Leipzig: Höfe am Brühl (eröffnet)

  • Bekannterweise (wurde hier auch irgendwo diskutiert) wurde das alte Kaufhaus im II. WK schwer beschädigt und auch weiterführende Schäden stehen zumindest mittelbar damit in Verbindung (von mir aus auch Sichtbarmachung von Kriegsschäden und endgültiger Verfall zu DDR-Zeiten, ändert m.M.n. konzeptionell nicht viel). Diese Beschädigungen zu erhalten ist jedenfalls deutlich ehrlicher als der Budenzauber, der eine Rekonstruktion wäre, zumal es ja nicht um eine Wiederherstellung eines im Wesentlichen noch erhaltenen Gebäudes ist, wie sagen wir bei einer Wiederbestuckung eines Wohngebäudes, sondern um das einzige Teil, welches (vermutlich) nach den Umbauten noch erhalten sein wird.

  • In Wahrheit zeigen beide Visualisierungen eine Rekonstruktion, anders funktioniert es auch gar nicht. Sehr euch mal den Bereich des vierten Geschosses an, realiter ist da von der alten Fassade nichts erhalten, die Visualisierungen zeigen beide eine strukturierte Fassade. Natürlich muss rekonstruiert werden, alles andere ergibt überhaupt keinen Sinn. Das Ergebnis könnte ich mir so vorstellen, wie beim Gebäuderest des Hotel Esplanade in Berlin, der recht eindrucksvoll ins Sony Center integriert wurde.

    Einmal editiert, zuletzt von Lipsius ()

  • Die Reste des Esplanade sind ein denkbar schlechtes Beispiel, hier ist nicht nur ein Stück Fassade integriert worden, sondern mehrere erhaltende Räume, u.A. der legändäre Kaisersaal sowie andere Räumlichkeiten, die auch heute ihrer alten Funktion entsprechend genutzt werden.

  • Stellungnahme zum überarbeiteten Entwurf von A. Bartetzky

    Stellungnahme zum überarbeiteten Entwurf für die Brühl-Fassade


    Die Überarbeitung des Entwurfs für die Fassade von Blechbüchse/Kaufhaus Brühl ist ein Teilerfolg all jener, die sich für die Erhaltung der alten Sandsteinfassade eingesetzt haben. Allerdings ein sehr bescheidener.
    Ein von außen sichtbares Fassadenfragment ist sicher eine bessere Lösung als die bisher geplante vollständige Verpackung mit Blech. Auf diese Weise wird zumindest ein kleines Stück der erlesenen Architektur des Vorgängerbaus sichtbar und damit die Baugeschichte des Kaufhauses anschaulich. Zugleich wird aber der Fassadenrest durch die artifizielle, aseptische Art der Präsentation in einer Glasvitrine weitgehend seiner sinnlichen Qualität beraubt.
    Obwohl in der von den Architekten erstellten Visualisierung des Fassadenfragments die ursprünglich großzügigen Fenster noch vermauert sind, wird nun auch für das Laienauge offenkundig, dass es nur einer Reinigung und behutsamen Reparatur bedarf, um das in dem angeblich unrettbaren, grauschwarzen Torso des Kauhauses Brühl steckende architektonische und städtebauliche Potential zu entwickeln. Nun kann sich jeder vorstellen, welchen Gewinn der Erhalt der gesamten Sandsteinfassade für den Richard-Wagner-Platz brächte und wie stark er die Attraktivität der „Höfe am Brühl“ erhöhen würde. Dass in den dahinterliegenden Obergeschossen Parkdecks vorgesehen sind, ist übrigens kein überzeugendes Gegenargument: An der Westseite des Hauptbahnhofs gibt es bereits ein Parkhaus hinter einer gründerzeitlichen Fassade. Durch die Fensteröffnungen, die für natürliche Belüftung sorgen, kann man dort die parkenden Autos sehen – eine ästhetisch wie funktional keineswegs unglückliche Lösung.
    Sollte der Nachfolgebau der Blechbüchse in der nun geplanten Form ausgeführt werden, wird das sichtbare Fragment der alten Fassade des Kaufhauses Brühl nicht nur einen Blick auf die Architekturgeschichte ermöglichen. Es wird auch Zeugnis davon ablegen, welche Chance auf Wiedergewinnung eines einst stadtbildprägenden Baudenkmals und auf Aufwertung des Stadtraums hier vergeben wurde.
    Ich hoffe nach wie vor, dass der Investor sich dazu durchringt, zumindest etwas mehr Substanz der alten Fassade zu erhalten und in den Neubau zu integrieren.


    Arnold Bartetzky


    Dr. Arnold Bartetzky
    Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO)
    Luppenstraße 1B
    04177 Leipzig


    [Die Genehmigung zur Veröffentlichung an dieser Stelle liegt mir vor.]

