Paulskirche: Generalsanierung und "Haus der Demokratie"

  • Uff, eine Mischung zwischen Busbahnhof und Gießener Elefantenklo.


    Bin da bei Wikos, eigentlich wäre die alte Börse die mit Abstand passendste Lösung für das Demokratiezentrum. Schafft man aber wahrscheinlich nicht bis 2023 fertigzustellen, deshalb muss ein schneller Glaskasten her...

  • Ich frage mich bei sowas immer, ob die Architekten das tatsächlich ernst meinen. Wahrscheinlich sitzen sie kichernd und Piccolo schlürfend in ihrem Kölner Keller und amüsieren sich aufs Köstlichste über das angetriggerte Wespennest hier im Forum.


    Die andere Möglichkeit ist die, dass der Trumpismus mittlerweile auch in der Architekturszene hoffähig geworden zu sein scheint: Man haue den größtmöglichen Tabu brechenden Keil in die Manege, um die maximale Aufmerksamkeit zu erregen und die Meute gegen sich aufzubringen, und hofft damit, dass die eigene Anhängerschaft, die glaubt, dass "die anderen" ohnehin keine Ahnung haben, einem begeistert zujubelt.


    Unfassbar...

  • Querido


    ich fürchte, dass die Wahrheit noch viel ernüchternder und gleichsam erschütternder ist. Ich glaube, dass es wirklich Architekten gibt, die im Inneren davon überzeugt sind, dass die oben gezeigten Entwürfe wirklich gut sind, dass sie dem Ort angemessen sind und das Stadtbild aufwerten würden.


    Ich bin nicht mal mehr wütend oder sauer, ich bin einfach unfassbar traurig, dass scheinbar auch der Wiederaufbau der Altstadt, die Reaktionen der Bevölkerung, all die positive Resonanz zu überhaupt keiner Reaktion geführt haben, weder bei den Architekten noch in der Politik. Man hätte ja erwarten können, dass man zumindest im Kernbereich der Altstadt etwas sensibler geworden wäre, dass man etwas mehr zuhört, was die Menschen wollen und was als positiv wahrgenommen wird. Stattdessen habe ich manchmal das Gefühl, dass man diesem Erfolg jetzt mit aller Macht einen Kontrapart eingegensetzen will.


    Ich habe mir die Entwürfe nun im Detail angeschaut und mich lässt das Gezeigte nur noch hilflos zurück. Es fängt schon bei den Visus an. Die hier suggerierte Transparenz wird es nie geben, es ist schlicht reiner optischer Betrug. In Wahrheit werden weite Teile der Paulskirche von der Braubachstraße kommend schlicht verdecken. Der groteskeste Vorschlag ist allerdings, Teile des Rathauses mit einer Glaswand zuzubauen. Man bemüht sich gerade darum, aus Spendengeldern die historischen Türme zu ergänzen und gleichzeitig soll eine der wenigen historisch erhaltenen Fassaden im Altstadtbereich von einer Glaswand verdeckt werden? Wie man allein auf solche Ideen kommen kann, ist mir einfach nur unerklärlich.


    Irgendetwas stimmt im Kern in so vielen Bereichen in unserer Gesellschaft nicht mehr. Teile der Entscheider wie auch der ökonomischen, kulturellen und wissenshaftlichen Elite haben sich von der gesellschaftlichen Realität vollkommen abgelöst. Ja, ich bin kein Architekturprofessor, nein, ich schreibe auch nicht für das Feuilleton der Zeit oder der FAZ oder für sonst wen, aber ich sehe, dass das keine gute Architektur ist und dass es städtebaulich falsch ist.


    Solche Projekte werden sicherlich keine Revolutionen auslösen, es wird sich vermutlich auch niemand an die Paulskirche ketten, aber diese Provokationen und auch die Art, wie mit Kritik umgegangen wird, das unterhöhlt in der Summe alles, wofür dieses Demokratiezentrum eigentlich stehen will. Daher ist dieser Affront fast schon zynisch und man muss aufpassen, dass man hier statt einem Demokratiezentrum kein Demokratiemuseum schafft. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Vielleicht sollte man das Volk vorher einfach mal befragen, ob es so etwas überhaupt will. Ich fürchte, die Antwort wird sehr eindeutig ausfallen. Es wäre an der Zeit, Menschen wieder zusammen zu bringen, gerade in einem Haus, dass sich der Demokratie verschrieben hat. Stattdessen zündet man den nächsten Spaltpilz mit bisher nicht gekannter Sprengkraft.


