Leipzig: Areal Deutrichs Hof

  • ^^^^was bedeutet in diesem Zusammenhang „zeitgenössische Architektursprache“? Welche Zeit? Die heutige?

    Lässt der Umstand, dass die Planung nun aufgenommen wird, einen Schluss auf den Umgang mit dem LWB-Bestand zu oder vermuten?

  • Der Entwurf bzw. geplante Neubau verhält sich zum Plattenbau so, als würde es ihn nicht geben. Also eine weiterführende, an der historischen Situation orientierten Blockrandbebauung nach Norden wäre theoretisch möglich, sollte der Plattenbau mal in Frage gestellt werden. Bis man am Adina-Hotel vor dem selben Problem stehen würde - also Brandwand oder nicht.

  • HIER kann man den Artikel lesen.



    Vom dem dort erwähnten Streit zum Grundstücksverkauf einer bundeseigenen Firma an einen Unternehmer aus dem Südwesten habe ich noch nie etwas gehört. Ganz schön viel Gerücht im Text.

  • ... und fehlerhaft - definitiv ist das nicht die letzte Baulücke im Zentrum (schon mal was vom Matthäi-Kirchhof gehört, Herr/Frau Journalist/in?), außerdem wird sie ja nicht komplett geschlossen.


    Wenn ebenerdige Stellplätze im Hofgebäude vorgesehen werden, wird es ja wohl eine Durchfahrt dorthin geben müssen. Ich bin jedenfalls auf die genauen Pläne gespannt.

  • In der Reichsstraße scheint es tatsächlich los zu gehen. Sollte das eine Baustellenzufahrt sein?





    Die Rückfronten sind ja wirklich nicht vorzeigbar.


    Eigene Fotos.

  • Warum sollte eine Fassadenreko vorgeschrieben werden? Weder steht vom Gebäude noch etwas, noch wurde es heimlich abgerissen. Mehr als 50 Jahre nach Abriss einen Abklatsch auf die Fassade eines Neubaus zu bappen, stellt das alte Gebäude mit seiner Geschichte auch nicht wieder her. Ich möchte lieber etwas Neues sehen, was des Standorts würdig ist.


    Birtes Erklärung trifft es ganz gut und Rekos treffen eher den Geschmack weiter Bevölkerungsteile als die der sachkundig / tiefgründig mit der Materie Vertrauten.


    Warum sollte eine Fassadenreko vorgeschrieben werden? Nicht weil noch etwas vom Gebäude steht oder es heimlich abgerissen wurde- Solche Argumente sind ja auch nicht nötig, um andere Neubauten zu rechtfertigen. Ich würde folgendes ins Feld führen:


    - An dieser Stelle stand ein für Leipzig bedeutendes Haus und eine rekonstruierte Fassade ist keine Wiederherstellung, aber eine angemessene Erinnerung daran.

    - Angrenzend an das Riquet ist eine weitere Fassade, die "Postkartenidylle" erzeugt, durchaus funktional, da der touristische Aspekt in dieser Lage einer der wichtigsten für die Stadt ist.

    - Ein Entwurf zeitgenössischer Architekten und die Ambitionen zeitgenössischer Bauherren lassen nach allen Erfahrungen nicht erwarten, dass ein ähnlicher Detailgrad und eine harmonische Fassadengestaltung zu erwarten ist wie das beim historischen Original der Fall war.

    - Rekonstruktionen haben heute schon einen historischen Wert. Dass Häuser rekonstruiert werden, die zuletzt vor einem halben Jahrhundert oder länger an Ort und Stelle standen, scheint mir eine recht singuläre Entwicklung in der Architekturgeschichte. Künftigen Generationen wird das viel über die Zufriedenheit vieler Menschen mit der Architektur des Jahres 2020 sagen.

