Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Soweit ich gehört habe, sind die AIV-Juroren Kleihues, Kahlfeldt und Stimmann mittags verschwunden, weil sie gedacht haben es gewönne ohnehin ein rekonstruierender Entwurf. Als die Alten Hasen weg waren haben die Youngsters den Aufstand geprobt und nur Entwürfe für die letzte Runde zugelassen, die sich nicht am historischen Stadtgrundriß orientierten...

  • von Architektator: dass bis auf die wenigen historischen Gebäude eben alles einheitlich gestaltete Mini-Plattenbauten sind


    Was meinst Du genau mit historisch?
    Unmittelbar um die Kirche (selbst völlig zerbombt - Totalruine mit Turmstümpfen) hat sich kein Haus im Original erhalten, was hier steht sind allesamt DDR-zeitliche Rekonstruktionen, Translozierungen oder Neuschöpfungen in Genius-Loci-Manier, barock und klassizistisch. Siehe hier:
    http://www.bing.com/maps/?v=2&…cene=12400702&lvl=2&sty=o Die im Origial erhaltenen Häuser des Viertels beschränken sich auf fünf Gebäude in der Poststraße von ca. 1880-1910 (davon zwei in den 30ern mit einheitlicher Fassade versehen - neben dem Ermelerhaus[sorry, Ephraimpalais - danke Timmi]) und zwei Jahrhundertwendebauten an der Spree. Alles weitere, was nach Vorkrieg aussieht ist neu. Das um einige Meter vom Originalstandort translozierte Ermelerhaus [Emphraimpalais!]wurde mit seiner seit 1936 eingelagerten Originalfassade auch erst in den 80ern wiederaufgebaut.
    Dafür, dass Stahn Kompromisse eingehen musste (Wohnungsanzahl) und um den Bau von Platten nicht herumkam, hat er eine geniale Wiedergutmachung parat: die höheren Großplatten platziert er geballt so weit wie möglich weg von der Nikolaikirche, um so den gesamten zugestandenen "Altbauteil" rings um die wiederhergestellte Kirche zu gruppieren (die paar Platten hier sind kleinteilig und hansegiebelmäßig verziert und wären mit geteilten Fenstern recht nett ;)). Die Kirche erhält so einen würdigen und nachhaltigen Rahmen. (weckt doch Assoziationen zum Dresdner Neumarkt?) Dieser Teil des Nikolaiviertels ist 1a und nicht zu verbessern. Der Block an der Ecke Rathaus-/ Spandauerstraße war das dafür nötige Zugeständnis an die DDR-Betonköpfe. Nun stellt euch mal vor, Großplatte und Barockhäuschen wären nicht nach Gruppen sortiert, sondern kontrast-hascherisch "arrangiert" worden. Deswegen: Stahn rulez! Avantgarde in der Tristesse :)
    Der "Disney"-Eindruck übrigens kommt m.E. eher daher, dass man inmitten einer breiten tosenden Verkehrsbrandung dieses Inselchen findet und einem das deswegen künstlich und abgeschnitten vorkommt. Wenn erstmal die Straßen auf humanes Maß zurückgestutzt wurden und auch um das Stadthaus das neue Viertel steht, wird es mit dem Rest der Altstadt verschmelzen und als viel selbstverständlicherer Teil wahrgenommen werden. Nicht mehr als "Diesneyland".
    Wenn so etwas Nikolaiviertel-mäßiges bei einer künftigen Bebauung des Neuen Marktes (um die Marienkirche) kommen sollte, fress ich einen Besen! Man kann wenigstens hoffen, dass es sich in Richtung Straßenverlaufsreko mit Altstadtmaß-angepassten (Neu)Bauten entwickelt. Für Ideen und Vorbilder leistet Stahns Arbeit wertvolle Dienste: Sie zeigt vor Ort, wie man´s um die Marienkirche machen könnte und veranschaulicht die Annahme einer solchen Lösung durch Bevölkerung und Touristen (Belebung). Ein Vorteil für die Anhänger der kritischen Rekonstruktion: Das Nikolaiviertel ist m.E. der gebaute städtebauliche Kurswechsel in der ausgehenden DDR, nachdem die Mitte Berlins in ihrer "sozialistischen" Form ästhetisch nicht als der Weisheit letzter Schluss eingestuft wurde. Man bedenke - Honecker sprach sich einst darselbst für eine Schlossrekonstruktion aus! "Wos die in Paris, Warschau oder Rom haben, woll´n wir auch..." ;) Die PDS/Linke kann schwer glaubwürdig gegen eine "bürgerliche" Wiederherstellung der Stadtmitte kämpfen. Zumindest kann von ihr und der taz nicht ganz so dagegen polemisiert werden.

