Sanierung Staatsoper

  • In der Attrappe der Schinkelschen Bauakademie sind nun bis zum 19.06. von 12-19 Uhr die acht Finalistenentwürfe zur Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zu bestaunen.


    Tagesspiegel

  • Sehr schön. Der Mann hat mir von Anfang an gefallen, er hat wenigstens Charakter und beugt sich nicht dem Zeitgeist! :)
    Mit diesem angstrebten phantasielosen Entwurf würde die Lindensoper aussehen wie ein Kino.
    Ich verstehe bis heute nicht, warum man gerade in Berlin alle klassischen Häuser so verhuntzen muss!


    Vor allem weil es ja kaum mehr als 2 große klassische Zuschauersäale gibt.


    Allerdings so wie sie jetzt ist kann sie auch nicht bleiben. Einzig logisch ist es doch sie so wieder herzurichten wie sie einst war. Mit besserer Akkustik natürlich..

  • Lars
    Wenn ich diese 'Drohungen' von Dussmann lese, dann zeigt es sich wieder deutlich, dass es wichtig ist, sich nicht von privaten Geldgebern abhängig zu machen. Die Gefahr einer Geschmacksdiktatur ist einfach zu gross. Er glaubt, weil er Mittel aufbringt, auch darüber zu bestimmen zu können wofür er diese verwendet. Was für ein Verständnis von öffentlicher Kulturförderung! Es geht ihm doch nur darum, sein Ego zu befriedigen.
    Wenn er darüber bestimmen will, was und wie gebaut werden soll, kann er gerne seine eigene Oper bauen und privat betreiben, das sei ihm überlassen.


    Wenn er sich aber als Förderer für eine öffentliche Kulturinstitution versteht , dann gehört es sich nicht, so aufzutreten, sondern es anderen, die sich professionnell darüber Gedanken machen und sich ein bisschen besser auskennen als er, überlassen wie und womit das Geld verwendet wird.


    Nur weil du in diesem Punkt denselben Geschmack wie er hast, findest Du, er sei ein Mann von Charakter. Überlege Dir mal, es wäre so, dass ein historischer Entwurf auf dem Tisch läge und er sagte, er gäbe nur Geld für eine moderne Restaurierung. Ob Du das auch so toll finden würdest, wage ich zu bezweifeln.

  • Naja, Diktatur ist vielleicht etwas übertrieben. Er sagt ja nicht, dass man so bauen zu hat, wie er es möchte, sondern lediglich, dass er im Falle einer Realisierung dieses Entwurfs seine finanzielle Unterstützung zurückzieht. Zahlst du für Dinge, die dir nicht geafallen? Wenn er nicht vertraglich gebunden ist, ist doch nichts verwerfliches dran und haben auch schon andere gemacht. Hier mal die ersten drei Plätze...


    Wusste gar nicht, dass das Schiller-Theater zur Zeit leer steht...

  • Kann man die Staatsopernsituation nicht mit dem Streit um die James Simon-Galerie von Chipperfield vergleichen?
    Man hat einen Wettbewerbssieger, und dieser hat noch die Möglichkeit seinen Entwurf an der Oberfläche abzuändern?


    So wie ich die Aussagen in den Medien verstanden habe hat Roth doch gewonnen, weil er die Aufenthaltssituation der Opernbesucher vom Keller nach oben verlegt hat, und die Raumfolge wieder in Richtung Knobelsdorff gehen soll (ist doch positiv).
    Da wird es für einen Architekten doch wohl möglich sein bei der gestalterischen Ausführung mehr in Richtung Historismus (böses Wort ;))zu gehen.

  • Theseus,



    ein Mäzen ist keineswegs -wenn auch nur moralisch- verpflichtet, sich der eignen Meinung zu enthalten und zu fördern, egal was da nach Förderung verlange bzw. von staatlicher Seit oktruiert werde.



    Zwei Beispiele:


    - Der Generaldirektor der Berliner Museen Wilhelm von Bode und sein damaliger Assitent Hugo von Tschudi begründeten 1897 die berühmte Berliner Sammlung französischer Impressionisten, die weltweit erste in einem öffentlichen Museum. Den beiden gelang dies trotz der konservativen Kulturpolitik des Deutschen Reiches und entgegen dem ausdrücklichen Wunsch Wilhelms II.
    Bode und Tschudi bedienten sich dem Förderungswillen bedeutender meist jüdischer Mäzene wie James Simon, Eduard Arnhold und einem halben Dutzend weiterer.
    Hier wurde also ganz bewußt offizielle Kulturpolitik konterkariert und das durch private Kulturförderung. Ergebnis war eine der bedeutendsten Sammlungsabteilungen der Nationalgalerie.