  • Blechbüchse

    Ich halte die Alufassade dieses Gebäudes für eine der gelungensten dieser Ära. Wenn mann an die, etwa gleichzeitig entstandene Hortenkachel denkt, dann ist das Gebäude eine Augenweide. In Leipzig entstehen gerade einige der, wenn nicht sogar die bestsaniertesten Fassaden in ganz Deutschland. Leipzig verfügt über die größten, zusammenhängenden Gründerzeitareale der Republik. Warum kann man nicht auch anderen Bauepochen Respekt zollen? Das was unter der Fassade zutage tritt hat allenfalls Ruinencharakter. Aber Realismus ist nicht gerade die Stärke einiger "Träumer" hier. Geradezu absurd idt die Idee, die Fassade teilweise zu rekonstruiren und dann hinter Glas verschwinden zu lassen. Dann fragt sich doch erst recht jeder, warum diese schöne Fassade zugedeckt wird. Der gefundene Kompromiss ist ideal. Man sieht, dass sich hinter der jetzigen Fassade eine ursprüngliche aber nicht mehr intakte Fassade befindet. Meiner Meinung nach haben hier viele eine "hauptsache alt" Attitüde. Alt heisst nicht immer gut. Vielfalt an Bauwerken verschiedener Epochen scheint nicht erwünscht zu sein, es sei denn Sie wurden vor 1945 erbaut. Sehr traurig:Nieder:

  • Pauschales "Alt=Gut"-Denken halte ich für eine Unterstellung. Und Vielfalt ist durchaus erwünscht. Gerade in der Innenstadt harmonieren Alt (von Mittelalter über Renaissance, Barock usw. bis Jugendstil) und Neu (nach 45?) oftmals hervorragend und werden auch so wahrgenommen. Es geht bei solcher Art Debatte m.E. eher um Ästhetik,vorallem um Komplexität (also Vielfalt von Einzelelementen), die bei Fassaden zum Großteil eben durch Ornamentik etc. geschaffen werden kann. Damit werden Fassaden vor Bauhaus vermutlich durchschnittlich häufiger als komplexer wahrgenommen und vom Laien bevorzugt. Die Blechbüchse wiegt das aber mE durch die Identitätsstiftung, die geschwungene Form (wodurch sich die Fassade z.T. selbst verdeckt, könnte "Mystery" nach Berlyne, 1971, bewirken), die Gliederung durch "dunkle" Bänder (Etagen) und die "Auswölbungen". Und der Mehrheit der Bevölkerung ist die Blechbüchse sehr bedeutend, was mE schon für Respekt vor "anderen Bauepochen" spricht.

  • Alt heisst nicht immer gut. Vielfalt an Bauwerken verschiedener Epochen scheint nicht erwünscht zu sein, es sei denn Sie wurden vor 1945 erbaut. Sehr traurig:Nieder:


    Ach was! Du brauchst nur mal den Augustusplatz anzusehen, den grössten Stadtplatz Deutschlands, um zu sehen, dass in der Stadt sehr wohl der nach dem Kriege entstandenen Architektur Respekt gezollt wird!


    Insgesamt ist auf dem Augustusplatz ein repräsentativer Querschnitt vom frühen 20sten bis zum frühen 21sten Jahrhundert vertreten.

  • "Ich würd das Fassadenstück auch nicht rekonstruieren sondern so lassen, das macht besser deutlich, das unter dem Alu-Kleid eine Kriegsruine steckt und kein intaktes Gründerzeitkaufhaus." von Stadtplaner BLN


    "Der gefundene Kompromiss ist ideal. Man sieht, dass sich hinter der jetzigen Fassade eine ursprüngliche aber nicht mehr intakte Fassade befindet." von NewUrban


    Meines Erachtens, befindet Ihr euch da in einem Irrtum, ihr geht fälschlicherweise davon aus, dass die alte Hänsel-Fassade nach der Fertigstellung immer noch hinter der Blechbüchse schlummert, aber Sie wird in einigen Tagen oder auch Wochen nahezu vollständig abgerissen, bis auf die erwähnten 15m.


    Des Weiteren ist auch von den Verantwortlichen noch nicht entschieden worden, ob das Teilstück nun saniert oder unsaniert in die Müller-Fassade integriert wird, auf den Visualisierungen sind beide Varianten vertreten.


    "Warum kann man nicht auch anderen Bauepochen Respekt zollen?", "Vielfalt an Bauwerken verschiedener Epochen scheint nicht erwünscht zu sein, es sei denn Sie wurden vor 1945 erbaut." von NewUrban


    Sie scheinen Sich ja ausgesprochen gut auszukennen in Leipzig, um anhand eines vielleicht zweier Beispiele solche Aussagen treffen können.

  • .L.E. - Meines Erachtens, befindet Ihr euch da in einem Irrtum, ihr geht fälschlicherweise davon aus, dass die alte Hänsel-Fassade nach der Fertigstellung immer noch hinter der Blechbüchse schlummert, aber Sie wird in einigen Tagen oder auch Wochen nahezu vollständig abgerissen, bis auf die erwähnten 15m. > Wieso sollte man davon ausgehen? Hier im DAF wurde mehrmals davon gepostet, dass das gesamte Gebäude abgerissen wird und wenn nicht, könnte man es sich denken oder in den nächsten Tagen selbst LIVE sehen.


