Humboldt-Forum / Stadtschloss - Der Bauthread

  • ^^ Ja ja, die verkopften, intellektuellen Eliten, das Establishment. Das muss bekämpft werden. Wohin das führt, sieht man bei Trumpel und co.

  • Zitat 1 Theseus532

    "Diese Ausschließlichkeit, mit der hier Rekonstruktion gefordert wird, hat es zu keiner Zeit gegeben."

    Solche Forderungen kenne ich nur wenig, ihre Umsetzung gar nicht. Im Gegensatz dazu scheint es die Forderung zu geben, "ausschließlich" modernistisch und zeitgenössisch zu bauen, wie man in Berlin und München am Hauptbahnhof sieht oder in der Hamburger Hafencity.


    Zitat2 Theseus532

    "Kein Vertreter oder Liebhaber von zeitgenössischer Architektur käme auch nur auf die Idee zu fordern alles Alte abzureißen und durch Neues zu ersetzen." Das brauchen die auch nicht mehr fordern, denn das haben sie schon gemacht. Kaum war der Kaiser weg wurden konsequent zahlreiche Fassaden abgeschlagen und bei den Nazis ganze Häuserviertel durch moderne Blöcke ersetzt. Nach dem Krieg wurde das "moderne Werk" noch extremer betrieben, weil ja angeblich alles nicht wieder aufbaufähig war. Ich kenne in Berlin vielleicht drei Gebäude, die in den letzten Jahren klassisch wieder aufgebaut wurden.


    Vertreter zeitgenössischer Architektur "bestehen eben doch darauf" bei der Sanierung notdürftig reparierter Gebäude diese endgültig zu zerstören und modern zu "überblenden". Da braucht man sich nur das Treppenhaus und den ägyptischen Hof (Modell Autobahnbrücke) im Neuen Museum oder den Lesesaal der alten preußischen Staatsbibliothek (orange Kiste wie Gesamtschule in NRW) ansehen.


    Diesen Wutanfall den Theseus hier "aus entgegengesetzten Gründen" bekommt, habe ich auch bekommen, nur dass er mir mehr zusteht da 90% aller Bauten rücksichtslos öde und modern aussehen.

  • Diese Haltung alles genauso zu erhalten und nichts verändern,

    Es gibt zu diesem Widerstreit zwischen "Traditionalisten" und "Modernen" übrigens noch eine dritte Ebene, die i. Zuge der Klimakrise deutlicher zu Tage tritt:


    Die Menschheit muss lernen sich im Kreis zu drehen. Der Natur zurückgeben, was man ihr entnimmt.


    Nicht konservativ oder progressiv, sondern den buddhistischen Gedanken in die bauliche Gestaltung der Umwelt tragen.

  • Die Trennung zwischen konservativ und progressiv lässt sich ohnehin nicht sauber auf politische Parteien übertragen. Die Welt erhalten zu wollen, ist auch konservativ. Und manchmal wollen gerade Linke und Grüne sogar eher einen bestimmten Status quo erhalten, als CDU und Co. Bei der Entwicklung von Stadtschloss über Palast der Republik hin 'zurück' zur Fassadenreko wird es dann erst recht kompliziert, was jetzt konservativ/ reaktionär und was progressiv sein soll.


    Ansonsten sollte man sich mE weniger in abstrakte Debatten verrennen (die hier mE schon in zu vielen Threads und innerhalb gewisser Threads zu redundant hochkochen). Man sollte in meinen Augen mehr auf konkrete Ensembles und auf konkrete Entwürfe eingehen. Dann wird es anschaulicher und produktiver. Was die Reko der Schlossfassaden angeht, ist der Drops jetzt ja ohnehin gelutscht. Etwas überrumpelt war ich, dass selektive Bestandteile der Innenrekos offenbar auch schon längst beschlossen sind (i.e. die Gigantentreppe). Aber das liegt wohl eher daran, dass ich nicht alles im Detail verfolgt hatte. In dem Fall ist es aber eher eine freudige Überraschung, wenngleich ich es Innen nicht übertreiben würde (wenn eine der Außenfassaden und Teile der Hoffassaden modern sind, darf mE gerne auch ein ausgewählter Teil der Innenräume rekonstruiert werden aber im Verhältnis sollte es maximal ein ähnlich geringer Anteil sein wie es umgekehrt außen ist).

