Wilhelmstraße - Plattenbaumoderne vs Neubebauung

  • Hier sieht man das neue große Denkmalgebiet. Dass man die nicht abreißt, finde ich nachvollziehbar. Den Denkmalschutz für diesen Zweck zu instrumentalisieren ist jedoch ein Fehler. Ein zwei Prototypen vielleicht, aber doch nicht alles. Das wirkt einfach beliebig.


  • ^ Das Foto blickt ja auf eine unfertige Hinterhoflage: Die Ecke Gertrud-Kolmar- und Hannah-Arendt-Straße inkl. des deplatzierten Sportplatzes und des Parkplatzes über dem Führer sein Bunker. Das muss wirklich nicht so bleiben. Genau diese Gegend meinte ich neulich mit "viel Platz für Millionäre" – dort kann noch einiges, gerne auch hochpreisig, gebaut werden. Hunderte teure Wohnungen mehr, die ein städtebauliches Loch füllen, ohne dass eine einzige erschwingliche Wohnung abgerissen werden muss.


    Wo ist da eigentlich das Problem? Der Nimbus der Wilhelmstraße als Synonym für "Regierungsviertel" ist seit 70 Jahren perdu. Er wird auch nicht wiederkommen.

  • Du regst Dich permanent über Bimmelbahn auf, dabei fällt der Platz für Millionäre sprachlich in die gleiche Kategorie. Es soll diffamieren.

  • ^ Nein, ich meine das ganz ernst: In Gebäuden wie "The Wilhelm" kostet der Quadratmeter 15.000 Euro – für eine 100-qm-Wohnung ist man also mit 1,5 Mio. Euro dabei. Wer so etwas sein eigen nennt, ist per definitionem Millionär (spätestens wenn der Kaufkredit abbezahlt ist). Bereits jetzt liegt der Durchschnittspreis pro Quadratmeter in dieser Gegend übrigens bei 6.600 Euro – und da sind die zahlreichen Platten mit dabei.


    Ich habe gar nichts dagegen, dass es in Mitte Wohnungen für Millionäre gibt – auch diese Leute gehören in eine gemischte, lebendige Innenstadt. Es sollten nur auch günstigere Angebote da sein und vorhandener, erschwinglicher Wohnraum sollte nicht zerstört werden. Wie bei U-Bahn vs. Straßenbahn finde ich auch hier: Sowohl als auch. Und da zwischen Voss- und Hannah-Arendt-Straße noch locker zwei, drei Hektar für Bauplätze frei sind, sehe ich an dieser Ecke in absehbarer Zeit wirklich keinen Konflikt.

  • Es gibt in Mitte auch das Quartier Schützenstraße von Aldo Rossi aus den 90ern. Gefällt vielleicht nicht jedem, aber fällt sicherlich etwas aus dem Rahmen. Auch in der Friedrichstraße ist nicht alles schlecht. z.B. Galerie Lafayette von Jean Nouvel oder das Quartier 206 von Cobb.

    Danke KaBa die Beispiele sind wirklich ansehnlich und sind ausnahmslos Bauten der 90er in denen man etwas abwechslungsreicher an die baulichen Aufgaben zur Stadtreparatur heranging - es sind trotzdem auch für diese Zeit für mich eher seltene Positivbeispiele im Bereich Mitte.

    Bis auf den genannten Rossiblock, bilden diese genannten Bauten aber auch keine nennenswertem Wohnbauten geschweige denn Wohn- Qartiere aus.


    Überwiegend entstand in dieser Ära leider auch jede Menge Plunder. Die Zimmerstrasse 8 würde heute hoffentlich niemand mehr so bauen. Das Pendel schlug dann in die Gegenrichtung aus und uniformierte die Stadt mit steinernem Parametergehorsam.

