Unter den Linden

  • Sorry, wird es länger...


    Was findest du denn an dem Entwurf in Ordnung?


    Ich bin nahe bei ElleDeBE und DerBe. Von allen gezeigten Wettbewerbsbeiträgen scheint mir der Sieger-Entwurf die Anforderungen am besten zu lösen. Allerdings ist der Eingang zu gedrungen und die UdL-Fassade bräuchte mehr Abwechslung. Die Dachkante ist langweilig und ihr fehlt, anders als der polnischen Botschaft, die Tiefe.


    Gut gefällt mir dagegen die Kubatur mit der durch lange Fenster betonten Schmalseite und der Abstufung in der Schadowstraße. Auch die Qualität des Materials passt: Kein Beton, kein Putz, sondern – sofern ich richtig sehe – Naturstein, Granit oder Sandstein. Und zwar nicht glatt, sondern profiliert und so verbaut, dass sich horizontale und vertikale Elemente abwechseln. Das könnte einen interessanten Effekt ergeben. Im Innern sind holvertäfelte Wände und ein rundes, ebenfalls mit Holz verkleidetes Treppenhaus zu erkennen. Schick.


    Eine Parzellierung ist hier m.E. nicht nötig: Lebendigkeit hängt vor allem an der (hoffentlich öffentlichen) Nutzung des Erdgeschosses, und die Fassadenbreite entspricht dem, was für diesen Abschnitt der Linden üblich ist. Im mittleren Abschnitt der Linden sind viele schmalere Parzellen erhalten, und Neubauten sollten sich daran orientieren (gelungenes Beispiel trotz blöden Namens: Das Upper Eastside). Der westliche Abschnitt wird mit seinen Botschaften und Bundestags-Gebäuden aber schon lange von breiten Fassaden geprägt. Dem entspricht der neue Entwurf, der schmaler und auf eine schlichte Weise repräsentativer ausfällt als der Bundestags-Block zwischen Schadow- und Glinkastraße.


    Tatsächlich scheint sich der Bau an der Stella-Fassade des Humboldt-Forums zu orientieren – ähnlich wie die erwähnte polnische Botschaft oder der Anbau des Bundesrates. Ich verstehe schon, warum manche diesen Stil öde finden. Er zeichnet sich aber durch hohe Materialqualität aus, er ist klassisch, nicht modisch, und er hat etwas eigenständiges. Diese Bauten sind typisch für Berlin und für die 10er-Jahre des 21. Jhdts. Man wird sie auch in Zukunft zuordnen können, und das kann nicht jede zeitgenössische Architektur von sich behaupten.


    Den Diskurs über Architektur nur auf die Analyse vermeintlich objektiver, modeanfälliger Formalismen zu reduzieren, halte ich für einen Irrweg, und zwar weil ich denke, dass "Schönheit" ein wichtiges (wenn auch nicht das einzige) Kriterium zur Bewertung von Architektur sein sollte.


    Ich weiß zwar nicht recht, was "modeanfällige Formalismen" sind, sonst gebe ich Dir recht. Etwas anderes habe ich nie gesagt, nur ist das mit der Schönheit eine vertrackte Sache:


    Ich orientiere mich dabei an Kants Verständnis von Schönheit, d.h. Schönheit liegt eben nicht "im Auge des Betrachters", sondern Schönheit ist das, was allgemein Wohlgefallen hervorruft. Da Wohlgefallen aber subjektiv ist, kann allgemeines Wohlgefallen eben nur über einen Diskurs über das subjektive Empfinden, die Wahrnehmung einzelner Individuen erfolgen.


    Du packst hier zwei Begriffe von Kant zusammen, wodurch der Witz verloren geht: Das "interesselose (!) Wohlgefallen" und die "subjektive Allgemeinheit". Schön ist nach Kant, was beim Betrachter Wohlgefallen hervorruft, ohne dass ein Interesse (also etwas praktisches) damit verbunden wäre. Geschieht dies, sagt sich der Betrachter "Das ist schön" – er urteilt subjektiv, zugleich beansprucht sein Urteil aber, allgemein gültig zu sein. Ein Paradoxon, dass sich durch Diskurse eben nicht auflösen lässt. Ich kann Dir zwar erklären, was ich an dem Entwurf schön finde, das wird Dein Empfinden aber nicht ändern. Ebensowenig ändert sich mein Empfinden, wenn ich Dein Urteil ("furchtbar, brutal und stumpsinnig") lese.


