Berliner Stadtverkehr kontrovers diskutiert

  • ^ Ja, und wenn nicht haufenweise fitte und aktive Leute jede Strecke über 300 Meter mit dem Auto erledigen würden, dann wäre viel mehr Platz für die Fußlahmen, die wirklich auf das Auto angewiesen sind. Ich sehe sofort ein, dass ältere Leute in Berlin ein Auto brauchen; genauso junge Familien, die Kinder und Großeinkäufe transportieren müssen. Wer allein oder als Paar im Berliner Zentrum unterwegs ist, braucht aber kein Auto. Ich habe meines vor vier Jahren abgeschafft – trotz eines Arbeitsweges von 40 Kilometern (Friedrichshain – Potsdam). Ich spare damit eine Menge Geld und bin nicht langsamer unterwegs als zuvor; auf vielen Strecken eher schneller.


    UrbanFreaks Argumentation ist hanebüchen: Weil man ohne Auto in Berlin nicht vorankomme, dürfe man den ÖPNV nicht ausbauen – denn dann kommt man mit dem Auto schlechter voran. In einem Nachbarthread hat er argumentiert, man dürfe keine Parkplätze in Grünflächen verwandeln, weil dann kranke Kinder nicht mehr zum Arzt kämen. Das klingt mir nach Schein-Argumenten eines zunehmend verzweifelten Auto-Fans. Ich hoffe sehr, dass sich diese Perspektive in zehn Jahren erledigt hat (durch Überzeugung, dass es anders besser ist).

  • ^^ Dein Ernst? Amsterdam hat die Stadtfläche Goslars oder Aachens. Dagegen ist selbst Detmold eine Großstadt. Kopenhagen ist etwa halb so groß wie Amsterdam und in etwa vergleichbar mit Sylt. Das sind winzige (aber wohlhabende) Städte mit zentralistischer Stadtraumstruktur, die sich nicht mal im Ansatz mit Berlin vergleichen lassen.


    Architektenkind

    Deine Argumentation ist ebenso angreifbar, wenn du -von dir auf andere schließend- allen Singles und Paaren die Notwendig absprichst, ein Auto besitzen zu müssen, nur weil sie -angeblich- weniger Waren und Personen zu befördern hätten. Damit beförderst du eine Form des dogmatischen Ulitarismus, der leider in diesen Tagen -oft missverstanden- aber dennoch unnötig politisierend daherkommt.


    Die Menschen wollen grundsätzlich Individualverkehr. Niemand hat lust, mit lauter hängenden Gesichtern morgen in der Bahn zu stehen. Sie sind aber bereit auf den ÖPV umzusteigen, wenn er a) effizient, b) sicher und c) bezahlbar ist. Wenn man mal ganz ehrlich ist, muss man anerkennen, dass es um alle drei Punkte immer schlechter bestellt ist in Berlin, vor allem bei der sbahn. Der Ansatz : Erst machen wir den leuten das Auto madig und wenn alle umgestiegen sind, kümmern wir uns um den ÖPV, ist ein fataler Ansatz. Es kann nur umgekehrt laufen!



    Och, bitte. Die Agglomeration Amsterdam hat knapp 1,4 Mio. Einwohner, Goslar knapp 51.000. Flächenvergleiche ergeben keinen Sinn, blamier' Dich nicht selbst!

    Was hat die Agglomeration damit zu tun, welche Strecke ich mit dem Fahrrad zurücklegen müsste, um von a nach b zu kommen?! In Amsterdam gibt es ein einzelnes kleines Zentrum, das Einzugsgebiet drum herum ist klein. In Berlin gibt es multiple Zentren mit riesigen Einzugsgebieten, die -jede für sich- schon größer sind als Amsterdam.

    5 Mal editiert, zuletzt von Berlinier ()

  • Berlinier: mal abgesehen von dem semi-esotherischen Selbstbestimmungs-Herdenvieh-Klischeeunsinn, den man so eigentlich nur von Leuten hört, die den ÖPNV nie benutzen, widersprichst du dir selbst: da soll eine leistungsfähige Nahverkehrsverbindung nicht oder schlechter gebaut werden damit Menschen, die den ÖPNV nicht benutzen, weil er ihnen vorgeblich kein attraktives Angebot macht, nicht eingeschränkt werden?