    - Der Bauhaus-Historismus, also so zu bauen wie es vor genau 100 Jahren modern war, scheint mir heute auch nicht mehr modern und auch nicht "mutig". Allein schon daher erübrigt sich die Diskussion, ob Rekos mutig sind oder nicht. Zumindest sind sie teurer und anscheinend braucht es Mut, um Investoren abzuverlangen, dass sie bitteschön etwas mehr Geld ausgeben sollen.


    Da wir nebenbei gesagt in keiner Technokratie leben, ist der Geschmack "weiter Bevölkerungsteile" exakt so ausschlaggebend wie jener "der sachkundig / tiefgründig mit der Materie Vertrauten". Der Stadtraum ist unser gemeinsames Wohnzimmer. Ob sich jemand ein monochromes Bild über sein Sofa hängt oder Schlager hört, ist allein seine Sache. Aber mit Architektur müssen wir alle gleichermaßen leben, ob Experte oder nicht. Daher kann ich solche etwas hochnäsigen Einwürfe nicht mehr hören. Architekten und Co. sollten sich in viel stärkerem Maße zu denen "herabbegeben", die ihre Häuser nutzen und betrachten sollen.

  • Mit den Einlassungen kann ich nur teilweise mitgehen:


    - ja, eine Innenstadt ist ein besonderer architektonischer Raum

    - touristisches Potenzial einer Postkartenidylle ist ein Argument, jedoch eben nur eines unter Hunderten

    - Geschichte, die rekonstruiert wird, muss erst mal definiert werden, Bsp. Webers Hof, die des Historismus wurde Anfang der 90er abgerissen und die der Spätrenaissance wieder hinrekonstruiert mit zeitgemäßen Innenleben und modernistischem Hof. --> Wer legt warum fest, welche Geschichte hinrekonstruiert wird.

    - Streng genommen ist diese Haltung die "hochnäsige", die gipfelte schon mal Ende des 19. Jh in dem berühmten Ausspruch "In welchem Stile wollen Sie denn bauen?" auf der Annahme, man hätte alle Stile erfunden und erlebt und kann jetzt in die Trick- oder Mottenkiste greifen und beliebig ans Tageslicht ziehen.

    - Dass man sich zur gemeinen Bevölkerung herab begeben solle setzt voraus, dass man vorher hoch drüber schwebte. Das ist mitnichten der Fall, denn Architektur ist genauso eine Kunstform wie Malerei oder Komposition. Wenn Komponisten sich verhauen, ist es schnell hörbar und wird grässlich. Also müssen diese streng bei den eigenen Ansprüchen und dem eigenen Wissen bleiben. Damit das Gesamtwerk eine hörbare stimmige Einheit ergibt. Im Bauwesen ist das auch so. Das Herumwünschen ist eine Verschlimmbesserung und keine qualitative Hebung eines Entwurfs. Der kann schlecht wie gut sein, wichtig ist, dass er in sich stimmig ist. Das Ergebnis ist hinzunehmen. Was jetzt arrogant klingt, ist es nicht. Denn die Architektur verlangt auch ab, dass der Entwurf von den Menschen ausgehalten werden kann. Darum entwirft ja niemand unkundiges herum. Chirurgen werden auch sehr gründlich ausgebildet, das ist gut so. Piloten ebenso... da fuscht niemand in deren Entscheidungen hinein. Dafür tragen diese Berufsgruppen die Verantwortung. Im Bauwesen gibt es die Kritik am Ergebnis. Die ist zu trennen in individuellen Geschmack und substanzielle Bewertungen zum Entwurf.

    - Deutrichs Hof ist, das müsste in Pevners "Leipziger Barock ausführlich zu finden sein, das erste barocke Gebäude gewesen, kurz vor oder kurz nach der Handelsbörse als öffentliches Gebäude. Das war es aber auch schon an lokaler Bedeutung.