    Dennoch gebe ich Dir Recht, dass man über Schönheit diskutieren können muss – auch wenn man sich oft nicht einigen kann. Nur ist das nicht Kant, denn Diskussion funktioniert auf Basis von Begriffen, und Schönheit ist laut Kant vorbegrifflich – weshalb ein Geschmacksurteil für ihn auch keine Erkenntnis ist. Mein küchenphilosophischer Gegenvorschlag: Schönheit ist nicht rein objektiv (also die Eigenschaft einer Sache), denn sie ist eine Empfindung, zu der nur Subjekte (die Betrachter der Sache) fähig sind. Rein subjektiv ist sie aber auch nicht, denn Geschmacksurteile sind nicht völlig beliebig; es gibt durchaus so etwas wie Geschmacksbildung und es lassen sich Kriterien dafür angeben.


    Wenn wir uns einig sind, dass diese Kriterien nicht in Stein gemeißelt sind, sondern zumindest in Teilen historisch, sozial und kulturell bedingt, dann könnten wir vielleicht sagen: Schönheit liegt in der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, und was wir als schön empfinden hat viel mit Prägung zu tun. An dieser Prägung wiederum kann man arbeiten, man kann seinen Geschmack verbessern, indem man z.B. viel in Museen geht und Bilder unterschiedlichster Künstler und Epochen betrachtet. Auf diese Weise gewinnt man mit der Zeit einen Maßstab, und über diesen Maßstab, nicht über Schönheit selbst, kann man dann diskutieren. Einverstanden?

  • Auf diesen Bildern fällt deutlich auf, wie schmerzlich sich an dieser Stelle (Polnische Botschaft, Unter den Linden 62-68, Unter den Linden 50) das Fehlen von Schräg-dächern auswirkt.


    Ja, aber wie in diesem Bereich, auch auf der Südseite, fast alle Gebäude Link .


    Fast könnte man meinen, dass das Schrägdach eher die Ausnahme bildet.
    Es gibt auch Flachdächer, Staffelgeschosse, Türmchen, Kuppeln - alles ist vertreten. Selbst wenn man direkt nach der Wiedervereinigung eine einheitliche Dachlandschaft angestrebt hätte, wäre man weiter, aber einheitlich wäre es noch lange nicht und es darf bezweifelt werden, dass dies jemals erreicht wird.


    Aber, vielleicht hilft es weiter, auch an der Avenue des Champs-Élysées gibt es unterschiedliche Höhen und Dachformen.

  • Zitat von Architektenkind

    Einverstanden?


    Fast. ;)


    Zitat von Architektenkind

    Ich weiß zwar nicht recht, was "modeanfällige Formalismen" sind


    Was ich damit meinte ist einfach, dass Architekturbewertung mehr sein muss als das Abhaken einer Liste von Formalitäten (die möglicherweise nicht zeitlich invariant sind, daher modeanfällig), die von der Architektur erfüllt werden, sondern dass es auch eine viszerale Komponente gibt, wenn man so will, nämlich das Schönheitsempfinden, aber in dem Punkt sind wir uns ja einig.


    Zitat von Architektenkind

    Schön ist nach Kant, was beim Betrachter Wohlgefallen hervorruft, ohne dass ein Interesse (also etwas praktisches) damit verbunden wäre. Geschieht dies, sagt sich der Betrachter "Das ist schön" – er urteilt subjektiv, zugleich beansprucht sein Urteil aber, allgemein gültig zu sein. Ein Paradoxon, dass sich durch Diskurse eben nicht auflösen lässt. Ich kann Dir zwar erklären, was ich an dem Entwurf schön finde, das wird Dein Empfinden aber nicht ändern. Ebensowenig ändert sich mein Empfinden, wenn ich Dein Urteil ("furchtbar, brutal und stumpsinnig") lese.