  • Bei der Entwicklung von Stadtschloss über Palast der Republik hin 'zurück' zur Fassadenreko wird es dann erst recht kompliziert, was jetzt konservativ/ reaktionär und was progressiv sein soll.

    In der Tat. Alles kommt irgendwann wieder, Geisteshaltungen, Moden, Architekturstile, je kürzer die Epochen werden, desto schneller im Wechsel, und desto weniger klar werden Versuche der Einteilung in konkurrierende Kategorien wie progressiv, reaktionär, konservativ, modernistisch, traditionalistisch.

    Würde man eigentlich einen Bauherrn, der sich ein Wohnhaus gespickt mit Zitaten des Jugendstils errichten lässt, nun als konservativ, da Vergangenes wieder aufleben lassend, oder doch eher als (erneut) progressiv, da ungewöhnlich, eben gerade nicht aus der aktuellen Stilschublade greifend, bezeichnen?

  • Kein Vertreter oder Liebhaber von zeitgenössischer Architektur käme auch nur auf die Idee zu fordern alles Alte abzureißen und durch Neues zu ersetzen,

    Was für ein polemischer Quatsch.

    Einer der Götter der Modernisten (Le Corbusier) hatte eben doch solche Pläne:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Plan_Voisin

    Erstaunlich, dass dieser 100 Jahre alte, unmenschliche Kram von einigen immer noch als "modern" empfunden wird.

  • Ansonsten sollte man sich mE weniger in abstrakte Debatten verrennen

    Fair enough.

    Aber einen Gedanken will ich dann doch noch in die Diskussion einführen.


    Ein durchschnittliches "klassisches" Gebäude wie z.B. vom oben angeführten Patzschke sieht immer noch gut aus.


    Ein durchschnittliches "modernes" Gebäude... das kommt doch sehr drauf an (Und es gibt wunderbare moderne Architektur, nicht falsch verstehen!)


    Und weil beim Bauen immer Kompromisse eingegagen werden müssen und der Regelfall, nun ja, "Durchschnitt" ist, plädiere ich für mehr Patzschke gerade auch außerhalb Berlins wo "Moderne" im Regelfall bedeutet, dass irgendwelche Real-Estate Funds den Minimalismus missbrauchen um die immer gleichen Riegel zu bauen oder wenn sie mal ganz funky sind, bunte Plastikteile an der Fassade anzubringen.


    Lieber den klassischen Spatz in der Hand als die moderne Taube auf dem Dach.

  • Fair enough. ....

    Und weil beim Bauen immer Kompromisse eingegagen werden müssen und der Regelfall, nun ja, "Durchschnitt" ist, plädiere ich für mehr Patzschke gerade auch außerhalb Berlins wo "Moderne" im Regelfall bedeutet, dass irgendwelche Real-Estate Funds den Minimalismus missbrauchen um die immer gleichen Riegel zu bauen oder wenn sie mal ganz funky sind, bunte Plastikteile an der Fassade anzubringen.


    Lieber den klassischen Spatz in der Hand als die moderne Taube auf dem Dach.

    Genau, sollen die Patzschkes doch endlich Duisburg und den Rest des Landes mit ihren Styroporfassaden, gedrungenen Proportionen und gestauchten Belle-Etagen beglücken. Wir haben wirklich genug von denen hier, Mehr brauchen wir eigentlich nicht. 8)

    Dann habt ihr Euren 'klassischen Spatz'


    ... aber das hat Alles nichts mit dem Thema dieses Strangs zu tun.

    Denn das Schloß ist ja wohl nicht von den Patzschkes oder gar aus Styropor.

    Sobald es möglich ist ganz nah heranzukommen, werde ich es mir trotzdem nicht verkneifen können ganz zart gegen die Wand zu klopfen .... vielleicht werde ich dabei von einer der zahlreichen Überwachungs-Kameras gefilmt und dann ... bye bye Camondo.

  • Ein durchschnittliches "klassisches" Gebäude wie z.B. vom oben angeführten Patzschke sieht immer noch gut aus.

    Auch das ist natürlich Ansichtssache. Auf mich wirken sie ebenso originell und inspirierend wie architektonische Stangenware Marke Hellersdorf.

  • Ich habe mich auch gefragt, warum diese Leute immer Berlin beglücken wollen.