    - Rekonstruktionen erbeblich größerer überregionaler Bedeutung sind die Dresdner Frauenkirche oder die polnischen Altstädte nach der Kriegszerstörung. Letztere fußten auf der Notwendigkeit, das Selbstwertgefühl einer zerstörten und territorial verschobenen Nation auch baulich wieder zu verankern. Solche Gründe braucht es in Leipzig nicht, der Stadtkorpus ist trotz allerlei Brüche intakt und wird als solches erlebt.

    - Die gleiche Frage stellt sich beim Matthäikirchhof. Dort ist der Stadtkorpus defekt und funktioniert auch nicht. Nur rettet das eine Reko der vormaligen Substanz? Idyllisch sicher, doch im gleichen Maßstab und städtebaulichen Raster neu entworfene Gebäude können bei entsprechender Qualität das auch leisten und das historische Straßenraster ist eine stimmige Grundlage innert des Zentrums.

    - Die Leipziger Innenstadt ist KEINE Altstadt. Die Substanz ist entweder entkernt und fassadengrunderneuert oder die Originale sind bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht wirklich alt. Die haben nur ihre Vorgänger beseitigt. So gesehen ist der geschichtlich tradierte Entwurfsprozess in Leipzig ein Neuentwurf mit Überformung der Vorgänger.

    - Unabhängig davon würde ich persönlich einen Deutrichs Hof sicher als schön und zum Riquethaus passend empfinden. Doch Entwerfen ist eben nicht der Jägerzaun ums heimelige Häuschen sondern ein harter Prozess an Entscheidungen.

  • ^^ Ohne jetzt die x-te Reko-Debatte wieder voll aufleben zu lassen (alle Argumente sind ausführlich ausgetauscht, wie ich meine) - das Argument der "Postkartenidylle" zieht meiner Ansicht nach in Leipzig überhaupt nicht. Wenn man hier anfängt, die Architektur danach auszurichten, was den Touristen gefällt, dann ist es Zeit, über einen Umzug nachzudenken.


    Wie auch immer - da es bisher keine Anzeichen gibt, dass das Gelände (außer dem Grundstück von Löhrs Hof) zeitnah bebaut werden wird, wird die Debatte um das kleine barocke Hutzelhäuschen als eine Hälfte von Deutrichs Hof sicher anhalten.

  • Da wir nebenbei gesagt in keiner Technokratie leben, ist der Geschmack "weiter Bevölkerungsteile" exakt so ausschlaggebend wie jener "der sachkundig / tiefgründig mit der Materie Vertrauten". Der Stadtraum ist unser gemeinsames Wohnzimmer. Ob sich jemand ein monochromes Bild über sein Sofa hängt oder Schlager hört, ist allein seine Sache. Aber mit Architektur müssen wir alle gleichermaßen leben, ob Experte oder nicht. Daher kann ich solche etwas hochnäsigen Einwürfe nicht mehr hören. Architekten und Co. sollten sich in viel stärkerem Maße zu denen "herabbegeben", die ihre Häuser nutzen und betrachten sollen.