    Hm, was das Auflösen per Diskurs angeht, stimme ich dir nicht ganz zu, weil ich eben schon denke, dass man das subjektive Empfinden durch Diskurs verändern kann, wenn wir Schönheit nicht nur bezogen auf die unmittelbare Wirkung der Ästhetik betrachten, also als rein ästhetische Kategorie. Ich glaube, man kann aber Architektur aus nicht rein ästhetischen Gründen schön finden, z.B. weil sich der Sinn der ästhetischen Gestaltung erschließt, oder weil die Architektur einen Wert oder ein Konzept gut transportiert. Ähnlich, wie man eine mathematische Formel schön finden kann. Das ist zwar immer noch von der Ästhetik der Architektur abgeleitet, aber nicht die unmittelbare ästhetische Wirkung, und ich denke schon, dass man unmittelbar durch Diskurs das Schönheitsempfinden in solchen Bereichen verändern kann. Ähnlich wie man durch das Eklären einer Formel dafür sorgen kann, dass die Schönheit dieser überhaupt erst zugänglich wird.


    Außerdem, das Schönheitsempfinden existiert ja nicht in einem Vakuum, wie du ja selber konstatiert hast (worin ich mich dir anschließe), sondern wird neben den von dir genannten, langfristig arbeitenden Faktoren wie historische, kulturelle und soziale Prägung auch auch von unmittelbaren Faktoren beeinflusst, z.B. von der aktuellen Laune oder von Unvollständigkeit der Wahrnehmung. Daher glaube ich zwar nicht, dass das unmittelbare, Schönheitsempfinden bei Architektur durch Diskurs von einem Pol zum anderen umschwenken kann, aber schon, dass es sich beeinflussen lässt.


    In jedem Fall liefert der Diskurs aber einen Ausgangspunkt, um sich mit dem Schönheitsempfinden anderer Menschen zu beschäftigen und somit um an der eigenen Prägung zu arbeiten, wie du weiter unten in deinem Post geschrieben hast.



    Übrigens, nur um das nochmal klarzustellen: Ich finde den Entwurf nicht per se "furchtbar", sondern im Kontext von UdL. Ich habe ja auch weiter unten in meinem ersten Post dann ausgeführt, dass es durchaus Aspekte an dem Gebäude gibt, die mir gefallen.

  • Ich habe den "Diskurs" gerade verfolgt und muss feststellen das er wieder mal in den bekannten Bahnen verläuft.


    Eine Seite wünscht sich schlicht und ergreifend mehr Schmuck / Ornamente im Stile einer klassischen Prachtallee historischer europäischer Städte. Andere versuchen alles was damit zu tun hat kulturell aufzuladen und sehen in jedem möglichen Ornament die Wiedergeburt wilhelminischen Militarismus (ich vereinfache).


    Man redet aneinander vorbei. Ich schließe mich aber der Meinung an, die für mehr "Pracht" an UdL steht. Ornamentik ist nicht so teuer wie manche denken und würde der Straße seinen Stil in der Tradition alter europäischer Städte wiedergeben.


    Insofern ist der Entwurf nicht nur scheußlich sondern leider eine Verschandelung bzw. Vernichtung von Potential an UdL.

  • ^ Weißt Du, wieviele von denen, die mit dem Entwurf leben können, jene von Dir behauptete Gleichsetzung von Ornament und "wilhelminischem Militarismus" vorgenommen haben? NIEMAND. Das war also keine "Vereinfachung" von Dir, sondern gegenstandslose Halluzination.


    Deine Meinung (mehr Pracht) sei Dir unbenommen, aber bevor Du beklagst, dass man aneinander vorbeirede, solltest Du erst einmal damit anfangen, auch gegensätzliche Ansichten überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, statt sie gleich mit halluzinierten Vorurteilen zu verdecken.