    Dessau z.B. böte sich doch viel mehr an und dort wäre man vermutlich froh über Engagement und Spenden.

  • Auf mich wirken sie ebenso originell

    Wo wir wieder bei dem Punkt wären, ob Architektur "originell" sein muss. Aber lassen wir das.


    Camondo Ja, für mehr Patzschke im Ruhrgebiet arbeite ich!

    Genau, sollen die...doch endlich Duisburg und den Rest des Landes ... beglücken. Wir haben wirklich genug von denen hier, Mehr brauchen wir eigentlich nicht.

    Dann habt ihr...

    Die "wir hier" und "ihr da woanders" Beziehung gilt für Berlin aber nur eingeschränkt, weil es Hauptstadt und damit Teil eines größeren "Wir" ist. Die zentralen Plätze und Gebäude Berlins sind für die Nation als Ganzes bedeutsam und unterscheiden sich damit sehr deutlich von der Debatte um einen neuen Bolzplatz im Vorort von Lübeck.

  • Die "wir hier" und "ihr da woanders" Beziehung gilt für Berlin aber nur eingeschränkt, weil es Hauptstadt und damit Teil eines größeren "Wir" ist. Die zentralen Plätze und Gebäude Berlins sind für die Nation als Ganzes bedeutsam und unterscheiden sich damit sehr deutlich von der Debatte um einen neuen Bolzplatz im Vorort von Lübeck.

    Verstehe ich nicht. Jeder Punkt in Deutschland ist selbstredend gleichermaßen Teil der Nation, Teil des abstrakten "größeren Wir". Inwiefern sollten also Plätze und Gebäude der Stadt mit dem Titel Bundeshauptstadt für die Nation eine Sonderstellung einnehmen müssen? Klar, dass ein Bolzplatz in Lübeck 5 km weiter keinen mehr interessiert, bei Großprojekten der Größenordnung Schloss / Forum sieht´s da gleich völlig anders aus. Äpfel und Birnen.

  • Wir geben gern, wo uns doch immer vorgeworfen wird nur zu nehmen.

    Das Ruhrgebiet nimmt auch mehr (Fördergelder) als es gibt, ist also mit Berlin in guter Gesellschaft. ;)


    Inwiefern sollten also Plätze und Gebäude der Stadt mit dem Titel Bundeshauptstadt für die Nation eine Sonderstellung einnehmen müssen?

    Weil sie als genau solche deklariert werden. Bsp.: Die Neue Wache ist die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und nicht die Berliner oder Berlin-Brandenburgische Gedänkstätte und erhält dementsprechend auch andere Finanzmittel und muss anders diskutiert werden als ein Gebäude, dass nur eine lokale Funktion hat.

  • ^Die Debatte ist off-topic; ich würde aber einen Aspekt einwerfen wollen: Auch die Moderne gehört ja in das Continuum zwischen handwerklichem und industriellen Bauen. Es geht dabei um Effizienz und Gewinnsteigerungen. Ich glaube, dass man zu keinem Zeitpunkt und in keiner Epoche, Qualität losgelöst von diesem Grundzusammenhang sehen kann. Genauso wenig wie haute couture das repräsentiert, was wir durchschnittlich tragen, man muß sie sich leisten können und wollen. In diesem Sinne war auch das Berliner Schloss kein typischer Barockbau. Die Moderne war vor allem ein Wegbereiter des billigeren, wirtschaftlicheren Bauens. Ich bin kein Punktrichter für Qualität, kenne aber den Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit und breiter Akzeptanz einer Qualität. Was haute couture für die Mode tut, ist Trends zu setzen, wirtschaftlich erfolgreich ist aber die Stangenware, die diese aufgreift. Ich fürchte in der Architektur ist das nicht anders: Es ist die Stangenware, die sie hervorbringt, die unerträglich ist, wenn man Qualität sucht.

  • Ich habe noch mal durch den Strang gelesen und (zumächst vergeblich) versucht, mir die plötzlich erneut aufkommende Leidenschaft der Diskussion zu erklären. Inzwischen bin ich bei einer womöglich unausgesprochen im Raum schwebenden Rubikon-/Salami-/Büchse-der-Pandora-These angelangt: Aufgrund seiner Position im Stadtbild und seiner generellen Strahlkraft wird dieser Bau womöglich zum Exzempel hochstilisiert. Offenbar wird eine Kaskade an Folgeentwicklungen auf das unmittelbare Umfeld und andere Projekte mindestens für möglich gehalten (und genau das wird von der einen Seite erhofft und von der anderen befürchtet).