    6 Kilometer auf dem Fahrrad entsprechen übrigens knapp 20 Minuten Fahrt. Wer dafür nicht fit genug ist, sollte vielleicht auch keine Tonne Blech durch die Stadt steuern. Du lässt ja selbst durchblicken, dass es eher um Faulheit und "Selbstbestimmung" geht, was völlig ausser Acht lässt, dass diejenigen, die wirklich ein Auto benötigen, von weniger Individualverkehr profitieren würden.

  • ^ Finde ich super dieses Projekt. L.A. ist aber auch die Autostadt der Autostädte und besitzt ein Autobahnnetz, von dem Berlin nur träumen könnte. Das lässt sich schwer vergleichen. Die Einzige Straße in der ich mir in Berlin so etwas vorstellen könnte, wäre Unter den Linden, mit der Verlängerung am Stadtschloss vorbei, die man von mir aus gerne stark verkehrstechnisch einschränken könnte, um das Flanieren dort noch entspannter zu machen. Mit den Plänen, die Leipziger einzuschränken, wird das aber garantiert nichts, weil ja dann überhaupt nichts mehr ginge, wenn am Schloss auch noch dicht ist.

    6 Kilometer auf dem Fahrrad entsprechen übrigens knapp 20 Minuten Fahrt. Wer dafür nicht fit genug ist, sollte vielleicht auch keine Tonne Blech durch die Stadt steuern. Du lässt ja selbst durchblicken, dass es eher um Faulheit und "Selbstbestimmung" geht, was völlig ausser Acht lässt, dass diejenigen, die wirklich ein Auto benötigen, von weniger Individualverkehr profitieren würden.

    [...]da soll eine leistungsfähige Nahverkehrsverbindung nicht oder schlechter gebaut werden damit Menschen, die den ÖPNV nicht benutzen, weil er ihnen vorgeblich kein attraktives Angebot macht, nicht eingeschränkt werden?

    Ist das noch Ulitarismus oder schon Öko-Darwinismus? Wer nicht 6KM Fahrrad fahren kann, hat kein Recht auf individuelle Mobilität. Au waia. :rolleyes:


    Die Leipziger Straße selbst ist eine "leistungsfähige Nahverkehrsanbindung" die "unleistungsfähig" gemacht werden soll. Die Kritiker sagen doch nicht ohne Grund, dass die Straßenbahnen ebenfalls im Stau stehen werden, wenn das so umgesetzt wird. Ich bin absolut für den Ausbau des ÖPV, ich habe sogar Vorschläge dazu gemacht, wo er dringend benötigt wird-> Im Umland-Pendel-Verkehr.

    3 Mal editiert, zuletzt von Berlinier ()

  • Ist für dich jemand, der sein Auto z.B. mit Solarmodulen auflädt und zu 100% regenerativ unterwegs ist, etwa auch ein "Ewig-Gestriger"?

    An diesem Satz sieht man schön, dass Typen wie du überhaupt gar nicht verstanden haben, worum es in der Auto-in-Stadt-Diskussion überhaupt geht. Der Antrieb spielt hier tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Es geht vielmehr um das grundsätzliche Wesen eines Autos und das ist völlig unabhängig vom Antrieb. Ein Automobil hat eine gewisse Größe (Smart als Ausreißer nach unten mal außen vor) und nimmt grundsätzlich recht viel Platz ein. Das ist seine Natur und seiner Grundkonstruktion geschuldet, welche sich im Prinzip seit 90 Jahren kaum geändert hat. Wie gesagt, völlig wurscht, was für ein Antrieb unter der Haube steckt.


    Auf der anderen Seite haben wir eine Stadt wie Berlin, deren natürliche Ressource "Platz" ebenfalls naturbedingt endlich ist. Von dieser begrenzten Fläche nimmt das Auto in unseren Städten viel Platz ein. Sehr viel Platz. Meistens steht es nur nutzlos rum, denn durchschnittlich wird ein Auto nur etwa 1 Stunde pro Tag genutzt, 23 Stunden steht es rum, ohne jeglichen Nutzen. Wenn es denn mal fährt, transportiert es im Schnitt in Städten wie Berlin etwa 1,3 Personen. Das ist bei dem Platzverbrauch der mit Abstand schlechteste, ergo ineffizienteste Wert aller Fortbewegungsmittel.