  • Ich finde den Entwurf sehr gelungen. Erinnert ein wenig an die DZ Bank am Pariser Platz. Das ewige Gejammer über Schmuck und Ornamente und Repräsentation und Prachtboulevard sind irgendwann mal auch mal genug. Diese Vergangenheitsbesessenheit, wie sie von manchen hier bei sich jeder bietenden Gelegenheit zum Ausdruck gebracht wird, kann ich nur noch als pathologisch bezeichnen.
    Zum Trost für die einen und zum Missvergnügen für die anderen, bleibt die Tatsache dass aufgrund der dichten Baumreihen von der Architektur unter den Linden eh kaum was wahrnehmbar ist. Die überflüssigen Baumreihen auf den Gehwegen (reichen die in der Mitte etwa nicht aus? siehe Ramblas) degradieren hier jegliche Architektur. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

  • Ich würde sagen hier liegt ein Missverständnis vor. Nur weil man den den Entwurf ablehnt, wünscht man sich nicht gleich automatisch eine ornamentale Fassade.
    Es gibt ja schließlich genügend andere Möglichkeiten Fassaden zu gestalten und Baukörper zu proportionieren.

  • ^ Weißt Du, wieviele von denen, die mit dem Entwurf leben können, jene von Dir behauptete Gleichsetzung von Ornament und "wilhelminischem Militarismus" vorgenommen haben? NIEMAND. Das war also keine "Vereinfachung" von Dir, sondern gegenstandslose Halluzination.


    Bevor du anfängst wild um dich zu schlagen und Beleidigungen auskotzt: "Google" doch mal den Begriff "Militarismus" im DaF und schau mal wie viele Ergebnisse du für das Forum der Stadt Berlin bekommst und wie viele für die anderen Foren.


    Mein Kommentar war eher allgemein gehalten und für die ewige Debatte und die Intention dahinter. Unter anderem auch in dieser Diskussion angedeutet.

  • ^ Du hattest Deinen Post (# 584) mit dem Satz: "Ich habe den "Diskurs" gerade verfolgt" begonnen. Da ging es um die Polnische Botschaft und den Entwurf für das Bundestagsgebäude UdL. Und da stand nichts von Militarismus und Wilheminismus. Ích mache Dich darauf aufmerksam und Du reichst nach: Du hättest Dich auf das gesamte "Forum der Stadt Berlin" bezogen. Und diesen gesamten "Diskurs" des Berlin Forums hattest Du also "gerade verfolgt"?


    Im Übrigen: Wenn Du Richtigstellungen als "Beleidigungen" empfindest, dann kann ich Dir nicht helfen.

  • Eine Seite wünscht sich schlicht und ergreifend mehr Schmuck / Ornamente im Stile einer klassischen Prachtallee historischer europäischer Städte. Andere versuchen alles was damit zu tun hat kulturell aufzuladen und sehen in jedem möglichen Ornament die Wiedergeburt wilhelminischen Militarismus (ich vereinfache).


    Du vereinfachst nicht, Du interpretierst hinein – und das, freundlich ausgedrückt, sehr frei. Zeige mir bitte mal anhand dieser Debatte (und nicht der kompletten Forengeschichte), wer vom wilhelminischen Stil und von Militarismus geschrieben hat? Und wer von Stuck und Ornament (außer Dir und Theseus in seiner Antwort auf Dich)?


    Die vermeintlich "bekannten Bahnen" sind sehr viel differenzierter, als Du annimmst. Wenn man nicht auf das reagiert, was die Leute geschrieben haben, sondern auf das, was sie angeblich "eigentlich" meinen, dann liegt man schnell daneben. Ich würde glatt behaupten, dass es die beiden Seiten, von denen Du schreibst, gar nicht gibt.

  • Im Laufe der letzten Tage bin ich auf diese drei Fotos aus den dreißiger Jahren gestoßen:


    Foto 1Foto 2 Foto 3


    Sie zeigen gut die Vorkriegssituation, die im Abschnitt zwischen Wilhelmstraße und Schadowstraße bzw. Mauerstraße auch schon damals gar nicht so prächtig war.

  • Zitat von Theseus532

    Das ewige Gejammer über Schmuck und Ornamente und Repräsentation und Prachtboulevard sind irgendwann mal auch mal genug. Diese Vergangenheitsbesessenheit, wie sie von manchen hier bei sich jeder bietenden Gelegenheit zum Ausdruck gebracht wird, kann ich nur noch als pathologisch bezeichnen.