    Die kritische Rekonstruktion wurde noch zäher und langweiliger als sie es sowieso schon war und wie im Fall des erst 1998 abgebrochenen Achardschen Stiftungsgebäudes ist das Ergebnis besonders ärgerlich, der Denkmalschutz hatte sich hier nur für die Erhaltung des Treppenhauses stark gemacht - das ist aber für den Großteil der Allgemeinheit gar nicht wahrnehmbar.


    Die die bisherig geleistete neue Bebauung in der Vossstrasse bildet eigentlich die ganze Impotenz unserer Tage ab-einen eleganten ansprechenden Straßenzug neu entstehen zu lassen. Die Straße fällt zudem als Zug durch die stark uneinheitliche Stadtraumdefinition in alle Richtungen für mich völlig auseinander und grenzt obendrein an weitere Räume die immer noch einen hohen Wiederverdichtungsbedarf haben.


    Die ganze Tristesse wird bestimmt von lose rumstehenden mäßigen Bauten auf der einen Seite und nur ängstlich gering differierenden Fassaden im Einheitsraster en Block auf der anderen Seite.

    Die hier abgebildete fantasielose Strenge hat mit preiswertem Massenwohnungsbau wohl mehr gemein als man bei der hier angezielten Käufer und Mietklientel vermuten würde.

    Millionäre werden heute hinter überwiegend ausdrucksarmen langweiligen Fassaden eigentlich ganz gut getarnt und ich gehe mal nicht davon aus dass absehbar irgendwelche Russ Oligarchen sich ein Würdevolles repräs. Palais errichten werden.

    Für mich bildet so was als Äquivalent zu den Plattenbauten keine wirklich überzeugende und aufwertende Option ab.


    Solang man nichts wirklich Besseres in der Lage ist an ihrer Stelle zu setzen braucht man über deren anhaltenden Bestand nicht wirklich zu diskutieren.


    Über den kurz vor der Wahl Ausgerufenen, aus der Hüfte geschossenen Denkmalschutz - aber schon.

    Man kann die Ernsthaftigkeit und Unabhängigkeit mit der der Denkmalschutz in dieser Stadt agiert - seine Aufgabe als widersprechendes Korrektiv im Baugeschehen und in der Entwicklung der Stadt da schon in Zweifel ziehen.


    Ich halte nach wie vor diese eilige Geste hier für ein rein taktisches ideologisiertes Statement.

    Und Denkmalschutz Bedeutet in Berlin wie man an anderen Beispielen sehen kann auch nicht optische Unveränderlichkeit, Rückführung in den Originalzustand oder dauerhafter Bestand. Diesen unverhandelbaren Ernst nimmt man zwar beim HdBV oder der Komischen Oper wahr, aber nicht bei den zahlreichen Bestandsbauten und Anlagen aus der Vorkriegszeit.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • Überwiegend entstand in dieser Ära leider auch jede Menge Plunder. Die Zimmerstrasse 8 würde heute hoffentlich niemand mehr so bauen.

    Das waren aber die 80er. Preisgekrönte IBA 1987-Bauten (Block 4) von Fin Bartels und Christoph Schmidt-Ott kurz vor der Mauer. Hier ein paar Bilder und Infos.

  • Danke für diese Korrektur ändert aber nichts an meiner Hoffnung dass man das so heute nicht mehr bauen würde. Zumal sich die Funktion der Straße ja nun mal merklich seit dem Fall der Mauer geändert hat😉

    Steht das Ding jetzt auch unter Denkmalschutz? -preisgekrönt IBA 87 heißt ja nicht unbedingt dass es gelungen ist, da wurd auch viel rumexperimentiert und bei vielem zählt m.M.n die Idee mehr als die Umsetzung.

    Diese Form Postmodernen Ausdruckes hielt sich so ziemlich die ganzen 90er - irgendwie immer ein bischen billig mit sinnfreien Architektonischen Schnörkeln, Plastikfenstern und meist in hässlicher Verpackung aus Fliesen oder Styropor. Frankfurter und Landsberger bieten da bis heute noch zahlreiche Beispiele muss man nicht unbedingt mögen und ist in der Form nicht unbedingt wert wiederholt zu werden.

