Suhrkamp-Verlagssitz (Rosa-Luxemburg-Platz)

  • ElleDeBE Und ich hatte im anderen Thread ausgeführt, warum mich diese explosive, ausdrucksstarke Gestaltung an diesem konkreten Standort anspricht (wenngleich nicht in jedem Teilaspekt und ich so etwas nicht zu häufig sehen möchte). Gelungen oder nicht ist eben immer wieder doch eine sehr subjektive Bewertung.


    Auch bezüglich Suhrkamp habe ich den Eindruck, dass sich die Argumente weitgehend nur noch wiederholen (wobei ich mich selbst mit einschließe). Für mich bleibt es ein weitgehend gelungener Entwurf, der mich real aber insgesamt nicht ganz überzeugt (zu ebenflächig und zumindest real zu kontrastarm). Gerade wegen meiner grundsätzlichen Offenheit für den Bau ärgern mich diese Makel umso mehr. Ganz besonders übrigens die beiden Anschlussstellen (Bild 5 und Bild 8 bzw. 16): Da hat man den brutalistischen Aspekt mE einfach überbetont, was den Komplex insgesamt schwächt. Aber nach wie vor bin ich auch kein wirklicher Gegner des Baus und hoffe nur, dass man die 'Schwachstellen' früher oder später entschärft (und umgekehrt nicht irgendwann durch Verwahrlosung des Stadtplatzes eine neue schafft).

  • Mich stört vor allem der Sichtbeton. Auf den Visualisierungen war dieser noch dunkel-fleckig, verwildert und vermoost dargestellt, ganz anders, als der optisch doch sehr helle und glatte, nach gestapelten "Fertigblöcken" aussehende, verbaute Sichtbeton. Auch wenn ich "versifften Flächen" am Bau generell wenig abgewinnen kann, so hätte ein dunklerer Taint des Betons doch zumindest einen Kontrast ergeben.

    Zusammen mit der hell-glänzenden Alu-Optik fehlt dieser aber. Die Differenz auf der Grauskala ist deutlich zu gering.


    Das zweite große Manko ist für mich die völlig abfallende (glatte) Seite zur Torstr. hin. Ich hab mal in einem 3 Sterne Hotel in München-Schwabing übernachtet, das gefühlt exakt so aussah. Mir unverständlich, warum das Gebäude nur auf der Innenhofseite ein "Relief" haben darf.


    Ich stelle mir vor, was mit dem Gebäude passiert, wenn ich alle Sichtbetonteile strahlend weiß verputze.

    Und wenn ich mir das so vorstelle, dann sehe ich vor meinem geistigen Auge ein Krankenhaus. Ein modernes Krankenhaus mit schönen großen Fenstern, keine Frage, trotzdem ein Krankenhaus. Zuviel Klinik und zu wenig Wärme. Das Gebäude strahlt Kälte aus, ein Prise zu viel für meinen Geschmack. Evtl. mildern die von außen durch die Fenster sichtbaren Bücherreihen den Eindruck etwas, was dem Gebäude zumindest in Abend- und Nachtstunden doch einen ganz netten Touch geben könnte. Damit wäre mein Fazit dann quasi dasselbe wie beim Springer-Bau: "Tagsüber Flop, Nachts und von Innen beleuchtet jedoch durchaus interessant".

  • ElleDeBE Wenn Du um die Ecke wohnst, kannst Du das mit den Blindfenstern nicht mal aufklären? - auf Foto #5 wirkt es so als hätte man hier vier Blechpaneele auf den Beton fixiert...

  • Suhrkamp Bau Berlin = Neobrutalismus meets Dekonstruktivismus.


    Das hätte aufregend werden können, wenn man alle Seiten des Gebäudes durch den Stilmixer-Wolf gedreht hätte.

    Hat man aber nicht. Allein die Torstraßen Seite wirkt wie ein Allerweltsbürokomplex eines Dixie-Klo Großhändlers in Duisburg.


    Man kann die Intention mit den Rohbeton-Fassaden erkennen eine progressive Haltung in den Bau zu bekommen. Wie es in den 70-90er nicht selten vorkam. Doch insgesamt ist man auf halber Strecke stehengeblieben.