    Zählen für dich auch Gliederungselemente (also auch Gesimse, Lisenen, etc.) als Ornament? Ich persönlich hätte mir an dieser Stelle einfach eine Fassade mit höherer Komplexität und stärkerer Gliederung gewünscht, weil ich 1. Fassaden mit einem Mindestmaß an Komplexität gegenüber simplen meistens bevorzuge und 2. weil ich finde, dass es besser zu der bereits existierenden Bebauung und zu einem Narrativ von UdL als Prachtboulevard passt, das ich begrüße.


    Allerdings gebe ich unumwunden zu, dass ich mich persönlich auch für Ornamente begeistern kann. Ob das nun "Vergangenheitsbesessenheit" ist... wenn du es so nennen möchtest. Für mich zählt die Gestaltung der Zukunft, und ich persönlich halte das Paradigma, dass Ornamente nicht an eine Fassade gehören, für überholt, also ironischerweise selbst für "vergangenheitsbesessen". ;)


    Da ich in ein junger Mensch bin und mit vielen, auch sehr unterschiedlichen Menschen aus meiner Altersgruppe (wenn auch überwiegend aus dem akademischen Bereich) Kontakt habe, denke ich auch, dass ich einen relativen guten Eindruck habe, was Menschen aus meiner Generation so gefällt. Und zumindest von dem Eindruck, den ich gewonnen habe, haben sehr viele Menschen aus meiner Generation und meinem Umfeld nicht nur keine Abneigung gegenüber Ornamenten in der Architektur, sondern würden sogar am liebsten selber in einem Gebäude mit solchen Ornamenten leben (meistens in einem sanierten, verstuckten Gründerzeitler). Daraus könnte man jetzt folgern, dass meine Generation "vergangenheitsbesessen" ist, wie du sagst, oder aber dass die konsequente Ablehnung dieses vergangenen Paradigmas selber der Vergangenheit angehört.
    Wieso sollten Ornamente auch nicht ein Gestaltungselement in zeitgenössischer und zukünftiger Architektur sein dürfen? Dass etwas alt(hergebracht) ist, heißt noch nicht, dass es nicht gut ist (ebenso irrational wie der entgegensetzte Mindset, dass nur weil etwas alt(hergebracht) ist, es automatisch auch gut sein muss). Außerdem, gerade im Rahmen von Ornamenten gäbe es doch so viele Möglichkeiten, neue Muster und Gestaltungsformen zu finden. Wer sagt denn, dass Ornamentalik sich unbedingt entlang bereits bekannter Pfade bewegen muss und nichts Neues, sondern nur Putten und Schnörkel hervorbringen kann? Etwas mehr Fantasie, wenn ich bitten darf. ;)


    Zitat von Theseus532

    Die überflüssigen Baumreihen auf den Gehwegen (reichen die in der Mitte etwa nicht aus? siehe Ramblas) degradieren hier jegliche Architektur.


    Ich glaube nicht, dass die Architektur dadurch degradiert wird. Und zumindest städtebaulich finde ich, dass Straßen mit vielen, großen Straßenbäumen fast immer eine deutlich höherere Aufenthaltsqualität bieten als solche ohne. Im Zweifelsfall finde ich es auch wichtiger, durch Pflanzen von Bäumen ein gelungenes Stadtumfeld zu schaffen als auf Bäume zu verzichten, nur damit man die Architektur einzelner Gebäude etwas besser bewundern kann. Gerade im Sommer wirken Straßen ohne Bäume (zumindest auf mich) oft sehr kahl und trostlos außer die Bebauung ist derart, dass sie Schatten spendende Straßenschluchten ergibt.


    Zitat von Architektenkind

    Ich würde glatt behaupten, dass es die beiden Seiten, von denen Du schreibst, gar nicht gibt.


    Ich stimme zu. Dieses Lagerdenken ist weitgehend artifiziell und völlig kontraproduktiv, da es nur unnötig polarisiert.


    Zitat von Baukörper

    Foto 1 Foto 2 Foto 3


    Sie zeigen gut die Vorkriegssituation, die im Abschnitt zwischen Wilhelmstraße und Schadowstraße bzw. Mauerstraße auch schon damals gar nicht so prächtig war.