    Ich engagiere mich jetzt seit 20 Jahren für Architektur und Städtebau. Und das ist heute für mich ein extrem bitterer Tag, weil ich dachte, wir wären in diesen 20 Jahren zumindest einen Schritt weiter gekommen. So Abende wie heute zeigen mir, dass dem scheinbar nicht so ist. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass die obigen Entwürfe nie gebaut werden, so ist es dennoch extrem deprimierend, dass dennoch versucht wird, solche Entwürfe in die Öffentlichkeit zu bringen mit allen Folgen, die dies hat. In einer Zeit, wo es genug Konflikte gibt, sollte man genug Sensibilität haben, hier für Aussöhnung zu sorgen. Dass man diese Chance jetzt einfach so weggeworfen hat, ist das eigentliche Drama.

  • Man muss es positiv sehen. Dieser Glaskasten wertet das Dach der Kämmerei total auf. Mehrwert Herr Schneider scheint Ihr Steckenpferd zu sein.

  • Ein brutalst mögliches Demokratie-Zentrum ohne jegliche demokratische Involvierung der Öffentlichkeit. Das Zentrum hängt bedrohlich über dem Platz wie ein Steltzen-Amboss und erquetscht als überdimensionierter Fremdkörper seine Umgebung. An was für eine Art von Demokratie soll ein solcher Bau bitteschön erinnern bzw. würdigen, wenn solche Monstrositäten nach Gutsherrenart in die Landschaft gesetzt werden? Demokratie ist für die Menschen da, ein Zentrum sollte das respektieren und nicht verhöhnen.


    Gerade von Frankfurter Eigengewächsen wie Meixner Schlüter Wendt, die durch den exzellenten Neubau des Henninger Turms aufgefallen sind, hätte ich mehr Finesse und Fingerspitzengefühl erwartet. Die Zeiten der dezenten, rücksichtsvollen, zurückhaltenden Formensprache scheinen komplett abhandengekommen zu sein. Dieses vor Arroganz und Willkür triefende Gutsherren-Zentrum ist ein Offenbarungseid, auch für Baudezernent Jan Schneider (CDU). Dann lieber Geld sparen und nichts bauen.

  • Erstens: Warum bin ich von der terminlichen Verschiebung nicht überrascht?


    Zweitens: Danke Beggie für den sehr erhellenden Link zur FR!


    In Anlehnung dessen: Warum wird der Glaskasten nicht quer auf dem Paulsplatz platziert um die Menschen direkt ins Demokratiezentrum umzuleiten? Auch ein großflächiger grell flackernder Neon-Schriftzug "Demokratiezentrum" nebst Pfeil auf die Kämmerei muss her damit keiner, aber auch wirklich keiner eine Entschuldigung hat die (das) Demokratie(zentrum) umgangen zu haben.

    Schade das damit den Menschen jegliches Interesse daran abgesprochen wird!


    Die erhoffte Unauffälligkeit beider Bauten wird sich nicht einstellen und macht einen funktionieren Stadtraum kaputt. Wenn Bebauung dann eine äußerliche Reko der Alten Börse. Damit und den anderen Rekonstruktionen (von Langer Franz bis Dachlandschaften), die teilweise noch nicht in Griffweite sind, würde sich das Ensemble schließen.


    Weiters möchte ich noch erwähnen das auf dem Parkplatz ein Gebäude mit KITA und Gebäudetechnik für die Paulskirche geplant sind. Ob das notwendig ist kann ich nicht beurteilen. Zumindest sollte erwogen werden ob die Technik nicht in der Alten Börse und die KITA nicht in der Kämmerei unterbringbar wären.

