Der Altstadt-Salon

  • Wurde schon ungezählte Male erwähnt. Ums nochmal in Erinnerung zu rufen: der Domturm war von Anfang an zugebaut gewesen und auch gar nicht darauf ausgelegt jemals freigestellt zu werden - sehr deutlich erkennbar an der fast völlig gestaltungslosen Westfassade, die eher wie eine kalte abweisende Wand wirkt. Dort waren immer Häuser vorgesehen. Den Fehler der Freistellung hat man erst nach dem Dombrand von 1867 begangen.
    Historisch korrekt hätte daher der östliche Teil des Stadthauses, der über die Flucht der Goldenene Waage hinaus in die Höllgasse ragt, an den Dom gebaut gehört.


    Den Domplatz selbst find ich eigentlich noch halbwegs erträglich. Viel schlimmer ist doch die Situation am Weckmarkt im Süden, wo nicht nur der historische Stadtgrundriss komplett negiert wurde, sondern die absolut banale Architektur, zu allem Übel auch noch in antiurbaner Zeilenbauweise, furchtbarste provinzielle Vorstadttristesse verbreitet - und das mitten im historischen Zentrum einer Weltstadt...
    Wenn der Wille da wäre könnte die Stadt hier, ebenso wie am Domplatz, auf jeden Fall die planerischen Grundlagen schaffen, dass dieser den Dom komplett entwürdigende Zustand beseitigt wird, und zwar durch Abriss und Neubau eigentlich aller Nachkriegsgebäude die hier völlig rücksichtslos und ohne sinnvolles Konzept hingestellt wurden. Der größte Teil der Gebäude dürfte ja immer noch der Stadt oder einer ihrer Gesellschaften gehören - und selbst wenn nicht, die Planungshoheit hat sie hier auf jeden Fall. Wobei auf der Südseite auf jeden Fall Stadtarchiv, Fürsteneck und das berühmte Roseneck Rekonstruktionskandidaten wären, auf der Ostseite das Luthereck.
    Sehr kurzfristig würde es auf jeden Fall schonmal einiges helfen, den Asphalt der Straßen hier durch Kopfsteinpflaster zu ersetzen, und die Parkplatzflächen zu verlagern.

  • Reanimation Altstadt 2.0


    Ein User aus einem anderen Forum hat vom Herrn Zastrau das Konzeptpapier für die sehr erfreuliche Idee der Neugestaltung des Areals südlich des Römers bekommen (versehen mit der Anmerkung 'Ich würde mich freuen, wenn Sie sich für die Verbreitung meiner Ideen einsetzten, sei es über das Forum, sei es auf anderem Wege.' - von daher dürfte die Verlinkung hier ok sein):


    http://www.file-upload.net/dow…ion_Altstadt_2_0.pdf.html


    Da ich den entsprechenden Beitrag hier nicht mehr finden kann, nochmal der Vollständigkeit halber:
    Laut diesem FNP-Artikel hat der Architekt Georg Zastrau vorgeschlagen das städtiche Personal- und Organisationsamt direkt südlich des Rathauses abzureißen und größtenteils auf historischem Grundriss neu zu bebauen. Am Leonhardskirchhof und am Römerberg kann er sich dabei auch Rekonstruktionen der historischen Gebäude vorstellen.
    In der Stadtpolitik wohl recht wohlwollend aufgenommen (die BFF, die auch maßgeblichen Anteil hatten dass der Stein auf dem Dom-Römer-Areal ins Rollen kam, wird dabei hier namentlich als Unterstützer genannt - auch auf der Webseite der Fraktion gibt es einen eigenen Artikel über die "Beispielhafte Initiative für neues Altstadt-Projekt") - allerdings gibt es halt wie immer erstmal noch Zweifel an Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit.

  • Ich denke, wir werden die Fertigstellung des Dom-Römer-Areals abwarten müssen, bevor sich hier irgendetwas bewegen wird. Wenn wir Glück haben wird, befeuert vom Erfolg der neuen Altstadt, sofort der Nutzen einer kleinteiligen Neugestaltung erkannt und die mittelfristige Umsetzung des Plans in die Wege geleitet. Die enorme Nachfrage nach Wohnungen und Ladenflächen auf dem winzigen Areal und die praktisch ungeteilt positive Resonanz in der Öffentlichkeit sprechen eigentlich eine eindeutige Sprache.