    Danke! Denn genau das war seinerzeit auch mein (stiller) Gedanke. Hin und wieder muss man hier doch auch mit dem Kopf schütteln. Das hier ist m.W. ein Architekturforum und kein (reines) Architektenintranet für die „sachkundig / tiefgründig mit der Materie Vertrauten“ allein. Die Bevölkerung muss Entwürfe überdies nicht aushalten(?), vielmehr sollten sie der Mehrheit gefallen und auf ihre Stadt stolz machen. Schließlich sind die Menschen es auch, die in ihr wohnen. An dem Punkt, wo es etwas mit Ästhetik zu tun haben soll, urteilen doch alle Menschen und nicht nur einige wenige „sachkundig / tiefgründig mit der Materie Vertraute“. Der Vergleich mit der Kunst hinkt zudem, denn wenn mir eine Oper nicht gefällt, verlasse ich diese. Wenn mir ein Gebäude nicht gefällt, muss ich es mir jedes mal ansehen, wenn ich dort vorbei fahre und äregere mich womöglich über dessen Hässlichkeit. Und ja, auch eine Reko kann und darf und wird sicher dem "Fußvolk" gefallen, übrigens eben auch nicht nur den Touris. Dresden hat ganze Viertel um die Frauenkirche herum rekonstruiert. Und es gefällt gemeinhin und man kann sich mit seiner Stadt identifizieren. So manchem Bau der heutigen Zeit hätte man mittels Reko wesentlich mehr gekonnt und Leipzig hätte so einige richtig schöne Bauten zurückholen können. Stattdessen errichtet man nur noch zeitlose, austauschbare und beliebige Schuhkartons, die sich für den "Normalbürger" großteils schlichtweg ähneln und bei denen es den Meisten nicht einmal auffällt, wenn man sie in 40 Jahren wieder abreißt. Und ja, ich denke das Thema Reko wird hier immer präsent sein und lässt sich auch nicht als erschöpfend ausargumentiert abschließen. So, und nun shitstorm "on" … ^^

  • - Die Leipziger Innenstadt ist KEINE Altstadt. Die Substanz ist entweder entkernt und fassadengrunderneuert oder die Originale sind bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht wirklich alt. Die haben nur ihre Vorgänger beseitigt. So gesehen ist der geschichtlich tradierte Entwurfsprozess in Leipzig ein Neuentwurf mit Überformung der Vorgänger.

    Aber wie wir wissen doch alle sehr genau, das "Altstadt" heute eher ein topografischer Begriff ist. Damit ist das Gebiet innerhalb der ehemaligen Stadtmauer gemeint. Wenn ich auf dem Leuschnerplatz stehe, bin ich aus Groß-Leipziger Sicht immer noch in der Innenstadt, aber eben nicht in der Altstadt. Darüber hinaus ist die Leipziger Altstadt, unabhängig ihrer zahlreichen Überformungen und Zerstörungen, immer noch vergleichsweise gut erhalten, insbesondere was den Stadtgrundriss angeht. In Dresden sprechen wir ja auch von Altstadt, obwohl dort die Verwerfungen noch viel größer und viele Gebäude dort keine 30 Jahre alt sind.

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    Innenstadt ist o.k. Altstadt würde ich zum Leipziger Stadtzentrum nicht sagen wollen. Die Dresdner machen ihr eigenes (Marketing-) Ding.

  • Wenn man hier anfängt, die Architektur danach auszurichten, was den Touristen gefällt, dann ist es Zeit, über einen Umzug nachzudenken.

    Seltsame Ansicht - dass impliziert, dass Touristen eine Gattung Mensch sind deren Meinung exklusiv sei und darüber hinaus auch noch weniger zählt. Letztendlich ist es an einer Stadt selbst darüber zu entscheiden welchen Kurs sie tendenziell fahren will. Dockt man an bestehende Stärken an, repariert man alte Wunden oder ist man eher aufgeschlossen für neue Ansätze. Wenn man mal dieses ganze Touri-vs.-Einwohner-vs.-Profi-Gequatsche weg lässt könnte man vlt. auch mal auf das Bewusstsein für Ästhetik vertrauen was den Menschen innewohnt. Was allgemein gefällt funktioniert und setzt sich letztendlich durch (und ist damit auch wirtschaftlicher bzw. nachhaltiger als schlechte Lösungen). Wir sehen es doch hier im Forum - ein schön sanierter Altbau findet generell Zustimmung, ebenso der gut an die Umgebung angepasste Neubau oder hin und wieder mal ein spannendes, spektakuläres Projekt. Die x-te Dämmorgie im Schießschartenlook am besten noch in Polarweiß damit man sich auch schön vom farbigen Altbaunachbarn abgrenzt findet kaum Befürworter (außer natürlich beim "kostenbewussten" Auftraggeber). Aber ist das nachhaltig? Im anderen thread hetzen wir über unsere unsägliche Galeria-Filiale und wünschen uns zurecht nach 20 (!!) Jahren, dass sie abgerissen wird - das ist doch pervers weil hochgradig ressourcenverschwendend. Auf der anderen Seite feiern wir z.B. ein KPMG-Gebäude bei dem ich mir sicher bin, dass man im Jahr 2040 keinesfalls einen Abriss herbeisehnt. Oder anders gesagt - schaut einfach mal auf die Passantenströme und euer eigenes "Laufverhalten" wenn ihr euch durch die Innenstadt bewegt - hier zeigt sich wo ein Stadtraum funktioniert und wo nicht.