    31 Mal editiert, zuletzt von Baukunst () aus folgendem Grund: Korrektur bzgl. Ermelerhaus


  • Solche 'Entwürfe' sind gelinde gesagt einfach nur ein Frechheit. Seelenlose Bunkerarchitektur ist nun wahrlich das Letzte was die Stadt an dieser Stelle braucht.
    Was ich mich nur immer wieder frage ist, woher diese völlige Ignoranz gegenüber Stadtgeschichte und -kultur kommen mag? Dass die Menschen dort nur als schwarz-weiße Schatten angedeutet werden ist durchaus passend - für sie scheint so etwas jedenfalls nicht entworfen zu sein.

  • @Tele33:


    Das ergebnis von 60 Jahren erfolgreicher "reeducation" ;) ?


    Ernsthaft: In der öffentlichen Wahrnehmung beginnt für viele die heutige deutsche geschichte erst im Jahr 1945---bzw. 1949 mit der Gründung der BRD.
    Davor waren 12 Jahre Düsternis--und was davor war interressiert die meisten nicht.


    Man merkt der ganzen Diskussion ja an, dass das grundsätzliche Verständniss für eine historische Kontinuität nicht vorhanden ist. Das genaue gegenteil findet man übrigens, wenn man mal nach polen fährt und dort mit den Architekten und aber eben auch vor allem den nicht-Architekten redet!


    Und deshalb muss jede reko, jeder Wiederaufbau, jeder historisierende Neubau erneut gegen schärfste Kritik von allen möglichen seiten verteidigt werden. Siehe das Spektakel, das derzeit in Dresden abläuft.

  • Was ich schon sehr dreist finde und mich auch als Architekt beschweren würde, dass man bei dem Bild mit der Piazza vor dem Rathaus sehr gut erkennen kann, wo sich der Architekt an Ideen bedient hat! Das linke Backsteinhochhaus ist EXAKT der Bau, der im Überseequartier in der Hafencity in HH gebaut wird, das rechte, gläserne Hochhaus, ist die EXAKTE Kopie des neuen Spiegel-Hochhauses, ebenfalls in der Hafencity! Da sollen Ideen geliefert werden und für ein hohes Preisgeld kriegt man ein gestohlenes Sammelsurium... Finde ich schon frech!


    http://www.backstein.com/3.0/k…ubrik=91&sel_artikel=335#


    http://images.google.com/imgre…26rls%3Den%26tbs%3Disch:1

  • Baukunst
    Sorry, aber ich glaube du hast das Ermelerhaus am Märkischen Ufer mit dem Ephraim Palais vertauscht, welches aus der Breiten Straße dorthin transloziert wurde. Oder du meinst das Knoblauchhaus.


    Was mich am Nikolaiviertel (ideell, sowie städtebaulich) stört, ist das hier suggeriert wird das es die letzten einhundert Jahre vor seiner Zerstörung gar nicht gab. Die Großstadt Berlin wird völlig ausgeklammert indem man in ein märkisches Kleinstadtidyll katapultiert wird. Für Geschäfts- und Kaufhäuser die hier (auch) vor dem Krieg standen kann die DDR zugegebenermaßen auch kein großes Interesse gehabt haben. Selbst der Maßstabssprung in der Geschossigkeit zu den umliegenden hist. Gebäuden, wie Rotes Rathaus und Marstall ist enorm. Hier von „wieder sichtbar machen“ Berliner Geschichte zu reden, finde ich nicht korrekt, zumindest nicht an diesem Ort.


    Das einstige „Marienviertel“ war allerdings noch viel weiter von „Alt Berlin“ entfernt als es manche „Stimmann Sympathisanten“ zugeben wollen.
    Insofern ist das Beispiel Dresdener Neumarkt ein sehr gutes.


    Der Neumarkt wird genauso A-historisch rekonstruiert wie einst das Nikolaiviertel. Vielleicht kommt man in Dresden demnächst auf die Idee Wallot´s Ständehaus abzureißen und das Brühlsche Palais in barocker Herrlichkeit zu klonen. In einer Stadt in der man wie bei dem Gewandhaus min. 4 Epochen zur Auswahl stellt um sich die schönste Fassade auszusuchen, kann es auch mit der hist. Kontinuität nicht weit sein.