    Und dafür sollen wir den begrenzten und kostbaren Stadtraum opfern? Nein. Moderne und unserer Zeit mit ihren Anforderungen angepasste Verkehrspolitik hat die Aufgabe, Verteilungsgerechtigkeit hinsichtlich der Effizienz der Fortbewegungsmittel (wieder) herzustellen. Wieder, weil es das vor dem Wahn der autogerechten Stadt schon mal gab. Die Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg waren ein willkommener Anlass, diese lang gehegten feuchten Träume von Autobauern, Architekten und Stadtplanern durch großflächigen Abriss in die Tat umzusetzen, Schneisen zu schlagen, Viertel durch autobahnähnliche Trassen förmlich zu trennen und störende Elemente wie Straßenbahnen oder Fußgänger zu beseitigen bzw. an den Rand zu drängen.


    Das Ergebnis sind menschenfeindliche Orte, an denen man sich nicht gerne aufhält, an denen Fußgänger mehrere Minuten brauchen, um eine große Straße zu überqueren und sich generell alles dem Auto unterzuordnen hat. Städte wie Amsterdam, Kopenhagen oder Groningen haben mit als erste verstanden, dass dies kein Weg für das 21. Jahrhundert sein kann und haben längst einen großflächigen Umbau ihres Stadtgebietes begonnen bzw. sind wie Kopenhagen schon so weit fortgeschritten, dass das Auto zumindest in der Innenstadt praktisch marginalisiert wurde und Wege fast ausschließlich zu Fuß, mit dem Rad oder dem gut ausgebauten ÖPNV zurückgelegt werden. Das von dir erfundene Schreckgespenst, dass nur jungen und fitten Menschen diese Art der Fortbewegung zuzumuten wäre, kann also als absolut lächerlich und absurd abgetan und zu den Akten gelegt werden. Es wird einfach in so vielen Städten entkräftet.


    Und dein Argument, es gäbe ein "Recht darauf, eigenständig, selbstbestimmt und frei von Fahrplänen oder staatlicher Lenkung jeden Ort erreichen zu können, den man erreichen möchte", sei folgendes gesagt: Nein, dieses Recht gibt es nicht, zumindest nicht mit dem Auto. Ich sage das nicht, weil ich Antidemokrat bin und Freude daran habe, Menschen gewisse Rechte abzuerkennen. Ich sage das, weil sich aus der Struktur einer Stadt heraus die Notwendigkeit ergibt, dass aufgrund von begrenzter Fläche eben nicht jeder, der es kann mit dem Auto von A nach B fährt. Zudem erzeugt Autoverkehr immense Schäden, die die gesamte Gesellschaft zu zahlen hat. Mit welchem Recht? Warum sollte eine Gesellschaft das weiterhin tolerieren, dass das schädlichste und ineffizienteste Fortbewegungsmittel so hofiert wird und ihm so viel Platz zugestanden wird? Ich sehe dieses Recht nicht.


    Keiner wird dir in Zukunft verbieten, in dein Auto zu steigen und eine Straße zu befahren. Aber zu glauben, du hättest ein Recht, in jeden Winkel der Stadt auf einer dreispurigen Magistrale einreiten zu können und überall einen Parkplatz für dein Gefährt vorzufinden, liegst du absolut daneben. Das hat die Werbung den Autofahrenden bisher zwar immer suggeriert, dass man als Autokaufender mit dem Auto gleich gewisse Rechte mitkauft. Und natürlich Freiheit. Aber das war alles eine Lüge.


    Würden alle, die ein Auto haben, ihr Recht wahrnehmen, dieses Auto zu bewegen, ginge auf den Straßen noch weniger, als es eh schon tut. Die schädlichen Folgen von übermäßigem Autoverkehr (Schadstoffe, Lärm, Unfälle, Tote, Schäden durch Abnutzung etc.) sind viel zu gravierend, als dass man weiterhin von "Freie Fahrt für freie Bürger" reden kann. Ohnehin sind Autofahrende die unfreisten Verkehrsteilnehmenden überhaupt, man stelle sich mal an einem beliebigen Tag auf die Autobahnbrücke Neue Kantstraße und bewundere das Spektakel der unten parkenden Autos. Das sind jeden Tag die selben armen Teufel, die da kostbare Lebenszeit verplempern. Und viele von denen hätten sicherlich eine Alternative zum Auto. Nicht alle, klar. Aber doch sicher einige.


