Rund um den Kudamm (westl. der Fasanenstraße)

  • Palais Holler

    Am letzten WE konnte ich den Neubau wie auch das benachbarte Haus rechts sehen. Der Nachbarsbau hat zwar schöne Geländer, doch schlichte Putzfassaden mit netten Geländern entstehen viele, da sehe ich nichts ungewöhnliches. Aufwändige Steinfassaden sind selten - man kann jedoch nicht sagen, dass diese Fassade überladen wäre. Vergleichbare Gesimse usw. wurden in den 1920er Jahren oft in Backstein ausgeführt, damals war es die frühe Moderne:



  • Schlüterstraße 40 (zuletzt hier) - zu diesem bereits fertiggestellten Projekt möchte ich nochmal auf eine Galerie mit professionellen Architekturfotos verweisen. Dort sind auch Fotos des Innenhofs oder des Gebäudes zu blauer Stunde zu sehen.
    Ich habe mich ja schon auf Basis der hier zu sehenden Fotos wohlwollend geäußert aber die Fotos von André Baschlakow begeistern mich richtig. Mit seiner klaren und eleganten Formensprache ist der Bau für mich einer der gelungensten modern gestalteten Neubauten der letzten Jahre.

  • Ja, gerade die Hofseite kann überzeugen ... Die Fassade zur Straße wäre für sich genommen auch ein Hingucker, fügt sich aber leider nicht besonders gut in die Nachbarbebauung ein, hier wäre eine vertikale Gliederung der Fassade sicher günstiger gewesen. Und das muss dann gar kein steinerner Neuklassizismus sein, geht auch mit Glas, Sichbeton oder ähnlichen Materialien ...

  • Mit Betonung der vertikalen und unter Verwendung der gleichen Materialien wäre es ein ganz anderer Bau und meiner Meinung nach deutlich weniger elegant. Ne, passt schon so wie es ist. Bin auch nicht der Meinung, dass das neoklassizistische Ensemble darunter leidet. Schön und schön ergibt nach meiner Rechnung jedenfalls nicht hässlich.

  • Tja, so verschieden können Geschmäcker sein. Ich finde, der Bau passt sich überhaupt nicht ein, wie alle diese bauhauszitierenden Bauten der Moderne schreien sie eher: Hier bin ich! Der Effekt wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass man rechts und links durch einen Altbau flankiert wird. Tragischerweise funktioniert diese Art von Bau nämlich auch nur so. Wenn die deutschen Innenstädte nicht so derart perforiert wären würde ich mir solch einen "spannenden" Kontrast ja mal gefallen lassen. Darum wirkt z.B. das Centre Pompidou auch erst so, weil es inmitten von Altbausubstanz steht.


    Würden nämlich rechts und links typische 50-er Jahre Bauten anschließen, würde das ganze nämlich schon wieder nicht funktionieren. Und das regt mich an moderner Architektur immer so auf. Sie lebt nicht primär aus sich heraus, sondern auf Kosten des Bestandes.


    Ich sehe in dem Bau ehrlich gesagt nichts Neues. Es ist Bauhausmoderne, die auch deshalb noch mehr Unruhe in den ganzen Block bringt weil man mal wieder mehr Geschosse reinzwängen muss als bei den Nachbarn. Und so schön clean sieht der Bau vielleicht 3 Monate aus, dann fängt am Beton oder dem Naturstein (falls es dafür reicht) der typische Verfall an, die tollen Regenwasser-Drecklaufstraßen, die die Brüstungen schon nach einem Jahr entstellen und nach 5 Jahren sieht der Bau aus als stünde er schon 20 Jahre.


    Nein. Diese Art von Bau wirkt immer toll auf den Visus. Langfristig gehen sie den Weg fast jeder derart angelegten Bebauung. Nachhaltigkeit und würdiges Altern ist was anderes!

  • ^ Was hätte man denn deiner Meinung dort besser bauen sollen? Etwas was den Stil der vorletzten Jahrhundertwende nachäfft, altert das besser? Nachhaltiger? ohne Regenwasser-Drecklaufstreifen? Ganz schrecklich deine Auslassung. Du lebst nicht in dieser Zeit! Eigentlich müsstest Du Anfang des 20ten Jahrhunderts leben, jedes einzelne deiner Statements atmet diesen Geist.


    Das Centre Pompidou anzuführen als Beispiel geht völlig daneben, Es ist ein Präsidiales Project gewesen und es ist hervorragende Architektur durch sich selbst, nicht durch die umgebende Architektur! Und nur deswegen wird es geliebt.