    Rekonstruktionen gesamter Quartiere thematisieren hier immer selektive Zeitschichten und negieren damit andere. Für ein Disneyland etwas fantasielos für ein Themenpark aber ganz gut.

  • Die Hochhäuser im Hintergrund stammen aus verschiedenen Studentenwettbewerben. Man kann sie im "Welche Gebäude Berlin verdient hätte" Thread bestaunen.

  • Nikolaiviertel:


    Mit Baukunst bin ich der Meinung, daß Stahn seinerzeit viel durchgesetzt hat. Die Sanierung der wiederaufbaufähigen Gebäude, die Wiedergeburt des Nikolaikirchhofes, die Restaurierung der Nikolaikirche (leider ohne die ungleichen Türme), die schöne Kopie des Nußbaum und so manch' skurriles Detail wie der Magistratsbusen. Da sind die Fakes der Gerichtslaube und der Mama Hoppe erträglich.
    Das beste am Nikolaiviertel ist aber der Städtebau: die Straße am Nußbaum hat supercharmante Bezüge zum Turm des Nikolaiviertel und dem Fernsehturm. Schade, daß die Straße nicht - wie ursprünglich vorgesehen - als Passagen durch das Rote Rathaus zur Jüdenstraße fortgeführt wurde. Und der Platz vor dem Marstall (mit dem Hl. Georg) - städtebaulich wirklich schön (architektonisch allerdings fragwürdig). Richtig zu Berlin wird das Nikolaikirchviertel erst gehören, wenn einige überdimensionierte Platten abgebrochen wurden und das Viertel wirklich viele Zeitschichten erhält.


    Marienviertel:


    Hier geht es dch ersteinmal um die Wiederherstellung des historischen Straßenrasters. Dann sollte kleinteilig gebaut werden, unter Einbeziehung von 10 bis 15 Leitbauten, die historisch wieder entstehen könnten. Da gibt es doch zig Zeitschichten: Mittelalter, frühe Neuzeit, Klassizismus und fin de siécle. Ich denke hier fehlt der breiten Masse und vor allem den Planern schlicht das Wissen um die Geschichte des Ortes. Diese Geschichtsamnäsie ist den Entwürfen des AIV anzumerken. Aber wie schrieb noch gleich Klaus Hartung in der ZEIT: Das Vergessen um die Geschichte ist in Berlin so total, daß man sich nicht einmal darüber einigen kann, daß deren Verschwinden ein Verlust ist.

  • Schinkelwettbewerb

    Der Architekten- und Ingenieurverein Berlin (Auslober) hat seit heute die gesamten Ergebnisse bzw. Preisträger des Schinkelwettbewerbs 2010 als ausführliche Dokumentation (pdf) ins Netz gestellt! Sehr interessant!

  • Fernsehturm

    Das viele Vorschläge vorsehen, den Sockel des Fernsehturms zu beseitigen, finde ich eine Frechheit! Er ist ein ausgesprochen schönes Zeugnis seiner Zeit! Es sollen geschichtliche Zeugnisse rekonstruirt werden, während andere verfallen oder gar abgerissen werden. Diese Tatsache geht nicht in meinen Kopf. auch, das so ein theater gemacht wird um den Masterplan. Einfach ein Straßenraster rein, das sich an der ursprünglichen Straßenführung orientiert. Dann können unterschiedliche Bauherren sich verewigen.

  • ^ Kann ich auch nicht nachvollziehen. Der Sockel ist essentieller ästhetischer und architektonischer Bestandteil des Fernsehturms. Danke an Timmi für das Dokument. Ich halte den mit einem Anerkennungspreis versehenen Beitrag der UDK-Studenten (S 13), der die alten Parzellengrenzen sichtbar macht, für recht interessant. Ansonsten muss man das Ganze halt nüchtern als das sehen, was es ist: ein Ideenwettbewerb. Dass da dann abgefahrene Sachen höher eingestuft werden als die reine Neubebauung im alten Raster, war ja abzusehen.

  • Zitate von Konstantin:

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie man sich der Geschichte so konsequent verweigern kann.


    Hier geht es dch ersteinmal um die Wiederherstellung des historischen Straßenrasters. Dann sollte kleinteilig gebaut werden, unter Einbeziehung von 10 bis 15 Leitbauten, die historisch wieder entstehen könnten. Da gibt es doch zig Zeitschichten: Mittelalter, frühe Neuzeit, Klassizismus und fin de siécle. Ich denke hier fehlt der breiten Masse und vor allem den Planern schlicht das Wissen um die Geschichte des Ortes. Diese Geschichtsamnäsie ist den Entwürfen des AIV anzumerken.