    Um diesen Fiasko ein Ende zu setzen, muss also einerseits der ÖPNV massiv ausgebaut werden, damit dem Auto eine hochqualitative Alternative gegenübersteht. Gleichzeitig muss die dominierende Vormachtstellung des Autos im Straßenbild beseitigt werden, der Platz neu verteilt werden. Wir können uns von Autos dominierte Städte schlicht nicht mehr leisten, aus so vielen Gründen. Die alle aufzuzählen und zu begründen würde jeglichen Rahmen sprengen, alleine dieser Beitrag ist wieder viel länger geworden, als es beim ersten Satz geplant war.

  • Die Menschen wollen grundsätzlich Individualverkehr.

    Völlig richtig. Sie wollen aber gleichzeitig nicht individual im Stau stehen. Daher nehmen wir dem schädlichen Individualverkehr Flächen weg und geben sie unter anderem dem unschädlichen Individualverkehr, also Rad oder eigene Beine. Denn diese Art des Individualverkehrs ist ebenso recht beliebt und nimmt an Beliebtheit sogar zu. Wo ist das Problem?

  • Die Leipziger Straße selbst ist eine "leistungsfähige Nahverkehrsanbindung" die "unleistungsfähig" gemacht werden soll.

    Eben nicht, die Leistungsfähigkeit wird durch die Tram eher erhöht, da sie viel mehr Menschen transportieren kann, als Autos, die mit 1,3 Menschen besetzt sind. Die Leistungsfähigkeit der Straße verschiebt sich nur von motorisiertem Individualverkehr zum Umweltverbund. Verstehst du? Das ist keine Ideologie, das ist Mathematik.

  • Kopenhagen ist etwa halb so groß wie Amsterdam und in etwa vergleichbar mit Sylt.

    Nee is klar. Wie alt bist du, hier so zu argumentieren? 13?

    Die Kritiker sagen doch nicht ohne Grund, dass die Straßenbahnen ebenfalls im Stau stehen werden, wenn das so umgesetzt wird.

    Dann ist die Planung vielleicht nicht konsequent genug und der Autoverkehr sollte komplett aus der Leipziger verbannt werden?

    Spaß beiseite, diese Kritiker kommen entweder vom ADAC, dann ist diese Kritik quasi ihr Job. Oder es sind renitente Auto-Opas, die sich immer noch jeden Abend mit dem Slogan ihrer Kindheit "Freie Fahrt für freie Bürger" in den Schlaf weinen. Die sind verkehrlich/geistig halt auch nie im 21. Jahrhundert angekommen. Oder es sind die, die wirklich auf ein Auto angewiesen sind und nicht verstanden haben, dass Maßnahmen wie in der Leipziger auf die ganze Stadt übertragen eher zu ihrem Nutzen sind, da im Idealfall viele Leute ihr Auto stehen lassen, sich umorientieren zum Rad oder zum ÖPNV und in der Konsequenz auf den Straßen mehr Platz für die ist, die wirklich auf ein Auto angewiesen sind. Meist sind diese Kritiker aber vor allem eins: unverbesserliche Menschen mit diffusen Ängsten, dass ihnen irgendwas lieb gewonnenes weggenommen wird.


    Dass die Tram im Stau stehen wird, ist nicht mehr als eine hohle Behauptung. Das ist nämlich nicht gottgegeben. Dagegen gibt`s Maßnahmen. Eine davon heißt eigener Gleiskörper. Deren Anteil an der gesamtem Trasse in der Leipziger wurde in der überarbeiteten Planung, die nun am Dienstag vorgestellt wurde, sogar erhöht. Da kann der Tram also schon mal kein Auto in die Quere kommen, es sei denn das letzte Bier war wieder fahl und man hat das Gefährt mit Gewalt ins Gleisbett gesteuert.


    Ansonsten gibt es in der Tat Abschnitte der Leipziger, die aufgrund der Enge keinen eigenen Gleiskörper für die Tram ermöglichen. Hier sieht die Planung vor, dass die Abschnitte, in denen sich Tram und Auto die Verkehrsfläche teilen, so durch Ampeln gesteuert werden, dass die Tram den Pulk immer anführt und die Autos hinter ihr her fahren müssen. Das betrifft allerdings nur wenige hundert Meter, ich weiß gerade nicht mehr auswendig, wo genau. Ich meine westlich der kreuzenden Friedrichstraße.