  • ^ Ich weiß nicht, was genau daran seltsam sein soll. Ich hab ja nichts dagegen, dass Architektur auch den Touristen gefällt - nur will ich das nicht als Kriterium für die Auswahl derselben gelten lassen und schon gar nicht als Argument für eine Reko.


    Das Vertrauen darauf, dass sich das, was funktioniert, letztendlich durchsetzt, teile ich nicht komplett. Bestes Gegenbeispiel ist der Kaufhof - und in meinen Augen auch das ehemalige Karstadt-Gebäude, was sich die kleinen Gassen bisher nicht zunutze machte. Gleiches gilt für die Klostergassenseite der Marktgalerie. In dem Zusammenhang müsste man natürlich "funktionieren" genauer definieren. Für die Eigentümer ist heutzutage in den meisten Fällen die Maximierung der erzielbaren Miete bei möglichst geringem Einsatz das Ziel. Das steht meiner Meinung nach einer lebendigen Innenstadt mit vielfältigem, kleinteiligem Einzelhandel oft entgegen.


    Für mein eigenes Laufverhalten in der Innenstadt ist übrigens weniger die Architektur oder die Fassade als der Stadtraum und die EG-Gestaltung relevant. Ich laufe gern durch kleinere Gassen/Straßen, gut möblierte Fußgängerzonen und die ein oder andere schön gestaltete Passage. Und natürlich laufe ich nicht gern an den Brachen vorbei und empfinde gerade diesen Bereich von ehem. Deutrichs bis Löhrs Hof auch beim Draufschauen als einen echten Schandfleck. Trotzdem möchte ich dort keine Reko sehen - schon gar keine reine Fassadenreko. Die Verantwortlichen bei der Stadt und den Grundstückseigentümern werden zusammen schon etwas einigermaßen Ansehnliches produzieren. Und falls man sich doch dann irgendwann für eine Reko entschiede, darf ich das trotzdem falsch finden.


    Natürlich entscheide ich das nicht - und fast alles wäre besser als die Brache.

    Kann mir jemand erklären, warum ausgerechnet dieses kleine Häuschen so viele Emotionen hier im Forum weckt? Mir würden auf Anhieb ca 10 Gebäude einfallen, die ich, wenn man schon (als Gedankenexperiment) über Rekos redet, lieber im heutigen Stadtbild sehen würde als das kleine Barockhaus, auch wenn es eins der ersten war.

    Einmal editiert, zuletzt von Birte () aus folgendem Grund: Letzten Absatz ergänzt.

  • [...] Wenn man mal dieses ganze Touri-vs.-Einwohner-vs.-Profi-Gequatsche weg lässt könnte man vlt. auch mal auf das Bewusstsein für Ästhetik vertrauen was den Menschen innewohnt. Was allgemein gefällt funktioniert und setzt sich letztendlich durch (und ist damit auch wirtschaftlicher bzw. nachhaltiger als schlechte Lösungen). Wir sehen es doch hier im Forum - ein schön sanierter Altbau findet generell Zustimmung, ebenso der gut an die Umgebung angepasste Neubau oder hin und wieder mal ein spannendes, spektakuläres Projekt. Die x-te Dämmorgie im Schießschartenlook am besten noch in Polarweiß damit man sich auch schön vom farbigen Altbaunachbarn abgrenzt findet kaum Befürworter (außer natürlich beim "kostenbewussten" Auftraggeber). Aber ist das nachhaltig? [...]