  • Ich halte deine Einschätzung für grundfalsch. Die Qualität der IBA Bauten ist verglichen mit dem was heute gebaut wird, wesentlich höher.

    Das Problem ist meiner Meinung nach die Vernachlässigung. Diese Bauten sind nun mal meistens 30 bis 40 Jahre alt. Meist in kommunalen Besitz mit entsprechend dürftigen Budgets wurde die Instandhaltung vernachlässigt.

    Wenn man die Bauten renovieren würde, würden sie ihre Qualität und Wert noch wesentlich sichtbarer. Was du billigst nennst, ist nun mal ein relevantes Kriterium bei staatlichen Bauen für sozialen Wohnungsbau wenn es um Masse und nicht um ein paar Vorzeigebauten geht.


    Du äußerst Dich völlig - entschuldige bitte - ignorant gegenüber dieser Architektur. Es ist nämlich Architektur, im Gegensatz zu dem was die landeseigenen Gesellschaften heute so in die Landschaft setzen. Die immergleichen Kästen, de facto alle aus demselben Sortimentskasten ohne irgendeinen Anspruch.

    Vielleicht ist der ein oder andere Bau der IBA nicht vollkommen geglückt, das mag sein, aber das würde niemals rechtfertigen den immergleichen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bauen, was heute geschieht. Es ist ein Armutszeugnis. Die wenigen Ausnahmen werden entsprechend gelobt, es gibt viel zu wenige.


    Die IBA Bauten zeigen eine Variabilität, sind geradezu oft einmalig und individuell, setzen unterschiedliche Ansätze von Architekten um, Formen und Materialien, die einen Wohnwert besitzen und eine Atmosphäre schaffen, die mir wesentlich lebenswertet erscheint als vieles was sonst so entsteht. Ich bin sicher, die Bewohner sind äußerst glücklich darin zu wohnen und müssen sich nicht schämen oder werden stigmatisiert, weil man sieht wo sie zu Hause sind, was bei vielen Behausungen bestimmt der Fall ist.


    Ich fahre oft vom Prinzenbad durch Kreuzberg nach Mitte und entdecke und schätze mehr und mehr diese Bauten und würde mir nur wünschen der Bezirk oder die Eigentümergesellschaften würden mehr in Sanierung investieren.

  • Das sehe ich ähnlich. Plastikfenster und Styroporfassaden gibt es doch auch beim heute gebauten Würfelhusten oft genug.

    Verglichen mit den gleichförmigen Betonmonstern der 70er, die zudem auf Grund experimenteller Materialien und fehlender Erfahrung mit Betonbau oft auch eine mangelhafte Qualität aufweisen und dem heute üblichen Maximaleinfallslos Würfel bevorzuge ich eindeutig die 80er und 90er Postmoderne.

  • Danke KaBa die Beispiele sind wirklich ansehnlich und sind ausnahmslos Bauten der 90er in denen man etwas abwechslungsreicher an die baulichen Aufgaben zur Stadtreparatur heranging - es sind trotzdem auch für diese Zeit für mich eher seltene Positivbeispiele im Bereich Mitte.

    Lieber Endell, beim Thema Qualität der IBA Bauten bin auch ich gespalten, zudem glaube ich nicht, dass diese alle unter Denkmalschutz gehören.


    Beim Thema Bauten im historischen Zentrum Friedrichstadt und Dorotheenstadt (ohne Potsdamer und Museumsinsel) muss ich dir diesmal jedoch widersprechen. Ausgehend von der Mall of Berlin mit den Aussichtspunkten zum Bundesrat gibt es eine Menge an Neubauten im hist. Zentrum (Grenze Spree/Leipziger) zu entdecken.