  • Es geht vielmehr um das grundsätzliche Wesen eines Autos und das ist völlig unabhängig vom Antrieb. Ein Automobil hat eine gewisse Größe (Smart als Ausreißer nach unten mal außen vor) und nimmt grundsätzlich recht viel Platz ein.

    Platz für den den Autofahrer bezahlt, in Form von Parkgebühren und Steuern. Ebenso bezahlt er für die Absicherung eventueller Schäden durch seine Versicherung, er ist sogar gesetzlich verpflichtet dazu. Ganze Versicherungsbranchen leben von nichts anderem. Du kannst natürlich anführen, dass die Steuern in toto nicht ausreichen, um die Gesamtkosten des privaten Straßenverkehrs zu decken (sofern man das einfach so vom gewerblichen trennen könnte), aber die Behauptung, die Autofahrer würden die Gesellschaft quasi in Geiselhaft nehmen für ihr Fahrvergnügen, ist mir viel zu eindimensional. Hast du mal ne Gegenrechnung gemacht, wieviele Menschen direkt- oder indirekt von der Automobilbranche leben?


    [...]durchschnittlich wird ein Auto nur etwa 1 Stunde pro Tag genutzt, 23 Stunden steht es rum, ohne jeglichen Nutzen. Wenn es denn mal fährt, transportiert es im Schnitt in Städten wie Berlin etwa 1,3 Personen. Das ist bei dem Platzverbrauch der mit Abstand schlechteste, ergo ineffizienteste Wert aller Fortbewegungsmittel.

    Ich weiß nicht ob diese Statisik wirklich Aussagekraft für irgendwelche Ökobilanzen hat. Natürlich verbringen Menschen die meiste Zeit ihres Tages nicht in einem Automobil, sondern in Gebäuden und zu Fuß, wer hat schon lust den halben Tag in einer Blechkiste zu sitzen? Der Betrieb eines Fahrzeugs erzeugt Verschleiß. Ein Autofahrer, der sein Fahrzeug verleiht, so dass es möglichst dauerhaft ausgelastet ist, was ja scheinbar dem Ideal vieler Öko-Jünger entspricht, mindert also den Wert seines Fahrzeugs und macht es schneller kaputt. Die Elektromobilität setzt hier neue Weichen und befördert "shared-economy", weil sie a) deutlich verschleißärmer ist und b) Über 5G potentiell IoT-Fähig wird. IoT heißt "Internet of Things" und wird eine Revolution des shared-economy-Gedanken auslösen. In Zukunft wirst du sowohl dein Auto, als auch deinen Kühlschrank, als auch die (ebenso meist ungenutzte) Rechenkapazität deines Smartphones oder Tablets vermieten können und automatische Abrechnungen im Mikrotransaktionsbereich in Sekundenschnelle empfangen und versenden können. Viele Hürden, die das Auto heute noch zum Rumsteher machen, werden fallen.

    Städte wie Amsterdam, Kopenhagen oder Groningen haben mit als erste verstanden, dass dies kein Weg für das 21. Jahrhundert sein kann und haben längst einen großflächigen Umbau ihres Stadtgebietes begonnen bzw. sind wie Kopenhagen schon so weit fortgeschritten, dass das Auto zumindest in der Innenstadt praktisch marginalisiert wurde und Wege fast ausschließlich zu Fuß, mit dem Rad oder dem gut ausgebauten ÖPNV zurückgelegt werden. Das von dir erfundene Schreckgespenst, dass nur jungen und fitten Menschen diese Art der Fortbewegung zuzumuten wäre, kann also als absolut lächerlich und absurd abgetan und zu den Akten gelegt werden.

