Berliner Baupolitik

  • Mittlerweile habe mir den Koalitionsvertrag durchgelesen. Insgesamt bin ich der Meinung, dass er zumindest zum Thema Stadtentwicklung viel Kontinuität enthält. Wichtige Projekte, wie das Haus der Statistik, die Alte Münze und das Rathausforum sollen weitergeführt werden. Am Humboldtforum wird - wie schon geplant - eine Freitreppe für das Flussbad gebaut. Die Zahl der Neuen Stadtquartiere wird von 16 auf 21 aufgestockt. Auch diese Entwicklung ist nichts Neues, denn schon während der letzten Legislaturperiode wurde die Zahl der Neuen Stadtquartiere von 12 auf 16 erhöht. Landeseigene Grundstücke sollen weiterhin nicht privatisiert werden. Positiv ist, dass künftig mehr auf die Erhaltung von bestehenden Gebäuden als auf Abriss und Neubau gesetzt werden soll. Und der Welterbeantrag "Doppeltes Berlin" soll weitergeführt werden. Alles in allem finde ich die Ergebnisse nicht so schlecht.

    https://www.tagesspiegel.de/be…um-download/27845258.html


    Nun kommt es darauf an, wer Stadtentwicklungssenator wird, Derzeit kursieren zwei Namen - Engelbert Lütke Daldrup und Iris Spranger, und da sehe ich schon deutliche Unterschiede. Während Lütke Daldrup zweifellos die Kompetenz für das Amt mitbringt, ist Frau Spranger bisher durch keinerlei Kompetenz auf diesem Gebiet aufgefallen. Daher wäre sie eine sehr schwache Senatorin. Daher hoffe ich doch sehr, dass die Wahl auf Lütke Daldrup fällt.

  • Daldrup wäre keine schlechte Lösung glaube ich. Der Mann denkt pragmatisch und erfrischend unideologisch.

    https://medien.enev-online.de/…_bmvbs_energieausweis.htm

    "Wir haben mit der gezielten Änderung des Baugesetzbuches einen ganz wichtigen Schritt getan, um einen starken Akzent zur Unterstützung der Innenstädte zu setzen. [..]Es ermöglicht die Halbierung der Planungsdauer im vereinfachten Bebauungsplanverfahren, weil wir auf eine Reihe von Regelungen verzichten. Wir machen nur noch eine einfache Bürger- und Behördenbeteiligung und nicht mehr eine doppelte. Die umfangreiche Umweltprü-fung förmlicher Art fällt weg. Wir nutzen die Spielräume, die die EU-Verordnungen uns geben für kleine Projekte keine förmliche Umweltprüfung durchzuführen. Wir wollen einen echten planungsrechtlichen Bonus für das Bauen in der Stadt geben, um deutlich zu machen, dass uns Flächenrecycling, Brachenreaktivierung ein zentrales Anliegen ist um einen Beitrag zu leisten, die Zersiedelung zu verhindern."


    Er steht scheinbar grundsätzlich gegen Zersiedlung und pro Verdichtung, Urbanisierung und Aufwertung. Alles gute Indikatoren für den Posten.

  • Die Berliner Architektenkammer beschäftigt sich in einer Pressemitteilung mit der Auswahl des künftigen Senatsbaudirektors / der künftigen Senatsbaudirektorin. Sie schlägt die Einsetzung einer "Findungs- und Auswahlkommission" für dieses Amt vor. Weiterhin formuliert sie Anforderungen an die Bewerber. Gewünscht wird "eine in der Welt des Bauens angesehene und themenübergreifend tätige Führungspersönlichkeit, die nationale wie internationale Entwicklungen und baukulturellen Debatten im Bauwesen kennt und mitgestaltet hat und Erfahrung mit Projekten und Formaten mehrdimensionaler Kommunikation, sowie über ein lebendiges nationales und internationales fachlich weit gespanntes Netzwerk verfügt". Zudem werden
    "Kompetenzen mit einer nachhaltigen, klimagerechten Stadtentwicklung und Architektur" und "Erfahrungen auf dem Gebiet des bezahlbaren, energie-und ressourceneffizienten Wohnungsbaus" gefordert.

    https://www.ak-berlin.de/filea…er_Senatsbaudirektion.pdf

  • Lieber Klarenbach, diese Anforderungen die die Berliner Architektenkammer dort forumuliert entsprechen doch größtenteils den Lobeshymnen bei der Vortsellung von Regula Lüscher 2007 als Senatsbaudirektorin. Zugegeben die Klima-Phrasen waren damals noch nicht so dick aufgetragen, aber ansonsten entsprach Frau Lüscher dieser Vorgabe. Das Ergebnis kennen wir.