    Deine Vorschläge würde ich als Inbegriff der Geschichtsverweigerung ansehen. Wenn du schon ein Geschichtsbewusstsein einforderst, kannst du dir doch dabei nicht einfach die Teile der Geschichte rauspicken, die dir persönlich am besten gefallen. Geschichte ist ein niemals endender Prozess. Die Berliner Geschichte endet nicht mit der Zeit eines preußischen Freistaates, auch wenn du dir das anscheinend so wünschst.


    Das Resultat der Geschichte der letzten 100 Jahre ist nunmal, dass die altstädtischen Strukturen nicht mehr existieren. Sie ohne jegliche Bezugnahme auf die Veränderungen der letzten Jahrzehnte einfach wieder herzustellen, halte ich für absolut unangebracht und "geschichtsverweigernd". Vielmehr sollte man an der heutigen Gestaltung anknüpfen und diese verbessern und weiterentwickeln. Deine Vorschläge würden gerade den Teil der Berliner Geschichte, der Berlin im Vergleich zu anderen Städten so einzigartig macht, vollkommen ausblenden.

  • Geschichtsamnäsie

    Wie schrieb noch gleich Klaus Hartung in der ZEIT: Die Geschichtsamnäsie in Berlin ist derart total, daß man das Verschwinden der historischen Stadt nicht einmal als Verlust begreift.


    Wenn wir ex post Ergebnisse von Diktaturen mit deinen Argumenten konservieren bestätigen wir deren Politik. Das kann - zumindest für stark zerstörte Städte wie Berlin - nicht der Weg sein. Es wäre der späte Sie für die totalitären Planer, einerlei welcher Provenienz und Couleur.


    Ein Leitbautenkonzept (wie in Potsdam, Frankfurt oder Riga) ginge doch nicht nach meinem persönlichen Geschmack sondern nach bau-, kunst- und zeithistorischen Maßstäben. Aber das ist eine Sachdiskussion.


    Nur off topic: Rätselhaft, warum dich der preußische Adler so erregt. Gilt denn jetzt schon ein Bezug zur Weimarer Republik als reaktionär? Der Freistaat Preußen war ein Hort der Demokratie. Keine vorzeitig beendeten Legislaturen, große sozialdemokratische Ministerpräsidenten und - im Gegensatz zum Reich - bis zum "Preußenschlag" das Bollwerk gegen den Nationalsozialismus.

  • ^^
    Von konservieren habe ich doch auch gar nichts geschrieben, sondern von verbessern und weiterentwickeln. Und hier geht es mir überwiegend um die städtebaulichen Strukturen. Allein schon aus ästhetischen Gründen würde ich die Konservierung der meisten DDR-Bauten nicht gutheißen. Herausragende Bauwerke, wie beispielsweise der Fersehturm müssen aber unbedingt unangetastet bleiben und auch in einem ihnen angemessenen städtebaulichem Kontext stehen. Der Fernsehturm inmitten von einem altstädtichen Straßenraster wäre einfach unpassend. Hier ist unbedingt eine großzügigere Raumgestaltung angebracht!
    Die derzeit existierenden städtebaulichen Begebenheiten sollte man meiner Meinung nach bei der zukünftigen Entwicklung des Gebiets berücksichtigen, anstatt sie einfach völlig zu ignorieren und zum Vorkriegszustand zurückzukehren. Das heißt, die positiven Aspekte sinnvoll weiterentwickeln und mit neuen kreativen Ideen verknüpfen. Mit positiven Aspekten meine ich z.B. unter anderem die Karl-Liebknecht-Straße, die ich in ihrem Verlauf als Verbindung zwischen Unter den Linden und Prenzlauer Allee für deutlich sinnvoller halte, als es im Vorkriegszustand der Fall war.


    Und nein, der preußische Adler erregt mich nicht sonderlich und von reaktionär war in meinem Beitrag auch nicht die Rede. Ich habe das lediglich angesprochen, da du dich offensichtlich stark mit dieser Epoche identifizierst (sonst würdest du wohl kaum dieses Profilbild verwenden) und das anscheinend auch Einfluss auf deinen persönlichen städtebaulichen Geschmack hat. Doch jedem der diessen Geschmack nicht teilt Geschichtsamnäsie vorzuwerfen, halte ich für fraglich.