    Geh mal weiter zur Mohrenstraße und betrachte die feinen geschosshohen Ergänzungsbauten des Ministeriums durch Kleihues jun. Vorlaufen zur Friedrichstraße und dann nach Süden bis zur Leipziger die Eingangshallen-/bereiche der Neubauten an der Friedrichstraße mal genau begutachten. Die sind allesamt sehr eigen.
    Dann nach Norden das Quartier 110 ist sauber renoviert worden, Lafayette, Q206, Ungers-Bau auch Passagen begutachten (auch wenn da grad viel im Umbruch ist). In der Taubenstraße empfehle ich die Innenhalle der DKB-Bank (einmal südlich, einmal von Mäckler im Norden). Die Französische Straße ist aus meiner Sicht äußerst gelungen, besonders die beiden Neubauten an der Markgrafenstraße. Dabei die Telekom-Hauptstadtrepräsentanz nicht vergessen.

    In der Friedrichstraße finde ich beim DEKA-Haus Ecke Behrenstraße besonders die Staffelgeschosse gelungen. Das Lindencorso mag ich, nur leider konnte VW mit der fein gegliederten Innenhalle nichts anfangen. Die Charlottenstraße finde ich ist zwischen Linden und Französische besonders ausdrucksstark. Bitte Dächer beachten und wenn möglich mal in die Deutsch Bank hineingehen.


    Die Arkadengänge "UpperEastSide" - Dussmann sind aus meiner Sicht sehenswert, zudem finde ich Dussmanns Innenleben klasse. Nur hat mir im hinteren Bereich früher der Wasserfall besser gefallen als die Pflanzenzierwand. Nach Norden weiter ist die Plaza des Handelszentrums nicht von schlechten Eltern und die Humboldt-Uni ist genial, du musst da mal rein und von oben runterschauen!


    Nach Westen über den Neustädtischen kirchplatz, hier passiert eine Menge, den ZDF-Zollernhof nicht vergessen. WeEnn man sich dann nördlich hält kommt man zum ARD-Bau, der besticht vor allem im Inneren. Die Fassade des Bundesbaus Wilhelm/Dorotheenstraße finde ich sehr gelungen, nur leider wurde am Erdgeschoss gespart. Das Jakob-Kaiser-Haus sollte besichtigt werden um seine Qualitäten zu erkennen.

    Am Pariser Platz ist vor allem der Gehry-Bau überragend, das Adlon Postkartengerecht und alles weitere bis auf die Akademie sehr solide Architektur.


    Vielleicht kennst du das auch alles, da will ich dir nicht zu Nahe treten. Ich persönlich finde dass diese Gegend eine eigene Qualität in Berlin darstellt. Mehr und besser geht immer, ich finde jedoch dass sich das Erreichte nicht verstecken muss. Mit dem Tacheles, The Wilhelm, Embassy etc kommt neues und nicht schlechts hinzu.

  • Ich weiß auch das die IBA als Ereignis von vielen wertgeschätzt wird und ihren Beitrag zu einem lebhafteren weil vielfältigeren architektonischen Straßenbild anders als es wohl bis dato Praxis im Wohnungsbau war, kann ich durchaus anerkennen und stelle ich gar nicht in Abrede. Und ja es muss auch erlaubt sein, heilige Kühe wie die IBA Bauten losgelöst von ihrer baulichen und soz. Intention die in der Zeit des Entstehens gegeben war - neu zu betrachten und zu hinterfragen.


    Teilweise haben sich die Stadträume und Funktion der Gebäude gegenüber der Vorwendesituation doch erheblich geändert.


    Genauso wenig, wie ich mich zu einem Plädoyer für die angenobelte ermüdende Einfaltslosigkeit des alles umgebenden derzeitigen Fertigteilerasters hinreißen lasse kann ich mich für Willkür, Kontextlosigkeit und Unangemessenheit im Ausdruck durch Material und Farbe begeistern.

    Dafür stehen die 80er und 90er neben durchaus respektablen, spannenden, gelungenen und einfühlsamen Bauleistungen eben auch.