  • Ich glaube, man sollte erstmal tief durchatmen und sich nochmal bewusst machen, dass es sich um eine "Machbarkeitsstudie" handelt. In einem heutigen Artikel in der Rhein-Main-Zeitung (gedruckt) wird Dezernent Schneider zitiert: "Messen Sie den Entwürfen keine übertriebene Bedeutung zu." Da wird noch einiges dran gedreht. Aber nichts desto trotz kann man sicherlich hier seinen Unmut über einen solchen Fehl(ent)wurf äußern. Die Idee das Gebäude "schweben" zu lassen und den Raum unten drunter nutzbar zu halten, emfinde ich als faulen Kompromiss. Ich finde man muss sich entscheiden: Entweder man möchte den Platz erhalten als beliebte und gern genutzte Freifläche oder man sagt bewußt ich nehme den Vorkriegszustand wieder auf und baue etwas (passendes) da hin. Eine solche überbaute Fläche, wie im einen Entwurf zu sehen, wird - so fürchte ich - null Aufenthaltsqualität haben.

  • Hallo erstmal aus dem Süden nach Frankfurt.


    ab und zu bin ich einfach mal gerne "dagegen" also bitte nicht persönlich nehmen. Das Frankfurter Forum ist mit abstand immer das informierteste und informativste (Lob dafür!).


    Ich verfolge den Strang zur Paulskirche und der Frankfurter Stadtpolitik meist immer nur mit einem Auge, daher sorry, falls ich irgendwas unterschlage oder meine Geschichtskenntnis lückenhaft ist.


    Der gezeigte Entwurf ist meiner Meinung nach tatsächlich nicht der Weisheit letzter Schluss, das muss man sagen.

    Sofern aber ein Zentrum der Demokratie wirklich neben und nicht in der Paulskirche geplant ist, so sehe ich das keinesfalls in einer rekonstruierten Alten Börse.


    Das passt meiner Meinung einfach nicht für eine moderne Demokratie, die heutzutage in einer schwierigen Lage steckt und daher eher robust und zugleich offen wirken sollte.

    Es muss doch eine zeitgenössische Möglichkeit geben ein solches Zentrum transparent und hell (Glas) und zugleich stabil und verlässlich (Marmor?) wirken zu lassen, ohne eine einfallslose Glasschachtel hinzustellen.


    Calatrava meets Washington D.C. quasi.


    Grundsätzlich würde ich ein mögliches Demokratiezentrum aber gerne in der Kirche mit einem rekonstruierten Innenraum und nur einem sanierten Äußeren sehen. So wird zum einen die erste Demokratie gewürdigt, aber auch der Schaden, welcher ihr in den folgenden Jahrzehnten zugefügt wurde gezeigt. Ich weiß aber auch, dass diese sichtbaren Narben an Gebäuden hier im Forum selten Unterstützer finden...


    Ich bin im übrigen kein Gegner von Rekonstruktionen, die neue Altstadt sieht auf Fotos fantastisch aus und sofern die nächste IAA noch in FFM stattfinden sollte, werde ich diese auf jeden Fall auch besuchen. Wenn aber ein Demokratiezentrum wirklich an dieser Stelle errichtet werden soll, dann finde ich einen Neubau passender und könnte auf die alte Börse gut verzichten.


    Alles in Allem muss man aber auch sagen, dass ich nicht in Frankfurt lebe und ich zu dieser Stadt auch keine größere Bindung habe, außer dass sie außergewöhnlich ist, ich ein Hochhausfan bin und ich die Stadt ganz schön finde (abgesehen von der Bahnhofsgegend).

  • Ich bin ja meist eher großzügig in meinen Bewertungen und versuche zu verstehen, ob das was da gebaut werden soll, in Abwesenheit gestalterischen Anspruchs und Ortsbezugs, wenigstens seinen Mindestanspruch, seine Funktion, erfüllt.

    Hier sehe ich — außer einer Option den Toilettenabgang auf dem Paulsplatz zu überdachen — nichts davon.


    Das kleinere Übel, eine Kette von Glaskuben, wird sich, bei dem immer kontroversen Thema der Entwicklung der Demokratie in Deutschland, die meiste Zeit in unterschiedlichen Graden der Zerstörung bewegen — oder Maßnahmen zu seinem Schutz provozieren, die das Gegenteil von Demokratie und Freiheit darstellen.