    Danke für die interessanten Bilder, Baukörper. Auch wenn ich denke, dass eine vormals suboptimale Situtation keine Rechtfertigung ist, um es in Zukunft nicht besser zu machen (wobei "besser" freilich im Auge des Betrachters liegt), führen die Fotos gut vor Augen, dass die Wahrnehmung der Vergangenheit leicht idealisiert werden kann und dann oftmals nicht der Realität entspricht. Ich muss zugeben, dass ich mir selber den Vorkriegszustand von UdL an dieser Stelle etwas idealer vorgestellt hatte, als die Bilder nahelegen.

  • ^ Ich finde bei Fassaden vier Dinge wichtig: Material, Proportion, Gliederung und Verarbeitung. Das Material stimmt bei diesem Entwurf, die Proportionen sind noch okay, wegen der Länge und des gedrungenen Eingangs aber schon grenzwertig. An Gliederung mangelt es zumindest der Linden-Fassade und auf die Verarbeitung kann man nur hoffen. Stilistisch bin ich flexibel: Ich kann mit der neuen Suhrkamp-Zentrale aus Sichtbeton und Metall ebenso etwas anfangen wie mit Noefers Palais Holler am Kudamm. Erstere ist eine zeitgenössische Interpretation der Moderne, letzteres eine Interpretation der Charlottenburger Gründerzeit.


    Zu meinen Lieblingsneubauten in Berlin gehören das TU-Gebäude in der Marchstraße (ebenfalls Nöfer) und der Staab-Bau am Schinkelplatz. Beide arbeiten mit einer zeitgenössisch-schlichten Formensparche, sind aber hervorragend verarbeitet und setzen Gesimse, Fensterrahmen und Material (Backstein bzw. profilierter Spritzbeton) zur Akzentuierung ein. Das sind so die Häuser, bei denen sich bei mir "interesseloses Wohlgefallen" einstellt, ja sogar ein Glücksgefühl.


    Schwierig wird es für mich bei solchen Dingern, wo der Wille zu einer historischen Anmutung einerseits, das Gefühl für Proportionen und die Qualität der Ausführung andererseits meilenweit auseinanderklaffen. Da wird das Ornament zur bloßen Deko und das Ergebnis sieht aus wie ein Weihnachtsbaum mit zuviel Lametta (war früher mehr, ich weiß ;)).


    An die Linden gehört m.E. Naturstein, das ist hier ja auch vorgesehen. Vor- oder Rücksprünge in der Fassade, eine horizontale Gliederung durch Gesimse, Staffelgeschosse oder ein Dach wären wünschenswert gewesen. Ein Highlight wird das Ding nicht, es wird aber auch kein Totalausfall wie sein östlicher Nachbar.


    Im Laufe der letzten Tage bin ich auf diese drei Fotos aus den dreißiger Jahren gestoßen:


    Foto 1Foto 2 Foto 3


    Da stechen zwei Dinge ins Auge: Erstens hätte ich nicht gedacht, dass die westlichen UdL Mitte der Dreißiger so wenig homogen waren. Da sind ja teilweise drei Stockwerke Unterschied in der Gebäudehöhe. Und zweitens – was, bitte, ist mit den Linden los? Die sehen ja alle aus, als kämen sie frisch aus der Baumschule! Ich hätte eher mit hundert Jahre alten Veteranen gerechnet. Weiß jemand, ob die Bepflanzung damals – z.B. aus Anlass der olympischen Spiele – ersetzt wurde?


    So, nun aber Silvester feiern. Guten Rutsch!

  • Auch wenn ich denke, dass eine vormals suboptimale Situtation keine Rechtfertigung ist, um es in Zukunft nicht besser zu machen ...


    Ja, da stimme ich dir zu. Aber, wie ich schon weiter oben schrieb, hätte man schon in den 1990er Jahren damit anfangen müssen, also einen Plan verfolgen und insbesondere die Leitlinien anheben müssen (was man nicht für nötig hielt, evtl. weil es halt auch schon früher unterschiedliche Höhen, Dachformen und Fassadengestaltungen gab) und selbst dann würde man damit wohl auf absehbare Zeit nicht fertig werden.

  • ...was, bitte, ist mit den Linden los? Die sehen ja alle aus, als kämen sie frisch aus der Baumschule! Ich hätte eher mit hundert Jahre alten Veteranen gerechnet.