    Ich empfehle an der Stelle gern mal einen Blick in Gerkans „Stadtarchitektur“ von 1987.

    das wurde in den Nachwendejahren eigentlich in der Breite unwesentlich besser.


    In Berlin Mitte hat man sich zugegeben etwas mehr Mühe in der Ausführung gemacht.

    Am Gendarmenmarkt hätte man die Entwürfe aber besser in der Schublade gelassen und auf nen anderen Architekten als Dudler warten sollen.

    Ungers als vielseitiger streitbarer Architekt beherrschte sowohl Raster als auch Expression -ich muss gestehen ich vermisse weder seine Anlage am Lützowplatz noch würde mir sein Raster in der Friedrichstraße merklich fehlen.


    Ich kann verstehen dass man sich mit den heutigen Produkten der überkorrekten Gestaltungsarmut langweilt aber ich käme trotzdem nicht auf die Idee jetzt ausgerechnet 90er geschw. 80er wiederzubeleben auch wenn altersbedingt ein paar nostalgische Gefühle aus verschiedenstem Anlass damit verbunden sind.


    Ich persönlich wurde mit dem wilden Charakter vieler solcher Bauten erst mit der Wende konfrontiert, und das eben nicht als soz. Wohnungsbau oder als feingeistiger Gedankengang zur Stadtreparatur, sondern eher als peinliche, geltungssüchtige Expression an Geschäftshäusern, Konsumtempeln, Filmpalästen, Bürobauten etc., gerne noch angespuckt mit Mauthausener Granit, Keramik oder Ziegelriemchen, damit es nicht ganz so ordinär, sondern teuah aussah, legte ja schon damals nicht jeder Wert auf den sommersprossigen veralgten WDVS - Look. Der seit dieser Zeit undifferenziert ganze Straßenzüge mit interessanter Bebauung in die Tonne drückte und irriger Weise die entsorgungsprobleme dieses Verbundgiftmülles in seine Ökobilanz nie ein einspeiste.


    Ich kann mich gut an die Zeit erinnern als man anfing diese Philosophie der postmodernen authistischen kontextignoranten Architektur die teilweise zu blödsinnigen und unpraktischen Formalien führte, zu hinterfragen.


    Ohne ausreichende Baulücke wurden Ansehnliche oder wertvolle Altbauten für irgendwelche Center und Modehäuser dahingerafft oder Trendy deformiert weil man auf das aberwitzige, kurzlebige Spektakel dieser Architektur setzte und die präkäre wirtschaftliche Situation viele exaltierte Projekte für Denkmalschutz und Stadtentwicklung tolerabel machte.


    Für den Ausbau des Zollernhofes - kamen 2/3 des Bestandes in den Orkus, dazu gehörte auch die Erweiterung von Bielenberg und Moser aus den 30ern in der Mittelstrasse 45, die Abrissbirne erledigte den angelehnten Antrag auf Abriss Mittelstrasse 44 „durch unsachgemäßem Vorgehen“ - quasi von selbst, auch wenn der Bau final erst 2000 abgetragen wurde - 2001 nahm man gleich noch die denkmalgeschützte Mittelstrasse 50 mit in den Container und ersetzte sie durch einen engherzigen Referenzbau.


    Es gibt also beispielhaft wenig Anlass diesen Denkmalschutz Berliner Eigenart für das Plattenbauensemble oder auch für zeitlich vergleichbare Objekte als beständig anzusehen.


    Auch wenn das vielleicht für einige einen Spalt Hoffnung für die Entwicklung dieses Areales bedeutet, finde ich grundsätzlich diesen unsteten Umgang mit Baudenkmalen beunruhigend, ärgerlich und denkbar schädlich für das Ansehen und den Einfluss dieser Instanz, die nur und das am besten vorausschauend und verbindlich dem Interesse der Allgemeinheit verpflichtet sein sollte. Weder haben private Motive, Zeitgeist noch Pol. und wirtschaftliche Interessen in einer generationenverbindlichen, wissenschaftlich fundierten, unabhängigen Bewertung und im Akt der Erhebung etwas zu suchen noch sollte der Eindruck erweckt werden dass die Energie zur Verteidigung und Durchsetzung von Denkmalschutz sehr selektiv ernst genommen wird.


