Berliner Stadtverkehr (Straße, Bus, Bahn, Wasserwege, Gebäude)

  • Rainer Tee Was für Berichte hast Du denn gelesen? Aktuelle Berichte aus Berlin? Ich habe zumindest seit den schweren Geländewagen mit Gitterrahmen nichts Derartiges mehr mitbekommen. Und das ist schon einige Jahre her.


    Eigentlich werden bei Neuwagen die Kriterien für den Schutz der "Unfallgegner" tatsächlich immer strenger. Das hat sowohl das Design von Klein(st)wagen als auch von SUVs schon maßgeblich beeinflusst. Deshalb gibt es z.B. auch keinen klassischen 2,5 Meter Smart mehr und auch ein Twingo hat keine ganz so knubbelige kurze Front mehr. Das Auto soll den Fußgänger sozusagen umhebeln und auf die weiche Motorhaube prallen lassen. So wird die Energie am besten kompensiert. Aber natürlich sind das genormte Abläufe, die womöglich nur 95 oder 99,9 Prozent der Aufprallmöglichkeiten abdecken und nicht 100. Ansonsten sind trendige SUVs meist wirklich kaum schwerer und nur etwas höher als klassische Autos (ins Gelände fahren die ja ohnehin nicht und meist fehlt sogar der Allradantrieb). Tatsächlich treffen jedoch beide Kriterien auch auf den ID.3 (deutlich höher als ein Golf und vor allem weitaus schwerer). Teslas sind zwar teils flacher aber dafür trotzdem schwer und vor allem unheimlich schnell in der Beschleunigung. Ausgerechnet Elektroautos wären demnach in Sachen Unfallenergie sicher nicht die angenehmsten 'Unfallgegner'.


    Davon abgesehen finde ich aber generell nicht, dass Autos in der Innenstadt die Zukunft sein sollten. Sichere Elektroautos etwas eher aber auch nicht in Massen. Allenfalls als ein ergänzendes Nischenangebot für spezielle Aufgaben, so wie es wohl auch beim Siemenscampus sein wird.

  • ^^

    Du hast wohl eher ein Problem mit den Fahrern als mit den Autos. Natürlich gibt es Leute, die dicke Autos fahren, um andere einzuschüchtern und/oder irgendwelche Großmannskomplexe auszuleben, aber die Autos selbst sind sicherer als jemals zuvor, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel, dafür sorgt allein die stark verbesserte Sensorik, die zumindest in höherpreisigen Modellen heute schon aktiv angreifen und Bremsvorgänge durchführen kann, lange bevor der Mensch reagiert.


    Früher oder später wird es so laufen wie in "The fifth element", also nicht dass die Autos alle fliegen, sondern dass einem das Auto selbst bei Verkehrsverstößen die Punkte in Flensburg einträgt und bei entsprechendem Punktestand die Weiterfahrt quittiert. Dann haben auch die Idioten wenig Chancen mehr, wenn sie nicht Bruce Willis heißen und gerade die Welt retten müssen.

  • Bestimmte Autofahrer kaufen sich entsprechende Autos und verhalten sich wie beschrieben, das ist lange bekannt.


    Wie soll ein kleiner Mensch auf eine Motorhaube prallen die höher ist als er selbst?


    Es macht einfach einen Unterschied ob ein Auto mit 800 kg oder 2800 kg mit 50 km/h irgendwo reinfährt. Das sind einfachste Gesetze der Physik, hat aber mit dem Stadtverkehr in Berlin speziell nichts besonderes zu tun. Deshalb steige ich hier aus der Diskussion aus.

  • Ansonsten sind trendige SUVs meist wirklich kaum schwerer und nur etwas höher als klassische Autos

    Naja, zwischen 1er und X1 liegen bspw. 16 cm. Eine Menge. Das ist ja auch einer der Hauptgründe für die Anschaffung eines SUV - höhere Sitzposition, bessere Übersicht nach vorn, bequemeres Einsteigen.


    Bzgl. Unfälle: 2018 gingen 8,1 % aller Verkehrsunfälle mit Hauptverursacher Automobil auf SUVs und Geländewagen zurück.

    Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft kommt zu dem Urteil, stärkeren Einfluss als das Gewicht hätten Geschwindigkeit und Art des Zusammenstoßes. Ab 50 km/h wird es im Auto mindestens lebensgefährlich, meistens sogar tödlich, egal mit welchem Fahrzeug. Treffen Fußgänger und SUV aufeinander, spielen laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2011 sowohl die Größe des Unfallopfers als auch die Länge der Motorhaube des SUV eine Rolle. Landet der Fußgänger auf Haube oder Scheibe, seien die Überlebenschancen relativ hoch, trifft er auf den Scheibenrahmen, schlecht. Für die Insassen ist der SUV, offensichtlich, sicherer als Modelle herkömmlicher Bauart ähnlicher Klasse (höheres Eigengewicht führt zu geringen Schäden).


    Quelle: SZ vom 09.09.2019

  • Auch die Vorplanungen zur Fortführung der S-Bahn von Spandau aus, sowie des viergleisigen (!) Ausbaus der Bahnstrecke Spandau - Nauen sind ausgeschrieben. Es sollen mehrere Optionen untersucht werden:


    - Fortführung der S-Bahn bis Falkensee

    - Fortführung der S-Bahn bis Finkenkrug

    - Abzweig ab Bahnhof Nauener Straße zur Falkenseer Chaussee auf der Trasse der OHE

    - Unterirdische Führung der S-Bahn zwischen Stresow und Nauener Straße, um Platz für den Ausbau des Bahnhofs Spandau zu gewinnen.


    Knack- und Fixpunkt der Planung ist der Ausbau des Bahnhofs Spandau mit mindestens zwei weiteren Gleisen, sowie die niveaufreie Errichtung von Überwerfungsbauwerken für die bessere Entflechtung der Strecken nach Hannover und Hamburg.


    https://www.i2030.de/wp-conten…n-Spandau-Nauen-Flyer.pdf

  • sowie die niveaufreie Errichtung von Überwerfungsbauwerken

    Meinst Du barrierefreie Errichtung oder tatsächlich niveaufrei im Sinne von niveaulos, was ja bei manchen Planungen von Verkehrsinfrastruktur nicht ausgeschlossen ist :)

  • Weder noch. Niveaufrei im Sinne der Bahnersprache heißt, dass die Verzweigung von Strecken ohne höhengleiche Kreuzungen von Gleisen durchgeführt wird. Dafür sind Überwerfungsbauwerke notwendig, Brücken und Rampen. Aber der Gewinn an Kapazität und Sicherheit ist natürlich beträchtlich. An vielen Eisenbahnknoten fehlen ebendiese Bauwerke, um die Kapazität zu steigern.

  • Eine etwas seltsame Studie ist von der Initiative "Stadt für Menschen", dem BUND und dem Fahrgastverband IGEB veröffentlicht worden. Demnach sollten in Berlin keine weiteren U-Bahnen gebaut werden, weil deren Errichtung zu viel CO2 verbraucht. Einsparungen durch weniger Straßenverkehr würden sich erst in über 100 Jahren sich positiv auswirken. Besser sehe es mit Tramlinien aus. Auch die S21 bekommt ein positives Urteil.


    Die Berliner Morgenpost berichtet hier, allerdings muss man sich anmelden. Im Neuen Deutschland gibt es eine freie Meldung.


    Das Ergebnis der Studie kann hier nachgelesen werden.

  • Der IGEB ist schon lange Selbstzweck und vertritt nicht mehr die Interessen der Fahrgäste. Die Presse braucht die IGEB für den Unterhaltungswert skurriler Nachrichten und umgekehrt braucht die IGEB die Öffentlichkeit noch mehr.

  • Es ist ja nun schon länger bekannt, dass man für den Preis eines Meters U-Bahn hundert Meter Straßenbahn bauen kann. Ähnlich verhält es sich wahrscheinlich mit der Umweltbilanz.

  • Ich habe die Studie überflogen und finde sie auch ganz interessant. Sie legt den Schwerpunkt auf die Graue Energie, die im Bauwesen sonst häufig vergessen wird – z.B. wenn es um den Abriss alter Gebäude und ihren Ersatz durch Neubauten mit besserer Energiebilanz geht. Es dauert halt oft lange, bis sich der zusätzliche Energieaufwand durch den Bau amortisiert hat. Entsprechend auch bei der U-Bahn. Gut, wenn die Politik für ihre Entscheidungen auch solche Fakten kennt. Aber es ist natürlich nicht die einzige Dimension. Um Kapazität und Geschwindigkeit kümmert sich die Studie z.B. nicht.


