Lehrter Stadtquartier & Hauptbahnhof Umfeld

  • Ein zu Beton gewordener verstummter Aufschrei. Drei Kisten, die anmuten wie überdimensionierte Grablegen auf einem Friedhof. Sie stehen zusammen, als wollten sie mahnen und protestieren zugleich. Die Inschrift könnte lauten: „Hier ruhen in Frieden die Fantasie und der Ideenreichtum Berliner Stadtplanung und Baukunst“. Ich wende mich ab mit Grauen. Die BND-Zentrale hätte hier gut her gepasst und ihren langweiligen Kontext gefunden.


    Am Hauptbahnhof meines Zweitwohnsitzes Hamburg sieht’s doch ein klein wenig anders aus. Auch wenn dort nicht alles perfekt ist, so kann man sein Umfeld nicht mit dem des Berliners vergleichen. Das Hauptbahnhof-Umfeld-Argument weiter oben kann ich so nicht gelten lassen.

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    -Köln: hat neben Frankfurt/M das meiner Meinung nach dreckigste und unstrukturierteste Bahnhofsumfeld in ganz Deutschland mit dieser komischen Zelthalle. Die eine Seite mit dem Tunnel und dem Dom ist ganz nett, aber dann wars das auch.
    -Hamburg: große Verkehrsadern durchschneiden das Bahnhofsumfeld, für Fußgänger eher ungemütlich, vor allem zum ZOB.
    -München: schönes Bahnhofsumfeld, wenn auch ein wenig eng, aber mit vergleichsweise guter Architektur.


    Wenn Reisende aus dem Berliner Hauptbahnhof kommen, sind die meisten erstaunt, weil sie ein ganz anderes Bahnhofsumfeld erwartet haben. Anstatt mitten im Großstadttrubel zwischen hohen Bauten zu stecken, hat das Umfeld des Hauptbahnhofs fast schon Urlaubscharakter. Man denke an den Bundespressestrand, auf dem jetzt das BMU steht. Man läuft über einen großen Platz, dann über die Holzbrücke auf eine große grüne Wiese. Die elegant geschwungene Spree schafft alleine schon eine hohe Aufenthaltsqualität. Auf der Seite zur Europacity ist zwar eine gefühlte Ewigkeit lang Baustelle, aber auch da bin ich ganz zuversichtlich.


    Und die andere Seite sah bis vor kurzem noch so aus: http://www.ksta.de/image/view/…81219315296081%252529.jpg

  • es fällt hier immer wieder das Wort verfehlte "Stadtplanung".
    Dabei wird in Berlin schon lange keine "Stadt" mehr geplant.
    Es werden lediglich Freiflächen bebaut.


  • -Hamburg: große Verkehrsadern durchschneiden das Bahnhofsumfeld, für Fußgänger eher ungemütlich, vor allem zum ZOB.


    Breite Straßen sind dem autogerechten Wiederaufbau der Städte geschuldet. Wo gibt es die nicht? Am Berliner Hauptbahnhof gibt es nichts, was mich motivieren könnte, dort Halt zu machen. Deinen Lobpreis teile ich nicht. Vielleicht wird es irgendwann mal besser. Kann man diesem Viertel nur wünschen. Architektonisch ist es eine Schlaftablette.


    In Hamburg bin ich sehr gerne in der Mönckeberg- und auch Spitaler Straße (Thalia-Buchhandel). Überhaupt kein Vergleich mit Berlin. Kennst du auch diese Seite des Bahnhofsumfeldes in HH oder nur den ZOB? Falls du nur den Weg zum ZOB kennst, dann kann ich dich ein wenig verstehen.

  • Ich finde die Kritik überzogen. Die Häuser sind qualitativ nicht schlecht. Richtig mies ist natürlich das Meiniger. Am besten hingegen das Steigenberger. Mit den Büro-Blöcken entsteht schonmal keine Hotel-Monokultur. Etwas bedrückend und unbefriedigend ist allerdings die Monotonie, die die großen Blöcke ausstrahlen.


