Hackesches Quartier [realisiert]

  • @ Backstein: Danke für die Fotos!


    Trotz einzelnen Details, die ganz nett sind bleibt die bis zu zehn (!) geschossige Bebauung für einen mittelalterlichen Stadtkern völlig maßstabslos. Die Begründung liefern Backstein in seinen wenigen Zeilen gleich mit, man sieht nicht "den alten Uniturm an der Spandauer Straße" sondern den Turm der Heilig-Geist-Kapelle (13. Jahrhundert), welche leider schon 1904 nach massiven Bürgerprotesten mit der Erweiterung um einen Fünfgeschosser völlig erdrückt wurde. Kein Wunder, daß Backstein dieses mittelalterliche Kleinod nicht bemerkt hat.


    Das Ensemble des "neuen Hackeschen Quartiers" hätte an den Alex gepaßt, sozusagen extra muros. Aber nicht an die Neue Friedrichstraße.

  • ^ Maßstabslos wäre es, sich hier an einem bis auf vereinzelte Gebäude nicht mehr vorhandenem "mittelalterlichen Stadtkern" zu orientieren. Der wird auch nicht wiederkommen, wenn man im Zentrum der deutschen Hauptstadt nur noch zweistöckig baut.


    Es ging hier darum, die Lebhaftigkeit des (früher auch so nicht vorhandenen) Hackeschen Marktes auf die bisher tote gegenüberliegende Seite der Stadtbahn zu bringen und sich dabei in den vorhandenen Kontext einzugliedern. Das kann man doch grundsätzlich als erreicht abhaken. Die Gebäude sind keinesfalls durchgehend an der Straßenfassade zehnstöckig (klingt so schön schaurig, nicht wahr?), den Altbauten an der Rosenstraße wird ein neuer Rahmen gegeben, es gibt einen gewissen Übergang von den DDR-Blöcken an der Spandauer in Richtung Spandauer Vorstadt.

  • Ich denke auch, dass die Städtebauliche Entwicklung am Hackeschen Markt einer der größten Erfolge ist, die man seit der Wende in Berlin verzeichnen kann. Ein Segen, dass man dort nicht einfach wieder die alten Strukturen hergestellt, sonder einen öffentlichen Stadtraum geschaffen hat. Dass man von städtischer Seite probiert diesen Erfolg auf die andere Seite der Bahn zu transferieren ist verständlich - und dass man sich primär nicht an abwesenden Strukturen orientiert wohl eine Selbstverständlichkeit. Ich bin nicht unbedingt besonders froh über die Überformung der Alt-Stadt in den letzten 100 Jahren (das geht eigentlich schon beim Roten Rathaus los), aber ich erkenne auch keine Nutzen in der Wiederherstellung selbiger.

  • Volle Zustimmung zu DaseBLN und million. Klar kann man sich darüber streiten, ob das Ganze nicht ein wenig zu wuchtig geraten ist, aber die Architekten hatten sich an dem zu orientieren, was da ist, nicht an dem was mal da war. Also nicht an einem mittelalterlichen Stadtkern, der schon seit dem 19. Jahrhundert mehr und mehr verschwand, sondern im Wesentlichen nach wie vor an der Hauptstadtplanung der DDR, die in dieser Ecke mit der Spandauer- und der Liebknechtstraße den Maßstab vorgibt.


    Das Ergebnis ist ein Übergang von den riesigen Blöcken um den Fernsehturm zur kleinteiligeren Bebauung jenseits der S-Bahnlinie. Dieser Übergang hätte vielleicht auch ein wenig kleiner sein dürfen, in jedem Falle passen sieben bis zehn Stockwerke aber besser zur heutigen Umgebung als die zwei, die es im Mittelalter gewesen wären. Ich find das Ergebnis jedenfalls prima...:)

  • Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß die 14-Geschosser-Wände an der Karl-Liebknecht und Spandauer Straße, die fast einen Quadratkilometer Innenstadt im warsten Sinne des Wortes in ihren Schatten stellen, in dieser Geschossigkeit die nächsten 15 Jahre überleben?