    Der rote Plattenbau am Rücken des Kaufhauses am Brühl ist seit gestern nun komplett verschwunden. Es fanden bereits Einbrüche in die Etagen statt. So kann man von weitem hinter die Fassade schauen.

  • "Wieso sollte man davon ausgehen?" DAvE LE


    Woher soll ich das denn wissen?^^
    Die Formulierungen von beiden sind doch aber ziemlich eindeutig! Da Sie beide nicht aus Leipzig kommen, haben Sie vielleicht auch nicht alle Einträge und Artikel gelesen und werden es sich wahrscheinlich auch nicht LIVE anschauen.

  • Guratzsch nutzt es zur Generalabrechnung mit Moderne

    Ich habe eigentlich schon die ganze Zeit darauf gewartet, hier ist er nun auch, der Guratzsch-Artikel zur Blechbüchsen-Debatte:


    Welt online
    Von Dankwart Guratzsch 21. Mai 2010, 16:38 Uhr


    Fall "Blechbüchse"
    In Leipzig kämpft Jugendstil gegen DDR-Moderne


    http://www.welt.de/kultur/arti…il-gegen-DDR-Moderne.html


    Und wie wie so häufig ist ziemlich wenig richtig, sowohl was Fakten als auch Einschätzungen betrifft. Die Guten sind die aus dem "bürgerlichen Lager", "die stolzen Verteidiger des glanzvoll wiedererstandenen bürgerlichen Vorkriegs-Leipzigs. Für die Müller-Fassade erwärmen sich nach Guratzsch dagegen nur "Nostalgiker" oder auch "Ostalgiker", "die Trauergemeinde des verblichenen realen Sozialismus". Nichts begriffen, sechs, setzen! Noch übler sind jedoch die allermeisten Diskussionsbeiträge, aber das braucht man ja nicht lesen.

  • ^^
    Du gehst m.E. ein bisschen zu hart mit Guratzsch ins Gericht. Volle Zustimmung zwar, dass das "Ostalgiker"-Argument billig und wohl auch falsch ist, aber seine Beschreibung der Ignoranz und Arroganz politischer Entscheidungsträger, die sich einen feuchten Dreck um den Bürgerwillen scheren, ist schon sehr treffend. Unabhängig davon, welche Fassade man nun persönlich bevorzugt!

  • ^ Wäre der geballte Bürgerwille bereits vor 3 Jahren artikuliert worden, sähe die Planung eventuell ein wenig anders aus. Es ist nichts weiter als billig, eine Nichterfüllung von nach Erteilung der Baugenehmigung gestellten Forderungen als Mißachtung des Bürgerwillens zu bezeichnen.


    Wenn selbst simpelste Fakten wie die Tatsache, dass das zu erhaltene Fassadenstück nicht abgerissen und wieder aufgebaut sondern erhalten wird, falsch sind, zeigt dies, dass es sich bei dem "Artikel" um nichts weiter als einen tendenziösen Kommentar handelt. Der sollte dann aber auch als solcher gekennzeichnet sein.


    Auch scheint Guratzsch nicht aufgefallen zu sein, dass der Gormsen-Vorschlag auf dem Papier nett klingt, aber gar nicht ohne Weiteres umsetzbar ist.

  • @ L.E.


    nein, ich bin nicht davon ausgegangen, daß mehr als der hinter Glas gestellte Teil erhalten bleibt (siehe #800) und ich schaue mich vor Ort alle paar Wochen um, wenn ich in Leipzig bin.

  • @Stadtplaner


    OK, sorry. Dann habe ich einfach nur das hier "das macht besser deutlich, das unter dem Alu-Kleid eine Kriegsruine steckt" falsch oder zu hart interpretiert. Mit nem e am Ende, hätte ich es verstanden! ;)

  • Ein im Rahmen der heutigen Situation guter Vorschlag, die im Volksjargon genannte Blechbüchse an die andere Seite zu setzen und somit die Fassade wiederherzustellen. Damit wertet man nicht nur den Platz ungemein auf, sondern die ganze Anlage. Genügend Beispiele gibt's, z. B. in Saarbrücken (glaube ich), wo ein altes Gründerzeitgebäude (irgendwas mit Bergwerk) ein dahinterliegendes Gebaut wurde und der bau integriert. Das Schloß in Braunschweig wurde als Fassade wiederhergestellt und in ein Kaufhaus integriert (zwar nicht das Ehrwürdigste schlechthin aber immerhin) und die Höfe am Brühl werden sicher auch noch den Glanz unserer wunderbaren architektonischen Zeit mit der alten sowie den neuen und mittelalten Fassaden wiederspiegeln dürfen.

  • Der Vorschlag von Gormsen ist doch Kokolores und hat mit Denkmalschutz nichts zu tun. Dazu gehört mE der ursprüngliche Standort, nur dort ist die Identifikation möglich. Räumliche Probleme wurden hier bereits angesprochen. Und eine Schlossfassadenreko mit Kaufhaus im Anschluss...viel schlimmer kanns nicht kommen...

  • ^ Immerhin ist die Fassade rekonstruiert worden mit einem hauch Gründerzeit-Bibliothek in Braunschweig. Alles Andere obliegt der kommenden Generation...