  • Wie schrieb noch gleich Klaus Hartung in der ZEIT: Die Geschichtsamnäsie in Berlin ist derart total, daß man das Verschwinden der historischen Stadt nicht einmal als Verlust begreift


    Natürlich ist das Verschwinden der historischen Stadt ein Verlust. Aber deshalb kann man sich doch nicht einfach der Realität verweigern. Mit Verlusten muss man lernen umzugehen, anstatt sich an sie zu klammern.
    Wenn beispielsweise meine Katze überfahren wird, ist das auch ein Verlust für mich, trotzdem stelle ich sie mir nicht ausgestopft in mein Wohnzimmer. Nichts anderes wäre für mich eine uneingeschränkte Rückkehr zu den historischen Strukturen ohne jegliche Bezugnahme auf die Veränderungen der letzten 60 Jahre.

  • Man kann sich aber genausowenig der Geschichte und den Lehren daraus verweigern. Der Vergleich mit der Katze ist grotesk. Nachdem sie auf der Straße festgeschnallt und dann absichtlich mehrfach überrollt wurde, wirst du dir möglicherweise auch eher wieder eine Katze zulegen und keinen Dackel.
    Zumal auch niemand eine *uneingeschränkte Rückkehr* propagiert.

  • Wenn - um im Berlin zu bleiben - beispielsweise die DDR nicht rekonstruiert hätte wäre vom Berliner Zentrum wenig übrig. Lindenoper, Kronprinzen- und Prinzessinnenplais, Kommode, Altes Palais, Volksbühne, die halben Linden, Podewils, Palais Schwerin am Molkenmarkt, viele Gebäude des Nikolaiviertels und - last, but not least - die Quadriga sind fast hundertprozentige Kopien.
    Einzig das Zeughaus und - mit Einschränkungen - die heutige Humboldt-Universität und Teile der Museumsinsel haben im Stadtkern schwer beschädigt überlebt.


    Ist das der Stadtkern, den Du haben willst - da wird's aber zugig. Und was hättest Du denn auf's Brandenburger Tor gestellt?


    Oder gelten die DDR-Rekos bei dir auch schon als Geschichte. Dann wird die Reko des Schlosses und der Kommandantur auch Geschichte...


    Im übrigen hat ja niemand von flächendeckender Reko gesprochen sondern von kunst-, zeit- und architekturhistorisch wichtigen Leitbauten. Sonst geht es um die Wiedergewinnung des Stadtgrundrisses.


    Im übrigen ist der alte Stadtkern nicht weg, wie stets behauptet wird. Unter dem Pflaster liegt die Stadt, auch der Berliner Altstadt.

  • Naja - im Großen und Ganzen verteidigt hier sowieso nur jeder seine ästhetischen Ansichten, unterlegt sie argumentativ mit seinem eigenen Geschichtsbewusstsein.


    Während manchen zB. der Sockel des Fernsehturm als gelungenes Zeugnis seiner Zeit oder einfach aus persönlichem Geschmack zusagt, würd ich mir, wie die beiden Adler vor mir, lieber etwas Rekoromantik wünschen, da nur dadurch nach meiner Überzeugung Wohlfühlurbanik erzeugt wird. Letztlich bleibt's eine Geschmacksfrage, der grüne Zweig wird da ausbleiben.

  • Also ich für meinen Teil kann Konstantin nur beipflichten und habe eine affine Ansichtsweise und Einstellung.
    Wenn betrachtet wird, was der Status Ouo für zeitgenössische architektonische Juwele hervorbringt, könnte man meinen - wenn man vergleicht, was noch in der wilhelminischen Epoche bis in die 20er Jahre, oder gar davor als schön empfunden und gebaut wurde - dass das gesellschafliche und kollektive Ästhetikbefinden sich entweder stark rudimentiert oder Architektur ausschliesslich auf ihren Zweck beschränkt wird, um fortschrittlich und modern zu wirken.
    Es wirkt halt so als wenn auch die Architektur sich der intellektuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Tendenz der Verwahrlosung und Dekadenz anschliesst.
    Besonders in Hinblick da die deutsche Geschichte ja erst 1945 beginnt.
    Warum sollte man für Gebäude Geld ausgeben die aus dieser bösen, bösen Zeit stammen; egal wie schön sie aussehen, sie sind ja im Grunde nicht deutsch.