    Und: Die Architekten hatten sich keineswegs an dem Bestand zu orientieren, für den Bereich gab es einen B-Plan der genauso gut andere Dimensionen hätte festlegen können. Sonst hätte man nach § 34 BauGB genehmigen können.


    Erstaunlich finde ich, mit welcher Geschichtsblindheit hier im Stadtkern Kaiserzeit, Weimar, braune und rote Sozialisten sowie die Gegenwart Hand in Hand arbeiten, gewollt oedr nicht. Bloß nicht über die Geschichte Berlins vor 1900 nachdenken... Lieber den nächsten 10-Geschosser - Hurra! Hurra! Hurra!

  • ^ Und du glaubst doch nicht ernsthaft, dass den 14-Geschossern kleine hübsche 3-Stöcker aus Feldsteinen nachfolgen? Und dass man dann mal fix Domaquarée, DGB-Zentrale, Instituto Cervantes & Do stutzt, weil sie nicht einem wie aucvh immer gearteten mittelalterlichen Ideal folgen? Natürlich muss man sich am Bestand orientieren, das forderst du doch (zu recht) sicherlich auch bei jeder Lückenbebauung in Gründerzeitquartieren? Man hat sich hier am bleibenden Bestand orientiert und nicht an den Wohnblocks oder Wohnhochhäusern aus DDR-Zeiten.


    Die Geschichtsblindheit legst doch eher du an Tag, wenn du hier einen längst nicht mehr vorhandenen "mittelalterlichen Stadtkern" wiederaufbauen willst oder was immer auch dein Ziel ist. Das Berlin von 1870?

  • Also ich finde den Maßstab der jetzt neuen Bebauung überaus angemessen. Mittelalterliche Stadtkerne in Ehren, aber den heutigen Anforderungen in Berlin-Mitte werden verwinkelte Gässchen und Giebelhäuser sicher nicht gerecht... insbesondere nicht was die Infrastruktur angeht.


    Ich wäre mir im übrigen auch nicht sicher, ob die Hochhausbebauung der DDR-Zeit so schnell verschwindet. Die existierende Bebauung zeichnet sich durch eine hohe Dichte aus und scheint nebenbei auch gut vermietbar zu sein. Das heißt, eine Neubebauung wäre nur rentabel wenn entweder noch mehr vermietbare Fläche entstehen würde (= höhere Hochhäuser) oder wenn durch mehr Qualität deutlich höhere Mieten realisiert werden könnten (bei zugleich verkleinerter Bebauung müssten sich die Mieteinnahmen dann aber schon vervielfachen = unrealistisch).

  • @ Konstantin: Ich gehöre zu den Leuten, die gewachsene Strukturen verteidigen, und ich bin entschieden gegen den Abriss historischer Quartiere, wo sie noch vorhanden sind und als urbaner Lebensraum funktionieren. Ab und an bin ich sogar von ein bisschen Rekonstruktion zu überzeugen - etwa was den Abriss des Technischen Rathauses in Frankfurt angeht. Dort bin ich allerdings vor allem auf moderne Architektur gespannt, die historische Vorbilder zitiert, weniger auf nachgebaute Fachwerkidylle für das Touristenfoto.


    Ich teile auch Deinen Vorwurf, der Städtebau der klassischen Moderne sei geschichtsblind gewesen und habe das Gewachsene oft brutal zerstört, um seine Ideale umsetzen zu können. Du hoffst aber offenbar, alles was diese klassische Moderne im Berliner Zentrum errichtet (und angerichtet) hat, möge in den nächsten zwanzig Jahren wieder verschwinden - und diese Hoffnung ist genauso geschichtsblind, wie es einst die DDR-Hauptstadtplaner waren. Die haben gesagt: 700 Jahre Stadtgeschichte? Uns egal, jetzt ist Moderne angesagt! Du sagst: Albert Speer? Flächenbombardement und Häuserkampf? Teilung und Hauptstadt-Ost? Mir doch egal, ich will wieder Mittelalter!