    Das große Übel wäre wohl eher auf dem Flughafen als Besucherterrasse geeignet und wurde wohl auch von den Ausmaßen mal für dort entworfen: Zu groß, als dass es für Drunter einen Wetterschutz bietet, Viel freie Sicht nach oben und in die Wohnzimmer der Paulsplatz-Ostzeile, aber für den Versuch einer leichten, beschwingten, den Platz nicht beeinträchtigenden Lösung durch die zwei massiven Betonplatten dann doch eher eine Platte des Damokles geworden.


    Nochmal zur Funktion: Als Ausstellungsgebäude für irgendwelche Dinge von historischer Relevanz sind beide Konzepte völliger Unsinn, da die riesigen Glasflächen nur die Präsentation UV-stabiler Kopien zulassen.


    Hier komme sogar ich zu dem Schluß, dass eine Rekonstruktion der Alten Börse vom Raumangebot (kleiner Saal langt, Paulskirche ist nebenan) und den Nutzungsmöglichkeiten, die sich aus einer Lochfassade mit historisch korrekt abbildbarer Verschattung der Innenräume ergeben, die bessere Lösung darstellt. Vielleicht lässt sich das auch noch mit einem vernünftigen Abschluss der Nordseite des Platzes kombinieren.


    Was voraussichtlich ein Problem jeder Bebauung darstellt, ist die Einschränkung von Touristenrennbahn Nord-Süd und der Außenflächen der Cafés.

  • Ganz abgesehen von der scheußlichen und unpassenden Wirkung der Glaskonstrukte in der "Machbarkeitsstudie" stelle ich mir wie Xalinai einige Fragen zum praktischen Umgang mit solchen Gebilden nach ihrer Realisierung. Es handelt sich ja keineswegs um temporäre Installationen, sondern sie werden die nächsten Jahrzehnte dort stehen.


    Wie oft müssen solche Glasflächen gereinigt werden und was kostet das jährlich?

    Welche Temperaturen werden im Sommer im Innern erreicht?

    Altert das Glas im Laufe der Jahrzehnte und werden die Scheiben dann erneuert?

    Wie oft ist mit Beschädigungen der Glasflächen durch Unachtsamkeit oder Vandalismus zu rechnen?


    Anscheinend werden neben der Paulskirche keine weiteren großen Ausstellungsflächen benötigt, andernfalls wären sie in der "Machbarkeitsstudie" erkennbar. Für Wechselausstellungen oder zeitlich begrenzte Austellungen würde sich tatsächlich eine Rekonstruktion der alten Börse anbieten. Der Innenraum böte genug Platz für Ausstellungen in einer Kombination mit Gastronomie. Mal könnten mehr Tische darin stehen, mal weniger. Die großen Fensterbögen könnten als Durchgang für die Bedienungen der Restaurants und Cafés gegenüber genutzt werden.


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    Bild vom Innenraum der alten Börse aus Wikipedia (gemeinfrei)

  • Für Wechselausstellungen oder zeitlich begrenzte Austellungen würde sich tatsächlich eine Rekonstruktion der alten Börse anbieten.

    Die Alte Börse wäre als Ausstellungsort nur schwer vorstellbar. Die Akkustik in solch einem Bauwerk ist für Ausstellung ziemlich untauglich. Besonders wenn auch noch Gastronomie ebenfalls darin stattfindet.

    Mal eine andere Frage: Gibt es eine Visualisierung der Betriebskita nördlich des Nordbaus an der Berliner Straße?

  • Wenn man den Platz als solches erhalten möchte wäre ja vielleicht auch ein unterirdischer Erweiterungsbau zur Paulskirche, wie die Erweiterung am Städel, denkbar mit entsprechenden Lichtöffnungen in der Platzoberfläche und eine Gestaltung zum Thema passend, um eine Verbindung zu schaffen. Wäre natürlich etwas teurer als drei Bauklötze, zwei Decken und 100m Glasscheibe, die so lustlos in die Landschaft geworfen wurden.