    Ich finde, Berlin sollte endlich aufhören, Straßenbahn gegen U-Bahn zu diskutieren. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile – auch abseits der Umweltbilanz. Die Trambahnstrecken vom Hauptbahnhof Richtung Landsberger Allee und vom Alex Richtung Weißensee sind überlastet, wegen diverser Engstellen zu langsam und sollten m.E. langfristig durch U-Bahnen ersetzt werden. Auch die Verlängerung der U7 zum BER halte ich für dringend notwendig. Aber das spricht doch nicht dagegen, das Straßenbahnnetz auszubauen. Für Mittelstrecken sind Straßenbahnen auf eigenem Gleiskörper ein Segen.

  • Kannst Du auch sagen, was Du an der Studie seltsam findest? Ich finde sie hoch interessant.

    Na ja, U-Bahnen rein auf den CO2 Ausstoß zu reduzieren halte ich für etwas zu kurz gesprungen. Sie sollen vor allem auch innerörtliche Verkehrsprobleme lösen. Außerdem werden U-Bahnen wirklich für einen Zeitraum von 100 Jahren gebaut. Wo ist also das Problem. Wer von Pankow zum Alex oder von Hönow zum Strausberger Platz fährt, ist froh, dass er eine U-Bahn hat und nicht mit der Straßenbahn zuckeln muss. Und bei all den geplanten (kurzen) Verlängerungen sollten die verkehrstechnischen Verbesserungen (die ja nicht mit dem Umstieg auf eine mögliche Tram gelöst werden) im Vordergrund stehen und nicht nur die kurzfristige CO2 Einsparung. Langfristig spart auch die U-Bahn.

  • Man geht davon aus, dass 10 bis 15% der weltweiten Treibhausgase durch die Bauindustrie, vornehmlich die Zementindustrie entstehen. Nicht zu Bauen ist aber auch keine Lösung. Da wäre es in diesem Forum langweilig, obwohl ich das Argument der CO2-Vermeidung bei der vorschnellen Entscheidung für Abrisse interessant finde. Vor allem wenn man aber berücksichtigt, dass allein in China in den letzten 10 Jahren 900 km U-Bahn gebaut wurden, dann hat die Studie eine Mauselochperspektive.


    Edit: Der Straßenbahn tut man mit der Studie nur vermeintlich einen Gefallen. Die Null-Option, d. h. es bleibt beim (vielleicht elektrifizierten) Bus anstelle des Tram-Baus, spart nämlich auch CO2.

  • Tomov Das Verhältnis Tram vs U-Bahn 1:100 kannte ich nicht aber dem widersprechen die im Artikel genannten Strecken doch deutlich. Dort ist eine besonders vielfrequentierte Tram-Strecke mit 9,4 Jahren explizit als Positivbeispiel genannt und U-Bahn-Strecken mit 109 (U9 nach Pankow), 114 (U7 zum BER), 168 (U8 nach Märkisches Viertel) und 230 (U6 nach Tegel) Jahren als Negativbeispiele. Das sind aber selbst im ungünstigsten Fall noch knapp unter 1:25 im günstigsten deutlich unter 1:12.


    Architektenkind Was Abriss und Neubau angeht, bin ich allerdings auch für ein Umdenken. Wenn die Substanz gut ist und man nicht mal deutlich nachverdichtet, ist das ökologische Argument jedenfalls sehr fragwürdig - das gilt allerdings auch für viele Dämmverfahren. Und wo wir beim Verkehr sind: Auch e-Autos sind nicht automatisch ein Gewinn als Alternative für Haushalte mit ohnehin schon existierenden Autos oder gar einem bisher autolosen Haushalt - schon gar nicht die mit riesigen Akkus. Die Wegwerfgesellschaft ist ein Fluch für diesen Planeten, da ist ein Ubahnbau vermutlich trotz allem noch ziemlich nachhaltig. Zumal es auch um Effizienz im ÖPNV geht (zu Fuß gehen wäre sonst die beste Alternative).