    So brutal diese Monsterdinger an der Liebknechtstraße auch sein mögen, und so öde die Stadtbrachen sind, die an ihrer Rückseite damals entstanden sind - auch diese Bauten spiegeln einen inzwischen vergangenen, nichts desto trotz aber wichtigen Teil der Berliner Geschichte wieder. Und den aufzugeben, damit es wieder hübsch aussieht, das wäre geschichtsblind wie nur was. Ergo: Die Planer des Hackeschen Quartiers hatten sich - nicht juristisch, aber ästhetisch - an dem zu orientieren, was da heute steht, und diese Aufgabe haben sie sauber gelöst. Das ist Berlin - wenn ich Idylle will, fahr' ich nach Heidelberg. :cool:

  • Die Frage der großflächigen Umgestaltung wird sich dann stellen wenn die Stahlbetongebäude aus DDR Zeiten am Ende ihrer bautechnischen Lebensdauer angelangt sind. Vorher muss man da kein "Fass" aufmachen, schon allein weil es Berlin auf absehbare Zeit nicht an bebaubaren Brachen und Freiflächen mangeln wird. Und ich persönlich kann nicht nachvollziehen wenn man Gebäude zu "Zeitzeugen" hochjazzt aber man sollte gerade aus der berliner Geschichte lernen dass es selten funktioniert wenn "Flächensanierungen" und generalstabsmäßige Hauptstadtplanungen durchgeführt werden.


    Berlin braucht vor allem eines, kleinteilige und organische, normale, Entwicklung (bei der sich die Politik raushält!). Insofern muss man diesem Projekt meiner Meinung nach Anerkennung zollen. Es hat diesen Gedanken scheinbar verinnerlicht, denn obwohl es sich um ein zusammenhängendes Baugebiet handelt wird die vielgesichtige Gestaltung Kleinteiligkeit und Abwechslung bilden. Sozusagen die normale Stadtentwicklung europäischer Städte mit Blockrandbebauung im Zeitraffer. Ich hoffe dass man sich daran bei zukünftigen Projekten ein Beispiel nimmt und das Monolithische in Berlin zukünftig weniger wird, denn diese ist es letztlich was das Entstehen von "Urbanität" in weiten Teilen der Stadt erschwert (und warum die Bezirke mit viel intakter gründerzeitlicher Blockrandbebauung so überaus beliebt sind).

  • ... Die Begründung liefern Backstein in seinen wenigen Zeilen gleich mit, man sieht nicht "den alten Uniturm an der Spandauer Straße" sondern den Turm der Heilig-Geist-Kapelle (13. Jahrhundert) ...


    Da muss ich widersprechen, Konstantin. Man sieht NICHT den Turm der Heilig-Geist-Kapelle, sondern in der Tat den Turm der 1905/06 von Cremer und Wolffenstein erbauten Handelshochschule, die heute WiWi-Institit der Humboldtuni ist. Die Heilig-Geist-Kapelle liegt zwar gleich daneben (südlich des Turms) und wird fast erdrückt von dem angesprochenen Unigebäude, hat mit diesem aber baugeschichtlich und architektonisch nichts zu tun. Nur die Kapelle ist ein Rest der mittelalterlichen Bebauung Berlins.


    Da es von dieser nur noch eine Handvoll Gebäude(reste) gibt und das Gebiet südlich des Hackeschen Marktes eh viele Neubauten aufweist, die teils weit über 10 Geschosse hinausgehen, ist gegen die Höhe der Häuser des Hackesches Quartiers m. E. nicht sehr viel einzuwenden.