  • Was mich schon wieder betrübt, ist die Tatsache, dass der Innenraum der Alten Börse schon als nicht geeignet eingestuft wird, dabei ist noch überhaupt nicht klar, was man überhaupt ausstellen will. Man hat also noch kein einziges Exponat, keine Idee von nichts, aber eins weiß man, die Alte Börse eignet sich als Ort nicht.


    Wenn ich mir die in der Bildzeitung veröffentichen Konzeptzeichnungen ansehe, dann sehe ich da viel, aber eins nicht: viel Platz für mögliche Ausstellungen. Ich frage mich sowieso, was man überhaupt zeigen will. Demokratie ist an sich ein sehr abstrakter Begriff, wirklich dingliche Exponate gibt es da wenige. Das beste Exponat wäre die Paulskirche gewesen, in ihrer ursprünglichen Ausstattung, das wäre erlebte Demokratie gewesen unter der sich auch Schüler und Schülerinnen etwas hätten vorstellen können. Diese Chance, den ursprünglichen Parlamentsbau erlebbar zu machen und ihn multimedial aufzubereiten, diese Chance hat man ausgeschlagen. Didaktisch und organisatorisch wäre eine Ausstellung in der Paulskirche und der Paulskirche als Besuchsort und Lernort zugleich, viel einfacher gewesen.


    Jetzt steht man vor der Aufgabe, dass man auf der einen Seite eine völlig leergeräumte Paulskriche hat, die den Charme eines Provinzkrankenhauses im hessischen Nirgendwo versprüht und man gleichzeitig auf der anderen Seite genau daneben ein Museum zu einem abstrakten Thema Demokratie planen muss. Das heißt übersetzt, man lässt die dingliche Manifestation der Demokratie einfach links liegen und versucht, an einem neutralen Ort abstrakt Demokratie erfahrbar zu machen. Schon irre irgendwie.


    Und am Ende wird es kommen wie so oft. Man stellt irgendwelche Exponate, die irgendwas entfernt mit dem Thema zu tun haben in irgendwelche Schaukisten, produziert zwei bis drei moralisierende Filmchen mit der Holzhammermethode, damit auch der minderbemitteltste Schüler, der mal so gar keinen Bock auf den Museumsbesuch hatte, trotzdem rafft, wie toll er doch die Demokratie zu finden hat.


    In jedem Didaktikhandbuch heißt es, man lernt am besten, wenn man das Thema praktisch erfährt, darin aktiv eintaucht, es spürt und wahrnimmt. Bei der Paulskriche hätte man die Chance dazu gehabt, Parlamentarismus und Demokratientwicklung in Originalkulisse zu erleben. Aber stattdessen hat man sich für eine abstrakte Demokratieerziehung entschieden. Ob man so wirklich besser erfährt, wie sich die erste Demokratie auf deutschem Boden angefühlt hat, ich bezweifle es.

  • Ich glaube das Hauptproblem der bisherigen Diskussion ist unsere Unwissenheit bzgl. der "Exponate".

    Es scheint die Erwartung zu sein, dass hier Demokratieentwicklung als geschichtwissenschaftliche Aufbereitung zu sehen sein soll. Wie fing es an, damals in der Paulskirche? Wie wurde daraus eine (hoffentlich) weitgehend gefestigte Demokratie? Das Museum soll "erlebte Demokratie" (Odysseus) zeigen. All das ist schön und gut und muss seinen Platz in so einem Zentrum finden.

    Aber vielleicht sollte es in dem Demokratiezentrum auch darum gehen, Demokratie erlebbar zu machen. Einen öffentlichen Raum zu schaffen, in dem über zukünftige Entwicklungen nachgedacht wird, in dem Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen und über die Zukunft der Demokratie in Deutschland sprechen. Brauchen wir mehr Beteiligung a la Bürgerrat? Wie schaffen wir es eine breite Masse in demokratische Prozesse zu inkludieren? Eine solche Nutzung wäre doch eine viel größere Leistung eines Demokratiezentrums.

    Mithin, dass es nicht Demokratiemuseum heißen soll, deutet ja in diese Richtung.