  • Die "Blindfenster" sind keine Fenster, sondern Türen. Diese kann man auch ganz gut in den Grundrissen erkennen.

    Ich gehe davon aus, dass es Fluchtwege sind, welche von der Feuerwehr angeleitert werden (oder man breitet unten ein schönes Sprungnetz aus ;)).

  • Der Suhrkamp-Bau in der Presse


    In der heutigen NZZ (national, sollte also morgen in der internationalen Ausgabe stehen) gibt es einen Artikel über das Suhrkamp-Haus auf S. 28 bzw. online (möglicherweise nicht zugänglich) hier. Themen sind der Bau selbst, das Viertel, der Architekt Roger Bundschuh sowie die prägende Rolle der Ibau im Viertel sowie auch Hans Poelzig. Zwei neue Fotos, die einen Bezug zum Nachbargebäude herstellen, das auch von Roger Bundschuh gebaut wurde, gibt es ebenso.


    Ergänzung: Zum 70. Jubiläum des Suhrkamp-Verlags am 1. Juli gibt es hier noch ein bißchen Verlagsgeschichte.

    3 Mal editiert, zuletzt von WBS70 ()

  • Ich wollte noch ein Foto des kleinen "Parks" beisteuern. Es war am Sonntag, deshalb kein Cafe-Betrieb auf der Terasse. (Am Samstag war richtig viel los). Der größere Baum in der Mitte hat die Bauarbeiten erstaunlicherweise gut überstanden. Es ist eine schöne Ecke geworden. Am Durgangn zur Torstraße musste das Fundament schon wieder freigelegt werden (Wasserschaden?). Und auch am Gehweg zur Torstraße sind noch Restarbeiten.


    Wie mittelfristig die Graffitis (momentan 2) auf der Betonwand in den Griff zu kriegen sind, bleibt abzuwarten.


    Bild von mir.


    haus3akjz1.jpg

  • Wenn da wenigstens Ranken oder Efeu an den Sichtbetonwänden hochkriechen würde. Es ist kein bischen Grün auf diesem Bild, nur Grau und Blautöne. Solche Ausdrucksformen in der Architektur haben ihre Berechtigung und auch ihren Platz. Hier an dieser Kreuzung sehe ich den nicht unbedingt.

  • Ich bin ja sonst auch ein Verfechter von Stadtgrün aber hier würde es mich auch mehr stören als erquicken. Das passt schon hier so wies ist. Das wäre ja auch absurd Beton brut mit was Grün zu kaschieren.

  • Ich werde wohl nie verstehen können, wie jemand diese Architektur einer historisierenden Formensprache vorziehen kann...

    Das Problem drückt sich auch darin aus, dass man bestimmte Stilelemente als "historisierend" bezeichnet und sich daher viele gleich erst einmal genötigt sehen, sie abzulehnen. Das ist so, als würde man Maultaschen oder praktisch jede Biersorte "historisierend" nennen. Architektur ist das einzige "Kunsthandwerk", bei dem die Verletzung des Geschmacks- oder Stilempfindens einer großen Mehrheit in den tonangebenden Kreisen als Ausweis von Qualität und fortschrittlichem Geist gesehen wird.


    Ich kann durchaus etwas mit Gebäuden anfangen, die mit einer etwas schrofferen Formensprache alleine quasi als "Monumente" dastehen, sei es an einem Berg, in der Wüste, auf einer Brache oder sonstwo. Aber das hier? An dieser Stelle? Die (gelungene) Aufnahme von Theseus 532 sieht aus wie die Kulisse eines Endzeitfilms (zumindest wenn man den Hauch von Menschlichkeit ausblendet, der in den Gründerzeitbauten im Hintergrund leicht durchschimmert). So, wie man immer wieder einmal einen Werbeclip oder eine Filmszene in der berühmt-berüchtigten Fußgängerunterführung am ICC -- "Berlins Tunnel des Grauens" -- gesehen hat, werden wir sicher bald auch Szenen von diesem Eck sehen.