    Jetzt kommst du wieder mit Städten um die Ecke, die 1/6 der Stadtfläche Berlins haben. ?( In Amsterdam hätte ich auch kein Auto, wozu auch? Wenn ich mich in Berlin nur in einem Kiez bewege, brauche ich auch keines. Muss ich aber jeden Tag von Spandau nach Adlershof, oder umgekehrt, was nutzt mir da der Vergleich mit solchen Mini-Städten? Was spricht dagegen Radwege auszubauen in Berlin? Trotzdem wird selbst bei Luxus-Radwegen keine bedeutende Zahl der Berliner auf ihr Auto verzichten, es sei denn... die sbahn/ubahn/Tram fährt a) schneller b) sicherer und c) billiger


    Nochmal: Die Menschen wollen grundsätzlich Individualverkehr. Man muss ihnen den ÖPV schmackhaft machen. Es ist auch falsch, alle Lebensrisiken auf das Automobil zu schieben, so als wäre der ÖPV frei davon. Das stimmt einfach nicht. Ich gehe mit der Nutzung des ÖPV multiple Risiken ein, von dem Risiko mich mit Krankheiten zu infizieren, über das Risiko Opfer von Gewalt, Diebstahl oder Terror zu werden, bis hin zu "profanen" Gründen wie Frauen, die sich begafft fühlen oder Menschen mit Kontaktängsten. Die Bandbreite ist riesig. Die Länder, in denen der ÖPV besonders gut angenommen wird, sind die mit dem sichersten ÖPV, den saubersten Zügen und den zuverlässigsten Fahrplänen.

    Die schädlichen Folgen von übermäßigem Autoverkehr (Schadstoffe, Lärm, Unfälle, Tote, Schäden durch Abnutzung etc.) sind viel zu gravierend, als dass man weiterhin von "Freie Fahrt für freie Bürger" reden kann. Ohnehin sind Autofahrende die unfreisten Verkehrsteilnehmenden überhaupt, man stelle sich mal an einem beliebigen Tag auf die Autobahnbrücke Neue Kantstraße und bewundere das Spektakel der unten parkenden Autos.

    Momentmal, wir arbeiten doch gerade daran, die Schadstoffe und den Lärm zu beseitigen (Elektromobilität). Auch die Unfälle gehen seit Jahren zurück, ebenso die schweren Unfälle mit Todesfolge und wenn die Entwicklung so weiter geht, wird es in Zukunft so gut wie gar keine Unfälle mehr geben, weil jedes Auto mit Sensoren vollgepackt ist, die berechnen können, wie sich ein Vogelschiss auf der Motorhaube aerodynamisch auf das Fahrverhalten und den Energiebedarf auswirken. Autos parken heute übrigens schon von allein ;). Du hast einiges nicht mitbekommen, fürchte ich. Dein Bild von moderner Mobilität scheint mir irgendwie ziemlich.. "gestrig".

    6 Mal editiert, zuletzt von Berlinier ()

  • UrbanFreaks Argumentation ist hanebüchen: Weil man ohne Auto in Berlin nicht vorankomme, dürfe man den ÖPNV nicht ausbauen – denn dann kommt man mit dem Auto schlechter voran. In einem Nachbarthread hat er argumentiert, man dürfe keine Parkplätze in Grünflächen verwandeln, weil dann kranke Kinder nicht mehr zum Arzt kämen. Das klingt mir nach Schein-Argumenten eines zunehmend verzweifelten Auto-Fans. Ich hoffe sehr, dass sich diese Perspektive in zehn Jahren erledigt hat (durch Überzeugung, dass es anders besser ist).

    Nö, das ist sie nicht, du hast sie nur nicht verstanden. Ich habe rein gar nichts gegen den ÖPNV. Express Stadtbusse, evtl. im kleineren Format dafür häufigere Frequenz, Ubahnen, Tram, alles gut. Aber kein Grund einer Hauptverkehrsader Spuren wegzunehmen, das ist einfach nur idiotisch. Wenn das nicht ohne Reduktion der Fahrspuren geht, muss man sich eben ein besseres Konzept einfallen lassen.

  • Auch die Unfälle gehen seit Jahren zurück, ebenso die schweren Unfälle mit Todesfolge und wenn die Entwicklung so weiter geht, wird es in Zukunft so gut wie gar keine Unfälle mehr geben, weil jedes Auto mit Sensoren vollgepackt ist, die berechnen können, wie sich ein Vogelschiss auf der Motorhaube aerodynamisch auf das Fahrverhalten und den Energiebedarf auswirken. Autos parken heute übrigens schon von allein ;).


    So so, die Zukunft wird also golden durch Technologie...

    Und bis es so weit ist passieren dann weiter solche https://www.tagesspiegel.de/be…n-jahr-2019/25530118.html Sachen, oder solche https://www.tagesspiegel.de/be…schengruppe/25122776.html, wegen derer man sich aber nicht so haben soll und erst recht nicht eine Neuverteilung des Platzes und der Privilegien in der Stadt fordern soll, weil ja so tolle Technologie in der Pipeline ist?

