Humboldt-Forum / Stadtschloss - Der Bauthread

  • Heute im ARD-Morgenmagazin ein Interview mit Bundesministerin Giffey vor dem Hintergrund des neuen Stadtschlosses als Bluescreen. Eine Perspektive, die ich so noch nicht gesehen habe. Links das rote Rathaus, rechts das Stadtschloss: Großstädtisch, elegant, alles andere als Disney. Ich verneige mich vor dem Förderverein, der dieses Projekt hat Wirklichkeit werden lassen.


    Zusammenfassung der digitalen Spendertage mit Dank des Bundespräsidenten etc.: https://www.spendertage.de/cgi…deu&rid=427&bef=neueseite

  • Also Niklas Maak schreibt in der FAZ:


    ...


    Ich denke wer sich in den letzten Jahren halbwegs auf dem Laufenden gehalten hat, weiß dass sich die barocke Pracht im Inneren auf den Schlüterhof begrenzt.

    Statt barocker Festsäle lassen sich Südseeboote, Bethöhlen und japanische Tempel besichtigen.


    Weiter schreibt er:


    ...

    Bitte keine Pressezitate, auch nicht auszugsweise! Danke


    Abgesehen davon dass Berlin nicht EIN Stadtzentrum hat, war der Mann mal in Mitte???


    Berlin Mitte hält noch eine ganze Anzahl sozialistischer Bauten bereit und die weggerissene und ausgebombte Altstadt ist für sich genommen eine unübersehbar breite Spur vom Wirken der Nazis 6nd der DDR Führung.


    Die barocken Fassaden sind eher ein Pflästerchen für die Stadtreparatur, denn "vollendete Entfernung all Spuren..."


    Das HF ist ein Bau seiner Zeit, ein Hybrid Schloss, aber wir fahren auch Hybrid Autos, lernen im Hybrid Unterricht, unsere medizinischen Therapien werden zunehmend "hybrid".


    In Bezug auf den Kolonialismus erwarte ich einen offenen Umgang und eine Auseinandersetzung damit, das HF ist aber kein Kolonialmuseum!

    Das Thema der Ausbeutung und systematischen Plünderung Afrikas durch Europäer und Amerikaner muss noch in anderem Umfang bearbeitet werden.

  • Beinahe alle Zentren deutscher (Groß-)Städte sind bis heute ein Mahnmal der Zerstörung durch den von unseren Ahnen gewollten Krieg, und ein Mahnmal der nachkriegszeitlichen Zerstörungs-, und Neubauwut in Ost wie West. Überall sich ähnelnde Fußgängerzonen, Wohnriegel der 50er, mal Platte, mal (verputzter) Klinker. Das Abreißen der größten Widerwärtigkeiten ist sicher kein Entfernen jedweder Erinnerung.

  • Heute wurden oberhalb der Kolossal-Säulen des Eosander-Portals die vier Statuen montiert.
    Ein erhebender Anblick! :saint:
    Die beiden auf der Traufen-Brüstung werden morgen folgen!
    Einziger Wehrmutstropfen: das Fehlen der Prunk-Kartusche wird jetzt noch deutlicher... :/

  • Ich meine in dem 3Sat Bericht war kurz zu sehen dass die Schlüterhofskulpturen im Rücken mit Stahlankern gesichert sind und Freistehende Stahlanker im Podest haben...

  • Heute wurden oberhalb der Kolossal-Säulen des Eosander-Portals die vier Statuen montiert.
    Ein erhebender Anblick! :saint: ...

    Dieser Hinweis auf die heute über den Kolossalsäulen des Eosanderportals installierten 4 Statuen betrifft zwar nicht den Freiraum um das Schloss, aber das Ereignis ist doch wert, erwähnt zu werden. Die Römer positionierten auf ihren Triumphbögen Feldherrn Krieger- und Siegertypen. Auf dem Eosanderportal stehen hingegen allegorische Gestalten. Sie verkörpern (von links nach rechts): Fleiß, Eintracht, Weisheit und Klugheit. Sie sind ein Zeichen dafür, dass die preußischen Könige der Hohenzollern "über diesen Bau" eben nicht (nur) „eisern ihren oft ruchlosen Machtanspruch verfochten“, wie Nikolaus Bernau von der B.Z. meint. Sie vertreten Tugenden und sie schauen melancholisch hinunter auf den Freiraum - und zwar gedankenvoll genau auf die Baustelle der Volksschaukel.

  • Einziger Wehrmutstropfen: das Fehlen der Prunk-Kartusche wird jetzt noch deutlicher... :/

    Bis vor Kurzem wusste ich nicht, was im Zusammehang mit Architektur (oder generell der Kunst) eine "Kartusche" ist. Auch die Bedeutung von Figuren für die Wirkung eines Gebäudes war für mich neues Terrain, bislang war das für mich meist netter aber im Prinzip überflüssiger Zierrat. Allein schon wegen dieser und manch anderer Erkenntnisse hat sich der ganze Bau für mich persönlich gelohnt.


    Mein Interesse an der Architektur hat bei mir die moderne Architektur geweckt, vor allem ein Gebäude des Expressionismus und eines der Postmoderne. Allerdings ist die moderne Architektur im Allgemeinen so arm an Gestaltung und so erbärmlich in der Wirkung, dass sich dabei gar kein differenziertes ästhetisches Empfinden herausbilden konnte, zumal ich in einer (westlichen) Plattenbausiedlung aufgewachsen bin. Mir geht es heute so wie manchen ehemaligen Priestern, die zu engagierten Atheisten geworden sind (besonders beeindruckend: Dan Barker) indem sie erkennen konnten, welchen wortreichen Hülsen sie zum Opfer gefallen waren. Ich sage das als jemand, der das Schloss an sich (also das historische Gebäude) für gar nicht so gelungen hält -- allerdings immer noch für Welten gelungener als das, was dort in den Jahrzehnten zuvor war oder (höchstwahrscheinlich) hingekommen wäre.