    - Besagter Herr Peter Dussmann schenkte Berlin vor einigen Jahren die wunderschönen Schuppmann-Kandelaber, die heute die Linden säumen. Herrn Peter Strieder, Stadtentwicklungssenator mit zuweilen Louis-XIVesken Anwandlungen, gefiel das so gar nicht. In seiner Realität hatte möglichst alles (und das sah er wohl auch wirklich so allgemein) durch möglichst kleinkarriertes (IMHO) Zeitgenössisches ersetzt zu werden. Welche schmutzige Wäsche Herr Strieder genau kannte, weiß ich nicht. Jedoch konnte er in seinem Amte walten und wüten, wie er wollte. Und so unternahm er auch den Versuch, die Aufstellung jener Kandelaber unbedingt zugunsten neuer Peitschenmasten zu verhindern.
    Glücklicherweise unterblieb dies und der deutlich mehrheitsfähigere "persönliche Geschmack" des Mäzens Dussmann setzte sich durch.

  • gralsritter


    ich stimme dir durchaus zu was deine Meinung über Mäzene betrifft


    Aber sich einbringen und seine Ansicht äussern -was durchaus legitim ist - heisst nicht Erpressung zu betreiben - entweder ein historischer Entwurf oder kein Geld. Und da liegt schon ein kleiner Unterschied.


    Was deine Beispiele aus der Geschichte betreffen, hinken diese.
    Wir leben heute in einer demokratischen Gesellschaftsordnung, Kulturpolitik richtet sich nicht mehr nach dem Geschmack des Kaisers oder seiner Einflüsterer (egal ob 'Gute' oder 'Böse'), sondern wird legitimiert durch Gremien und Wahlen. Dass dieses System auch Unzulänglichkeiten beinhaltet, ist uns allen klar, aber ich kenne kein besseres und möchte auch kein anderes.
    Verantwortliche die sich in Wahlen legitimieren müssen und Wettbewerbe die von Fachjurys durchgeführt und prämiert werden, sind nun mal insgesamt gesehen besser all jede Willkür. Dass dabei vielleicht öfter auch mal Mittelmass rauskommt, ist nicht zu vermeiden. Lieber so als anders.
    Abhängigkeit von Mäzenen die nach Gutsherrenart und eigenen Geschmack richten.


    Dass Kulturpolitiker Ämter auch misbrauchen können, ist genauso möglcih wie bei allen anderen Posten auch, aber Stadtenwicklugssenatoren wie Herr Strieder es war - und das meine ich nicht zynisch -sind nun mal demokratisch legitimiert. Jeder kann eine andere Partei wählen, wenn man nicht zufrieden ist. Und ganz nebenbei, halte ich ihn für einen weitaus besseren Stadtentwicklungssenator als die gegenwärtige Amtsinhaberin, aber das ist ein anderes Thema.

  • Bitte bei Staatsoper bleiben. Mäzenentum wäre evtl. doch für einen eigenen Thread in der Lounge gut. (man denke nur an Dietmar Hopps Hoffenheim....;O)

  • Dem Herrn Dussmann Erpressung vorzuwerfen, ist nun wirklich unangemessen. Wie sind den die Tatsachen?


    In der Auschreibung war ausdrücklich gefordert, den historischen Zuschauersaal zu erhalten, er steht zudem noch unter Denkmalschutz. Schon vor der Ausschreibung war eigentlich nicht umstritten, dass es keinen neuen Saal geben würde, auch wenn es immer mal Forderungen danach gegeben hat.


    Als Dussmann und Co. Ihre Bereitschaft zu einer wirklich großzügigen finanziellen Unterstützung gaben, war von einer Aufgabe des Denkmals nie dir Rede. Wenn jetzt hier einseitig die Geschäftsgrundlage geändert wird, darf sich nieman wundern, dass auch ein Echo kommt.

  • Theseus,


    es ist keineswegs Erpressung. Herr Dussmann darf doch wohl selbst entscheiden, wofür er sein Geld hergibt. Niemand hat Anspruch darauf, von ihm Geld zu erhalten.



    Jo-King,


    Mäzenatentum allgemein ist ein Thema für sich. Hier geht es allerdings um die Kulturförderung im engsten Zusammenhang mit jenem architektonischen Werk, das Thema dieses Threads ist.

  • Ich möchte mal kurz festhalten. Der Erhalt des Paulick Saales war ein fester Bestandteil der Auslobung zur Renovierung der Staatsoper. Sechs von acht Architekten haben sich an diese Anforderung gehalten und Entwürfe eingereicht, die den bestehenden Zuschauersaal mit Modifikationen erhalten. Von den beiden Architekten, die die an sie gestellten Anforderungen grob missachtet haben, hat die Jury einen als Gewinner ausgewählt. Sowohl der Besitzer des Gebäudes (Berlin) als auch der Finanzier der Renovierung (der Bund) haben bei der Abstimmung jedoch gegen den Siegerentwurf gestimmt. Weiterhin sind die behaupteten akustischen Vorteile des Siegerentwurfs bisher genauso wenig nachgewiesen, wie die Behauptung, dass sich die Akustik bei Behaltung des Paulick Saals nicht verbessern liesse.