    Höchstwahrscheinlich aber beginnt die sofortige Blockade von Grünen, Linken und sonstigen 50er-Jahre-Nostalgikern, die sich mit Verweis auf das ja nun wieder vorhandene Altstadtareal jeder weiteren Veränderung mit größter Vehemenz in den Weg stellen ("Ihr habt doch jetzt eure Puppenstuben"). Besonders dem Denkmalschutz traue ich zu, in einer Blitzaktion jedes gefährdete Gebäude unter Schutz zu stellen (so noch nicht erfolgt) um jede Veränderungsabsicht im Keim zu ersticken. Nachdem man bei Rundschauhaus und Co versagt hat, wird man nun auf den "besonderen Wert" der restlichen innerstädtischen Nachkriegsbebauung verweisen, wie ja schon beim Bundesrechnungshof geschehen. Dort war schließlich nicht mal drohende Einsturzgefahr wegen gravierender bauzeitlicher Mängel Grund genug für einen Abriss.

  • Ein sehr interessantes Konzept, allerdings verstehe ich dabei nicht, weswegen gerade die Häuser an der Mainfront erhalten werden sollen. Nur weil es Wohnhäuser sind? Da kann man sicherlich eine Lösung finden.
    Insbesondere denke ich dabei an den Bereich zwischen Haus Wertheim und Leonhardskirche, also quasi den gesamten Leonhardskirchhof.
    Ich hatte einfach direkt beim Blick auf das Ergebnis (S. 20 des Konzepts) den Eindruck, dass sich das neue Viertel hinter der schmucklosen Nachkriegshäuserzeile "versteckt" und hielte es für sinnvoll, es zum Main hin zu "öffnen" bzw. bis zur Mainfront fortzuführen.

  • Meiner Meinung nach ein hervorragendes Projekt. Es bringt nicht nur ein weiteres Stück der verlorenen Altstadt zurück (auch wenn es nur wenige Rekonstruktionen geben soll), es sorgt für mehr innerstädtischen Wohnraum und es sollte durch den Verkauf von Freiflächen ökonomisch selbsttragend sein (oder sogar gewinnbringend).
    Natürlich werden die Bedenkenträger nicht auf sich warten lassen, vorne weg sicherlich der Denkmalschutz(!), gefolgt von Grünen und Linken, die die Vernichtung von innerstädtischen Freiflächen und die Vertreibung alteingesessener Mieter beklagen werden.
    Trotzdem halte ich das Projekt nicht für aussichtslos, da der Dreh- und Angelpunkt der Abbruch eines Verwaltungsgebäude ist. Zwar sollen auch ein paar Wohnhäuser abgebrochen werden, aber zumindest Teile des Projekts hängen nicht zwingend davon ab. Das dürfte den politischen Widerstand in Grenzen halten.
    Ich halte auch die Erhaltung der Mainuferbebauung für einen 'realpolitisch' guten Schachzug, während der Abbruch einiger Häuser am Römerberg eher unrealistisch ist. Ich drücke in jedem Fall die Daumen, dass dieser Vorschlag nicht in der Versenkung verschwindet!

  • Ein spannender und schlüssiger Vorschlag, insbesondere was die Wiederherstellung der Wege und Parzellierungen rund um die Limpurgergasse und natürlich was die wirksame Rekonstruktionen zum Römerberg hin betrifft. Muss nur noch jemand finanzieren...


    Tatsächlich auffällig ist, dass Hr. Zastrau die Mainfront links und rechts der Leonhardskirche nicht anfasst. Eine Neuentwicklung läge ja eigentlich auf der Hand. Wegen der reinen Wohnbebauung nicht? Historisch im Kern und bezüglich Main-Fassade ist lediglich die Nr. 37 an der Alten Mainzer Gasse. Sogar denkmalgeschützt sind die Mainkai-Nummern 39, 40 und 41. Der Mäckler-Neubau (Mainkai 43) dürfte ebenfalls sakrosankt sein. Ansonsten sehe ich nichts schützenswertes.

  • Quartier an der Alten Mainzer Gasse

    Vor einigen Wochen habe ich verschiedene Zeitungen, Parteien und Vereinigungen angeschrieben und meine Ideen zum Quartier an der Alten Mainzer Gasse unter dem Titel „Reanimation Altstadt 2.0“ beschrieben. Ich kann mich seither über zahlreiche, meist positive Reaktionen freuen. Unter anderem wurde ein Artikel in der Frankfurter Neuen Presse veröffentlicht. Der Link zum Artikel wurde in diesem Forum bereits veröffentlicht (Dank an Rohne!).


