus. Aber der könnte ein guter Anknüpfungspunkt sein, um tatsächlich mal proaktiv was zu gestalten.
P.S.: Ich kenne natürlich den Unterschied zwischen Fiktion und Realität und finde beide Videos insgesamt dennoch sehr gelungen. Es geht mehr darum, dass so unbeabsichtigt ungünstige Deutungsspielräume und mixed messages entstehen können und dann real wenig dahinter steckt.