    Vor diesem Hintergrund stellt sich die Debatte vielleicht anders dar und andere Kriterien werden relevant: Ich finde auch die Alte Börse ist ein sehr schönes Gebäude – nur eben nicht für die Nutzung als öffentlicher demokratischer Begegnungsraum geeignet. Darüber lässt sich aber sicher auch streiten.

    Schön oder gelungen finde ich die Entwürfe von Meixner und Co jedenfalls auch nicht... Die Gestaltung ist auch für die von mir beschriebene Nutzung nicht angemessen...

  • Was mich schon wieder betrübt, ist die Tatsache, dass der Innenraum der Alten Börse schon als nicht geeignet eingestuft wird, dabei ist noch überhaupt nicht klar, was man überhaupt ausstellen will. Man hat also noch kein einziges Exponat, keine Idee von nichts, aber eins weiß man, die Alte Börse eignet sich als Ort nicht.

    Mit meiner jahrzehntelangen Erfahrungen im Museums und Theaterbereich kann ich glaube ich schon ein wenig beurteilen, wie ein Museumsraum oder ein Vermittlungsraum funktionieren soll. Die Alte Börse, deren Architektur ich sehr schätze (für mich eines der schönsten Gebäude der alten Altstadt, Lübbecke hätte das womöglich anders gesehen), hatte einen anderen Zweck: Die Akustik sollte es den Börsianer ermöglich, ihre Insider-Informationsgespräche in Kleinstgruppen zu führen und das dabei die Gespräche vom lauten Allgemeingemurmel überdeckt werden. Für die Vermittlung von was auch immer, wie auch immer, ist das eine ungünstige Ausgangslage.

    Nochmals zu meiner Frage: Gibt es Visualisierungen von der Betriebskita an der Berliner Straße?

  • Für eine Nutzung als "Demokratiezentrum" wäre eine Rekonstruktion der Alten Börse ungeeignet, war verschiedentlich zu lesen, da der "Säulenwald" im Inneren zu sehr hindern würde. Beinahe möchte man das glauben, stützt man sich auf den bekannten Stahlstich von Jakob Dielmann (klein und koloriert schon in #130).


    Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/82/Frankfurt_Am_Main-Jakob_Fuerchtegott_Dielmann-FFMADIUSAAUNZ-019-Die_Boerse_innere_Ansicht.jpg/1082px-Frankfurt_Am_Main-Jakob_Fuerchtegott_Dielmann-FFMADIUSAAUNZ-019-Die_Boerse_innere_Ansicht.jpg

    Bild: Jakob Fürchtegott Dielmann (urheberrechtliche Schutzdauer beendet)


    Eine Frankfurter Tageszeitung druckte vor einiger Zeit ein Foto des "Großen Saals", das sich nicht bei Wikipedia findet. Die Aufnahme zeigt, dass das Innere des zwischen 1840 und 1843 errichteten Börsengebäudes später umgestaltet und auch umgebaut wurde. Anlass dürfte die Übernahme des Gebäudes durch die Saalbau-Gesellschaft gewesen sein, nachdem es die Börse aufgegeben und 1879 ihren heute noch genutzten Neubau am Rahmhof bezogen hatte.


    Die Saalbau funktionierte den Altbau östlich der Paulskirche zum Versammlungssaal um. Aus dieser Zeit wird wohl die Empore stammen, die es auf dem Stahlstich noch nicht gibt. Fenster und Ornamente an der Decke sind größtenteils verschwunden, elektrische Beleuchtung ist dazugekommen. Bei der Darstellung der Raumhöhe wie auch den weiteren Dimensionen hatte Herr Dielmann damals wohl ziemlich übertrieben, und nach dichtem Säulenwald sieht es hier nicht aus. Ich wüsste nicht, was gegen eine Nutzung als Ausstellungsraum und Forum sprechen sollte, ganz im Gegenteil.


    altebrsegroersaalqhiskuk6f.jpg

    Bild: unbekannt (urheberrechtliche Schutzdauer höchstwahrscheinlich beendet), Quelle: Historisches Museum Frankfurt


    Was meiner Meinung nach oft übersehen wird: Alte Börse und Paulskirche bildeten ein bauliches Ensemble. Dieses ist verloren gegangen, doch es wäre vergleichsweise einfach wieder herzustellen. Nicht zuletzt würde sich für die Alte Börse sogleich die Möglichkeit einer sinnvollen Nutzung ergeben.


