Kulturforum

  • Diese gestufte Halbpyramide gab es glaube ich schon im Wettbewerbsentwurf von Braunfels. Du brauchst diesen Glaspavillionschnickschnack nicht. Ein Kunstmuseum braucht nur Oberlicht und auch nur dezent. Die Idee der getreppten Anlage fand ich damals schon sympatisch, allerdings bildet sich so eine verhängsnisvolle Situation zur anderen Seite hin, der klassischen Platzsituation mit der Kirche. Das geht so nicht. Du erschlägst sie völlig mit einer hohen Wand und nimmst keinerlei Rücksicht auf die klassische Platzkubatur. Ich glaube Du kannst inzwischen mit so einer Kritik umgehen lieber Architektur-Fan zumal sie konstruktiv sein soll.

  • , allerdings bildet sich so eine verhängsnisvolle Situation zur anderen Seite hin, der klassischen Platzsituation mit der Kirche. Das geht so nicht. Du erschlägst sie völlig mit einer hohen Wand und nimmst keinerlei Rücksicht auf die klassische Platzkubatur.

    Die Platzsituation zur Kirche würde folgendermaßen aussehen:

    Die Kirche ist jetzt leider nur flach zu sehen. Es fehlt die 3D-Ansicht.

    Es laufen nur 4 Geschosse komplett durch. Lässt man eine Etage (=Treppenstufe) weg, hätte man nur 3 durchlaufende Geschosse. Zusätzlich noch die Glasaufbauten, die weitere 2 Etagen ausmachen.


    Die Treppenstufen sollen nicht höher werden als das Kirchenschiff von St Matthäus. Oder nur minimal höher. Also die Höhe, die auch der Zeltbau von Herzog und De Meuron besitzt.

    kulturforum121vkee.jpg

    Bild: Architekur-Fan

    Grundlage: Google Maps


    Und das wäre die Ansicht von der Potsdamer Straße von scharf links:

    kulturforum6clj64.jpg

    Bild: Architekur-Fan

    Grundlage: Google Maps

  • Wollen wir mal ehrlich sein: Supermarktketten, insbesondere hier in Deutschland, legen erst seit wenigen Jahren Wert auf Ästhetik- innen und außen. Discounter noch viel kürzer. Daher ist es ja eher Verdienst solcher schlichten Schönheiten, dass sie nun, auch Jahrzehnte später, immer noch als attraktiver Ideengeber angesehen werden, auch wenn die inflationär genutzte Architektur der neuen Supermärkte dieses abzuwerten scheint.

    Schade und Treppenwitz zugleich ist allerdings, dass die von Aldi, Lidl &Co. mittlerweile aufgegebene und überall unpassende Scheunenarchitektur nun Ideengeber des neuen Museum des 20. Jhdts. zu sein scheint.

  • Warum sind die Blendsteine des Sockels, die ersetzt werden mussten, so hell? Hat man den Rest der Sockelfassade nicht gesäubert? Wurden die neuen Steine nicht gemäß ihren Vorbildern handwerklich bearbeitet?

  • ^ So mies finde ich das gar nicht. :)

    Scherz beiseite: Jetzt erscheint mir der Bau viel transparenter, leichter und lichter. Aber ich habe schon wieder vergessen, wie er vorher gewirkt hat in der Nacht.

  • Ich finde den Bau nach wie vor genial. Vor Allem, dass die gesamte Dachkontruktion von den äußeren 8 Tragestützen gehalten wird an der sie ursprünglich auch emporgezogen wurde um im Inneren einen komplett tragwerkfreien Innenraum zu ermöglichen. Eine Meisterleistung der Architektur und Ingenieurskunst!

    Man kann die Architektursprache mögen oder nicht, das Gebäude aber als Tankstelle oder Aldi Markt zu bezeichnen grenzt für mich an Ignoranz, sorry!

  • ^TwistedRoad, nun arbeite dich doch nicht an jedem idiotischen Quatsch ab, der letztlich nur ein beißendes Unverständnis der Materie offenbart hat. Was hat denn dieses Forum noch mit Architektur zu tun, wenn wir uns hier auf jedes Niveau herabbegeben, das sogar die neue Bodenplatte des Edge East Side durchstoßen würde?

