Am Kunst-Campus | Europacity

  • Euer berechtigtes Wehklagen über dieses Quartier ist sympthomatisch für eine Stadt ohne bauästhetische Vision. Die in Berlin seit Jahren programmatische Anspruchslosigkeit führt dazu, dass man sich kaum noch irgendeinem Bauvorhaben mit Neugier zuwenden kann. Alles, was zu erwarten ist, haben wir schon tausenfach achselzuckend gesehen. Eigentlich bizarr, weil sich Berlin dem Selbstbild nach doch als angeblich unvergleichlich inspirierende Stadt versteht. Dabei löst das nüchtern-funktionale Einerlei, was fast überall entsteht, bei den meisten eine Mischung aus Enttäuschung, Langeweile und Trübsal aus. Man möchte meinen, es ist in Sachen Architektur und Städtebau Zeit für einen fundamentalen Umbruch.

  • ^Wie könnte dieser Umbruch aussehen? Ich bin der Meinung Architekten wie Höhne und Patzschke beschreiten ihn. Hier würde ich mir nur mehr Standards wünschen, damit diese Art von Gebäuden auch günstiger gebaut werden können.

  • ^^Das ist wohl die Königsfrage. Und diese dreht sich im besten Fall um die zeitlosen Fragen der Architektur. Aktuell scheinen wir oft festgefahren in dem anachronistischen Konflikt von neomoderner Heidestraße versus der von dir in Spiel gebrachten neoklassischen Patzschkes & Co..


    Ich möchte meinen, beide Ansätze müssen okay sein dürfen, sofern sie sich sinnvoll bemühen, einen lebenswertes Raum zu erzeugen. Wenn sie Orte erzeugen, die von Menschen angenommen werden. Und im besten Fall sind für mich beide Ansätze, aber auch noch viele, viele weitere möglich in einer offenen Architekturkultur, bei der eben nicht alles ins enge Korsett des persönlichen ästhetischen Empfinden einer kleinen Gruppe von Entscheidern gepresst wird, denn sonst entsteht die von fast allen beklagte Einheitstristesse wie an der Heidestraße.


    Ein kurzer, offener Blick in die Geschichte der Architektur, und nein, ich meine damit keineswegs den modischen Schnickschnack der Gründerzeit, würde uns eine unendliche Vielfalt von legitimen architektonischen Ansätzen vor Augen führen, die sich unschwer in eine zeitgenössische Architektursprache integrieren ließen; kreativ, unverkrampft, spielerisch und auch intellektuell. Selbst das 20. Jahrhundert, das wir vor allem mit der Moderne assoziieren, ist eigentlich voll von solchen Beispielen.


    Ich habe oft den Eindruck, wir brauchen eine zweite Postmoderne. Nicht eine Rückkehr zur Postmoderne, sondern ein erneutes Ausbrechen aus einer Verengung und Verödung von Architektur durch als heiliges Gesetz postulierte Prinzipien der Moderne, die eben doch keine glückseligmachende, zeitlose Formel für immer und ewig darstellen. Ich gebe zu: Am Ende der Postmoderne, als diese selber irgendwann zur Massenware vertrasht wurde, war eine Rückbesinnung auf die Moderne ziemlich erfrischend. Auch Rationalismus und Dekonstruktivismus haben damals richtig gut getan. Und ich finde, jetzt ist es Zeit, dass wir uns auch wieder öffnen, weil das, was offiziell für gut befunden wird, einfach kaum einer mehr sehen kann. (Zugegebenermaßen von Ausnahmen abgesehen...)


    Zusammengefasst stoße ich in Berlin, wo ich an sich sehr gerne lebe, dennoch oft auf einen Geist oder Ungeist, der in sehr engen Grenzen definiert, was ästhetisch legitim ist, was cool und korrekt ist, was Gegenwart auszudrücken hat. Und die Heidestraße ist für mich der Beweis, dass ein kollektives, breites und vor allem offenes Umdenken nötig ist.

  • < Genauso mit viel Styropor und Dekoleisten, sollte dieser Umbruch gerade nicht aussehen.

    ich weiß nicht warum du dich die ganze Zeit an Styropor Leisten aufhängst? Moderne Gebäude werden genauso mit Styropor verkleidet. Das hat ja nichts mit Patzschke zu tun, sondern mit den KfW Anforderungen...

    Und selbst wenn man Ornamente aus Styropor fertigen würde, wären sie aus Gips besser? Oder sollten wir sie gleich wie im Original bei den alten Römern aus Stein hauen?