    Ich glaube, dass man aus dem Zustand etwas machen kann, wenn man weiter konsequent verdichtet und damit eine hoch-urbanisierte Struktur schaft. Zu den Bahngleisen hin wäre dafür z.B. Raum. Auch unter den Bahngleisen sind große Flächen, die Nutzungsraum für mindestens zwei Stockwerke geben. Hier sollte alles zugebaut werden. Je weiter man sich von der Spree entfernt, desto mehr könnten punktuell auch höhere Bauten entstehen. Da ist wirklich noch jede Menge Platz. Wenn dieses ^ Quartett in eine solche Umgebung eingebettet ist, erscheint es glaube ich sogar sehr gelungen. Dafür müssten zunächst alle geplanten Baukörper kommen und dann eine zweite Verdichtungswelle. Hier ist einfach immer noch zuviel Wüste. Auch für den Spreebogenpark würde ich mir eine weitere Bebauung wünschen (wie von einigen vorgeschlagen).


    Den kleinen Ulap Park könnte man m.E. gerne für zwei Wohntürme (ähnlich wie Max und Moritz) roden. Kleine und größere Parks gibt es hier genug.


    Dieses meine ich auch als grundsätzlichen Beitrag zu Brachen und Verdichtungsbedarf in Berlin. Hier könnte und sollte ein Stadtzentrumsbereich entstehen, der eine vergleichbare Dichte wie in London oder zumindest in Paris aufweist. Die Verkehrsinfrastruktur ist da und mit dem Tiergarten auch jede Menge Grün und sogar Wasser. Ein guter Kontext für echte Berliner City. Dafür müsste der Beton aber noch weit stärker fließen.


  • In Hamburg bin ich sehr gerne in der Mönckeberg- und auch Spitaler Straße (Thalia-Buchhandel). Überhaupt kein Vergleich mit Berlin. Kennst du auch diese Seite des Bahnhofsumfeldes in HH oder nur den ZOB? Falls du nur den Weg zum ZOB kennst, dann kann ich dich ein wenig verstehen.


    Ich kenne alle Seiten, da ich mehrmals um den Bahnhof gelaufen bin.
    Für mich zählt zu einem guten Bahnhofsumfeld eine gute Infrastruktur - sowohl für Fußgänger, Busse, Taxis und Individualverkehr. Was bringt es mir, wenn der Bahnhof urban verdichtet zugebaut wurde? Viel sinnvoller sind schöne, große Plätze wie in Berlin, auf denen sich der Reisende frei fühlen kann, nachdem er in seinem engen Zug saß.
    Tja, das Berliner Bahnhofsumfeld braucht halt keinen Thalia, denn der ist ja schon im Hauptbahnhof.
    Und im Vergleich zu Köln, Hamburg etc. ist die Architektur am Berliner Hauptbahnhof doch gar nicht so schlecht.

  • JanM. Restrigo


    Auf der einen Seite kritisierst du die breiten Straßen am Hamburger Hauptbahnhof, ich zitiere:


    „große Verkehrsadern durchschneiden das Bahnhofsumfeld, für Fußgänger eher ungemütlich, vor allem zum ZOB.“


    Auf der anderen Seite rufst du nach, ich zitiere: „eine gute Infrastruktur - sowohl für Fußgänger, Busse, Taxis und Individualverkehr.“


    Was willst du eigentlich? Das klingt mir sehr nach mal hü und mal hott.

    Von der Infrastruktur und Lebendigkeit der verkehrsberuhigten Mönckebergstraße und der Fußgängerzone Spitaler Straße kann das Umfeld am Hbf Berlin nur träumen. Was nicht heißen soll, dass nicht Träume auch mal in Erfüllung gehen. Architektonisch muss sich Berlins Bahnhofumfeld aber noch gewaltig anstrengen, um mit den Geschäftsstraßen des alten Hamburg mithalten zu können.


    Für dich ist das Umfeld des Hamburger Bahnhofs für Fußgänger eher ungemütlich, preist aber die freien zügigen Räume in Berlin als Erholung an. Du weißt nicht, was du willst. Vielleicht solltest du dich mal entscheiden. Auch ist es wohl Geschmackssache: Ich brauche keine weiten unübersichtlichen Plätze nach einer Bahnfahrt, noch brauche ich sie überhaupt in der Stadt.


    Die City am Hbf Berlin hat gewaltiges Potential, momentan aber ist es eher eine Friedhofstraurigkeit.