  • @ Camondo


    was ist an der Realität schrecklich? Guck dir die ganzen Waschbeton-Ungetüme an und wie die nach 10 Jahren aussehen und dann fahr mal nach Leipzig und schau dir an wie das Waldstraßenviertel nach 10 bzw. teils 20 Jahren aussieht. Die Unterschiede sind himmelweit. Da will dann nämlich auch nach 20 Jahren noch jeder drin leben. In den Hütten wie obiges Beispiel dann kaum noch wer.


    Aber egal. Dich werde ich eh nicht überzeugen und du mich auch nicht.


    Ich habe einfach was gegen Architektur, deren größte Leistung es ist die anderen drum rum für ihren Zweck zu missbrauchen. Und das ist nämlich der Unterschied der Baukunst ab 1920 und allen vorherigen Epochen. Egal ob Barock, Gotik oder Klassizismus. Es passte alles irgendwie noch zusammen, es war ensemblefähig, weil man Grundregeln von Proportion und Ästhetik eingehalten hat und weil der Ensemblebegriff noch gezählt hat, d.h. man hat geschaut was dort steht und hat versucht, es in Harmonie weiter zu enzwickeln.


    Die Moderne hat aber mit allen Regeln gebrochen. Funktion stand plötzlich über der Form, Kontrast über Harmonie, Cleane Optik gegen das Ornament. Und man hat das Dach zum Feind jedes Baus erhoben.


    Das hat solange funktioniert wo man im Ensemble noch Kontrast erzeugen kann. Aber wie will man irgendwann einen Kontrast zum Kontrast erzeugen, wenn eben wie in deutschen Innenstädten gar kein Ensemble mehr existiert? Darauf hat die Moderne nie eine Antwort gefunden, sie ist an ihrem eigenen Grundkonzept letztlich gescheitert und ist eigentlich eine auf Solitäre angelegte Strömung geblieben, die an ihrer eigenen Egozentrik und am Mangel an Grundharmonik gescheitert ist.


    So ist der oben gezeigte Bau das Problem der Moderne im Kleinen. Es zeigt was die Moderne kann, nämlich hier schreien, auffallen, sich auf kosten der Nachbarn profilieren und daraus ihren eigenen Wert ziehen, aber sie kann aus sich heraus , im Kontext mit anderen Bauten dieser Gattung, kein lebenswertes Ensemble schaffen. Und das ist eigentlich die schlimmste Art des Scheiterns, die es in der Architektur gibt.

  • Eigentlich müsstest Du Anfang des 20ten Jahrhunderts leben, jedes einzelne deiner Statements atmet diesen Geist.


    Bist Du jetzt plötzlich gegen das Bauhaus und den Bauhaus-Geist? (Die entstammen nämlich dem Anfang des 20. Jahrhunderts.) Der gezeigte Neubau wurde in einem anderen Posting als Bauhausmoderne bezeichnet - gewisse Anleihen sieht man, aber auch deutliche Unterschiede. Wer auch immer der Vater ist - zu den Nachbarn passt der Bau tatsächlich nicht besonders, aber zumindest werden die Bebauungslinie und die Höhe gehalten. Die Gestaltung wirkt nicht wie ein Meisterwerk, man sieht aber oft langweiligere.

  • Klingt etwas missionarisch.
    Die hohe Geschosszahl hängt damit zusammen, dass der Investor eben ein Wohn- und Geschäftshaus mit entsprechend hohem Nutzflächenanteil wollte. Wie das Architekten von traditioneller Formensprachen hinbekommen hätten steht auf einem anderen Blatt. Dass es diesen aber regelmäßig schwer fällt so eine hohe Geschossanzahl adäquat zu verpacken haben wir hier ja nun schon häufig festgestellt. Und wie deren häufig anzutreffenden Putzfassaden in 20 Jahren aussehen steht auch nochmal auf einem anderen Blatt. Nichts desto trotz sind 6 (1/2) Obergeschosse bei Neubauten mit Berliner Traufhöhe völlig normal. Es zeigt aber auch wie hoch die Geschosse bei Altbauten in der City West sind. Warst du schonmal in einem? Verwandte von mir haben eine Pension in der Meineckestraße. Die Raumhöhe beträgt dort gut und gerne über 4 Meter.
    Und was das Altern angeht bin ich entspannt. Der Glasanteil ist hier recht hoch und die Betonflächen (oder ist es Keramik?) können einfach gepflegt werden.