    Man wird sehen wie sich Projekte wie dieses „the Wilhelm“ in der Wilhelmstrasse entwickelt, bisher bin ich von dem Entwurf nur mäßig überzeugt- die 3teilung finde ich gescheit auch wenn mich die ungebrochene Traufe doch sehr stört ebenso wie diese leidigen verknappten Geschossproportionen die solche Stilbauten immer zu ner Karrikatur ihrer Vorbilder machen- the embassy ist für mich jetzt schon eher eine Enttäuschung da hat man sich in manchen Details ordentlich verheddert.

  • Lieber Endell, das Thema Denkmalschutz ist tatsächlich sehr vielschichtig. Stimmann nannte die Berliner Denkmalschützer mal "Gerümpelsammler", andererseits sind wir sicher alle sehr froh, dass wir einen institutionellen Denkmalschutz haben.


    Der Denkmalschutz ist natürlich auch Moden-/Stimmungs- und auch personellen Schwankungen unterworfen. So wirkt es derzeit so, als wenn insbesondere die Hinterlassenschaft der DDR besonders im Schutzfokus stehen. Bei genauerem Hinsehen ist dies jedoch nicht unbedingt so. Als man Unter den Linden das Wiratex-Gebäude (nach meiner Meinung ein gelungener Bau der 60er Jahre, was man von den anderen aus dieser Zeit UdL nicht behaupten kann) abgerissen hat für einen Neubau des Bundestages konnte ich vom Denkmalschutz nichts vernehmen.


    Hierbei kommt halt dann auch ein Schuss Unglaubwürdigkeit hinzu, wenn man die Bauten der 89/90er Wilhelmstraße oder das Nikolaiviertel von Seiten des Senats unter "Schutz" (Denkmalschutz oder Bestandsschutz, was auch immer) stellt. Hier scheint es eher ein letztes Aufgebot zu sein um den überragenden Marktdruck etwas entgegen zu setzen. Hier wäre es ehrlicher, wenn auch kostspieliger gewesen, die Gebäude zurückzukaufen. Zudem überzeugt mich der Berliner Denkmalschutz nicht ganz, wenn er einerseits Sichtachsen vom Treptower Mahnmal vor einem Hochhaus schützt, UdL allerdings keinen Vertreter der Epoche der 60er zu würdigen weiß, das Wiratex-Gebäude hätte sich als ein für DDR-Verhältnisse sehr abwechslungsreiches Gebäude angeboten.

  • Hallo K-1 noch gibts ja das Aeroflot Gebäude.

    Ich muss gestehen ich wäre wohl ein schlechter Anwalt für das denkmalgeschützte Wiratexgebäude gewesen. Ich kann mit den 60ern besonders unter den Linden wenig anfangen, das sind meist Bauten mit im besten Fall, Punktuellen Details, an denen man sich sehnsüchtig nach Gestaltung dann euphorisch abarbeitet.


    Ich pers. denke man hat sich von dieser Sackgasse der Moderne zu Recht verabschiedet, umso befremdlicher finde ich dass eine Menge an Neubauten diese ereignisarme Architektur noch langweiliger denn jeh, mit ihren Gitterrastern auf ner 0815 Kubatur, für mich in gewisserweise anrufen.


    Beim Wiratex waren es dann die bunten Mosaiksteinchenflächen und das Wabenrelief an der Seite, die das Gebäude aus der völligen Belanglosigkeit der Gestaltung heraushoben.