    Ich glaube dass es selbstverständlich neben der Fachkenntnis, die Frau Lüscher sicher besaß, halt auch jemand sein müsste, der klare Entscheidungen treffen kann, die intellektuell und architektonisch wie städtebaulich stringent sind. Hierfür sind keine Dutzend Berater von nöten, wie dies bisher der Fall war. Ein neuer Senatsbaudirektor sollte vor allem Berlin kennen, sich nicht von kurzfristigen Moden leiten lassen (gestern Feuchtbiotop, dann das Passivhaus, dann die Klima-Zertifikate) und sollte vor allem eines haben: einen guten Geschmack. Und wenn er dann noch über den Tellerrand blicken könnte (nicht verkopft sondern ein offener Geist) und Berlin als doch unfertige Stadt begreift, dann hat Berlin viel gewonnen.

    Bei einer solch vorgeschlagenen Findungskommission ist halt zu befürchten, dass wieder nur ein sehr weichgespülter Durchschnitt das Rennen macht. Ich drücke ganz fest die Daumen!

  • In die Debatte um den neuen Senatsbaudirektor / die neue Senatsbaudirektorin kommt Bewegung. Die Zeitschrift ARCH+ hat heute einen Offenen Brief an Franziska Giffey und Raed Saleh veröffentlicht, in dem ein "offenes und transparentes Auswahlverfahren" gefordert wird. Gewünscht wird eine "integrative Persönlichkeit", "die bei allen relevanten stadtpolitischen Akteuren und Parteien Anerkennung findet". Dann werden noch verschiedene Anforderungen formuliert.

    Unterzeichnet wurde der Brief von vielen Prominenten, z.B. Volker Staab, Matthias Sauerbruch, Arno Brandlhuber, Kees Christiaanse, Inken Baller, Kristin Feireiss, Almut Grüntuch-Ernst, Frank Barkow, Gernot Nalbach und viele andere.

    https://archplus.net/de/offene…-der-senatsbaudirektorin/

  • "Der künftige Senatsbaudirektor / die künftige Senatsbaudirektorin sollte dabei glaubwürdig folgende inhaltliche Positionen vertreten:"
    Naja naja, hier hoffe ich doch dass die Politik sich nicht zu sehr von solchen Interessensgruppen einspannen lässt. Schön ist, dass sich viele einen gestandenen Senatsbaudirektor wünschen, der sollte sich jedoch nicht von der einen oder anderen Gruppe vor den Karran spannen lassen. Der Text ist nach meiner Lesart leider übervoll von Modewörtern die doch zu sehr an der aktuellen Zeit kleben. Die Zukunft wurde noch immer anders als die Menschen dachten.

    Ich bleibe dabei: Ich wünsche mir einen Senatsbaudirektor mit einem frischen und offenen Geist. Konzept ja, Verkopfung nein, aber jemand der die Stadt als Ganzes (von Wannsee bis Müggelsee, von Südende bis Nordend) versteht.

  • Bislang ist mein vorsichtig positiver/optimistischer Eindruck noch intakt. Ich habe jedenfalls das Gefühl, man will die Dinge voranbringen. Von daher bin ich noch offen und entspannt, was bei solchen Entscheidungen herauskommt. Ich denke aber auch, dass sich die Koalition nicht zu sehr verrückt machen lassen sollte. Die gute Nachricht ist jedenfalls schonmal, dass man anscheinend Projekte anschieben möchte und dabei auch mit Investoren kooperiert (siehe Signa). Der Gestaltungswille ist also vorhanden. Da werden hoffentlich also auch entsprechende Fachleute für so einen Job zu begeistern sein.

  • ich persönlich habe gehofft, dass die wahl auf lütke daldrup fällt, denn er bringt zweifellos die nötige kompetenz mit.