    Einmal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Ich finde den Bau nach wie vor genial. Vor Allem, dass die gesamte Dachkontruktion von den äußeren 8 Tragestützen gehalten wird an der sie ursprünglich auch emporgezogen wurde um im Inneren einen komplett tragwerkfreien Innenraum zu ermöglichen. Eine Meisterleistung der Architektur und Ingenieurskunst!

    Man kann die Architektursprache mögen oder nicht, das Gebäude aber als Tankstelle oder Aldi Markt zu bezeichnen grenzt für mich an Ignoranz, sorry!

    Naja, also wir können uns sicher auf "Meisterleistung der Ingenieurskunst" einigen.


    Aber Architektur? Entschuldige, Architektur ist immer auch das äußere Antlitz und das sieht eben nun einmal aus wie eine bessere Aldi Filiale.


    Und ja: Nachts sieht so ziemlich jedes Gebäude besser aus als tagsüber...

  • ^ Kleiner Ausflug auf die Meta-Ebene: Die Lust an der vernichtenden Metapher scheint mir in letzter Zeit überhand zu nehmen in der Architektur-Debatte. Nicht nur hier, auch in großen Zeitungen wie der FAZ, und ganz unabhängig von der inhaltlichen Tendenz. Die Neue Nationalgalerie? Eine "Aldi-Filiale" oder "Tankstelle". Das Museum der Moderne? "Lidl". Die Kolonnaden am Leipziger Platz? Ein "Seufzertunnel". Die Reko-Schlossfassaden? Eine "Sahnetorte". Die Ostfassade? Ein "Abluftgitter". Das Innere? Eine "Shopping-Mall". Der Eosanderhof? Eine "Turbinenhalle". Man könnte ewig so weitermachen.


    Ich verstehe, wo das jeweils herkommt. Es sind spontane Assoziationen, die sich beim Betrachten einstellen. Völlig legitim. Nur kommt halt keine interessante Diskussion dabei heraus, wenn man so etwas unreflektiert aufschreibt und Baugeschichte, historischen Kontext, den selbstkritischen Blick auf die eigenen Ressentiments, etc. dabei außen vorlässt. Statt seine Assoziation als Ausgangspunkt für eine gedankliche Auseinandersetzung zu nehmen, wird sie zunehmend zu Ausgangs- und Endpunkt in einem. Man nimmt sie als Gedankenblitz und gießt sie in Metaphern.


    Gerade in den großen Feuilletons halten viele solche Sprachbilder inzwischen wohl für große Kritikerkunst – in Wahrheit zeugen sie von Gedankenarmut. Sie sind nicht besser als die "schwangere Auster" oder der "Telespargel", die Boulevard-Journalisten gerne dem "Volksmund" zuschreiben. Vielleicht wäre für die Debatte einiges gewonnen, wenn wir weniger assoziieren und mehr argumentieren.


    Was das "äußere Antlitz" der Neuen Nationalgalerie betrifft: Sie ist ein äußerst eleganter Bau und ein Ikone ihrer Zeit. Das Dach scheint über dem steinernen Sockel zu schweben, obwohl man ihm seine Masse ansieht. Ich habe sie kurz vor der Schließung das erste Mal besucht, da war sie teilweise in schlechtem Zustand. Deshalb freue ich mich wie Bolle darauf, sie wieder wie neu zu erleben.

  • Ja, und das Schloss sieht aus wie aus Disneyland und die Ostfassade wie ein Plattenbau und der Fernsehturm gleicht einem Telegrafenmast und der Dom einem Atomkraftwerk, von West-Berlin fange ich gar nicht erst an aber zum Glück gibt es das Brandenburger Tor.


    ;)


    Architektenkind war etwas schneller.


    Die MOMA Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie war grandios. Das war eine ästhetisch absolut abgerundete Sache, als wäre sie nach Hause gekommen und ich hatte sie bereits vorher in New York gesehen.

  • ^ Kleiner Ausflug auf die Meta-Ebene: Die Lust an der vernichtenden Metapher scheint mir in letzter Zeit überhand zu nehmen in der Architektur-Debatte. Nicht nur hier, auch in großen Zeitungen wie der FAZ, und ganz unabhängig von der inhaltlichen Tendenz. Die Neue Nationalgalerie? Eine "Aldi-Filiale" oder "Tankstelle". Das Museum der Moderne? "Lidl". Die Kolonnaden am Leipziger Platz? Ein "Seufzertunnel". Die Reko-Schlossfassaden? Eine "Sahnetorte". Die Ostfassade? Ein "Abluftgitter". Das Innere? Eine "Shopping-Mall". Der Eosanderhof? Eine "Turbinenhalle". Man könnte ewig so weitermachen.