    Ob es so kommen kann und wird? Ich kann das ehrlich gesagt nicht einschätzen und es ist auch keine vordergründige Sorge für mich. Ich bin da wirklich ziemlich entspannt. Que sera sera. Wenn bestimmte Qualitäten eine Wirkung und Inspiration entfalten, dann freue ich mich. Falls es nicht dazu kommt, freue ich mich über das Projekt selbst, das alles andere als durchschnittlich geworden ist.


    Generell ist JEDES Projekt eine mögliche Referenz (nicht nur in der Architektur) und das ist auch gut so. Entsprechend soll mE jede Schule mit Leidenschaft ihre Arbeit machen, Raum finden, ihre besten Entwürfe vorzuzeigen und ggf. bei entsprechender Zustimmung auch zu realisieren (wünschenswert wäre dabei, dass dieser Prozess möglichst transparent und auf möhlichst breiter Basis/ möglichst demokratisch erfolgt). Wenn dabei auch mal eine Reko herauskommt, finde ich das völlig ok, auch wenn es daraufhin dann noch ein paar mehr werden sollten oder man sich für Neubauten stilistische Anregungen holt. Schon die Kosten und die fehlenden Lücken (so wie das in vielen Fällen fehlende Gefühl eines Verlustes) werden das ohnehin limitieren.


    Bei diesem Projekt gab es sehr viel Vorlauf, sehr viele Ideen, sehr viel zähe Debatte und langes Ringen mit sehr vielen Zugeständnissen/ Kompromissen (bei proportional ebenso viel wechselseitiger Missgunst und auch Schadenfreude). Jetzt wurde sehr viel Aufwand betrieben und sehr viel (teils gespendetes!) Geld investiert. Das Ergebnis ist erkennbar hochwertig geworden, was man mE unabhängig von der jeweiligen ästhetischen Präferenz anerkennen muss. Wenn etwas so lange reift, sollte man mE nicht aufgeregt (und mE teils kleinkariert) über jeden Quadratmeter Vorfläche Deutungskämpfe austragen. Manchmal wäre es wünschenswert, dass man aus Vogelperspektive und dafür im Zeitraffer auf eine Stadt blicken könnte (zumindest medial ist das inzwischen ja auch teilweise schon möglich). Vermutlich würde das etwas gelassener machen. Und es würde in Perspektive setzen, dass dieses Projekt in mancher Hinsicht herausragend aber zugleich doch nur ein Puzzleteil in einer riesigen Stadtlandschaft ist.


    Mein vorläufiges Fazit zum Humboldtforum bleibt positiv - wenngleich mit abwartender Tendenz. Wie schon geschrieben empfinde ich den Bau bei aller Hochachtung vor der Baukunst bislang teilweise (noch?) etwas zu künstlich und steril. Daher habe ich ehrlich gesagt gar kein Problem mit Alltagselementen wie Fahrradstellplätzen (die Kameras hingegen erfüllen mE zumindest in dieser Gestalt ihren beabsichtigten Effekt: abschreckend).


    Insgesamt finde ich die manche Abwehraltung zu unsouverän und passiv. Wenn etwa eine leidenschaftlich verfasste Apologetik des modernen Schaffens provokativ in den Raum stellt, der "Spitzbart" habe den Bau womöglich nicht aus ästhetischen Gründen oder selbst eigenen Überzeugungen, sondern aus Sorge vor reaktionärem Impact gesprengt, dann entlarvt das mE eher einen erschreckenden Schwachpunkt: Wenn man einen Bau aus allen möglichen Gründen ausgerechnet wegen seiner Qualitäten(!) loswerden will, dann ist man mE ein ganz armer Wicht, der sich der eigenen Sache alles andere als sicher ist. Ansonsten soll man doch lieber selbstbewusst ein modernes Ensemble oberster Güte an passender Stelle DANEBEN/ DAGEGEN positionieren und die Menschen/ die Geschichte selbst ihr Urteil fällen lassen. Das sage ich als jemand, der nach wie vor viel für moderne Architektur übrig hat und durchaus auch gelungene, moderne Ensembles schätzt.