    überraschenderweise hat sich die SPD für den ehem innensenator andreas geisel entschieden. 2014 - 2016 war er senator für stadtentwicklung und umwelt, daher bringt auch er einiges an erfahrung mit.

    neue senatsbaudirektorin wird petra kahlfeldt.

  • Geisel galt als Lichtenberger Bezirksbürhermeister als großer Macher und nirgendwo wurde in dieser Zeit mehr Wohnraum, zumal kostengünstiger Wohnraum errichtet. Für mich ist das erst einmal eine sehr gute Nachricht, die meine bisherige positive Wahrnehmung bestätigt. Ich glaube, diesmal will der Senat es wirklich besser machen und es allen beweisen. Mit pragmatischen Köpfen wie Geisel kann das mE auch gelingen.

  • Petra Kahlfeldt klingt super! Sie ist Berlinerin, hat somit viel mehr Verständnis für das Stadtbild und baut vorwiegend in klassischen Stilen. Außerdem hat sie im Landesdenkmalamt gewirkt und wird hoffentlich eine größere Schätzung des Berliner Erbes mitbringen!
    Nachdem Lüscher das Land in eine stark rational-funktionale Richtung gesteuert hat, bin ich doch sehr überrascht, dass nun eine klassisch orientierte Architektin den Platz übernimmt. Ich bin sehr gespannt und freue mich schon auf die kommende Zeit!


    Ps: In ihrer Projektübersicht ist auch ein Entwurf für die Bauakademie zu finden, der eine originalgetreue Rekonstruktion vorschlägt. Auch in Hinsicht auf die in den nächsten Jahren anstehende Debatte über den Wiederaufbau wird sie hoffentlich einen positiven Einfluss haben.

  • https://www.kahlfeldt-architekten.de/


    Ihr Mann, Paul Kahlfeldt, ist auch Architekt. Sehr interessant. Sie scheint recht hochwertig zu bauen. Das Wohn-Portfolio besteht fast ausschließlich aus Stadt-Villen in Neo-klassischen Stilen. Wenn man böse sein will, könnte man sie mit den Patzschkes vergleichen. Die Architektursprache (Faible für Säulen) scheint mir ähnlich. Ich will aber nicht böse sein.

    Was mir besonders gefällt ist das "Klinkenpaar Petra und Paul" :lach:


    Dann klink dich mal ein Petra. Wir brauchen dir!


    Was mir allerdings gar nicht gefällt ist Geisel als Bausenator. Ich halte ihn für einen politischen Wurstverkäufer und hätte lieber Daldrup gesehen, der vom Fach ist. Vielleicht täusche ich mich aber auch und Daldrup quatscht Pommes, während Geisel ranklotzt. Alles möglich. Hätte schlimmer kommen können!

  • Was mir allerdings gar nicht gefällt ist Geisel als Bausenator. Ich halte ihn für einen politischen Wurstverkäufer und hätte lieber Daldrup gesehen, der vom Fach ist.

    Ich hätte es nicht treffender beschreiben können, Geisel ist die größte personelle Fehlentscheidung des neuen Senats. Über Frau Kahlfeldt kann man sich erstmal nur freuen, besser als an eine Architektin könnte der Posten einer Senatsbaudirektorin vermutlich nicht vergeben werden. Aber auch sie muss sich erstmal beweisen, Architekten sind ja auch irgendwie Künstler und als solche Fantasten, die gerne mal irrationale Ausreißer haben.

  • Aber auch sie muss sich erstmal beweisen, Architekten sind ja auch irgendwie Künstler und als solche Fantasten, die gerne mal irrationale Ausreißer haben.

    Das stimmt natürlich. Relativ sicher bin ich mir aber, dass es mit ihr kein minimalistisches Rasterwürfel-Bauhaus-Gedöhns a la Lüscher als städtebaulichen Absolutismus mehr geben wird. Vor allem an der so wichtigen "Stadtwunde" am neuen Molkenmarkt wird sich das wohl auswirken und uns höchst wahrscheinlich deutlich stilvolleres beschehren, das auch besser mit dem historischen Bestand harmonieren dürfte, als alles was Lüscher der Erfahrung mit ihr nach je goutiert hätte.