  • die kritik an den bösen architekten, die hier so mir nichts, dir nichts zehngeschossige häuser in die welt stellen, möge bitte berücksichtigen, dass die wünsche von architekten nicht immer ausschließlich für die höhe oder qualität von neubauten entscheidend sind. zuvor gab es einen grundstückskauf, das werden in dieser lage ein paar tausend euro gewesen sein, und die müssen sich nun möglicherweise in rendite verwandeln. in die baurechtlich mögliche grundstücksausnutzung wird dann eben jeder erhältliche quadratzentimeter nutzfläche hinein gequetscht; das geht so weit, dass selbst die fassaden möglichst dünn werden müssen, um möglichst viel grundfläche zu erzielen. wer sich berlin in eine mittelalterliche idylle zurückverwandelt wünscht, sollte die bedingungen des finanz- und immobilienmarktes am besten zuvor revolutionieren.

  • Nö, der Markt funktioniert in diesem Fall: Wenn es Nachrfrage nach Mittelalter gäbe würde das auch gebaut bzw. in der Immobilienbranche, gerade in Berlin, geht es zuallererst mal darum, was die Investoren für zukünftigen Bedarf halten und nicht was gerade nachgefragt wird.
    Ich kann wirklich nicht verstehen, was an einer mittelalterlichen Bebauung schön sein soll? Wollen wir uns alle auf die Maße des gallischen Dorfs zurückentwickeln? Mit niedriger Bebauung, aus der die Kirchtürme als einzige Hochbauten herausragen? Bitte aufwachen, die Realität muss als Basis der Planungen unbedingt einbezogen werden, sonst kommt es zum Konflikt mit der Gegenwart und Zukunft.

  • Der Blick von oben zeigt,dass es sich ganz gut in die Gegend einfügt und einen sehr schönen Übergang schafft:



    Ansonsten gefällt mir das Projekt recht gut:



  • Ich war vor zwei Tagen auch am Hackeschen Quartier und fand dieses Projekt beachtlich.
    Diese Bebauung passt meiner Meinung sehr gut in diese Ecke und schliesst zudem eine wichtige Lücke.


    Wirkte auf mich hochwertig und abwechselungsreich, wird denke ich den Mackeschen Markt weiter deutlich beleben.


    Bloss diese Platten hinter dem Hackeschen Quartier stören jetzt noch stärker.

  • Bisher war es ja so, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Viertel nördlich des Hackeschen Marktes und dem Alexanderplatz gab. Jetzt muss man sich von Süden kommend zwar immer noch ein Schlupfloch durch die massive Häuserfront an der KL-Strasse suchen, aber man steht dann nicht mehr auf einer Wiese. :)


    Das Grundstück östlich davon wird wohl nicht so bald angetastet, oder? Dort müsste eine Grundschule sein.

  • Auf dem ersten Photo von Spreesurfer in Beitrag 253 sieht man auch, dass von einer Maßstabslosigkeit der Gebäude absolut keine Rede sein kann.

  • thx!


    Finde es trotzdem etwas zu wuchtig und einige Fassaden sehen mir zu sehr nach "Plastikschrott" aus. Blockbebauungsform okay, aber eben etwas kleinteiliger mit hübscherer Dachlandschaft wäre wohl passender gewesen.

  • http://img269.imageshack.us/img269/1183/94079507.jpg

    Und weiter geht es: Die Gerüste zur Straße an der Spandauer Brücke fallen. In echt sieht es recht wertig aus; auf den Renderings dachte ich noch, dass dies der langweiligste Block wird:



    Bilder von vor drei Stunden von mir mit dem Handy.


    Übrigens wird der Straßenraum direkt am Bahnhof wohl demnächst umgebaut. Die Büsche sind weg und derzeit verläuft dort der Fußweg, da auch die Bürgersteige an der Straßenbahnhaltestelle nun umgebaut werden und die Bahnen dafür auch versetzt halten. Wird ein nettes Fleckchen und schließt eine der grausamsten Lücken in der Innenstadt :daumen:

  • Auch hier ein Update mit leichten Fortschritten im Vergleich zu meinen letzten Bildern vom 20.8.
    Die schwarze Glasfassade, die Novaearion zuvor abgelichtet hat, finde ich auch sehr gut gelungen.









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