    In der Tat möchte man angesichts dessen von Erpressung sprechen. Aber nicht seitens des großzügigen Spenders (Herrn Dussmann) sondern seitens der Modernistenmafia, die das von ihr getürkte Wettbewerbsergebniss mit aller Macht gegen den Willen aller anderen Beteiligten durchdrücken möchte. Was man mit diesen Verbrechern machen sollte, die diesen Cinemaxx Saal entgegen der Auslobung zum Sieger erklärt haben, darf ich hier nicht sagen, weil es gegen die Forenregeln verstössen würde.

  • Unabhängig davon, was man vom Siegerentwurf hält (ich persönlich würde den Erhalt des Paulick-Saals ausdrücklich begrüßen, inklusive maximal möglicher technischer Optimierung - auch wenn der Roth-Entwurf seinen eigenen Charme besitzt. Er muss aber den Alten nicht zwingend verdrängen.), sollte man mal ganz genau darüber nachdenken, ob es lohnt, sich über die Mißachtung der Wettbewerbsvorgaben (und die anschließende Prämierung) zu echauffieren.


    [Mittelteil editiert]


    Es gab übrigens in der jüngeren Vergangenheit einen Wettbewerb in Berlin, bei dem jemand einen hier populären Entwurf nicht zum Sieg führen konnte, was unter anderem mit der mangelnden Einhaltung der Vorgaben begründet wurde: Hans Kollhoffs "Tempel" für den Neubau der James-Simon-Galerie! Ich vermute mal, dejenigen, die im Falle der Staatsoper von "Modernistenmafia" sprechen (ich bereue gerade eine gute Tat von vorhin) oder die das Mäzenatentum sehr blumig in Einklang mit ihren persönlichen Präferenzen gebracht haben, hätten im Falle des Gewinns des Kollhoff-Entwurfs völig diametrale Argumentationen aus dem Hut gezaubert. Vermutlich hätte es schon genügt sich der ganzen schönen Thesen zu entledigen, wenn es Vorgabe für den Staatsoper-Wettbewerb gewesen wäre, den Paulick-Saal komplett zu ersetzen und ein Beitrag hätte gewonnen, der ihn zu erhalten versuchte. Denkt mal darüber nach :).

  • Es gab übrigens in der jüngeren Vergangenheit einen Wettbewerb in Berlin, bei dem jemand einen hier populären Entwurf nicht zum Sieg führen konnte, was unter anderem mit der mangelnden Einhaltung der Vorgaben begründet wurde: Hans Kollhoffs "Tempel" für den Neubau der James-Simon-Galerie!


    Auch wenn es nicht zum Threadthema passt: AeG, verwechselst du den Galeriebau von Heiner Bastian (Am Kupfergraben 10) mit der James-Simon-Galerie, oder gibt es einen Entwurf, den ich nicht kenne, der mich aber brennend interessieren würde?

  • Ja, Haus Bastian meinte ich selbstverständlich. Dahin gehört schließlich der "Tempel". Sorry! (was im Nachhinein auch ein kleines Mißverständnis zwischen Guderian und mir von vor ein paar Tagen aufklärt; sind aber auch verwirrend, die ganzen Museen und Galerien in Berlin und dazu die vielen Chipperfields :cool:)


    Ein öffentlich existierender Kollhoff-Entwurf für die James-Simon-Galerie wäre hier sicher permanent in aller Munde (ebenso wie einer von den Patzschkes :)). Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Hans Kollhoff auch einen Gegenentwurf dazu in der Tasche hat. Er ist dazu vermutlich nur noch nicht befragt worden. Jedenfalls entspräche das durchaus seine Art, der Sache wegen auch mal unbeauftragt und unentgeltlich zu zeichnen (oder zeichnen zu lassen). Dieses Engagement besitzen die wenigsten und dafür schätze ich ihn sehr (auch wenn er m. E. entwurflich zusehends abdriftet). Aber ich sehe ein, das relativiert meinen Patzer jetzt auch nicht mehr. ;)

  • [spekulationsmodus] Hätte man diesen 80 Prozent eingetrichtert, der Saal wäre ein billiges Nachkriegsprodukt des Repräsentationsbedürfnisses der DDR-Diktatur und würde an die neoklassizistischen Traditionen der Nationalsozialisten anküpfen (Stichwort: "faschistische Architektur", zieht immer!), dann würden von denen mindestens 77 Prozent die Nase rümpfen und sich wegdrehen. Und da die meisten den Opernsaal nur aus der Zeitung kennen, wäre nie wieder mit Gegenwehr zu rechnen. [/spekulationsmodus]


    Es hat schon einen Grund, weshalb sich nicht an solchen Umfragen orientiert wird, auch wenn man die Ergebnisse in Einzelfällen (wie diesem) begrüßen mag. An die Berliner: erinnert sich jemand zufällig noch an die Jahrhundertcharts von radioeins zum Jahreswechsel '99/00? Ganz vorne in den Top 3: ein nerviger Sommerhit von '99, den heute kaum jemand mehr aus dem Stehgreif benennen könnte. So viel zur Objektivität und Kontinuität von Ergebnissen aus Massenumfragen.