    Das Quartier an der Alten Mainzer Gasse, zwischen Karmeliterkloster und Römerberg, wartet schon lange auf seine Reanimation. Das Gebiet mit der im Kern romanischen Leonhardskirche und dem Ursprungsort der Frankfurter Buchmesse, der Buchgasse, liegt zur Zeit in einem Dornröschenschlaf, aus dem es wachgeküsst werden muss. Das Quartier ist im jetzigen Zustand kein schöner Anblick, tagsüber kaum besucht, nach 17 Uhr vollends ausgestorben, es liegt im Dornröschenschlaf, etliche Stufen und Treppen sorgen dafür, das man mit Rollstuhl oder Kinderwagen oft vor ernsthaften Barrieren steht. Der Bestand fängt bereits an zu bröckeln: Demnächst muss etwas getan werden.


    Dominiert wird das Viertel vom Personal- und Organisationsamt, das an dieser Stelle völlig deplatziert wirkt, zu groß, ortsfremd und monofunktional. Die Freiräume sind zum großen Teil nur die Restflächen zwischen den Gebäuden und bieten kaum Aufenthaltsqualität. Neben einigen grünen Inseln, beherrschen Asphalt und Parkplätze, Schmuddelecken und Müllcontainerorgien die Szenerie. Es scheint bereits Pläne zu geben, das Amt zu verlagern...


    Aufgrund seiner historischen Bedeutung und seiner mehr als zentralen Lage hat es auf jeden Fall verdient aufgewertet, verdichtet, reurbanisiert und belebt zu werden. Dabei ist ein hundertprozentiger Wiederaufbau weder möglich noch gewollt. Vielmehr sollte es darum gehen, diesem wichtigen Gebiet wieder neues Leben einzuhauchen und seinen alten Charakter wieder erlebbar zu machen. Die historischen Reste und einige Bauten aus den Fünfzigern können sich dabei mit neu errichteten Gebäuden und rekonstruierten Häusern zu einer lebenswerten Wohnumgebung vereinen.


    Für meine Arbeit war von Bedeutung, nicht fern der Realität zu agieren. Welche Aussicht auf Erfolg hat man, wenn man alles vollständig planieren, ausnahmslos alle Mieter vertreiben, die Gedanken an die Finanzierung komplett in den Wind schlagen will? Außerdem erfuhr ich vom Stadtplanungsamt, dass das Viertel mittlerweile unter Denkmalschutz steht („Gesamtanlage 5“). Damit muss auch umgegangen werden. Außerdem bin ich der Meinung - auch wenn ich mir mit solchen Aussagen nicht überall Freunde mache - dass die Architektur der 50er-Jahre nicht von vornherein schlecht ist. Warum ordentliche, funktionierende Gebäude abreißen? Lieber die Situation neutral bewerten und das tun, was sinnvoll und logisch ist.


    Ich bin mir bewusst, dass ein solches Projekt nur langfristig umzusetzen ist, und dass dafür auf politischer wie auf planerischer Seite noch jede Menge Arbeit getan werden muss, bevor eine Realisierung ähnlich dem Dom-Römer-Projekt angegangen werden kann. Meine Ideen sollen als Impuls für eine möglichst breite öffentliche Diskussion zur Zukunft dieses Quartiers dienen. Sie stellen keine fertiges Ergebnis einer Arbeit dar, sondern ein Modell, an dem gebaut werden darf. Neue Aspekte sind willkommen, Kritik wird gerne gesehen.


    Dieses Gebiet wurde von mir ausgesucht, weil dort ein enormes Potential vorhanden ist. Es besteht einfach die Möglichkeit, etwas am Status Quo zu ändern. Diese Möglichkeit sollte auf jeden Fall genutzt werden.


    (Abbildungen folgen)

  • Damit rennt man in diesem Forum ja durchaus offene Türen ein. Hier dürfte es kaum jemand geben, der das großartig anders sieht. Das Problem dürfte eher werden, die Politik davon zu überzeugen. Wenn ich allein dran denke wie man sich von ein paar Wortmeldungen hat dazu bringen lassen die Vorstadtödnis in den anderen Teilen der Altstadt, insbesondere auch rund um den Dom, im Innenstadtkonzept sogar noch zu zementieren...

  • Ganz hervorragende Studie. Ich finde es eine tolle Idee, weitere Teile der Stadt nach historischer kleinteiliger Parzellierung zu gliedern.