    Eine ebenfalls wenig bekannte Außenaufnahme aus dem Jahr 1915 von Friedrich August Stüler, auch aus dem Bestand des Historischen Museums:


    alte_boerse_paulsplatz_quelle_hmf_cc-lizenz.jpgBild: Historisches Museum Frankfurt, Lizenz CC-BY-SA / Horst Ziegenfusz


    Auf dem Foto gut zu sehen sind die sieben Sandsteinfiguren an der Westseite der Fassade. Drei Statuen wurden nach 1840 von Eduard Schmidt von der Launitz geschaffen, vier von Johann Nepomuk Zwerger. Eine der Fassadenfiguren ("Seehandel") wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die anderen sechs sind erhalten und stehen heute vor der von Heinrich Burnitz und Oskar Sommer geplanten, 1879 eingeweihten Neuen Börse.

  • Das ist wirklich ein sehr schmuckes Gebäude. Umso mehr schmerzt es mich, doch Argumente gegen es vorzubringen!

    Den Säulenwald würde ich nicht als hinderlich für ein Demokratiezentrum sehen. Vielmehr, dass es verschlossen wirkt – zumindest auf dem Photo. Ein Demokratiezentrum sollte meiner Ansicht nach äußerlich so gestaltet sein, dass jemand mal neugierig wird, was dort drinnen passiert und dann tatsächlich auch eintritt. Es geht hier weniger um einen ästhetisch begründeten Wunsch nach mehr baulicher Transparenz, als um funktionelle Anforderungen.

    Sofern man die alte Börse so neu errichten kann, dass sie das zu leisen vermag, wüsste ich nicht, was gegen sie spräche. Gerne lasse ich mich von Entwürfen überzeugen.

  • Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es eine politische Agenda gibt, uns mithilfe von Architektur von unserer Geschichte zu entkoppeln.

    Anders kann ich mir solche Entwürfe langsam nicht mehr erklären.


    Noch nicht einmal ein Bezug zur Umgebung wird hergestellt. Es soll wohl mit brachialer Gewalt gezeigt werden, dass man heute anders ist.

    Man grenzt sich bewusst optisch von der Vergangenheit ab.


    An einem solch historischen Ort ist das nicht nur nicht angebracht, sondern verhöhnt die geschichtliche Bedeutung.


    Abgesehen davon finde ich die Entwürfe auch unter heutigen architektonischen Maßstäben als nicht gelungen. Weder optisch, noch die angedachte Funktion betreffend.


    Mit der neuen Altstadt wurde gezeigt, dass man an einem historischen Ort, welcher schon als verloren galt, ein lebendiges, zeitgemäßes Viertel mit historischer und - bei Neuinterprätationen - geschmackvoller Optik schaffen kann. Es wird nicht nur von den Einheimischen, sondern auch von Touristen extrem gut angenommen.

    Warum hieraus nicht gelernt wurde, verschließt sich mir.

  • Ich verstehe deinen Einwand leider nicht, Gaius. Mir ist hier im Forum niemand aufgefallen, der einen der gezeigten Entwürfe gut fand. (Ich habe auch noch niemanden abseits dieses Forums getroffen, dem die gefielen.)

    War das in der Presse zu lesen?


    Ohne zu wissen auf welche Entwürfe du dich genau beziehst und auf wen, der diese Agenda vorantreibe, habe ich den Eindruck du bringst eine Polarisierung in die Debatte, die hier völlig unnötig ist.


    Es geht doch gerade darum - wie du andeutest - eine Lösung zu finden, die aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernt. Welche Architektur passt funktional in den Stadtraum an dieser Stelle, sieht gut aus und ist für die Nutzung des Gebäudes funktional.


    (Was dann wen verhöhnt, hat wohl wenig mit Architektur zu tun, sondern mit dem jeweils eigenen Geschichtsverständnis. Das sprengt dann aber vielleicht doch den Rahmen dieses Forums.)