  • Schön am Berliner Hauptbahnhof ist der Ausblick von den Oberen Ebenen durch die Glaswand. Aber der Bahnhof selbst ist ja in der Regel nicht das Ziel der Reise. Wenn das Regierungsviertel bzw. eine Veranstaltung dort das Ziel ist, dann ist der Fußweg dorthin über die Spree natürlich schön. Und man kann sich im Sommer zwischendurch in einem Liegestuhl an die Spree legen usw.


    Wenn Einkaufen das Ziel ist so muss man in Berlin eben eine Station vor dem Hauptbahnhof aussteigen oder bei ICE Ankunft eben eine Station zurück fahren. In Hamburg kann man direkt zu Fuß einkaufen gehen. Allerdings ist das Einkaufsangebot in Berlin auch ungleich größer als in den anderen deutschen Städten, so dass man ohnehin zwischendurch U-S-Bahn fahren muss um alles mal gesehen zu haben.


    Der Weg zum Wasser ist vom Berlin Hbf kurz aber es fehlt noch ein attraktives Gastronomieangebot am eben noch nicht umbauten Humboldthafen. Nördlich des Bahnhofs ist bisher auch nur eine Hauptverkehrsstraße und viele Baustellen. Naja.

  • Vom Hamburger Hauptbahnhof aus ist eigentlich alles in wenigen Gehminuten erreichbar. Städtebaulich einzuordnen ist er wie der Bahnhof Alexanderplatz und der Bahnhof Zoo. Also mitten in der Stadt. Beim Hauptbahnhof Berlin ist die Frage: Wo soll die Reise hingehen? Eine reine Bürostadt kann kein Alexanderplatz sein. Will sie vielleicht auch gar nicht.


  • Dann hast du mich nicht richtig verstanden. Natürlich braucht ein Hauptbahnhof auch für Individualverkehr gute Infrastruktur. Aber das muss doch kein Widerspruch zu einer hohen Aufenthaltsqualität für Fußgänger sein! Berlin zeigt, dass es geht - Taxis, Fußgänger, Busse UND Individualverkehr kommen gut miteinander aus und stören sich kaum.
    Am Berliner Hauptbahnhof gibt es eine große Hauptstraße mit Taxis, Bus- und Tramhaltestelle und auf der Seite zum Washingtonplatz genug Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer. Autos können unterirdisch parken.


    In Hamburg dagegen gibt es nicht nur eine große Straße, sondern gleich vier (!), zwei davon sechs(!!!)spurig, die den Hauptbahnhof an allen Seiten von der Umgebung trennen.
    Nur wenige Linienbusse halten direkt am Hauptbahnhof. Den einzigen halbwegs großen Bahnhofsvorplatz gibt es an der Kirchenallee, dieser ist jedoch komplett mit Autos und Taxis zugeparkt. Die Seite zur Steintorbrücke ist die unfreundlichste Seite für Fußgänger. Radfahrer und Fußgänger teilen sich hier einen wenige Meter schmalen Weg an einer viel befahrenen sechs(!)-spurigen Straße.
    Das ist mir in Hamburg selbst für mich als Auto-Enthusiasten alles etwas zu Auto-lastig gebaut.:Nieder:

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    Gehe ich über die Fußgänger-Ampel Glockengießerwall, komme ich in die Spitaler Straße. Da haben Fußgänger Ruhe vor dem Autoverkehr und auch die Mönckebergstraße ist erträglich. Hamburgs Bahnhofsumfeld hat viele Gesichter. Und Straßen muss es hier einfach mehr geben, weil der Bahnhof zentral liegt, anders als der Berliner. Mit den überbreiten Straßen haben unsere Väter uns in der Tat ein übles Erbe hinterlassen, da hast du recht. In Berlin gibt's die ja auch reichlich in zentraler Lage wie an Molken- und Spittelmarkt.


    Der riesige Vorplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof ist ebenso ein Unding wie die Leere am Fernsehturm. Nicht wirklich von praktischem Nutzen. Im Sommer bei schönem Wetter vielleicht.