    Trotzdem ein paar Anmerkungen: Anders als beim Dom-Römer-Projekt scheint mir eine Belebung dieses kleinen Stadtteils ziemlich schwierig. Während das Dom-Römer-Areal zwischen den beiden wichtigsten historischen Sehenswürdigkeiten Frankfurts liegt und zudem noch von der belebten, relativ unzerstörten Braubachstraße flankiert wird, liegt das vorgeschlagene Viertel doch sehr versteckt. Im Süden besitzt das Viertel keinen repräsentativen, historisch anmutenden Eingang. Selbst in der Vorkriegssituation führten (laut Karte in der Präsentation) vom Main aus nur ein paar ganz enge Gassen in das Viertel. Von Westen aus ist ebenfalls nicht mit großen Besucherströmen zu rechnen. Vom Norden führt der Eingang zwischen dem Rathaus und der Bethmann Bank durch, damit zwar entlang historischer Gebäude, die aber gerade an dieser Stelle aufgrund ihrer fehlenden Kleinteiligkeit kaum einladend wirken. Selbst im Osten am Römerberg, wird die Limpurgergasse, die den Eingang in das neue Viertel darstellt, nur als kleiner unbedeutender Nebenweg wahrgenommen (anders als z.B. der trichterförmig zulaufende Zugang zum „Krönungsweg“). Der zweite Zugang, die Alte Mainzer Gasse, wirkt mit ihrem Nachkriegs-Überbau wie eine gefühlte Barriere.


    Meiner Meinung fehlt also jeder einladende Eingang in dieses Viertel. Zur Komplettierung des Konzepts würde ich folgende Ergänzungen vorschlagen:

      Wenn einer der 50er-Jahre-Bauten am Römerberg bzw. am Fahrtor geopfert werden sollte, würde ich eher für den Bau plädieren, der die Alte Mainzer Gasse so prominent vom Römerberg abtrennt. Hier könnte ein attraktiver, kleiner Platz entstehen, der für Leben im Viertel sorgt.


      Auch wenn es weder der historischen noch der aktuellen Lage entspricht, wäre ein breiter, einladender Eingang vom Main aus wünschenswert.


      Nach Westen besitzt die neue vorgeschlagene Altstadt einen relativ klaren Abschluss – nämlich entlang der Achse Buchgasse-Kornmarkt. Lediglich entlang der Bethmannstraße ragen ein paar historische Gebäude über die „Grenze“. Um diese Struktur in ihrer Erlebbarkeit zu stärken und zudem noch nach Nordwesten für einen repräsentativen Abschluss zu sorgen, halte ich eine kleinteilige, ebenfalls historisch anmutende Bebauung nördlich des Rathauses, also zwischen Rathaus-Nordbau und Berliner Straße, für sehr wichtig. Hier könnte ein Aushängeschild des Viertels entstehen, das auch südlich des Rathauses für Belebung sorgt.


    (gut… das sind vielleicht eher Vorschläge für die Projektstufe „2.1“)


    Ich finde es sehr schön, die Diskussion nicht in die ideologisch schwierige Richtung „Historismus vs. Nachkriegsarchitektur“ zu lenken sondern stattdessen hervorzuheben, dass hier ein kleinteiliges, urbanes Viertel (egal welcher Architektur) entstehen könnte.


    Und was die weitere Entwicklung des gesamten Umfelds betrifft, würde ich mir sehr wünschen, dass irgendwann einmal Stadtgebiete mit einem vorherrschenden Stil definiert und diese in eine klare Richtung weiterentwickelt werden. Genauso wie es rund ums Dom-Römer-Areal sicher geeignete Straßenzüge gibt, die man mit einer kleinteiligen historisch anmutenden Atmosphäre beleben könnte, gibt es ebenso Gebiete, in denen (pseudo-) historische Bauten komplett fehl am Platz wirken. Warum definiert man nicht z.B. ein „Nachkriegsviertel“ rund um die Kleinmarkthalle und das Parkhaus Hauptwache, bringt dort die 50er-Jahre Merkmale besser zur Geltung, ergänzt die Gestaltung der Straßen und Plätze durch typische 50er-Jahre-Pflaster und -Straßenlaternen und sorgt dort für ein geschlossenes Erscheinungsbild einer Nachkriegsstadt? Im Gegenzug könnte man weiter südlich ein Gebiet „Altstadt“ definieren, dass sich zwischen den Straßen Braubachstraße-Domstraße-Zum Pfarrgarten-Mainkai-Buchgasse-Berliner Straße-Paulsplatz erstreckt. Mindestens.


    Ach ja, und ich habe große Hoffnung, dass Sie, Herr Zastrau, noch weiter für Ihr Projekt kämpfen werden.