    Mit den übrigen anliegenden Wiederaufbauleistungen seiner Zeit, bilden diese Kästen einen abgenabelten Zirkus aus Apparatschikarchitektur, der die Bürokratenvereinahmung und damit die Abkehr, von der bis zur Zerstörung existenten Urbanität und Relevanz für die breite Stadtgesellschaft, begründete.


    Leider hat man bei allen Ambitionen, der Straße wieder zu einem lebhaften Selbstverständnis zu verhelfen, versäumt in der Breite, relevante Angebote für das Publikum aufzustellen - und kommt aus der Bürokraten- Sackgasse die die 60er schon rein vom Unterhaltungswert der Architektur und ihrer Aufgaben dort initiiert haben, nicht raus. Selbst die Gelegenheit hier die Sanierung und Erweiterung der KOMISCHEN Oper zu nutzen um die Tristesse der ernsten, gediegenen Langeweile auf dem Ende aufzubrechen, hat man nicht genutzt. Wie fantastisch wäre in dem Millieu ein Stück vom überschwänglichen Zuckerguss der 1890er gewesen - da hätte der müde Flaneur wirklich Reibung und Party fürs Auge gehabt.


    Das Juwel Schadowhaus stand ständig im Schatten dieser Wiratex-Architektur und das wird sich leider auch mit dem zukünftigen grobkörnigen BüroKlotz an der Backe nicht ändern.


    Büroraster mit Steintapete ist jetzt für mich weder eine praktische noch ästhetische Nützlichkeit für einen Prachtboulevard.

    Da hätte man durchaus genauso den bestehenden Bau erhalten und unter Beibehaltung seiner charakteristischen Details als historischen Baustein, transformieren können.


    Schon Beim Otto Wels Haus hat man ähnliches getan, nur dass die sowieso spärlichen, gestalterischen Ereignisse, die den Bau als historisch gewordenen Beitrag der Wiederaufbauphase in den 60ern identifizieren ließen, mitentsorgt wurden. Nach bekunden soll das Gebäude nun an bestimmten Punkten Klassizistisch anmuten - ich frag mich nur wo.


    An der Wahrschauer Straße 5 kam man nach meiner Meinung zu einem durchaus ansehnlichen überzeugendem Ergebnis wie man mit dem fehlenden gestalterischen Angebot eines Plattenbaues umgehen kann und aufwertend transformiert ohne sein modernes Naturell zu verleugnen und damit lächerlich bis hässlich zu wirken.


    Etwas Ähnliches wäre für die Platten in der Wilhelmstrasse auch vorstellbar obwohl man bei historisierenden Plattenbauten

    noch mit mit dem lavieren zwischen der modernen Identität und dem kleinbürgerlichem Wunschbild der guten alten Zeit eine Unentschlossenheit vorfindet die einen hässlichen Hybriden zum Ergebnis hat.


    Hier könnte man drüber Nachdenken den eigenen Segmentcharakter des Plattenbaues zu betonen und die billig, rohe und graue Oberflächenerscheinung mit Wertigen Materialien quasi vollendend verblenden.


    Ähnliches hat man an anderer Stelle schon zu Zeiten ihrer Entstehung mit Keramik und Terrakottafliesen gemacht.


    Nur würde ich die Segmentfugen mit Profilen und nicht mit Teer schließen. Zudem könnte man mit variierenden Farb und Materialanmutungen einzelne Adressen ausbilden. Ich denke das könnte durchaus ein ansprechendes, aufwertendes Ergebnis bis hin zu künstlerischer Eigenart ausbilden die auch ästhetisch längerfristig mit der Umgebung und Bedeutung der Straße versöhnen.

    Ist halt auch eine Frage wie gestalterisch Stilsicher man das dann lösen würde, um nicht als usbekischer Bahnhof 2.0 ins Stadtbild eingetragen zu werden.


  • Guten Abend,


    ich bin neu hier im Forum und winke mal kurz allen zu. :)


    Mich interessiert besonders das Schicksal der Wilhelmstraße und des Neubaus "The Wilhelm" - deshalb danke für all Eure Beiträge und Fotos dazu!