    Aber was suggeriert denn eine nicht sehr gute Lösung mit einer Neuinterpretation? Dass der Stadtraum dort ohne das Steigenberger und Riquet pratkisch tot wäre, hat ja mit der jetzigen Situation zu tun. Und dabei nicht nur mit der Brache sondern auch mit dem so schlecht sitzen Murmelkasten der LWB direkt am Markt. Und dieser ist aus den 1970ern.


    Aber wenn man da von einem Abriss schreibt, wird hier (in der Stadt) sowieso gleich wieder eine DDR-Melancholie-Keule als Fachvortrag zur "DDR-Architektur" geschwungen. Oder besser noch, der Block als Quartiersrelevant gewichtet.


    Ich brauche hier wirklich keine Fassadenkopie der Vorkriegsbebauung. Aber eine Neu-Interpretation des alten Stadtraums mit ungefähr ähnlichen Kanten wäre schon ein Riesenwurf. Im Wohnzimmer der Stadt, die in Leipzig wirklich gar niemand als "Altstadt" betitelt oder jemals betitelt hat. Was ja auch wieder ein Punkt in Leipzig ist, der 'Birte' erst gar nicht an Umzug denken lassen muss. ;)

  • ^ Ich weiß nicht, was genau daran seltsam sein soll. Ich hab ja nichts dagegen, dass Architektur auch den Touristen gefällt - nur will ich das nicht als Kriterium für die Auswahl derselben gelten lassen und schon gar nicht als Argument für eine Reko.

    Ich kann mit der Bezeichnung Tourist in diesem Kontext ehrlich gesagt nichts anfangen. Wo fängt man an Tourist zu sein und inwieweit ändert sich dann irgendetwas in der ästhetischen Einstellung? Wenn ich nach Berlin zum shoppen fahre bin ich doch immer noch ein Typ aus Leipzig der halt mal nicht an seinem Wohnort ist. Nur weil ich dann das Label Tourist trage werfe ich doch nicht meine Ansichten und Empfindungen über Bord. Demzufolge kann man doch auch keine Architekturpolitik im Sinne von sog. Touristen betreiben denn letztendlich sind wir ja alle nur Besucher eines Ortes ganz egal ob man aus der Nähe oder von weiter weg anreist.


    Noch mal zum Beispiel mit den Passantenströmen durch die Innenstadt. Eine Stadt ist ja wie wir alle wissen ein Organismus bei dem es darum geht, dass er möglichst reibungslos funktioniert. Wenn dies der Fall ist prosperiert er und wächst - eine Angewohnheit die man auf sämtliche Lebensformen übertragen kann. Bilde ich nun eine Umgebung aus, die diesem Wachstum zuträglich ist, handle ich logisch und damit im besten Sinne nachhaltig. Hässlichkeit und Billigheimer können nie dauerhaft sein. Natürlich ändern sich Moden und Stile aber ich bin überzeugt davon, dass der Mensch - als durch und durch visuell geprägtes Wesen - eine tiefe Bestrebung in sich trägt eine Umgebung zu schaffen, die ihn in seinem ästhet. Empfinden befriedigt. Daher auch die Frage nach dem Laufverhalten: Dort wo viele Menschen (weil schön) = viel Umsatz = funktionierende Stadt = Wachstum. Natürlich gibt es auch "Kipppunkte" in diesem Zusammenhang (Beispiele Barcelona, Venedig) aber darauf muss man dann eingehen wenn es überhaupt dazu kommt. Es ist letztendlich alles eine Frage der Balance aber eben auch der Wirtschaftlichkeit und der Nachhaltigkeit.

  • ^ Es ging bei meiner Aussage lediglich konkret um das Argument des Vorposters, dass eine Reko sinnvoll sei, da das den Touristen besser gefiele.