  • Es geht doch nicht um die Styrporleiste an sich sondern um den Anspruch eines "Umbruchs". Der kann doch wohl kaum darin liegen, einfach weiter die Gründerzeitästhetik zu kopieren!


    Und warum soll man ausgerechnet in der Europacity Gründerhausfassaden kopieren, das Viertel grenzt ja nichtmal an ein klassisches Gründerzeitviertel an?? (Abgesehen von den kläglichen Resten einer Ursprungsbebauung)

  • Ich weiß nicht, dieses ultragelbe Geländer erinnert mich irgendwie an ein modulares Plastikabsperrgitter.


    Zur vorangegangenen Diskussion - das Viertel fährt für mich die ganze Mäßigkeit der Gegenwartsästhetik auf.

    In gefühlt keiner anderen Stadt der Welt liefert man an so einer attraktiven, zentrumsnahen Wassersituation derart banale Verwertungsarchitektur ab.


    Die Frage der Alternativen, dürfte in dem Milieu, dass für so etwas verantwortlich ist heute denkbar schwer zu beantworten sein. Sich urban, repräsentativ und/oder pittoresk zu äußern wäre an dieser Stelle sicher nicht völlig abwegig gewesen.


    Wie kommt man darauf sich hier mit dem Charme der Suburbanen Feierabendbehäbigkeit zufriedenzustellen?


    Wo liegt hier die Verhältnismäßigkeit und Wertschöpfungsstrategie zu einem derartig gebotenem Raum?


    Wo sucht man zeitgenössische Antworten für die schöne, lebenswerte urbane Stadt von Morgen wenn man sich den bisher nur traditionellen gelungenen, städtebaulichen Errungenschaften und ihrer Ästhetik aus Prinzip verweigert?


    Die Postmoderne hat sich am Ende doch auch in ihren, bis ins absurde abdriftenden, skulpturalen Metaphern und ihrer autistischen Geltungssucht verrannt - der narzistische Drang bedeutsam zu sein, hat in dieser Eigenschaft mindestens ebenso wenig akzeptable städtebauliche Panoramen schaffen können, wie die bisher scheinbar favourisierte, heute eher nostalgisch wirkende, puritanische Verkniffenheit, mit ihrer gebauten BILD-und Sprachlosen Zuchthäuslerei oder dir Vertreter der snobistisch, verintellektualisierten Antigefälligkeit.


    Styropor und Dekoleisten sind längst nicht nur Attribute eines gegängelten, ärmlichen Dekoklassizismus mit miserablen Proportionen.

    Mit seiner hilflosen, ungeschickten Verspieltheit hat er jedoch für mich einen Tick mehr Charme, als der überernste, grobe Betonklassizismus, der in seiner beherrschten, dezidiert schmucklosen unverspieltheit eher herrisch wirkt und damit in einer ganz anderen, für mich eher abstoßenden, klassizistischen Tradition als der, der Aufklärung steht.


    Die gestrenge Moderne leidet genauso sichtlich an Wärmedämmung und Materialsurrogaten.


    Egal ob vorgehängte Steinfassaden, die so gern exklusiv und solide, daherkommen würden oder angeklebte klinkerriemchen.

    Obendrein das vermehrte greenwashing von Beton- und Stahlskelettbauten mit aufgesetzten Holzpaneelen, das ganze nach Möglichkeit in einem möglichst hässlichen Grün, damit dank dieses Verstärkers auch dem letzen ja klar wird, wie progressiv ökologisch das gesetzte habitat ist.


    Dass ein teurer eher Modernistischer Bau immer Noch billig aussehen kann - empfinde ich daher fast als weniger verzeihlich als wen Heti und Pleti sich ein Gurtband aus Fertigstuck an die Fassade klatschen.


    Gebaute 60er, 70er und 80er in den 2000ern,Berliner Baukultur besitzt hier mittlerweile eine verstörend selektive Toleranz wenn’s um sonst geschmähte architektonische Rückgriffe geht, mit selten besserem Ergebnis als das ihrer zitierten Vorbilder.


    Die fast schon neurotische Titelsucht für Gebäude und Ensembles und das blumige beschreiben architektonischer Vorhaben in Bild und Sprache ( neuerdings gern weltmännisch auf englisch) erscheint mir längst mehr und mehr als tiefsitzender Hang zu verkaufsstrategischer und beschwichtigender Verlogenheit, weil man der eigenen Architektur nicht mehr traut.

    Ich sehe vermehrt Nur noch unschlüssige, inkonsequente und langweilige, gebaute Absichtserklärungen gern im niederschmetternden Überformat.


