Ritterstraße 5
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Wohn- und Geschäftshaus in geschlossener Bebauung, mit Hofgebäuden; repräsentative historistische
Klinkerfassade mit Sandsteingliederung, haubenbekrönter Erker und Seitenrisalit mit Stufengiebel,
ortsentwicklungsgeschichtlich und baugeschichtlich von Bedeutung
Kurzcharakteristik
Denkmaltext
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Der Vorgänger des jetzt bestehenden Wohn- und Geschäftshauses war ein breit gelagerter,
dreigeschossiger Bau. Dem hohen Satteldach nach zu urteilen, handelte es sich um ein ziemlich altes
Gebäude. 1889 waren das Erdgeschoss und Teile des Obergeschosses gastronomisch genutzt. Die
Räumlichkeiten der Weinrestauration erstreckten sich bis in die Hofflügel hinein. 1891/92 wurden im
Zusammenhang mit der Feststellung von Schäden Fachwerkgebäude und zwei Höfe erwähnt.
1894 ließ Johann Carl Traugott Schuppe durch den Architekten Richard Hagemann ein Neubauprojekt
anzeigen, das aufgrund der 1895 vollzogenen Zwangsversteigerung des Grundstück nicht zustande kam.
Das Anwesen ging wieder in die Hände des Voreigners, Kaufmann und Ziegeleibesitzer Armin Fischer-Brill,
zurück. Er vollzog oder vollendete den Abbruch der alten Baulichkeiten und reichte eigene Baupläne ein, die
jedoch auf Grundlage des bereits genehmigten Vorhabens erstellt wurden. Am interessantesten daran sind
die auf der Nordseite übereinander angeordneten sechs Kegelbahnen; deren Ausführung allerdings von der
Baupolizei wegen der ungeeigneten Lokalverhältnisse abgelehnt wurde. Ein neues, von dem Architekten
Franz Hannemann (Leipzig) erarbeitetes Projekt enthielt somit anstelle der Kegelbahnen Geschäftsräume.
Am 18. Jan. 1896 wurde die Baugenehmigung erteilt; ein erneuter Besitzerwechsel zog indes abermalige
Planänderungen nach sich. Neue Eigentümerin des Grundstücks war die Kirchgemeinde St. Nikolai
geworden. Nach den geänderten Entwürfen Hannemanns sollte nun das fünfgeschossige Wohn- und
Geschäftshaus hofseitig einen zweigeschossigen Saalbau erhalten. Mit diesem Projekt kam es endlich auch
zur Realisierung der Neubebauung des Grundstücks: Baugenehmigung am 15. Juni 1896, Rohbauabnahme
am 9. Okt. 1896 und Schlußrevision am 6. Juli 1897. Für die Bauausführung war wohl Hermann Seydel
verantwortlich.
1908 wurde unter Leitung des Architekten Georg Wünschmann ein Lastenaufzug mit Führerbegleitung,
Fabrikat der Fa. Unruh & Liebig, eingebaut.In den 1920er Jahren Veränderungen im Erdgeschoss (Einbau
von Zwischendecken zur Nutzung als Rauchwarenkontor, Einrichtung einer Konditorei) und Vermietung von
Räumlichkeiten, u. a. des Saales, für Messezwecke.1993 Umbau des südlichen Erdgeschossbereichs zu
einer Verkaufsgalerie (Treppe zwischen Keller und Erdgeschoss und offenes Zwischengeschoss). In den
1990er Jahren weitere Erneuerungsarbeiten außen und innen; hofseitig zurückhaltenden Balkon- und
Galerieanbauten in Stahl.
Das fünfgeschossige Wohn- und Geschäftshaus ist Teil der Bebauung auf der Westseite der Ritterstraße.
Die Wirkung der Fassade beruht vor allem auf dem Materialkontrast von Sandstein und ledergelben
Klinkern. Erdgeschoss mit vier Bogenöffnungen in schweren Formen, über dem Portal des
Hausdurchganges Maske eines Bärtigen. Auch die in Sandstein ausgeführten Gliederungselemente der
Obergeschosse von trockener, zuweilen derber Gestaltung. Ein belebendes Spannungsmoment hat die
Front durch die Asymmetrie von Seitenrisalit und Erker.
Obgleich in zeittypischer Mischung Stilformen verschiedener Epochen verarbeitet sind, neigt der Außenbau
am eindeutigsten dem Vorbild der deutschen Renaissance zu (Stufengiebel, Erker mit Schweifhaube,
Fenstergewände). Offensichtlich zielte man damit auf die weitgehende Angleichung an das benachbarte
ältere Predigerhaus zu St. Nikolai (siehe Nikolaikirchhof 3 und 4). Ansonsten ist die Außenarchitektur des
späthistoristischen Baues ausgesprochen allgemein gehalten, individuelle oder lokalspezifische Züge -
zumeist das Qualitätsmerkmal der Leipziger Innenstadtgebäude - fehlen hier.
Das Erdgeschoss wurde ursprünglich größtenteils von einem Restaurant genutzt, das - wie beim Vorgänger
schon - auch den Hofflügel beanspruchte; des weiteren ein Laden und der Hausdurchgang auf der
südlichen Seite. Im Durchgang als Schmuck stuckierte Deckenprofile, Dreieckgiebel und Wandspiegel
(wahrscheinlich in Teilen erneuert), beachtenswert die halbhohe Verkleidung aus facettierten Kacheln, oben
durch Mäanderfries abgeschlossen.Von den Obergeschossen diente das erste und zweite gewerblichen
Zwecken, drittes und viertes enthielten Wohnungen (?).
Das Treppenhaus ist dem Seitenflügel zugeordnet. Hofseitig tritt es als Vorsprung in Erscheinung. Die Treppe ist eine kunstvolle Arbeit in Schmiedeeisen. Bemerkenswertester Bestandteil des gesamten Gebäudes ist der im Obergeschoss des Seitenflügels befindliche Saal. Seine Architektur zeigt ebenfalls die das Haus bestimmende nüchterne Sprache. Nichtsdestotrotz entfaltet der Raum eine gewisse Festlichkeit, wozu auch der Gegensatz zum völlig schmucklosen, in gelben Ziegeln ausgeführten Hofflügeläußeren beiträgt. Der untere Wandbereich des
Saales ist mit gefelderten Paneelen verkleidet. An den Schmalseiten befinden sich Emporen mit schmiedeeisernen Gittern. Die Unterseiten der Emporen sind kassettenartig gegliedert. An den Längsseiten auf Emporenhöhe ein kräftiges Gesims, darüber erhebt sich die hohe, Stichkappen aufweisene Voute. Der Deckenspiegel mit steifen, rechtwinklig aufeinander stossenden Stuckleisten, in der Mitte allerdings eine filigrane Rosette.
Vor dem Saal, der Treppe gegenüber, gab es einen eigenständigen Garderobenraum. Ein Anbau auf der
Südseite enthielt weitere Nebenräumlichkeiten. Rückwärtig ist ein kleineres Treppenhaus angebaut.
LfD/2000
Datierung 1896-1897 (Wohn- und Geschäftshaus)
Creative Commons-Lizenz CC-BY-NC-ND