    Ansonsten zeigt der Neubau für mich auch wie wunderbar der (Berliner) Blockrand funktioniert. Dominiert mit Altbauten schafft er mit einzelnen neuen Gebäuden eine architektonische Vielfalt und die Abbildung der verschiedenen Zeitschienen wie man es in reinen Neubaugebieten wie der Europacity vergeblich sucht. Der Axthelm-Bau funktioniert in der Schlüterstraße prächtig, aber in Form eines großen Baukörpers (siehe Europacity) würde er schnell monoton und überdimensioniert wirken.


    Und wie Lcfr schrieb, der Neubau nimmt hier auch wieder richtig Bezug zum Blockrand; Traufhöhe, Bauflucht, Farbe - passt. Dazu eine gefällige Gestaltung... Das sind Faktoren an denen die Vorbebauung aus den 70ern gescheitert ist.


    Odysseus, mir liegt es fern meinen Geschmack auf deinen zu übertragen, aber deine Kritik kommt mir doch reichlich überzogen vor.

  • Odysseus, ich frage mich immer, warum ein Neubau als Lückenschluss sich ( Deiner Meinung nach) immer dem Umfeld unterzuordnen hat und ich kann das Problem mit " nach Aufmersamkeit heischender" moderner Architektur nicht verstehen. Ein Bau der sich sehr unterordnet wird doch wiederum schnell als durchschnittlich und langweilig empfunden. Die Gründerzeitfassaden bzw. Bauten sollten sich gerade in Strassen um den Kudamm und auf dem Kudamm doch auch gegenseitig an Prunk und Prächtigkeit übertreffen und von der finanziellen Potenz des damaligen Bauherren künden. Der modernen Architektur wird dies hier abgesprochen.
    Ich stimme Dir allerdings zu dass manch moderne Fassade keine schöne Patina ansetzt und hier klar sein sollte dass Sichtbeton z.B. in kürzeren Abständen gereinigt wird, etc. Würde man dies bei einigen Bauten der 60er/70er Jahre beherzigen würden die nicht einen teilweise sehr trostlosen Anblick abgeben...

  • @ Bau-Lcfr
    Leider missverständlich, ich meinte wirklich Anfang des 20ten Jahrhunderts also 1900 und nicht 1919.


    @ Odysseus
    Das würde nach deiner Theorie bedeuten, dass Du dir auch gut ein Fachwerkhaus dort vorstellen kannst, denn das wäre ja alles harmonisch... weil, die Teufelei fängt ja erst mit dem bösen Bauhaus an.

  • Und wie Lcfr schrieb, ... Farbe - passt.


    Die Farbe nicht - die weiß-graue Gestaltung ist (leider) so verbreitet, dass ich sie hier nicht kritisch erwähnt habe. Hiermit wird es nachgeholt.


    Leider missverständlich, ich meinte wirklich Anfang des 20ten Jahrhunderts also 1900 und nicht 1919.


    Ob es 116 Jahre her sind oder "nur" 97 - beide Epochen sind heute genauso fremd wie das Mittelalter. Wieso wird z.B. nicht auf moderne Ornamentik zurückgegriffen wie die Nachbarn welche derer Zeit haben? Z.B. hier unter #191 ein modernes Geschäftshaus mit bunten Fassadenornamenten.

  • Die Farbe nicht - die weiß-graue Gestaltung ist (leider) so verbreitet, dass ich sie hier nicht kritisch erwähnt habe. Hiermit wird es nachgeholt.


    Ich bin ja auch eher für mehr Farbe in der Stadt, hier finde ich es aber ok da es zum Konzept der Moderne passt und die helle Fassade durch das nach innen versetzte und getönte Fensterglas und den dunklen Fensterrahmen kontrastiert wird.

  • Mmmh, ich finde dass es Straßenzüge in Berlin gibt die einfach elegant in frischem Weiss ( mit evtl. grauen Absetzungen) wirken was den klassizistischen Fassaden gut tut. Die Schlüterstrasse gehört hierzu. Ebenson z.B. der Chamissoplatz. Bunt bzw. zu bunt gehaltene Fassaden würden hier m.E. eher stören.


    Bau-Lcfr: Ihr Beispiel kommt aus London, nun auch dort gibt es ganze Viertel in denen die Fassaden in klassischem Weiss gehalten sind und dies gerade die Attraktivität und klassizistische Atmosphäre ausmacht ( ich weiss dass diese Farbfassung auf einem Missverständnis beruht der davon ausging dass Gebäude der Antike incl. ihrer Skulpturen nicht farblich gefasst waren was aber nach heutigen Erkenntnissen ja der Fall war...)
    Für andere Viertel würde ich mir auch mehr Farbigkeit und Ornamentik wünschen und gern wie in Ihrem Beispiel...nur für eine Strasse wie die Schlüterstrasse eben nicht.
    Mir gefällt dass der Bau das Weiss der umgebenden Gebäude aufnimmt, dafür mit der Ausrichtung (Vertikale) und den Materialien (Glas, Stahl) spielt.