    Mir ist leider bisher keine zufriedenstellende städtebauliche Situation bekannt die mit einer fast erzieherisch wirkenden, allseits in Fachkreisen legitimierten Ästhetik der gebauten Hochschulkonformität gelungen wäre.

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  • Der Golda-Meir-Steg ist leider ein ziemlicher Reinfall. Aus dem halbtransparenten, dezent metallisch glänzendem Steg, den die Visualisierung versprochen hatte, ist eine knallgelbe, fast blickdichte Augensäge im Stil einer Baustellenbrücke geworden.

  • ^Das kann ich nicht bestätigen. Vor Ort sieht die Brücke bei weitem nicht so blickdicht und gelb aus, wie es die Bilder hier suggerieren.

  • Ich erlebe den Steg vor Ort in seiner Farbigkeit als ausgesprochen wohltuend. Die Hintergründe für den Steg bestehen meist aus gerasterten Fassaden in Beige- & Grautönen. Da gibt dieser gelbe Balken dem Auge Halt. Darüber hinaus trügt die schlank-dynamische Form, denn die Fahrbahn der Brücke hat tatsächlich eine ansehnliche Breite. Eine im Kern doch sehr massive Konstruktion so schlank und filigran erscheinen zu lassen, war hier vermutlich die Kunst. Ich kenne in Berlin wenig Vergleichbares und finde, dieser unverwechselbare Bau ist ein Gewinn. Angesichts mancher Tristesse der Umgebung wird die Brücke sicher auch identitätsstiftend für das Quartier.

  • Mhm... Naja - ich habe immer mehr den Eindruck, hier geht es häufig um Stimmungsmache, weniger um rationale Diskussionen... - Gut - das ist sicher die Funktionsweise eines Onlineforums. Ob Misogynie eine Rolle spielt? Wenn Frauen sagen wos langgeht wird kein gutes Haar drangelassen - Herr Stimmann ist ein Halbgott... Mhm... Also die Ergebnisse seiner Bauleitplanung auf dem Friedrichswerder unterscheiden sich nicht sooo stark, von dem hier... Das liegt eher an der Verwertungslogik des Immobilienbereichs, denke ich mal... - Aber egal was Frau Lüscher macht:

    Da werden sicherlich einige kotzen... ;)

    :D

  • Ich glaube eine eher negative Einschätzung des Wirkens von Frau Lüscher hat absolut nichts mit misogynie zu tun - sondern ist vorrangig in den Ergebnissen ihrer Amtswirkmächtigkeit und ihrer vielseitigen Einflussmöglichkeiten durch breite Funktionsträgerschaften zu suchen.


    Zudem ist sie ersteinmal gegenwärtig gültige Projektionsfläche, ein Gesicht das qua Amtes zu Recht mit Verantwortlichkeit zur Städtischen Entwicklung, Baukultur und Baugeschehen automatisch Verknüpft wird.


    Eine seit sehr sehr sehr langer Zeit enorm Stadtbildprägende Figur, deren Ansichten und Wirken man weder wählen noch abwählen, sondern nur aushalten kann - letzteres im Ergebnis vermutlich dann ein Leben lang ohne Aussicht auf eine mögliche Korrektur.


    Das fremdeln mit Frau Lüscher halte ich daher für Nachvollziehbar, erst recht wenn man die durch sie zum Teil öffentlich geäußerten, polarisierenden Anschauungen und die daraus resultierenden entsprechenden Entscheidungen, nicht teilt oder ablehnt.


    Begriffe wie Investor, Architekt oder bezeichnender Weise Lüscher sind selbst in meinem Umfeld eher rein negativ konnotiert und wird in der Regel mit schwierigen, öden, unerträglichen oder Hässlichen neueren Stadträumen und Architekturen genannt.

    Ein über die Person hinausgehender fast schon reflexhafter Ausdruck um seinen Unmut zu äußern weil man mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist.


    Warum das ergebnis einer Bauleitplanung für den Werder von Stimmann bemüht wird versteh ich jetzt nicht - ich weiß nur dass Frau lüscher damals bei den Wettbewerbsbeiträgen stimmberechtigt war und durchaus für mich 2-3 gelungene Sachen neben anderem entstanden sind.