    Über den Denkmal- oder Bestandsschutz für die Plattenbauten kann man trefflich streiten. Ein städtebauliches Highlight sind sie optisch sicher nicht, und auch die Wohnqualität kann mit modernen Bauten nicht mithalten. Da machen sich doch so einige Unzulänglichkeiten der DDR-Bauweise bemerkbar (wie z.B. zu niedrige Türöffnungen in den Wohnungen, mit nur 1,90 m Höhe). Aber zugleich ist das eben doch sehr zentraler Wohnraum, und wer hier schon lange wohnt, zahlt eine sehr akzeptable Miete.


    Fragwürdig ist allerdings die Nutzung vieler Wohnungen als Ferienappartements. Die Nutzung durch Touristen oder Sprachstudenten etc. führt leider häufig zu Konflikten mit den verbliebenen Langzeitmietern, da die Tagesabläufe und Bedürfnisse doch sehr unterschiedlich sind.


    Aus meiner Sicht wäre es sehr wünschenswert, wenn die Wohnungen wieder in staatliche bzw. bezirkliche Hand kämen und als bezahlbarer Wohnraum erhalten würden. Allerdings wären auch dringend mal einige Sanierungsmaßnahmen notwendig, die bisher wohl hauptsächlich wegen der Unklarheit über die Zukunft der Bauten unterlassen wurden. Und solange man mit den Ferienwohnungen auch im aktuellen Zustand der Gebäude sehr gutes Geld machen kann, hat man ja auch kaum Anlass, Geld in die Sanierung zu stecken.


    Wenn das, was vom Bezirk als erhaltenswert betrachtet wird, nun auch wirklich gut erhalten und gepflegt würde - das gilt vor allem auch für die Grünflächen zwischen und hinter den Häusern -, würde es tatsächlich eine besondere und wertvolle Wohnlage bleiben.

  • ^Willkommen! Der Wunsch das diese Wohnungen wieder in staatliche Hand kommen ist sicherlich ein frommer. Genauso wie der Wunsch eines Großteils der Berliner die für eine "Enteignung" der "Deutsche Wohnen" gestimmt hat. Was diese aber übersehen: So ein Aufkauf (Pseudo-Enteignung, eine echte Enteignung ist ja rechtlich überhaupt nicht möglich) ist pervers teuer und man könnte mit diesem Geld tausende neue Wohnungen bauen, die das echte Problem (nämlich wenig Angebot bei hoher Nachfrage) wirklich lösen könnte. Insofern man es dann mit dem Bau tausender neuer Wohnungen schafft ein höheres Angebot zu schaffen, das die Nachfrage sogar übersteigt, bekommen die Spekulanten die Wucherpreise verlangt haben, dann automatisch eins auf den Deckeln, denn dann fallen die Mietpreise endlich.

  • Auch das ist nur ein frommer Wunsch, bzw die fast schon verzweifelte Hoffnung, dass es etwas gäbe, was gegen den Mangel helfen möge.

    Ich befürchte, es wird alles nicht helfen. Die Nachfrage und der Druck ist einfach zu hoch, die weltweite Sehnsucht, nach Deutschland und dort nach Berlin zu kommen ist einfach viel zu hoch.

    Baut Wohnungen für 1.000.000 Menschen, dann kommen 1,1 Milliionen und es nützt nichts.


    Helfen könnten langfristig angeglichene Lebensverhältnisse sein, aber auch das ist sowas von ein frommer Wunsch ...

  • ^Auf Basis der Demographie müsste die Bevölkerungszahl in D eigentlich stark abnehmen - trotz massivem Zuzug...So schnell würde ich also nicht aufgeben.


    PS: In Berlin ist die Einwohnerzahl übrigens seit 2019 nicht mehr gestiegen, sondern sogar leicht gesunken.