  • Herr Geisel mag nicht bei allen beliebt oder anerkannt sein, am Ende zählen mE aber die Resultate. Und da traue ich ihm durchaus was zu. Sehr, sehr spannend finde ich auch die Bildungssenatorin. Das dürfte die kompetenteste Besetzung seit laaangen Jahren sein. Aber auch beim Wirtschaftssenator bin ich positiv gespannt. Das sind keine klassischen Politiker, aber dafür Leute vom Fach! Kann gut gehen und wird es hoffentlich auch. Bei Grünen und Linken sehe ich die Besetzungen so weit auch als ok an. Jetzt muss man ohnehin abwarten, aber ich bin deutlich optimistischer als vor 5 Jahren. Das hätte ich ehrlich gesagt nicht mehr erwartet, dass ich den Radwechsel mal gar nicht mehr erwarten kann...

  • und uns höchst wahrscheinlich deutlich stilvolleres beschehren, das auch besser mit dem historischen Bestand harmonieren dürfte, als alles was Lüscher der Erfahrung mit ihr nach je goutiert hätte.

    Dem stimme ich zu und verweise gerne auf den Bauteil "Unter den Linden 14" des sogenannten Upper Eastside aus dem Jahre 2009. Ich selber war in diesem Haus noch nicht drinnen. Wenn man sich aber auf der Webseite der Architekten die Fotos hierzu und insbesondere den Hauseingang ansieht, dann ist die Beschreibung "stilvoll" für die Arbeit des Büros Kahlfeldt wohl keine Übertreibung.

    Wenn es dann noch gelinge, die Wärmedämm-Kisten der Landeseigenen der immer gleichen Architekten (zwar auf ein noch kalkulierbares) aber optisch ästhetischeres Niveau zu heben, dann hätte Berlin viel gewonnen.


    P.S. Und für den Straßenzug Spittelmarkt/Gertraudenbrücke habe ich wieder Hoffnung, auch wenn uns dort leider noch die ultimative WBM-Kiste auf der Fischerinsel erwartet. Vielleicht als Mahnmal für die Lüscher-/Lompscher-Jahre.

  • Also ich kann mir noch keinen rechten Reim auf die Personalie Petra Kahlfeldt machen. Ich hatte eher mit einer Persönlichkeit aus Wien gerechnet, die dort am Bau neuer Stadtquartiere wie der Seestadt Aspern beteiligt war und diese Erfahrungen in Berlin anwenden kann. Auch an Kopenhagen hatte ich gedacht, wegen der Gestaltung der Verkehrswende. Und nun Petra Kahlfeldt. Ihre Hauptaufgabe wird die Gestaltung der 21 neuen Stadtquartiere sein. Auf ihrer Website sehe ich aber, dass sie bisher keinerlei Erfahrungen mit der Planung von Stadtquartieren hat. ihre Spezialität ist die Planung von Villen und hochpreisigen Wohnanlagen. Hier muss sie aber ganze Quartiere planen, die einen hohen Anteil an geförderten Wohnungen aufweisen werden. Dort gelten entsprechende Kostenrahmen. Ich sehe nicht, dass Frau Kahlfeldt Erfahrungen mit solchen Aufgaben hat.

    Dazu kommt, dass ihre Amtszeit schon aufgrund ihres Alters begrenzt ist. Sie wird maximal eine Legislaturperiode im Amt sein und bestenfalls eine Übergangslösung darstellen.

    Ich werde mir jedenfalls ganz genau das Organigramm der neuen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung anschauen und gucken, welche Abteilungen ihr untergeordnet sind. Ich werde den Verdacht nicht los, dass Frau Kahlfeldt eine einflusslose Pro-forma-Senatsbaudirektorin sein wird, die nichts zu entscheiden hat. Aber wir werden sehen.

  • ^Frau Kahlfedt ist 61. Wieso soll sie nur eine Legislaturperiode durchhalten können? Abgesehen davon ist es weder zu wünschen, dass eine Person möglichst lange ihren bevorzugten Stil einer Stadt "aufdrückt", noch könnte man aus besonders vielen Amtsjahren automatisch auf Qualifikation schließen oder die Behauptung belegen, in einer Periode wäre nichts zu erreichen.