    Derartige Entscheidungsgrundlagen kenne ich bisher glücklicherweise aus Leipzig nicht - meist wird in erster Linie im Sinne der Bewohner gehandelt und nahezu in allen Fällen gefällt es dann auch den Besuchern. Ich gehe davon aus, dass das auch beim Nachfolgebau auf der Brache Schuhmachergäßchen-Reichsstraße irgendwann der Fall sein wird.


    Bei "viel Umsatz=funktionierende Stadt" gehe ich noch mit, aber so läuft es ja oft nicht mehr, da als Akteure zusätzlich zu den Händlern und Gastronomen noch die Immobilieneigentümer mitmischen. "Viel Gewinn-funktionierende Stadt" klappt dann meiner Meinung nach nicht mehr unbedingt, sonst gäbe es nicht so viel Leerstand in der Innenstadt. Mal sehen, was die Corona-Folgen da noch durcheinanderwirbeln.

  • Im Wohnzimmer der Stadt, die in Leipzig wirklich gar niemand als "Altstadt" betitelt oder jemals betitelt hat. Was ja auch wieder ein Punkt in Leipzig ist, der 'Birte' erst gar nicht an Umzug denken lassen muss. ;)

    Ok, hier kann man diese Diskussion beenden. Schließlich kennt hedges jeden Leipziger persönlich; auch solche, die längst das Zeitliche gesegnet haben, sodass diese Behauptung völlig valide ist.

    Zu Deutrichs Hof ist natürlich noch zu sagen, dass eine (gleichwohl unwahrscheinliche) Rekonstruktion der Fassade absolut zu begrüßen wäre. Erstmal ist es kein "Hutzelhäuschen" gewesen, sondern ein durchaus stattlicher Bau. Deutlich höher als bspw. das moderne Riquethaus an der Reichsstraße. Der Abriss ist seinerzeit ein Unding gewesen. In Leipzig gibt es außerdem durchaus eine Tradition, längst verlorene Gebäude in Neubauten wiederaufleben zu lessen, siehe Fürstenhaus oder Thüringer Hof.

  • Ok, hier kann man diese Diskussion beenden. Schließlich kennt hedges jeden Leipziger persönlich; auch solche, die längst das Zeitliche gesegnet haben, sodass diese Behauptung völlig valide ist. [...]

    Genau das war meine Aussage Saxonia. Danke für den wichtigen Input! Jetzt wird mein Tag erst richtig rund.

  • bitte nicht so! Fachdiskussionen funktionieren nur, wenn man auf der Sachebene bleibt. Hier schätze ich alle Autoren als kundig genug, um das zu leisten. Ganz gleich, welche Position ein jeder selbst vertritt. Beiträge ohne Sachbezüge finden sich meistens als Kommentare unter gängigen Tageszeitungen zu Genüge...

  • Wir hatten das Thema schon an verschiedenen Stellen im Leipzig-Forum gehabt, warum die Leipziger Innenstadt nicht "Altstadt" genannt wird. So ganz eindeutig klären konnten wir das nicht, wieso das vermutlich schon weit vor dem Krieg so war. Neben der Erklärung, dass die Innenstadt im Laufe der Jahrhunderte und im Gegensatz zu vielen "echten" Altstädten in Deutschland immer wieder erneuert und dem wirtschaftlichen Druck angepasst wurde (beispielsweise mit dem Bau großer Messehäuser), könnte es auch einfach daran liegen, dass Leipzig als Pendant zur Altstadt etwas fehlt, was Dresden hat: Eine Neustadt.


    Ich kenne auch niemanden, der unsere Innenstadt als "Altstadt" bezeichnet. Und wenn ich so was doch mal irgendwo lese, dann ausschließlich in Medien mit wenig Leipzig-Bezug. Aber das ist ja kein Grund, deswegen einen Streit vom Zaun zu brechen.