Was spricht eigentlich gegen eine völlige Neustrukturierung der Berliner Museumslandschaft, wie sie auch Odysseus dankenswerterweise anführt ?
Theoretisch nichts, praktisch leider eine ganze Menge.
Erstens muss man sich die besondere und gewachsene Struktur von Berlin und der damit zusammenhängenden Teilungsgeschichte anschauen. Dies hat zu Teilungen von Sammlungen geführt, aber auch zu Doppelstrukturen im Kultursektor, die man bis heute nicht sinnvoll aufgelöst hat. Ich habe derzeit einigen Kontakt in die westdeutsche Kulturbranche und muss leider sagen, dass ich kaum einen Sektor kenne, der derart voller Eitelkeiten steckt wie der Kunst- und Kulturbetrieb. Da ran zu gehen und Strukturen aufzubrechen ist so unglaublich schwierig und das schon in künstlerischen Fagen, von grundlegenden Strukturreformen ganz zu schweigen. Es geht hier um extrem viel Geld, um sehr viele Posten in einem sehr abgeschotteten Betrieb, der durch gegenseitige Abhängigkeiten und Animositäten so miteinander verwoben ist, dass man hier nur sehr schwierig jemanden finden wird, der in der Lage ist, sehr unschöne Entscheidungen zu treffen.
Und grade im Kultursektor ist auch die moralische Keule, die einem entgegen weht, wenn man da einmal Grundsätzliches infrage stellt, besonders groß, weil der Kultursektor auch sehr eng mit dem Medienverbund vernetzt ist. Ich glaube, dass sich relativ wenige Leute hier die Finger verbrennen wollen.
Wie oben bereits angesprochen, kommt dann in Berlin neben der historischen Teilung der Sammlungen und der Fragmentierung der Standorte auch noch das von außen teils nicht immer nachvollziehbare Ineinanderwirken von der Stadt Berlin und dem Bund zusammen. Wenn man allein auf die Dissonanzen beim Humboldtforum schaut, dann weiß ich gar nicht, wie allein zwischen diesen beiden Partnern eine Neuordnung konstruktiv vonstatten gehen soll, denn eins ist klar, die größte Summe müsste der Bund für so ein Projekt beitragen und der will dann auch mitbestimmen. Ob man in Berlin dazu bereit ist, wo man sich nicht mal auf einen abgestimmten Prozess bei den Eintrittspreisen im Humboldtforum einigen kann, ich weiß nicht.
Und dann stellt sich auch die Frage, was man inhaltlich wie zur Disposition stellt und was aktuell überhaupt noch möglich ist, weil wesentliche Entscheidungen durch das Humboldtforum und das Museum der Moderne ja bereits gefallen sind. Ich hätte mir auch eine wesentlich stärkere thematische Neuordnung der Berliner Museumslandschaft vorstellen können. Eine Konzentration der Kunst bis 1910 auf der Museumsinsel mit der Gemäldegalerie im Schloss, einen Ausbau des Kulturforums als Zentrum der Kunst für die Moderne und ich hätte mir auch sehr gut eine zentrale und völlig neue Museumsidee für das Kunstgewerbemuseum, ein Berlinmuseum in Kombination mit der Geschichte der Mauer in Verknüpfung mit dem Einheitsdenkmal an einem dritten Ort vorstellen können.
Dazu hätte man aber aus dem Kleinklein der einzelnen Ressorts raus gemusst und hätte übergreifend und visionär alte Strukturen aufbrechen und Posten neu bzw. umversteilen müssen. Ich glaube dazu fehlte einfach die Kraft, der Mut und auch die Leidensfähigkeit, so etwas durchsetzen zu können. Wenn man sieht, wie schwer man sich im Humboldtforum inhaltlich tat, nur drei verschiedene Institutionen überhaupt dazu zu bringen, sich inhaltlich abzustimmen, dann weiß man, was vor einem liegt, wenn man ganze Sammlungen und Museen verschiebt, aufspaltet und neu integieren will.
Und man muss sagen, dass es ja auch viele Profiteure gibt, ich glaube dass man bei den Leuten aus Dahlem nicht gerade unglücklich ist, dass man jetzt im Schloss gelandet ist. Und man muss auch ehrlich sagen, dass viele Kulturschaffende auch jetzt kein gesteigertes Interesse an einem Besucheransturm haben. Ich muss festhalten, dass ich nicht wenige Museen gerade in jüngerem Alter erlebt habe, wo man sich als Besucher eher als Gefahr für die Kunst als als gern gesehener Gast gefühlt hat.
Denn finanzieller Erfolg und Mainstream war in der Kunst immer ein sehr zweischneidiges Schwert. Denn kommerziell erfolgreiche Künstler haben es in der Szene nicht immer leicht, sondern werden im Gegenteil teils sehr argwöhnisch betrachtet. Somit habe ich manchmal das Gefühl, dass gerade in Museen der Bildenen Künste gar nicht der Anspruch und die Haltung vorhanden ist, dass man kommerziell erfolgreich sein muss, sondern eher dass das richtige Publikum kommt. Leider muss ich sagen, dass in gewissen Kreisen gefühlt eine Haltung vorherrscht, dass man lieber unter sich bleibt, als dass zu viele "Unwissende" womöglich die Museen stürmen.
Daher finde ich den Berliner Ansatz beim Humboldtforum jetzt so interessant, dass man hier mal ein Modell testet, was im angelsächsischen Raum die Regel ist, nämlich Museen für alle kostenfrei zu öffnen. Das ist in London bei allen großen Häusern der Fall und folglich ist auch viel mehr los. Das heißt nicht, dass das ein besseres Modell ist, weil auch dies hat Nachteile, aber ich finde, es stände den deutschen Museen manchmal gut zu Gesicht, wenn man sich partiell mal etwas von dem hohen Ross herunter begibt und die Kunst möglichst vielen Menschen zugänglich macht.
Und einen Beitrag hierzu kann sicherlich auch eine Neuordnung und Neupräsentation der Sammlungen in Berlin sein. Perspektivisch gehört für mich die Gemäldegalerie ins Umfeld der Museumsinsel, sie macht heute am Kulturforum überhaupt keinen Sinn. Da der Platz im Schloss jetzt vergeben ist, wäre ich auch für einen Neubau gegenüber des Bodemuseums. Ich finde sowieso, dass die Museumsinsel ein Geschenk ist, was einmalig ist. Eine derart hochwertige und toll präsentierte Reise durch die Geschichte der Menschheit ist beispiellos und es ist ein unglaubliches Glück, dass die Insel hoffentlich in einigen Jahren auch so erlebt werden kann, wie es die tollen Sammlungen verdienen. Und man muss auch sagen, dass die Museumsinsel auch an sich ein Kunstwerk für die Kunst darstellt.
Ich wünschte mir in Berlin manchmal etwas mehr Mut und etwas mehr Wille zur Gemeinsamkeit. Dann wäre noch viel mehr möglich.