  • Eine Studie die die richtigen Schlußfolgerungen zieht, nur sollte man tatsächlich noch einen ganzen Schritt weitergehen, und eine Vision für das gesamte Viertel der Altstadt von Karmeliterkloster bis Fahrgasse entwickeln, so wie es das Konzept einer neuen verdichteten Altstadt von Architektenkontor Faller & Krück bereits 2003 (!)vorgesehen hatte:
    http://www.architektenkontor.c…/548990e261c5f9f85700025b
    Hierbei wird bewusst auf eine Synthese gesetzt welche den alten historischen Stadtraum wieder erfahrbar macht aber nicht alle Nachkriegsentwicklungen rückgängig machen muss.
    Stattdessen erreicht man mittels Reparatur, Wiederherstellung wesentlicher Stadträume und der daraus schon resultierenden neuer Verdichtung, dass auch den bisherigen Bewohnern der "Vorstadtsiedlungs-Architektur" neuen Wohnraum im selben aber neuen Quartier angeboten werden könnte, somit ware auch das soziale Thema zu lösen, sehr wichtig für die Kommunalpolitik in Frankfurt!

  • Mod: Aus dem Bau-Thread zum Dom-Römer-Projekt hierher verschoben.
    -----------------


    Dieses Projekt wird den Städtebau in Deutschland nachhaltig verändern. Stuttgart wird folgen. Ich denke in hier und dort ist es auch berechtigt

  • Tomov
    Die nachhaltige Veränderung des Städtebaus ist bereits in vollem Gange. Das Frankfurter Dom-Römer-Areal ist nicht das erste Projekt dieser Art. Das erste Projekt einer in den letzten Jahren in großem Rahmen vorgenommenen Altstadtreparatur ist die Wiedererrichtung des Neumarktes in Dresden. Der Dresdener Neumarkt ist der Prototyp. Insofern ist das Dom-Römer-Areal bundesweit bereits das zweite Projekt dieser Art.


    Als Nummer Drei in dieser Liste könnte man die aktuell erfolgende Bebauung der Potsdamer Mitte bezeichnen mit dem Stadtschloss und dem Areal Alte Fahrt mit den Palais' Barberini, Chiericati und Pompei.


    Sehr interessante Aussage von dir, wonach Stuttgart folgen wird. Wo siehst du Anzeichen dafür, daß in Stuttgart ein Projekt nach Vorbild des Frankfurter Dom-Römer-Areals umgesetzt wird? Bedarf für eine solche Altstadtreparatur gäbe es in Stuttgart am ehesten am Marktplatz. Allerdings sehe ich im Moment (leider) keinerlei Anzeichen, die dafür sprechen, daß die Nachkriegsbebauung des Stuttgarter Martktplatzes in naher Zukunft durch eine historisierende Bebauung nach den Vorbildern Dresden & Frankurt ersetzt wird.

  • Es ist schon eine Weile her, aber mit der Ostzeile am Römer und dem Hildesheimer Marktplatz gab es in den 80er Jahren ja schon größere Reko-Projekte. Dresden und Potsdam sind auch gute Beispiele für wirklich großflächigere Altstadtreparatur. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die neue Altstadt.

  • Jain. Das Problem an Rekos ist leider, dass man dann doch wieder faule Kompromisse schließt - obwohl die "Modernisten", die so auf 20. Jh. Bauweise stehen und nichts darüber kommen lassen, ja eh sonst jegliche Bautätigkeit mit ihrem Zeitgeschmack dominieren (ich weiss, Modernisten verneinen die Annahme, dass es sich auch bei ihnen nur um zeitgebundenen Geschmack und eine Architekturmode handeln würde, sie meinen ja immer, dass die Moderne des 20. Jh. den ewiggültigen Heiligen Gral der Architektur gefunden hätte.. :lach:).


    Und das vermittelt dann auch kein rundes Bild des historischen Erbes, das in den Bomben verloren ging.


    Ich denke da beispielsweise an die Stadt Augsburg, die eine der größten Städte nördlich der Alpen in der Renaissance war. Viel größer als heutige Metropolen, wie zB das nahe München oder auch Berlin, in denen dementsprechend aus vorindustrieller Zeit sehr wenig Bauerbe vorhanden war. Das Augsburg der Renaissance war ein echtes Kleinod. Dass man dort wenigstens die alte Parzellierung auch beim Wiederaufbau beibehalten hat täuscht nur oberflächlich darüber hinweg, dass davon bei genauer Betrachtung nur noch klägliche Reste übrig geblieben sind.