    Jeder der eine 1 bis 2 Tonnen schwere Blechkarre mit mehreren Hundert PS Motorisierung durch dichtbesiedelte Habitate steuert trägt IMMER die Verantwortung dafür wenn es zu einem "Unfall" mit einem nicht in einem solchen Blechpanzer sitzenden Verkehrsteilnehmer kommt (das ist übrigens die gültige Rechtspraxis in den Niederlanden, solche Ausreden wie "der pöhse Radfahrer ist aber bei Rot..." interessieren dort die Verkehrsgerichte herzlich wenig.

    Es hatte schon seinen Grund warum in der Frühzeit des Automobils z.B. in Großbritannien darauf mit dem Red Flag Act https://de.wikipedia.org/wiki/Red_Flag_Act reagiert wurde...

  • Wenn das nicht ohne Reduktion der Fahrspuren geht, muss man sich eben ein besseres Konzept einfallen lassen.

    Die heilige Kuh "Auto" darf also nicht geschlachtet, werden. Ist es das, was du uns sagen willst? Das Auto darf absolut keine Einschränkungen erfahren, das lese ich da raus. Und du wunderst dich, dass dich hier keiner mehr ernst nimmt.

  • Auch wenn es hier primär um eine Straßenbahnstrecke geht, wundert es mich doch immer, daß es noch so breite Akzeptanz dafür gibt, daß der Platzbedarf eines einzelnen privaten Verkehrsträgers (Auto), Flächenbedarf und Straßenprofil diktiert. Was hier mE fehlgeht, ist die Annahme, daß die bestehende, über die Jahre der individuellen Mobilisierung gewachsene Widmung von Verkehrsflächen im Ergebnis gerecht und ästhetisch akzeptabel ist. Mit dem Straßenzug Grunerstraße, Mühlendamm, Gertrauden- und Leipziger Str. leistet sich Berlin eine innerstädtische Autobahn, die Unorte entstehen ließ und zur Verödung beiträgt. Mir geht darum, ehrlich gesagt, das Umdenken in der jetzigen Planung nicht weit genug, akzeptiere aber, daß das eine Minderheitsmeinung ist.


    Ich persönlich würde mein Auto lieber stehen lassen, wenn sich dafür Verkehrsfläche für andere Nutzungen in der Innenstadt zurückgewinnen ließe und Orte entstünden, an denen man gern ist. Dazu gehört für mich auch, dass Abgase einem nicht den Atem nehmen. Für mich, braucht dieser Straßenzug auf seiner gesamten Länge kein größeres Profil als er jetzt an seiner schmalsten Stelle hat. Ich muß aber auch nicht jeden Tag durch die Berliner Innenstadt, bin gesund, laufe viel ohnehin und fahre gern rad.


    Zurück zu den sozialen Kosten: Ich denke, daß es für ein Umdenken sinnvoller Anreize bedarf, z.B. eine Innenstadtmaut durch verpflichtendes Lösen eines zeitequivalenten BVG-Fahrscheins zu erheben. Es ist mE dann aber auch wichtig, diese zusätzlichen Einnahmen in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Das passiert bei uns in London z.B. kaum, wo es eine sehr teure Tagesmaut gibt, Verkehrsflächen umverteilt werden und der motorisierte Individualverkehr radikal zurückgedrängt wird, gleichzeitig aber nur unzureichende Alternativen, um von A nach B zu kommen, entwickelt und angeboten werden. Dieser Politikansatz wird daher berechtigt als zynisch erlebt.

  • Die heilige Kuh "Auto" darf also nicht geschlachtet, werden. Ist es das, was du uns sagen willst? Das Auto darf absolut keine Einschränkungen erfahren, das lese ich da raus. Und du wunderst dich, dass dich hier keiner mehr ernst nimmt.

    Wieso "keiner" mehr? Ach, ich vergaß. Du siehst dich ja selbst als "heilige Kuh" und bist der alleinige Meinungsherrscher des DAF. Ab nach Ballin Spamdau, mein Freund!