    Gerade in den großen Feuilletons halten viele solche Sprachbilder inzwischen wohl für große Kritikerkunst – in Wahrheit zeugen sie von Gedankenarmut. Sie sind nicht besser als die "schwangere Auster" oder der "Telespargel", die Boulevard-Journalisten gerne dem "Volksmund" zuschreiben. Vielleicht wäre für die Debatte einiges gewonnen, wenn wir weniger assoziieren und mehr argumentieren.

    vielleicht verstehe ich dich ja falsch - aber Begriffe wie hohler Zahn, Telespargel Goldelse etc. sind eine so nahm ich an spezifisch berliner Delikatesse mit langer Tradition.


    Es ist eine Möglichkeit sich ungeliebte oder überfordernde architektonische Beglückungen zu eigen zu machen um damit fertig zu werden und im Stadtbild fest zu verankern.

    In Berlin eher ein Prädikat das längst nicht jeder Scheußlichkeit zugestanden wird denn aushalten muss man es ja doch irgendwie.

    Gibt man seinem Baby einen Namen liebt man es etwas mehr und gibt es noch weniger gern wieder her.

    Das hat eine gänzlich andere Qualität und Tragweite als in den Architekturjournalien und Feuilletons.


    Ob Gleichnisse und Empfindungen zu einer Kritik effektiv herangezogen werden und zur Pointierung, Stützung und Anschaulichkeit beitragen lässt sich im textlichen Zusammenhang in ihrer Triftigkeit sicher ergründen.


    Reines Ätzen ohne Substanz ist auch für mich und da stimme ich vollumfänglich zu, Gedankenarmut und eher Zeugnis einer unverhandelbaren festen Meinung, die gar kein Interesse an einer Auseinandersetzung hat.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • Das Wesentliche wurde im Prinzip schon geschrieben: Die Neue Nationalgalerie war zu ihrer Zeit unglaublich leicht und so auf moderne Weise elegant. In meinen Augen ist sie damit auch gut gealtert. Ein moderner Klassiker eben. Das Ganze war aber gerade damals so beeindruckend, dass recht bald von einer IKONE der (Klassischen) Moderne die Rede war!


    Und Ikonen werden nun einmal auch kopiert. Das tut ihrer originären Qualität aber keinen Abbruch - eher im Gegenteil (je zahlreicher, lang anhaltender und geografisch verbreiteter die Kopien, desto größer ist die Resonanz und das Gewicht des Originals). Dass gerade der BER als repräsentatives Milliardenprojekt hier Jahrzehnte später Anleihen nimmt (obgleich die Architekten ja durchaus eigene innovative Flughäfen entworfen hatten) und diese gelungen neu interpretiert, spricht ja wohl nicht gerade GEGEN die Neue Nationalgalerie. Oder soll Paris jetzt auch den Eiffelturm in Frage stellen, weil inzwischen in Japan, am Berliner Messegelände und auch in Vegas ähnliche Türme oder auch direkte Kopien entstanden sind? Und wie sind die Pyramiden vor dem Louvre zu interpretieren? Werden die Originale durch diese Neuinterpretation geehrt und bestätigt oder banalisiert?


    Zudem wäre mir völlig neu, dass irgendeine Tankstelle oder ein Supermarkt auch nur annähernd die gleiche Qualität und Wirkung erreicht (schon nicht von außen aber erst recht nicht von innen). Vielleicht kann jemand aus der entsprechenden Fraktion ja netterweise auch gleich passende Belegfotos verlinken...

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Ich finde die Neue Nationalgalerie (NN) als Gebäude an sich elegant.


    Allerdings ist die obere Ebene als Galerie für mich völlig ungeeignet. Um sie überhaupt als Galerie nutzen zu können, müssen Wände eingebaut werden. Die müssen aber nach oben offen sein, wenn die Leichtigkeit des Gebäudes nicht zu sehr leiden soll. Dadurch stellt sich dann aber im Inneren die für mich sehr unangenehme Atmosphäre einer Messehalle ein. Von allen Galerien / Museen, die ich bislang besucht habe (und das waren viele Hunderte in vielen Ländern der Erde) war die obere Ebene der Neuen Nationalgalerie für mich eine der unangenehmsten Erfahrungen, was zum Teil aber auch am schlechten Raumklima (mit beschlagenen Scheiben!) lag, und das wird sich nun sicherlich verbessern. Ich sage das nicht, um dem Gebäude eins überzubraten, es war schlicht eine persönliche Erfahrung.