  • So unterschiedlich sind die Eindrücke. Mit hat der große Washington Platz vor dem Hbf sehr gefallen. Auch die scheinbar ruhige Lage. Das ist alles durchdacht. Zusammen mit der Spree und den anliegenden Parks am Regierungsviertel entsteht damit eine sehr gemütliche Urbanität. Wenn der Hbf quasi mit seinem Gebäude bis an die Spree ragen würde, wäre alles futsch. Ein Debakel.
    Nur die Ruhe täuscht natürlich, weil man ja von allen Seiten her die Bundesregierung sieht.


    Aber die Tram Station, bzw den Vorbau, da hätte ich doch 2 Stationen nebeneinander erbaut. Die Strasse hätte man halt an dieser Stelle zu jeder Seite ein paar Meter versetzen müssen.

  • Ich hab mir den Platz auch angesehen und für mich war das mal wieder eine der ganz großen verpassten Chancen. Was wird nicht immer lamentiert seitens der Architekten, man bekäme ja überhaupt keine Chance, mal zu zeigen, was möglich wäre, weil irgendwelche Regeln wie z.B. UdL etc. zu starke Restriktionen setzen würden.


    Hier hatte man die Chance und ist krachend gescheitert. Was wäre hier alles möglich gewesen. Und was ist letztlich rausgekommen. Eine Ansammlung architektonischer Banalitäten und das an einem potenziell so herausragendem Baugrund. Direkt am Bahnhof, an der Spree, in Sichtweite zu Kanzleramt und Reichstag.


    Und dann kommt solcher Durchschnittsrasterbrei von der Stange raus, dem man jetzt schon ansieht, dass er in 25 Jahren dem Abrissbagger zum Opfer fallen wird. Ich bin maßlos enttäuscht, wie uninspiriert man hier die Chance auf ein wirklich modernes und herausragendes Stadtquartier verspielt hat.

  • Ich verstehe diese ganze Miesepetrigkeit nicht. Schließlich hat Frau Lüscher bei der Grundsteinlegung so schön folgendes zu Protokoll gegeben:


    "Ohne Regel keine Freiheit; die vier Bauten am Washingtonplatz bilden durch klare Regeln in Höhe, Farbe und Zuschnitt ein kleines Quartier, eine Einheit, die dem gläsernen Solist Bahnhof einen Rahmen gibt. Die Freiheit nimmt sich jeder der vier, in dem das übergeordnete Thema variiert wird. Das macht die Stadt aus, Regeln und Variationen der Regel


    Na also...das macht eine Stadt in der Vorstellung von Frau Lüscher aus. Und die Dame ist immerhin Senatsbaudirektorin!


    Sarkasmus "off"

  • So wie sie es beschreibt wird es doch schon ewig gemacht. Wenn eine Häuserzeile relativ zeitnah gebaut wird so wird meist nur ein Thema variiert. War schon bei Fachwerkhauszeilen anno 1500 so.


    Ich bin vorhin dort vorbei gegangen und man sieht ja deutlich die Ähnlichkeiten der beiden Hotels und des Kennedyhauses in Material und Gestaltungsmerkmalen. Sie passen jedenfalls optisch zusammen. Ob einem der Baustil gefällt ist dann wohl Geschmackssache.

  • Zwei Fotos

    Es kommt auf den Fotos nicht so gut rüber. Die Fassung die der HBF durch die aktuell enstehenden Neubauten bekommt, wirkt sich von Süden kommend sehr positiv aus. Es hat schon was:



  • ...und wenn dann auch noch die Bäume vor den Häuserblocks in 20-30 Jahren eine ordentliche Grösse haben, wirds zusammenhängender wirken.

  • ^ Ganz witziges Arbument an sich. Warte einfach, bis man weniger sieht von dem Ensemble, dann sieht man auch weniger Schlechtes. Haben sich die Architekten vielleicht auch gedacht. "Ist doch egal, wie es aussieht. In ein paar Jahrzenhten stehen doch sowieso große Bäume davor."

  • Ist aber ernst gemeint.
    Nur die Gebäude darf man nicht betrachten, hier gibt es einen Platz mit Baumblöcken als Einfassung. Die leisten bald einen erheblichen Teil der Platzqualität.


    (entschuldigt aber nicht für die anspruchslose Gestaltung einiger Bauten dort)