    Beispielsweise wurden Gebäude niedriger und mit simplifizierten Fassaden rekonstruiert, als sie einst erbaut wurden und auf die besonders aufwändige und kunstvolle Fassadenmalerei wurde dabei komplett verzichtet. Somit geben diese Rekos ein verfälschtes (und viel simpleres) Bild des tatsächlichen Bauerbes ab, so nett der historische Kern Augsburgs auch heute noch sein mag, wenn man ihn mit dem vieler anderer mittelgroßer Städte, die nach dem Krieg wiederaufgebaut wurden, vergleicht.


    Bis hin zu komplett verfremdeten Neuinterpretationen, denen man natürlich inzwischen auch einen eigenen Denkmalwert einräumt, die aber eigentlich mit dem historischen Original nichts zu tun haben. Beispielhaft möchte ich hier das Weberhaus Augsburg nennen, ein Zünftehaus.


    So sah es historisch aus:


    http://static3.akpool.de/images/cards/30/301783.jpg


    einzelne Details, die Fresken erzählten wohl Augsburger Stadtgeschichte bzw. vom Handwerk und Handel der Augsburger Weber:


    http://www.augsburgwiki.de/upl…_weberhaus_augsburg_1.jpg


    http://www.augsburgwiki.de/upl…_weberhaus_augsburg_2.jpg


    http://www.augsburgwiki.de/upl…_weberhaus_augsburg_3.jpg


    http://www.augsburgwiki.de/upl…_weberhaus_augsburg_4.jpg


    http://www.augsburgwiki.de/upl…_weberhaus_augsburg_5.jpg



    und nach dem Krieg hat man den vereinfachten Wiederaufbau so bemalt (ich würde das mal als "60er Jahre Kirchenmalerei-Stil" bezeichnen, weil in jeder Nachkriegskirche aus der Zeit, die ich kenne, Malereien in dem Stil zu finden sind...vielleicht kann jemand mit kunsthistorischer Detailkenntnis den Stil ja irgendwie qualifizierter einordnen)


    https://upload.wikimedia.org/w…oritzplatz_2_Augsburg.JPG


    hier sind die Einzelheiten etwas besser ausgeleuchtet


    http://www.fugger.de/uploads/p…-daten-fakten-gal-006.jpg


    Wie man sieht nicht einmal eine Anlehnung an das historische Original, sondern eine komplette Neuschöpfung...



    ...bei einem Brand 2004 wurde diese Nachkriegsbemalung stark beschädigt. Es gab eine große Spendenaktion in der Stadt, um die Rekonstruktion des Weberhauses zu finanzieren. Sie glückte. Rekonstruiert wurde aber nicht die historische Bemalung, sondern die Nachkriegsbemalung. D. h. das historische Zunfthaus - nach dem Krieg gab es keine Zünfte mehr, geblieben ist nur noch der Name - gibt es im Gedächtnis der Augsburger nicht mehr. Das Weberhaus ist für Augsburg und die restliche Welt jetzt diese Neuschöpfung aus den 1960ern.


    Was immer man davon halten mag, geschmacklich, definitiv ist das eine Verzerrung. Man muss mit Rekos also sehr gut aufpassen und sollte sich vor faulen Kompromissen hüten, dann lieber erstmal gar keine Reko. Eine Wiederholung bahnt sich ja gerade in Potsdam an, wo man es für einen klugen Kompromiss hält, nur den Turm der Garnisonkirche zu rekonstruieren, das Schiff aber nicht. Und irgendwann wird das dann als eigener Denkmalwert bezeichnet und dauerhaft so erhalten bleiben und diese verzerrte Version der Garnisonkirche, die real im Stadtbild sichtbar ist, wird die verblassenden Erinnerungen des historischen Originals verdrängen, sodass dieses mehr denn je in Vergessenheit gerät und somit alles, wofür es steht, im guten wie im schlechten. Noch abschreckender ist auf den ersten Blick der (sogenannte) Wiederaufbau der Paulinerkirche in Leipzig, die eigentlich so aussah und jetzt so aussieht. Nur, hier sieht wenigstens jeder sofort, dass das kein "Wiederaufbau" ist, sondern ein moderner Trivialbau der sich mit einem großem Namen schmücken will und in 30 Jahren vermutlich wieder abgerißen wird. Anders eben das Weberhaus, das war kein so krasser Bruch mit dem Vorschlaghamer sondern eine Neuinterpretation, die aber auch ihre Freunde findet und verdrängt das historische Original damit umso nachhaltiger. Solche vermeintlich guten Kompromisse sind also besonders problematisch, wenn es einem im Kern nicht nur darum geht, dass das Stadtbild bischen hübscher aussieht, sondern der "Erzählwert" des "Zeitzeugnis" einer authentischen Architektur, aus einer anderen Ära, im Zentrum stehen soll.