    Als Galerie / Museum ist also (für mich) nur die untere Ebene gut geeignet, die ist aber einfach nur ein gewöhnliches Untergeschoss (auch wenn es technisch eher ein EG ist), ohne jede Eleganz oder Raffinesse.


    Das zweite Problem der NN ist ihre Lage an dieser schrecklichen Kreuzung. Dafür kann das Gebäude natürlich nichts, zum Zeitpunkt seiner Errichtung 1968 hat es dort auch sicher anders ausgesehen. Das Gebäude braucht m.E. (noch) mehr Luft zum Atmen und etwas Grün. Man stelle es sich in einem kleinen Park mit etwas Wiese drumherum und einem großen Mobile von Alexander Calder daneben vor -- das wäre der Hammer!


    Zu den Vergleichen mit Tankstellen (die ich nicht gezogen habe): Man google mal nach "gas station art deco" oder Ähnlichem. Es gibt / gab eine Menge Tankstellen, die es in punkto Eleganz mit der NN problemlos aufnehmen können. Vermutlich waren die Tankstellen-Vergleiche nicht in diesem schmeichelhafen Sinne gemeint, aber der Punkt, dass das Gebäude auch etwas völlig anderes sein könnte als eine Kunstgalerie, ist schon berechtigt. Die NN könnte auch ein Empfangsgebäude eines Flughafens seiner Zeit sein. Ist es dadurch schlecht? Sicher nicht. Ich empfinde es aber schon als ein Problem, wenn man die Funktion von Gebäuden nicht intuitiv sehen kann. Das wurde z.B. auch am ausgewählten Entwurf für die Erweiterung der Komische Oper kritisiert, zumindest die fehlende "Leichtigkeit" oder "Verspieltheit", die man mit "Komischer Oper" doch verbindet. Mir ist schon klar, dass es gerade für Museen (vermutlich) keine prototypische Formen gibt, etwa im Gegensatz zu Opern mit ihrem Bühnenaufbau oder Kinos mit ihren hohen fensterlosen Fassaden, aber das entkräftet noch nicht den Umstand, dass sicherlich viele erst einmal ein "leeres" Gefühl haben, wenn sie die NN sehen, selbst wenn sie sie an sich elegant finden mögen.

  • Llewelyn Ich habe ebenfalls gegoogelt aber völlig anders als bei dem Museum der Moderne und der klassischen Lidl-Filiale keine deutlichen, wirklich überzeugenden Entsprechungen gefunden. Ja, es gab auch schicke Tankstellen aber wirklich ähnlich zur Neuen Nationalgalerie finde ich diese nicht (vielleicht hast Du ja ein paar Links, die mich eher überzeugen). Man muss sich mal vergegenwärtigen, welche Massen an Glas und Stahl da vor über 50 Jahren zu solcher Luftigkeit und Leichtigkeit aufgetürmt wurden.


    Dass man in so einem Bau auch andere Institutionen unterbringen könnte, finde ich nicht problematisch. Das Arrangement im Raum legt mE bereits nahe, dass es sich um eine kulturelle Institution handeln dürfte. Zumal sich die Menschen wohl in der Regel nicht zufällig ins Kulturforum verirren. Aber selbst dann wäre ich persönlich wohl eher neugierig auf so ein Bauwerk als irritiert.

  • Ich würde die hier dargestellten Beiträge gerne mal einer Auswahl von 1.000 verschiedenen Architektur-Laien zeigen. Dann daneben das Bild der Neuen Nationalgalerie halten. Ich bin mir sicher ein großen Anteil der Lacher auf meiner Seite zu haben. Wie man nur einen solchen Profan-Bau mit Lyrik und Prosa in den Himmel heben kann ist mir ein Rätsel. Hätte sonst höchstens Mies van der Rohe selbst so hinbekommen.


    Natürlich kann man simple Vergleiche wie "Tankstelle", "Aldi-Supermarkt" auch in hochtrabende Worte und einer spitzfindigen Architekturkritik im "Kontext seiner Zeit" (die Moderne kannte auch damals nicht nur Freunde) zu Papier bringen. Letztendlich ändert es aber nichts an der Assoziation.