  • ^^ Im Brutalismus gibt es eine lange Tradition, besonders plastische Formen in Beton ohne Fenster als Felsmotiv zu interpretieren und den rauhen Beton bewusst im vermeintlichen Kontrast einer grünen Umgebung zu poetisieren. Deshalb war und ist Grün im Kontext von rauhem Beton sicher nichts Abwegiges. Ein verwandtes Landschaftsmotiv zum Grün waren im Brutalismus auch immer zahlreiche Wasserläufe, Brunnen und Bassins.


    Wobei der glatte und flache Fassadenbeton bei diesem betont urbanen Bau sicher nicht unbedingt nach einer Landschaftsdeutung schreit.

  • "Architektur ist das einzige "Kunsthandwerk", bei dem die Verletzung des Geschmacks- oder Stilempfindens einer großen Mehrheit in den tonangebenden Kreisen als Ausweis von Qualität und fortschrittlichem Geist gesehen wird."


    Einer großen Mehrheit unter wem? Wäre es nicht anzunehmen, dass historisierende Fassaden, wenn sie sich denn einer so zweifelsfrei großen Beliebtheit erfreuen und der Mehrheit so wichtig sind, auch häufiger gebaut werden würden, da sich die Objekte so besser vermarkten und verkaufen lassen? Gäbe es nicht längst ein Wetteifern in Sachen Aussenornamentik? Dieser Fassadenschmuck kann heutzutage in Serie aus Gasbeton o.Ä. gefertigt werden - die Kosten würden sich da in Grenzen halten... Warum bauen selbst Eigenheimler in den allerseltensten Fällen historisierend? Warum findet sich in den meisten Baumärkten keine Aussenstuckabteilung?


    Oder anders: Worauf beruht die Annahme, dass die "große Mehrheit" - "fortschrittliche" Architektur ablehnt?

  • Worauf beruht die Annahme, dass die "große Mehrheit" - "fortschrittliche" Architektur ablehnt?

    Welches Gebäude am Pariser Platz (außer dem Brandenburger Tor) wird am häufigsten photographiert?
    Oder am Schloss/Humboldtforum: welche der vier Außenfronten wird die beliebteste sein?

  • ... Warum bauen selbst Eigenheimler in den allerseltensten Fällen historisierend? Warum findet sich in den meisten Baumärkten keine Aussenstuckabteilung?


    Oder anders: Worauf beruht die Annahme, dass die "große Mehrheit" - "fortschrittliche" Architektur ablehnt?


    Ihre Meinung zum Thema des Strangs, " Neuer Suhrkamp- Verlagsitz Torstraße" ist nun genau welche?....


    Welches Gebäude am Pariser Platz (außer dem Brandenburger Tor) wird am häufigsten photographiert?
    Oder am Schloss/Humboldtforum: welche der vier Außenfronten wird die beliebteste sein?

    Ihre Meinung zum Thema des Strangs, " Neuer Suhrkamp-Verlagssitz Torstraße" ist nun genau welche? ...

  • ^Ich denke zusammengefasst ist das wieder die Diskussion Klassik gegen Moderne. Der Suhrkamp Verlag provoziert diese geradezu durch seine Brechreiz-Anfälle-verursachende Gestaltung.


    Und zum diskutierten Thema, warum es so wenig Eigenheimler gibt die historisierend bauen: Es gäbe viel mehr, aber der Laie ist hier leider auf sich selbst gestellt. Es gibt nur wenige Firmen/Architekten die sich z.B. auf amerikanische oder schwedische Häuser mit klassischen Elementen spezialisiert haben. Auf ein solches, werde ich im Übrigen setzen, da ich mich persönlich gegen die Version "Weiße 'Bauhaus' Box mit Löchern" entschieden habe.

  • Brechreiz verursachende Gestaltung? - Herzlichen Glückwunsch für diese sachliche Bemerkung.


    Und ja doch, dass so wenig historisierend gebaut wird ist natürlich Schuld Dritter. Jedes Schaf brauch seinen Lehrmeister.