    Kurz vorher wurde die Baustelle/Baugrube der Nordsüd-S-Bahn geschlossen und danach die Linden neugepflanzt.



    Gruß, Jockel

  • Unbemerkt von uns war ein Architekturwettbewerb zur Sanierung der Komischen Oper ausgeschrieben (https://www.stadtentwicklung.b…hreibungen/komische_oper/), der aber nun aufgrund von Verfahrensfehlern geplatzt ist: https://www.tagesspiegel.de/ku…st-geplatzt/25257646.html .


    Interessant daran ist, dass die Wiederherstellung der ursprünglichen Fassade an der Behrenstraße geplant ist und der Wettbewerb auch eine Bebauung entlang der Glinkastraße und der Ecke Unter den Linden vorsieht. https://goo.gl/maps/mjHcckT7ST9HKzN86


    Ich hatte angenommen, dass die DDR-Fassade geschützt ist, http://www.stadtentwicklung.be…j.php?obj_dok_nr=09065009 .


    So soll die Fassade dann wohl wieder aussehen:

    https://i.pinimg.com/originals…8ac797d00505d198d4ae4.jpg

  • @ Tomov


    vielen Dank für das Teilen dieser Info und deine interessante Zusammenstellung der weiteren Fakten.


    Und ich kann nur sagen: ENDLICH!!! Die Komische Oper ist nämlich nicht nur technisch etwas in die Jahre gekommen, die gesamte äußere Erscheinung dieser Ecke ist Berlin und der historischen Mitte absolut unwürdig. Denn es ist neben dem Bereich der Polnische Botschaft die einzige Ecke Unter den Linden, die heute noch auf dem Stand der 80-er Jahrepräsentiert. Und das kann so nicht bleiben. Daher ist es gut, dass man hier endlich ran geht.


    Der zweite tolle Aspekt in deiner Nachricht ist, dass von der Wiederherstellung der historischen Fassade gesprochen wird. Im Artikel des Tagesspiegel spricht man von der "Sanierung des Stammhauses inklusive einer Wiederherstellung der ursprünglichen, weißen Eingangsfassade". Soll es also tatsächlich zu einer Reko der historischen Fassade kommen, die ja anscheinend zumindest in der Kubatur noch unter der aktuellen Fassade vorhanden ist? Das wäre ja sensationell und mal eine positive Entwicklung in Berlin, denn solche Meldungen gab es in den letzten Jahren höchst selten.


    Gespannt bin ich dann, was man aus dem schmalen Gebäudestreifen an der Glinkastraße macht. Sollte es zur Reko der Hauptfassade kommen, bin ich mir sicher, dass es bei dem modernen Gebäudeflügel einen klaren Bruch geben wird. Ich will da jetzt auch gar nichts gegen sagen, nur wenn es so kommt, dann bitttttte mit einer innovativen Idee. Denn eins braucht diese Stelle nicht, die hunderste Rasterfassade vom Format des Leipziger Platzes, der Ostfassade des Schlosses oder der Polnischen Botschaft.



    Also bitte, wenn modern, dann richtig und nicht wieder dieser langweilige Einheitsbrei der vergangenen 15 Jahre.

  • Sorry, aber Lederer und Lompscher werden ganz sicher nicht an eine Vorkriegs-Reko denken, sondern mit "weisser Fassade" ist wohl die Wiederherstellung der alten Farbgebung der DDR-Version gemeint.


    Wie man dabei auf eine Bauzeit bis 2029 kommt, ist mir allerdings auch eher schleierhaft.

  • Stad1982


    ich hatte das schon befürchtet, weil sonst hätte man sicher von der Vorkriegsfassade gesprochen und bei den aktuellen Entscheidungsträgern, bei denen du Frau Lüscher vergessenn hast, kann ich mir das ehrlich gesagt auch nicht wirklich vorstellen, auch wenn das Gebäude mit Ausnahme der Eingangsfassade ja sehr gut erhalten ist und selbst die Eingangsfassade steht ja zumindest noch teilweise unter der Verblendung.


    Ich hoffe natürlich, dass es vielleicht doch anders gemeint war, aber ich bleibe skeptisch. Wie sah diese weiße Fassade denn aus?