  • @UrbanFreak Deine Assoziationen musst Du ja auch weder ändern noch rechtfertigen. Das ist eben Dein persönlicher Geschmack. So be it. Nur verstehe ich nicht wirklich, weshalb Du Deine Bewertung durch eine Befragung aufwerten/ 'objektivieren' und irgendwelche Lacher auf Deiner Seite haben willst. Deine polemischen Schmähworte wirken mE grundlos gereizt. Als wenn Andere hier etwas für Dich verbockt haben, wenn sie mehr/anders empfinden (können).


    Wenn Du keine Leichtigkeit und Eleganz in dem Bau erkennen kannst, dann ist das aus meiner Sicht schade aber vermutlich nicht zu ändern. Mir geht es leider ja selbst ähnlich mit dem (Entwurf zum) Museum der Moderne, wo ich anders als bei der NN leider nur plumpe und schlecht proportierte Formen erkenne: For me it just doesn't do the trick. Aber trotzdem erfreulich für jeden, dessen ästhetische Empfindungen davon beflügelt werden.

  • ^Genau das meine ich. Bei mir ist es eine Assoziation bei anderen letztendlich auch nur Worthülsen. Wie gesagt, ich kann mir gerne die Mühe machen meine Assoziationen zur neuen Nationalgalerie in eine fundierte Begründung zu gießen - ich wüsste aber nicht was das an der Aussage ändert.


    Kann man denn überhaupt im Bereich Architektur eine Art "Wahrheit" herbeiführen? So klingt dies zumindest bei manchen Befürwortern. Ist es nicht immer Assoziation und Geschmack? Natürlich kann man diesen belegen, erklären und mit Beispielen schmücken. Aber ob du am Ende einen "leichten Bau" unglaublich elegant findest oder nicht, ist doch nichts mehr als nur eine Assoziation.


    Hier nur mal ein Beispiel von Architektenkind:


    Gerade in den großen Feuilletons halten viele solche Sprachbilder inzwischen wohl für große Kritikerkunst – in Wahrheit zeugen sie von Gedankenarmut. Sie sind nicht besser als die "schwangere Auster" oder der "Telespargel", die Boulevard-Journalisten gerne dem "Volksmund" zuschreiben. Vielleicht wäre für die Debatte einiges gewonnen, wenn wir weniger assoziieren und mehr argumentieren.


    Was das "äußere Antlitz" der Neuen Nationalgalerie betrifft: Sie ist ein äußerst eleganter Bau und ein Ikone ihrer Zeit. Das Dach scheint über dem steinernen Sockel zu schweben, obwohl man ihm seine Masse ansieht. Ich habe sie kurz vor der Schließung das erste Mal besucht, da war sie teilweise in schlechtem Zustand. Deshalb freue ich mich wie Bolle darauf, sie wieder wie neu zu erleben.


    Meine Antwort:


    Hier wird der Versuch unternommen meine Assoziation abzuwerten und sie als Nicht-Argument darzustellen.


    Hier nun die "Argumentation" von Architektenkind aufgeschlüsselt:

    • Sie ist ein äußerst eleganter Bau und ein Ikone ihrer Zeit.
    • Das Dach scheint über dem steinernen Sockel zu schweben, obwohl man ihm seine Masse ansieht.

    Nun kann ich natürlich das selbe tun und meine Assoziation (scheinbar nicht besonders wertvoll), in eine Argumentation überführen:

    • Die neue Nationalgalerie ist äußerst unelegant, plump und profan. Sie ist eine Verirrung ihrer Zeit.
    • Das Dach scheint ohne jegliche Raffinesse "aufgelegt" worden zu sein und erdrückt den niedrigen Bau mit seiner Masse.

    Ist das jetzt besser?


    Bzgl. Gereiztheit. Ja, schon ein bisschen. Ursache dafür sind Antworten wie diese:

    Reines Ätzen ohne Substanz ist auch für mich und da stimme ich vollumfänglich zu, Gedankenarmut und eher Zeugnis einer unverhandelbaren festen Meinung, die gar kein Interesse an einer Auseinandersetzung hat.


    Ich hatte das Gefühl das bezieht sich auf meine Assoziation. Gedankenarmut ist doch schon eine mittlere Beleidigung an dieser Stelle und fiel hier nicht das erste Mal (siehe erstes Zitat). Dabei behaupte ich, dass andere zwar behaupten zu argumentieren, letztendlich aber auch nur frei assoziieren.