    Die Debatte um die dort zum Zuge kommende Architektonische Anmutung dort hat sich seit 2007 auch nicht großartig weiterentwickelt es wird stoisch in dieser Essenz überall so weitergebaut mit den selben schon damals kritisierten lochfassadenkisten angereichert mit staffelmogelmoppelei die sich zur wahren identitätsstiftenden Baukultur Berlins aufschwang bis heute 2021😂😂 nur kann sie irgendwie keiner leiden.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • "Gut - das ist sicher die Funktionsweise eines Onlineforums. Ob Misogynie eine Rolle spielt? Wenn Frauen sagen wos langgeht wird kein gutes Haar drangelassen - Herr Stimmann ist ein Halbgott... Aber egal was Frau Lüscher macht:

    Nach deiner sehr, sehr armseligen Logik ist jede Kritik am Wirken von Herrn Stimmann dann Männerhass. Um indes etwas Positives über Frau Lüscher zu sagen: Mir wäre neu dass sie jemals die beißende Dümmlichkeit offenbart hätte, Kritik an ihrem ästheischen oder urbanistischen Gestalten Berlins als Frauenfeindlichkeit abzutun. Das wäre nämlich ziemlich platt. Anders als es Kollege "Stadtkultur" in seinem bedauerlichen Posting tut, würde Frau Lüscher wohl eher mit Gedanken argumentieren, die sich um Architektur drehen. Vermutlich würden ihr manche widersprechen.


    Warum nun ausgerechnet das von mir zitierte Forumsmitglied den Begriff der Kultur im Namen trägt, ist mir schleierhaft. Denn zur Kultur des Diskutierens gehören Argumente, die sich auf die Sache beziehen. Die inflationäre und willkürliche Unterstellung von Frauenfeindlichkeit, von Rassismus, Homophobie , Antisemitismus etc. ohne jede Begründung ist für micn eine besonders schäbige Form handfester Unkultur. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir hier ohne diese - Zitat Stadtkultur - "Funktionsweise eines Onlineforums" auskämen.

  • @Georges Henri: Ich habe kein Problem damit, dass mir jemand "beißende Dümmlichkeit" unterstellt...

    Nach deiner sehr, sehr armseligen Logik ist jede Kritik am Wirken von Herrn Stimmann dann Männerhass.

    Ich habe niemanden kritisiert - ich habe nur darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse des Städtebaus von Stimmann (Friedrichstadt, Friedrichswerder, Bebauung auf der Fischerinsel nach Abriss des Kleeblatts, Umfeld vom Potsdamer Platz) meines Erachtens nach nicht so qualitativ unterschiedlich zu den Ergebnissen im Quartier Heidestraße sind - was die Architektur betrifft... Die höhere Qualität müsste mir mal jemand erstmal darstellen...


    Viele Grüße!

  • Ob Jean Nouvel, Philip Johnson oder Grimshaw. Unter Stimmann haben die weltweit anerkanntesten Architekten die vergleichsweise schlechteste Architektur abgeliefert. Eingezwängt in den Blockrand. Dem heiligen Blockrand mit einheitlicher Trauflinie.

  • Ehrlich gesagt, den Blockrand samt Traufhöhe jetzt als das Übel für die enttäuschenden Produkte der Architekturgranden auszumachen halte ich für äußerst wohlfeil.


    Wenn Erwartungshaltung und Ergebnis Auseinanderdriften dürfte das Problem eher beim Rezipienten, Bauherren und im schlimmsten Fall beim Architekten und nicht beim vorgegebenen Rahmen, liegen.

    Denn mir scheint es egal ob der gegebene Rahmen geologisch, Landschaftlich städtebaulich oder architektonisch gesetzt wird.


    Ist der Architekt intellektuell dazu nicht in der Lage, abseits von Materialschlacht und der komfortablen Situation einer offen gelassenen Fläche seinem künstlerischen Format in bester Weise Ausdruck zu verleihen?


    Bis ins 20igste Jahrhundert sind Architekten mit Blockrand und Traufhöhe klargekommen warum soll das heute ein Problem darstellen?


    Ich brauch auch keinen lebensfernen antiurbanen architektonischen Skulpturengarten der städtische Raum funktioniert in der Regel dort am besten wo kurzwegigkeit, eine harmonische vielgestaltige Architektur, landmarken zur Orientierung, menschliche Maßstäbe, Stadtgrün, Rückzugsorte und öffentliches Leben im Einklang sind - und mir scheint dies wird durch den klassischen Blockrand bis heute am besten gelöst.

    Die Dürftigkeit seiner heutigen Gestaltung liegt vielmehr im Verwertungsdruck und dem abrufbaren Maß an Kreativität der Architekten begründet.


    Die Gegenmodelle zum Blockrand gelten doch bis heute als überlebt, unbefriedigend und nicht erstrebenswert.


    Aldo Rossi hat hingegen für mich am besten die klassische Blockrandaufgabe in Qualität und Vielfalt in den 90ern gelöst, das Ensemble funktioniert für mich stadtbildlich bis heute.