    Und das muss doch das Ziel von Rekos sein. Die Welt mal mit den Augen einer ganz anderen Zeit zu sehen, indem man die Gebäude dieser Zeit sieht. Oder?

    6 Mal editiert, zuletzt von Pumpernickel ()

  • Zumindest da wo der Vorgängerbau wirklich recht wertvoll war finde ich solche nur Anlehnungen auch extrem kritisch. Aus ähnlichen Gründen ist ja derzeit wohl auch kaum mit einer Rekonstruktion der Obergeschosse des Salzhauses am Römerberg zu rechnen. An weniger prominenten Stellen aber, wo eine Rekonstruktion ohnehin nicht in Frage kommt, habe ich kein Problem mit derartigen "Historisierungen".

  • ^^Was Du hier beschreibst ist doch ein wunderbares Beispiel dafür, warum diese Wiederherstellung eben nicht "originalgetreu" erfolgt: Erbaut und in seiner Pracht bezahlt wurde das Weberhaus von der Weberzunft, die es als ihren eigenen Repäsentationsbau vorgesehen hatte.
    Der Nachfolgebau wurde - vor wem eigentlich? Der Stadt Augsburg? - gebaut, weil man einerseits an das dort stehende Gebäude erinnern, andererseits aber auch, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, keine Kopie des Originals erstellen wollte. Man kann ja fast noch froh sein, dass nicht die Augsburger IHK in den 1960ern einfach einen quadratisch praktischen Verwaltungsbau aufgestellt hat.


    Also wieder: Wer mit eigenem Geld baut, kann und wird so repräsentativ bauen, wie es das Budget und die jeweilige Zeit hergibt - wer mit fremdem Geld arbeitet muss "wirtschaftlich" bauen. Letzteres sind die Manager aller Kapitalgesellschaften, bis hinauf zu den Vorständen,soweit sie nicht gleichzeitig Mehrheitsaktionäre/-Anteilseigner sind.

  • Mod: Folgende Beiträge aus dem Bau-Thread zum Dom-Römer-Projekt hierher verschoben.
    -----------------


    Im Jugendstil war man sehr kreativ was Ornamentik angeht, da gab es ja auch keinen einheitlichen Stil, da galt ja beinahe "anything goes". Dementsprechend gab es da auch viele solche gestrichenen Fassaden, die meisten haben die Jahrzehnte nicht überlebt, weil zB die Instandhaltung zu teuer war wurden sie geglättet (es gab auch noch viel komplexere Muster die mit Fassadenputz umgesetzt wurden). Ich habe einmal in einem Architekturband ein interessantes Foto von einer solchen Baustelle gesehen. Die Handwerker bedienten sich damals aufwändiger Hilfskonstruktionen aus Holz, die aufgebaut wurden um damit in einem Rutsch (und mit reichlich zusätzlicher Manpower) solche Fassadenmuster glatt über große Flächen auszubringen.


    Wie man sieht können vermeintliche Kleinigkeiten, wie solch ein Putzmuster, eine ziemliche Herausforderungen sein. Der Teufel liegt eben im Detail und das hat man hier ggf. unterschätzt. Auf dieser Baustelle des Dom-Römer-Areals haben die Gewerke wieder viele vergessene und verlernte Bautechniken neu zu erlernen und wieder zu entdecken. Da wird manches mehr "trial and error" sein, das wird mit Sicherheit nicht das letzte Gewerk sein, über dessen Ausführung man diskutieren wird. Aber letztlich macht doch auch das irgendwie den Charme des Projekts aus. Es ist eben nicht nur Disneyland-Kulisse, sondern hier wird von echten Handwerkern mit echten Gewerken echt gebaut, nicht nur der Betonmischer angeschaltet und angelieferte Baustoffe gemäß Norm zusammengestöpselt. Diese Baustelle ist bzgl. Bauen in meinen Augen daher "authentischer" als alles, was wir üblicherweise so zu sehen bekommen. Und wo noch echt handwerklich, mit Betonung auf "Hand", gearbeitet wird, da ist eben nicht immer alles perfekt im rechten Winkel. Siehe diverse Altstädte, voller schiefer Hauswände usw.


    Das ist eine authentischere Altstadt als viele zugestehen wollen.