  • Erstens halte ich nicht viel von Vergleichen mit anderen Städten, zweitens fehlt Berlin Geld und Selbstdisziplin, was nötig ist, um solch einen cleanen look durchzuziehen. Das ist wie mit einer weißen Jeans, die kann zu manchen Outfits echt gut aussehen. Aber man muss halt bereit sein, die nach einmal tragen zur chemischen Reinigung zu bringen, sonst sieht sie unmöglich aus, man sieht halt jedes Schmützchen und das geht mit Haushaltsmitteln oft auch nicht mehr raus. Wer Geld und Selbstdisziplin nicht hat, eine weiße Jeans zu tragen, der soll besser bei Stonewashed bleiben, was alles bis auf groben Dreck recht gut kaschiert.


    In den klassizistischen Straßenzügen Londons, die so clean aussehen, leben auch keine Künstler, Studienräte oder Bürokaufleute, sondern Millionäre und Milliardäre. In dieser künstlichen Welt, der durch unzählige Dienstboten erhaltenen Perfektion, geht das. Im "ich kack auf's Trottoir, Schätzchen!"-Berlin nicht.

  • ^
    Jeans und Gebäude? Lustiger, wenn auch m.M.n. ein nicht ganz passender Vergleich da weiße Jeans in der Tat eine modische Ausnahmeerscheinung ist während helle oder weiße Fassaden meinem Empfinden nach sehr häufig zu finden sind. Äpfel und Birnen auch was die Pflegefreundlichkeit angeht da gerade bei Hausfasaden unterschiedliche Faktoren ein Rolle spielen und die Optik beeinflussen können.
    Bezogen auf den Bau in der Schlüterstraße wäre mal interessant zu wissen, ob sich auf dem Material (Keramik?) eine Lasur befindet. Das dürfte dessen Widerstandsfähigkeit ggü. Witterungseinflüssen verstärken und in Kombination mit der glatten Fassade noch einfacher reinigen lassen.
    Aber wie schon geschrieben, die Mischung macht's. Selbst dieser Abschnitt der Schlüterstraße wirkt trotz der hellen Fassaden abwechslungsreich.

  • Dominiert mit Altbauten schafft er mit einzelnen neuen Gebäuden eine architektonische Vielfalt und die Abbildung der verschiedenen Zeitschienen


    Ich verstehe was du meinst, doch gerade in Deutschland finde ich trägt diese Argumentation nur bedingt. Ich wünschte mir einfach, man könnte in einer deutschen Großstadt mal einen Stadtraum erleben, der eben nicht durch diese Brüche und Zeitschichten gekennzeichnet ist. Wo außer in München ist so etwas an zentralen Plätzen oder Hauptstraßen in Innenstädten überhaupt noch möglich? Darum geht es mir. Die deutschen Innenstädte sind derart perforiert, dass ich mir einfach mal wünschen würde, dass da, wo es noch einige zusammenhängende Altbauten gibt, dass man da mal versucht, eher ein harmonisches Ensemble zu bauen als mit Gewalt wieder eine offensichtlich neue Zeitschicht einzubauen.


    Und bato versteh mich nicht falsch, der Bau ist für einen Bau der Moderne nicht mal schlecht, aber ich finde, er funktioniert eben nur in dem Kontext, dass es das historische Ensemble nutzt, um sich selber größer zu machen. Wären die Innenstädte in Deutschland ohne Zerstörung geblieben, hätte ich gesagt, dass das an ausgewählten Stellen ein wirklich lohnender architektonischer Kontrapunkt sein kann. Vor dem Hintergrund wie die deutschen Innenstädte aber nun mal aussehen, finde ich es nicht in Ordnung, dass man da, wo noch was steht, wieder solche Experimente gemacht werden.


    Ich möchte einfach mal am Kurfürstendamm oder einer anderen zentralen Berliner Straße 200m gehen können ohne auf solch einen Bau blicken zu können. Und 200m ist sehr wenig. Aber das ist ja leider kaum möglich. Ich bin nicht prinzipiell gegen moderne Bebauung, aber es wäre mal schön zu sehen, wie der Architekt die Aufgabe gelöst hätte, einem solchen Bau Wirkung zu verleihen, wenn er nicht auf die historischen Nachbarn hätte zurückgreifen können.