  • Ich habe ebenfalls gegoogelt aber völlig anders als bei dem Museum der Moderne und der klassischen Lidl-Filiale keine deutlichen, wirklich überzeugenden Entsprechungen gefunden. Ja, es gab auch schicke Tankstellen aber wirklich ähnlich zur Neuen Nationalgalerie finde ich diese nicht (

    Da habe Dich falsch verstanden, ich dachte Dein Punkt wäre, Tankstellen könnten grundsätzlich nicht hochwertig sein.


    Ich füge einmal diese Ansicht einer Tankstelle ein (© Shutterstock.com / Rob Wilson).


    tankstellewvj7r.jpg


    Wie ästhetisch hochwertig diese Tankstelle ist, darüber kann man natürlich streiten (ich finde sie nicht gerade hässlich, ist halt eine Tankstelle). Worüber man aber nicht streiten kann, ist die prinzipielle (!) Ähnlichkeit zwischen der Neuen Nationalgalerie und einer Tankstelle der abgebildeten Art: Großes, viereckiges Dach, dass auf relativ dünnen Säulen „schwebt“. Bei der NN kommt noch eine Glashülle dazu.


    Was also macht die NN so besonders? Ein zentrales Argument ist wohl das:


    Man muss sich mal vergegenwärtigen, welche Massen an Glas und Stahl da vor über 50 Jahren zu solcher Luftigkeit und Leichtigkeit aufgetürmt wurden.

    Dieses Auftürmen von Masse auf dünnen Säulen ist nun aber keine Leistung des Architekten, sondern insbesondere des Bauingenieurwesens und der Materialwissenschaft (also von Metallurgen, Stahlerzeugern etc.). Der Architekt hat sich hier einfach nur der Möglichkeiten bedient, die ihm andere boten. Das mag historisch interessant sein und kaum einer wird etwas dagegen haben, wenn die erstmalige Inanspruchnahme verbesserter Techniken gewürdigt wird. Falls der Architekt zum ersten Mal einen neuen Stil verwendet hat, kann man auch das würdigen. Das macht das Gebäude aber immer noch nicht ästhetisch herausragend. Man kann die NN schick finden – auch ich gehöre zu den Menschen, die das tun – aber sie ist eben alles andere als ein ästhetisches Meisterwerk. Sie ist ein ganz banales Stück Gestaltung. So etwas, wie Verhältnisse von Seite zu Höhe so hinzubekommen, dass Sie als schick empfunden werden, ist Erstsemester-Wissen oder -Erfahrung und lässt sich in vielen Fällen auch einfach durch Ausprobieren herausfinden.


    Ein Grund, warum viele Menschen der modernen Architektur so kritisch gegenüberstehen, ist neben ihrem weitgehenden ästhetischen Versagen (das man wie gesagt m.E. der NN nicht vorwerfen kann) die Art und Weise, wie immer wieder ihre Banalität mit Worthülsen und Kennermiene als Genialität verkauft werden. Mir wird dabei immer richtig unheimlich, weil es zeigt, in was sich Menschen alles so hineinreden lassen, um als Wissend und Aufgeklärt zu gelten. Für mich ist das wie Corona-Rebellion oder Leugnung der Probleme des Klimawandels, nur eben für Intellektuelle. Die moderne Architektur ist ein Elitenprojekt, das vielen Ihrer Anhängern (bewusst oder unbewusst) dazu dient, sich von der Allgemeinheit abzugrenzen.


    Deine Argumentation finde ich hier ziemlich gut und angemessen, ich werfe Dir nichts vor. Es ging mir darum verständlich zu machen, warum Menschen die NN oder andere Gebäude, die als Ikonen gelten, mit Tankstellen o.ä. vergleichen. Das ist neben aller inhaltlichen Angemessenheit oder Unangemessenheit häufig auch ein Zeichen dafür, dass man sich verschaukelt oder herabgewürdigt fühlt.

  • Mir wird dabei immer richtig unheimlich, weil es zeigt, in was sich Menschen alles so hineinreden lassen, um als Wissend und Aufgeklärt zu gelten. Für mich ist das wie Corona-Rebellion oder Leugnung der Probleme des Klimawandels, nur eben für Intellektuelle.

    Und Mies ist dann vermutlich so eine Art Attila Hildmann der Architektur, ja?