  • Ich habe ja schon mehrfach gesagt das ich dieses Areal als eines der aufregendes Projekte der letzten Jahre sehe. Hier wird altes + neues sinnvoll verknüpft. Was spricht denn, mal abgesehen von rechtlichen bzw. gesetzlichen Aspekten, dagegen Beton zu benutzen ?
    Wo bitte wird denn so noch gebaut ? Als "Schreinersohn" liebe ich Holz und finde es toll was hier gemacht wird. Ich finde es halt nur schade das man die Baustelle nicht hier und da mal besichtigen kann, denn es gibt bestimmt viele die sich gerne den Bauverlauf vor Ort mal anschauen würden.
    Weiter so ...

  • Wieso sollte man Beton benutzen? Das ist nicht sowas wie der "Goldstandard" der Baustoffe oder irgendwie besonders "modern", er ist nur billig und am besten maschinell zu verarbeiten, darum in der heutigen Zeit so stark in Verwendung. Und bei wortwörtlich handwerklichem Bauen ist es umgekehrt der letzte Baustoff, den man verwendet. Er ist sozusagen die Plaste auf der Baustelle, die billige und schnelle Lösung, die man ebenso billig und schnell auch wieder wegbekommt. Wegwerfarchitektur. Hier soll aber eine Altstadt errichtet werden, die nicht nur das Antlitz einer Altstadt hat, sondern auch die Lebensdauer. In den üblichen 30 Jahres-Kernsanierungszyklen, die bei Betonbauten angezeigt sind, ist das nicht zu machen. Das wäre dann "fake", das wäre dann Kulisse, das wäre dann genau das "Disneyland", das nur hübsch ausschaut aber schnell und billig hochgezogen ist, wie es die Kritiker einer Altstadtreko immer beschwören.


    Hier wird, soweit wir das heute noch können, handwerklich gearbeitet. Bögen werden gemauert (mit einer Schalung zu betonieren, noch besser, gleich ein Betonfertigteil einzusetzen, wäre doch viel einfacher, billiger und schneller...!), zwar mit den selben Formziegeln wie im Neubaugebiet auf der grünen Wiese, aber handgemachte Ziegel gibt es heute halt nicht mehr zu kaufen. Und die vermeintliche Imperfektion dieser Putzgestaltung gibt auch dieser Fassade eine menschliche Handschrift. Besucht irgend jemand Altstädte um Wände zu sehen, die perfekt im Lot und glatt sind? Oder nicht das genaue Gegenteil? Man will sehen und sich fast visuell vorstellen können, wie über Generationen Hände dafür gearbeitet haben, die Stadt zu errichten und zu erhalten. Das steingewordene Erbe von hart arbeitenden Menschen. Das ist eine Altstadt. Eine Antithese zur andernorts in Frankfurt emporwachsenden "cleanen Maschinenstadt". In der alles perfekt, shiny, glatt - aalglatt - ist.


    Ein Hoch dem menschlichen Makel!

  • Vor ein paar Tagen hat der Architekt Ernst Ulrich Scheffler in der FR über die neue Altstadt in Frankfurt hergezogen. Mir war diese Person bislang kein Begriff, aber laut FR gilt er als einer der renommiertesten Fachleute für die Restaurierung historischer Bausubstanz. Seine wichtigsten Arbeiten sind die Wiederherstellung der Deutschen Schule in Budapest, die Restaurierung des Theaterhauses Aschaffenburg und die noch andauernde Sanierung der historischen Kuranlagen von Hanau-Wilhelmsbad.


    Kurze Zusammenfassung:

    • Die Mittelklasse sei verbittert und habe das Gefühl außen vor zu bleiben. Projekte wie das Dom-Römer-Projekt seien eine Reaktion darauf.
    • Die neue Altstadt sei eine große Geschichtsfälschung, weil die Häuser so nie bestanden haben
    • Die moderne Architektur sei nur wegen der Vorgaben der Bauherren verpönt, die Architekten treffe daran keine Schuld.
    • Außerdem habe die Rückbesinnung auf die alte Architektur mit der Zukunftsangst weiter Teile der Bevölkerung zu tun.
    • Außerdem wird der Abriss des Rundschauhause und des Technischen Rathauses kritisiert. Letzteres wurde 1972 als "vorbildlicher Bau in Hessen" ausgezeichnet, ebenso wie das alte Historische Museum


    Viel muss man da meiner Meinung nach nicht zu sagen. Das Fehlen jeglicher Selbstkritik am eigenen Architektenstand sagt eigentlich schon alles.