  • Übrigens noch einmal zur U5, die morgen die neue Strecke eröffnet: Wenn man dachte, dass die Strecke hier nach all den Jahren endlich fertig ist, hat man unabhängig von der möglichen Westverlängerung zu kurz gedacht (war mir selbst auch nicht mehr bewusst):


    Denn während die nur 2,2 neuen Kilometer in 7 Minuten durchgerattert sind, liegt in der ungleich längeren Altstrecke noch gutes Potenzial für Beschleunigung. Aktuell fahren die Züge dort demnach wegen veralteter Signaltechnik maximal 60 statt 70 km/h - gerade bei den teils langen Stationsabständen verschenktes Potenzial. Typisch Berlin: Statt das gleichzeitig mit der spektakulären und mit neunstelligen Investitionskosten irre teuren Verlängerung anzugehen, ist dort u.a. aus Kostengründen leider frühestens ab 2027 neue Signaltechnik geplant. Bis dahin zeichnet sich dann vielleicht ja auch schon ab, ob die weitere Westverlängerung jemals kommt. Irgendwann in nächster Zeit sollen diverse östliche Bahnhöfe der U5 dann auch real ihren Denkmalschutz erhalten (mW zum Glück ohne die Signaltechnik 😉).

    Man merkt aber mE, dass bei der Ubahn oft in Jahrzehnten und Generationen gedacht wird/ werden muss, was wie gesagt auch das Kosten- und CO2-Argument deutlich relativiert...

  • Bei der Sanierung des Tunnelabschnitts Alexanderplatz - Tierpark in den Jahren 2004/2005 wurden die Isolierstöße der Gleisfreimeldung bereits angepasst, so dass die Schutzstrecke für 70 km/h ausreichend ist. Die Schutzstrecke (Durchrutschweg) bezeichnet die Strecke, die nach Überfahrt eines Halt zeigenden Signals frei von Hindernissen sein muss, so z. B. vom vorausgefahrene Zug.


    Auf der freien Strecke nach Hönow wurde nichts verändert. Die Anlagen sind aus 1988/1989 und somit noch nicht am planmäßigen Ende der Lebensdauer angekommen. Zum Vergleich: Im Bereich der U7/U9 (Kreuz des Südens - Berliner Straße) wird erst jetzt der Ersatz der Anlagen von 1971 vorbereitet und demnächst ausgeführt.


    Aber: Lieferant der Signalanlagen auf der Linie E (heute U5) war das Werk für Signal- und Sicherungstechnik (WSSB) in Ost-Berlin. Siemens hat den Support nach der Wende übernommen. Bei der Planung zur Erhöhung der Geschwindigkeit auf der U5 sah es lange Zeit so aus, als wäre es mit Umbauten der Altanlage machbar. Jedoch bringt die Erhöhung der Geschwindigkeit auch die Notwendigkeit mit sich, an einigen Stellen Geschwindigkeitsüberwachungen einzubauen. Siemens konnte für diese Integration neuer Technik in die WSSB-Altanlagen keine Gewähr übernehmen. Aufgrund der knappen Fahrzeugverfügbarkeit hätte die BVG das schnellere Fahren sehr gern gehabt. So bräuchte man für die neue U5 nur 2 anstatt 3 Umläufe zusätzlich. Etwas entspannt hat sich das zwischenzeitlich mit der Lieferung der IK-Züge auf der U5. Eine ähnliche Situation ergab sich übrigens auch bei der Inbetriebnahme der U8 nach Wittenau 1994. Erst mit Ersatz der Technik im ehem. Transitbereich im Jahr 2000 konnte die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h für die Fahrzeuge freigegeben werden.


    Da die WSSB-Anlage die gesamte Alt-U5 umfasst und gleichzeitig eine neue Fahrzeuggeneration J kommt, plant die BVG nun die erste Umrüstung einer Bestandsstrecke der U-Bahn auf CBTC, vstl. 2027/2028. Das ist der international übliche Standard bei Metros und der nächste Innovationsschritt nach der Umstellung von Spurplan- auf elektronische Stellwerke.

  • Bousset Danke für die Infos. Gemäß dem Artikel wäre es dennoch auch früher möglich gewesen. Angeblich war ja selbst die Chefin schon zwei Mal (fast) überzeugt. Als Gegenargument werden neben dem Aufwand ja mehr verhältnismäßig hohe Kosten genannt (als Pro-Argument aber u.a. auch Spareffekte, von Effizienzgewinnen ganz zu schweigen). Technisch machbar wäre es also durchaus gewesen. Das mit den relativ hohen Kosten und üblichen Routinen ist isoliert betrachtet auch völlig nachvollziehbar aber im Kontext eines 500 Mio + Prestigeprojekt auf lediglich 2,2 km klingt so ein erheblicher Effizienzgewinn für den Bestand eigentlich wie ein No Brainer (zumindest wenn die Kosten im sieben- bis niedrigen achtstelligen Bereich geblieben wären).