  • Mit dem Straßenzug Grunerstraße, Mühlendamm, Gertrauden- und Leipziger Str. leistet sich Berlin eine innerstädtische Autobahn, die Unorte entstehen ließ und zur Verödung beiträgt.

    In Berlin wird keine einzige Straße gebaut, ohne ein aufwendiges Verkehrsgutachten erstellt zu haben, ganze Ingenieursbranchen leben davon sowas zu berechnen, hier werden keine Straßen einfach so "umsonst" gebaut, weil irgendein Entscheidungsträger irgendwie autogeil war.

    Berlin "leistet" sich diese Straßen, weil es keine echte Autobahn gibt, die vom Westen in den Osten führt, weil man den Autoverkehr -mangels Alternativen- gezwungen hat, sich mitten durch die Stadt zu schlängeln, was nicht nur solche Straßen wie die Grunarstr. schlicht notwendig machte, sondern auch zu einem massiven Anstieg der Schadstoffbelastung führte, denn ein Auto, das im Stop-und-Go steht und immer wieder aus dem Stand beschleunigen muss, stößt mehr Schadstoffe aus und trägt diese -mitten in Mitte- weit näher an die Bevölkerung, als eines, das konstant mit 80-100 über die Stadt-Autobahn fährt (wenn kein Stau ist).

    Da wir nun bald die Verbindung über den Stadt-Ring bis immerhin in die Sonnenallee (im 2. Abschnitt bis zur Frankfurter Allee) haben, kann man durchaus darüber nachdenken, eine dieser "Verödungsstraßen" wie du sie nennst, im Profil zu verkleinern. Dennoch braucht es den zweiten Abschnitt des Autobahnringes, wenn man ernsthaft Verkehr aus der Innenstadt ziehen möchte. Da aber keiner von uns Verkehrsexperte ist und die Verkehrsflüsse einschätzen kann, bleibt das im Grunde alles luftleeres Spekulieren.


    Auch wenn sich das einige wünschen, aber man kann die Autos nicht in Luft auflösen. Man kann sie entweder klug verteilen, oder man bekommt horrende Staus mit horrenden Schadstoffbelastungen und horrenden Auswirkungen auf Wirtschaft, Tourismus, Verkaufs-Gewerbe und Paketzusteller und wer mal einen längeren Stau vor dem Fenster hatte, wird niemals mehr eine Autobahn ablehnen, soviel ist mal sicher.

  • ^wahrscheinlich muss es genau darauf hinauslaufen, damit Privatleute endlich ihre Autos stehen lassen. Die Zeiten, in denen jeder denkt das er mit dem Auto überall hinfahren kann und alles zuparken kann, wo er will, sind vorbei. Der öffentliche Raum wird eh neu aufgeteilt, ob die Autofahrer das mögen oder nicht. Unfassbare 10% des gesamten Stadtgebietes sind zuasphaltiert, mit 1,2 Millionen Auto schieben sich so viele Autos darüber, wie noch nie zuvor. Von den Kosten für dieses Verkehrsmodell aus den 60er Jahren ganz zu schweigen.

    Da hilft nur, die Gesamtzahl an Autos und der dafür verfügbaren Flächen massiv einzuschränken - Zugute von Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV.

  • ^^merkwürdige Argumentation: Menschen die an Hauptstraßen wohnen wünschen sich eine Autobahn.


    Warum die Leipziger Straße zu DDR-Zeiten so breit gebaut wurde weiß ich nicht. Ich kann mir aber nicht vorstellen dass es dazu ein Verkehrsgutachten gab. Sie war sozusagen eine Sackgasse, deswegen wurde der westliche Teil im historischen Profil belassen.


    Es gibt den alten Satz: Wer Straßen baut wird (Auto-) Verkehr ernten. Um den MIV-Anteil zu reduzieren muss man Straßen zurückbauen. Kleinstädte wie Wien haben sich schon vor Jahren auf einen Anteil von 80:20 (Umweltverbund zu motorisiertem Individualverkehr) bis 2025 festgelegt. Aber Berlin ist ja ein Sonderfall, hier bricht alles zusammen wenn man nicht überall mit seinem Privatauto durchrauschen kann.


    Hier nochmal ein Foto von früher mit störender Straßenbahn(Leipziger Ecke Mauerstraße 1906): Quelle Wikipedia

    https://up.picr.de/37972316dm.jpg

    Wegen ungenügender Quellenangabe, Bild geurlt.