Oper und Schauspiel: neuer Standort / Alternativlösungen?

  • Dem Richter seine Unparteilichkeit abzusprechen, geht gar nicht. Diese Unsitte greift leider wie eine Krankheit um sich. Allerdings stellt sich mir bei derartigen Verfahren schon die Frage, wie man der Meinungsäußerung von so vielen Unterzeichnenden Rechnung tragen sollte. Ich denke, dass es unabhängig von juristisch eindeutigen Formulierungen hier schon ein deutliches Votum gegeben hat. Diese Stimmen ungehört zu lassen, wäre aus meiner Sicht das falsche Signal. Die Frage ist, wie man so etwas besser machen kann. Für irgendein Thema engagierte Menschen haben nicht zwangsläufig Jura studiert, um zu gegebenenfalls komplexen Anliegen absolut wasserdichte Fragestellungen formulieren zu können.

  • Zum ersten Punkt hast du meine volle Zustimmung. Zunächst "sollte man" immer davon ausgehen, dass die Judikative (zumindest in Deutschland) unparteiisch ist.

    Wo du allerdings ein "deutliches Votum" bei 18.000 Unterschriften in Bezug auf mehr als 750.000 Einwohner (ggf. abzgl. Minderjährigen) siehst, ist ggf. erklärungsbedürftig (definiere "viele" Unterzeichner).

    Einmal editiert, zuletzt von skyliner ()

  • Die Forderung nach einem Kostendeckungsvorschlag in der hessischen Regelung des Bürgerbegehrens ist umstritten, in anderen Bundesländern wurde dies wieder gestrichen. Hierzulande steht sie noch drin, also kann das Gericht sie nicht ignorieren.


    Das war der Unterschriftsbogen, der gestern zur Entscheidung stand: "Rettet das Schauspielhaus".


    Der Satz "Es überdauerte den Krieg nur beschädigt" ist eine beschönigende Beschreibung der Tatsache, dass es bis auf die Grundmauern ausgebrannt war; andere Gebäude in diesem Zustand sind als Totalschaden bezeichnet und behandelt worden. Von den ausgebrannten Resten wurden große Teile für den Bau der heutigen Doppelanlage Anfang der 1960er jahre abgerissen. Federn lasse musste die historische Bausubstanz ferner nach dem Opernbrand von 1987, so dass heute noch schätzungsweise 10% der ursprünglichen Bausubstanz vorhanden sind, Inwieweit die unter statischen oder konstruktiven Aspekten brauchbar sind, ist offen. Da hätten sie mal ruhig reinschreiben können, dass sich die Rettung auf diese 10% bezieht und der Rest Neubau ist. Ich hab kein Problem damit, in dem Satz "es handelt(e) sich um das letzte historische Theater Frankfurts" eine Irreführung zu sehen; es handelt sich eben nicht mehr um ein historisches Theatergebäude, sondern um ein zusammengestückeltes Theatergebäude, das noch 10% der ursprünglichen Bausubstanz beinhaltet; wie kann man retten, was es gar nicht mehr gibt?


    Man könnte auch sagen, schlecht gemachtes Bürgerbegehren, sie ham's vergeigt.

  • Ich verfolge die Debatte zu Oper und Schauspielhaus in Frankfurt nur am Rande und will mich da gar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aus anderen Beispielen in Deutschland leite ich nur ab, dass es nach meinem Eindruck schwerer ist, eine juristisch wasserdichte Fragestellung für ein Bürgerbegehren zu finden, als die dafür notwendigen Stimmen zu sammeln. Das finde ich schade.

    Meine Meinung als Außenstehender zum Thema in Frankfurt ist, dass ich es spannend finde, dass im heutigen modernen Baukomplex noch Reste des alten Schauspielhauses erhalten sind. Ich fände es schade, wenn die komplett verschwinden würden und würde sie eher wieder sichtbar machen. Die komplette Rekonstruktion des Gebäudes leite ich daraus aber ganz sicher nicht ab.

  • Der Satz "Es überdauerte den Krieg nur beschädigt" ist eine beschönigende Beschreibung der Tatsache, dass es bis auf die Grundmauern ausgebrannt war

    Da verwechselst Du etwas. Die Alte Oper war bis auf die Grundmauern ausgebrannt - das Schauspielhaus jedoch nicht.

  • tunnelklick: Die Einwände, die du gegen die Formulierungen des Begehrens aufführst, waren die Einwände der Stadt. Diesen Einwänden ist das Gericht nicht gefolgt. Vielmehr wurde als unklar bemängelt, über eine wie weitreichende Rekonstruktion abgestimmt werden soll.


    https://www.hessenschau.de/kul…86-48fd-9c41-f321d6f53de1


    (definiere "viele" Unterzeichner)

    Ich würde das mit anderen Bürgerbegehren in Frankfurt vergleichen. 23.000 Unterschriften hat die Initiative "Klimaentscheid" gesammelt, 25.000 Unterschriften die Initiative "Mietentscheid" (und scheiterte ebenfalls vor Gericht). Wenn man nun in Relation setzt, was für Mega-Themen Klimawandel und Wohnungsmieten sind, finde ich 18.000 bzw. insgesamt 23.000 Unterschriften für das Schauspielhaus schon sehr viel.