    Wie auch immer: Das Schloss und sein Umfeld wird sicherlich auch junge Menschen dazu anregen können, über den Wert von Schönheit, über Geschichte, Tradition und ähnliches nachzudenken und die ein oder andere Anregung mitzunehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Llewelyn () aus folgendem Grund: Sinnentstellenden Formulierungsfehler behoben.

  • Das ist ja das schöne an Architektur. In den Händen genialer Architekten ist selten nur überflüssiger Zierrat zu finden. Rhytmisierung und Gliederung entsteht durch "Zierrat". Figürliche Darstellungen erzählen Geschichten, das ist der Vorteil gegenüber der modernen Architektur, Antike Architektur lässt den modernen Menschen teilhaben an der Gedankenwelt vorheriger Generationen und Zeitepochen, das ist ,zugeben, an einem Werk wie z.B.der Neuen Nationalgalerie ungleich schwieriger.


    Häufig haben Bildhauer, die Gebäude wie z B

    Kathedralen restauriert, modernisiert, ergänzt haben, irgendwo auch Zeichen ihres eigenen Stils, ihrer eigenen Epoche hinterlassen. Ich frage mich, ob dies hier auch möglich war... das wird man herausfinden wenn man überall ganz nah herankommt...;)

  • Sehr klug und kritisch diskutiert Andreas Kilb in der FAZ das Humboldtforum https://m.faz.net/aktuell/feui…net-digital-17102216.html


    Es könne ein Kolosseum für große Debatten werden. Friedlich werde es wohl weiterhin eher nicht zugehen. Zunächst würden postkolonialen Aktivisten die ethnologische Sammlung ins Visier nehmen, die sich auch wegen komplexer bürokratischer Leitung nicht einfach durch einzelne medienwirksame Restitutionen verteidigen könne. Der Geist der Humboldts könnte den Bau weit weniger prägen als Debatten um Deutungshoheit und Moral.

    Könnte interessant werden..

  • Die Statuen oben auf den Kolossalsäulen heißen: FLEISS, EINTRACHT, WEISHEIT und KLUGHEIT.
    Es sind keine Feldherren oder Kriegshshelden, wie es bei den Römern bei solchen Bauten üblich war.
    Ich empfinde das als sympatischen Zug der Erbauer!

  • Der Geist der Humboldts könnte den Bau weit weniger prägen als Debatten um Deutungshoheit und Moral.

    Wie ich es verstanden hatte, sollte doch das Humboldtforum eine Plattform für "Dialog und Debatten" sein... Meiner Meinung nach die einzige Verwendung, um etwas (Alltags-) Leben reinzubringen... Und natürlich sollte es als "Weltmuseum" und ähnlichen Begriffen, mit denen es vor 20 Jahren legitimiert wurde, kosmopolitisch ausgerichtet sein. Ich denke nicht, dass es sinnvoll wäre, hinter einer Fassade des 18./19. Jahrhunderts, auch mit der selben inhaltlichen Ausrichtung zu arbeiten. Die Handlungsbedingungen haben sich in den letzten 200/100 Jahren ja auch grundlegend verändert. Ich hoffe, dass wir nicht mehr die Welt kolonisieren wollen - obwohl wir das noch immer tun... Und genau dieses Spannungsfeld sollte Thema dieses Ortes werden. Ich weiß natürlich, dass die Rekonstruktionspuristen sich eher einen Umgang mit dem "Stadtschloss" wie mit einer Kathedrale wünschen - unnahbare Demut und andachtsvolle Stille vor der Größe der in ihr repräsentierten Vergangenheit... - Aber das funktioniert in Berlin nicht... So tickt die Stadt nicht... So bliebe das Gebäude irrelevant für dieStadtgesellschaft und nur ein Fotomotiv für die Touristen (wenn sie wieder kommen).

  • Ich glaube nicht, dass die Wirkung von Statuen stets nur positiv zu bewerten ist, im Fall des Neuen Schlosses in Potsdam bin ich von der Wirkung der Statuen nicht überzeugt. Hier aber ist es anders: Ich hatte eigentlich nichts vermisst, aber erst jetzt, wo gerade die sechste Statue des Eosanderportals aufgestellt wird, merke ich, wie sehr diese Statuen gefehlt haben. Das Portal wirkt nun in meinen Augen viel graziler, leichter, plastischer, differenzierter, harmonischer. Daher stelle ich mr die Frage, auf welchen anderen repräsentativen Gebäuden Berlins Statuen eine ähnliche Wirkung haben könnten und ob nicht auch die Gegenwartsarchitektur gelegentlich von Statuen profitieren könnte.

  • Es gibt ein meist schreckliches Philip-Johnson-Gebäude in San Francisco, das mit zeitgenössischen figuralen Skulpturen der amerikanischen Künstlerin Muriel Castanis gekrönt ist:


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    Quelle: Dropdeaded209

  • ^ Ja, abgesehen davon, dass hier das Gebäude selbst unförmig und disproportioniert wirkt, ist es enorm schwer, Statuen mit moderner, schlichter Architektur zu versöhnen, mir fällt auf Anhieb überhaupt kein gelungenes Beispiel ein. Offenbar müsste sich die Architektursprache selbst doch gravierend ändern, damit figurative Statuen nicht wie kitschige Fremdkörper wirken.