    Baukulturelle Themen bewegen sich unter der Wahrnehmungsschwelle der meisten Menschen (leider), aber Rekonstruktionen schaffen es immer wieder, kritische Massen zu mobilisieren. Ohne bürgerschaftliches Engagement wären viele bedeutende Rekonstruktionen der letzten Jahrzehnte nicht möglich gewesen. Ich würde das nicht geringschätzen. Das Gericht hat dies übrigens auch gelobt!


    Ich weiß nicht, ob es möglich ist, einen neuen Anlauf zu nehmen. Dann bekommt die Stadtverwaltung das Thema nicht vom Hals. Nun weiß die Initiative, welche Formulierungen problematisch waren und kann sich darauf einstellen. Manche Städte geben Rechtsberatung, aber auch eine anwaltliche Beratung (die bestimmt im Vorfeld erfolgt war), kann (noch einmal) hinzugezogen werden.


    Dass Stadtverwaltungen, die mitunter selbst Beschlüsse treffen, deren Finanzierung unklar ist, dies bei Bürgerbegehren monieren, wirkt schon seltsam, aber das nur am Rande.

  • Die Alte Oper war bis auf die Grundmauern ausgebrannt - das Schauspielhaus jedoch nicht.

    Hier sieht man ein Bild, dem Haus wurde schon ein Notdach aufgesetzt:


    https://www.schauspielfrankfur…81e09/311/geschichte1.png


    Zum Vergleich die Oper:


    https://www.fnp.de/assets/imag…43085295-1422232-1Ne9.jpg


    Beide Gebäude waren natürlich arg ramponiert und trotzdem erhaltenswert, aber ich weiß nicht, ob das für die heutige Diskussion wirklich so relevant ist.

  • Auch heute noch ist weit mehr als die von Tunnelklick behaupteten 10% Bausubstanz des historischen Gebäudes erhalten. Vom völlig umgestalteten Dach und Innenräumen (zumindest letzteres wäre aber eh auch bei komplett erhaltenem Schauspielhaus zumindest zum Teil gemacht worden) sind das alles noch die original Grundmauern des Gebäudes, teilweise - aber auch nicht überall - hat man den Stuck entfernt, und um alles diese furchtbare 60er-Jahre Fassade drumrumgebaut. Wenn man letzteres entfernt würde das Ergebnis bereits sehr stark wieder dem Zustand im von Ziegel gezeigten Bild ähneln.

  • Nur wurden die Fassaden und die Türme abgebrochen (insbesondere von der Frontseite ist gar nichts erhalten), von daher besteht schon ein deutlicher Unterschied zwischen der vorhandenen Bausubstanz und dem Bild von Ziegel.

  • Ich weiß nicht, ob diese beiden Beispiele mit dem in Frankfurt vergleichbar sind:


    Der Bahnhof in Halle (Saale) bekam 1968 eine neue Fassade und wurde auch im Inneren umgestaltet. 1986 entfernte man die Vorhangfassade und rekonstruierte in den Folgejahren viele Details. Der Bahnhof ist heute wieder sehr schön und beliebt. Eine Initiative bemüht sich um die Wiederherstellung der vorderen Türme.


    Bilder der verschiedenen Zustände unten auf der Seite:


    Bahnhofstürme Halle e.V. (bahnhofstuerme-halle.de)


    Beim Umbau des ehemaligen Konsument-Warenhauses in Leipzig zum Einkaufszentrum "Höfe am Brühl" kam zur Überraschung vieler die Fassade des alten Kaufhauses von 1908 zum Vorschein. Die Bürgerinitiative zum Erhalt scheiterte und der Denkmalschutz lehnte die Idee des Bauherrn ab, einen einzelnen Fassadenabschnitt in den Neubau zu integrieren. Problem war, dass die vorgehängte Aluminiumfassade von 1966 inzwischen Denkmalschutz genoss.


    Ehem. Konsument-Warenhaus Leipzig (Blechbüchse, Höfe am Brühl, Stadt Leipzig) › Artikel, Artikel & Berichte (architektur-blicklicht.de)


    In beiden Fällen ist auffällig, wie viel alte Bausubstanz noch vorhanden war. Man erzielte eine moderne Optik der 1960er mit möglichst einfachen Mitteln. Ob das 1963 in Frankfurt so viel anders war? Hat jemand Fotos von der damaligen (Um-)Baustelle?


    Die abgebrochene Hauptfassade wiegt natürlich schwer, aber in der Zeit um 1900 hat man alle Fassaden, auch die rückseitigen, aufwändig gestaltet.