Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • ^^ Auch wenn ich ursprünglich nicht von der Idee der Schlossrekonstruktion begeistert war, finde ich heute, dass das Schloss rekonstruiert werden muss um die Wunde in der Stadt die sich druch die Sprengung aufgetan hat wieder zu schlieesen. Für einen modernen Neubau in der selben Kubatur gibt es meiner Meinung nach leider keine besonders gelungende Referenz. Zwar wäre etwas in der Art des Guggenheim Bilbao ganz interessant geworden, aber diese Art von Neubau isolieren sich optisch mehr von der Nachbarbebauung als es an dieser Stelle nötig wäre. Man möchte eine Wunde schliessen und nicht konservieren...



    ElleDeBE: Architektur ist sehr wohl mit sowohl mit Psychologie und Politk verbunden, für das Berliner Stadtschloss gilt dies umso mehr als für irgendeinen beliebigen Neubau in einer beleibigen Stadt. Du möchtest doch nicht ernsthaft die Symbolhaftigkeit des Schlosses abstreiten?



    Passivität angesichts einer politischen (neoliberalen) Dauerpropaganda


    Mal abgesehen, dass der Begriff 'neoliberal' eine ziemlich abgedroschene und einfältige Phrase ist, verstehe ich nicht inwiefern sich diese auf die Situation hier bezieht. Meiner Erfahrung nach korelliert die Benutzung dieser Phrase mit Bezügen auf Weltverschwörungsparanoia und antikorelliert mit der Belegbarkeit der aufgestellten Behauptungten.

  • @ Saxonia, @ necrokatz: Es stimmt, das Schloss ist Gegenstand von Politisierungen, hier lässt sich die Trennung Politik/Architektur nicht vollziehen. (Ich finde übrigens, dass diese politisch-historische Dimension, auch die Konflikte, die auftauchen und sicher noch auftauchen werden, hochinteressant - und für, nicht gegen den Wiederaufbau sprechen.)


    Was ich aber wirklich nicht mehr ertrage, sind diese gebetsmühlenartig und in jedem beliebigen Kontext vorgetragenen und wiederholten Invektiven von necrokatz gegen alles, was sie irgendwie als links betrachtet. Da diese Politisierungen zu Gegenpolitisierungen verführen, steht man immer wieder vor dem Dilemma: Einerseits will man politische Deuerpropaganda nicht unkommentiert kassen, andereseits will man sich im Interesse der Sachdiskussion nicht darauf einlassen. Das ist auf Dauer unbefriedigend. (Und sorry, necrokatz, das in der Tat zumeist phrasenhaft verwendete Wort neoliberal bezeichnet die von Dir vorgebrachten Positionen sehr präzise.)

  • Es ist daher tatsächlich die Linke, die mit dem Wiederaufbau eine "Renaissance des Wilheminismus" auszumachen versucht. Was allein schon durch die Tatsache, dass das Schloss architektonisch kaum etwas kaiserliches an sich hat, völliger Unsinn ist.


    Ich habe neulich auch ein negatives Statement von einer Grünen gelesen. Ich glaube in dem Spiegel-Online-Artikel anläßlich angeblicher Turbulenzen und Schwierigkeiten. Mir ist dieses linksfolkloristische Gegendeppern auch ein Dorn im Auge - gerade auch weil ich selber dort eher politisch stehe. Die Gegner können ja gerne für einen Alternativbau plädieren, aber man holt immer wieder dieses krude Pappargument hervor, daß man damit dies und jenes wiederbelebe und sich mit diesem und jenem gemein mache.


    Ich halte diese politische Verunreinigung für sehr unpassend, obwohl man gerade als Linker auch so argumentieren könnte: Schaut her, jetzt Wilhelm ohne Monarchie, alle dürfen rein, außereuropäische Kulturen, Bibliothek etc.


    Eigentlich müßten Linke hellauf begeistert vom Schloß sein. Es ist aber leider für viele nur ein Anlaß, einen auf linke Folklore zu machen. Das ist das, was mich nervt. Diese ideologischen Schaukämpfe.

  • In der Berliner Zeitung gibt es mit dem Kolumnenbeitrag von Volker Heise die nächste Breitseite gegen die Stadtschlossreko.
    Das Schloss sei von gestern und stelle keine Zustimmung zur Gegenwart dar. Seiner Meinung nach hätte sich der Platz für Bauten wie dem Phaeno in Wolfsburg oder das Centre Pompidou in Paris besser geeignet.
    Die Kosten würden sowieso explodieren und in 30 Jahren würde die Clubszene das Gebäude erobern.


    Artikel Berliner Zeitung

  • Diese beiden Beispiele sind ja wohl nicht ernst gemeint? Ich weiß garnicht, was am Centre Pompidou so toll sein soll. Das Ding sieht aus wie ein Kraftwerk in dr Lausitz. Schade, daß in den Medien solch ein Geschmack zu herrschen scheint, anstatt sich zu freuen, daß eine sozialistischer willkürlicher Abriss beseitigt wird.

  • ^ Das mit der Clubszene ist ja nur für den dümmlich-fiktiven Fall gemeint, dass das Schloss nur aus Fassaden gebaut und dann dem Verfall überlassen würde.


    Die Meinung (mehr ist es ja nicht und wir haben Meinungsfreiheit) des Kolumnenschreibers kann man akzeptieren und - je nach Standpunkt - auch nachvollziehen, nur finde ich den wenig sachlichen und angestrengt ätzenden Stil misslungen.


    Ansonsten wird man mit häufigen Gegenmeinungen und -artikeln leben müssen. Der Schlossbau ist nun mal sehr umstritten, auch wenn die Entscheidung gefallen ist. Die angestrebte architektonische Umsetzung (Alt/Neu/Modern/Reko/Unvollständig-Mix) und die geplante Nutzung sind nicht optimal und stellen mäßige Kompromisse dar. Die Gesamtfinanzierung speziell der historischen Elemente ist nicht gesichert.


    Ich bis auch alles andere aus überzeugt und rechne ebenfalls mit massiven Bauverzögerungen, Kostensteigerungen und einem nur bedingt überzeugenden Ergebnis. Da der Drops aber gelutscht ist, sehe ich dem Bau nun positiv entgegen und bin gespannt, wie (und wann) er wird.


    (Nebenbei bemerkt: den Hype einiger Leute um das Centre Pompidou habe ich auch nie verstanden.)

  • Seit BER und Staatsoper ist es in, bei jedem Projekt die Gefahr explodierender Kosten heraufzubeschwören. Ein Argument ist es deshalb noch lange nicht, nur Polemik. Ich als Nichtexperte und interessierter Laie frage mich, welche Anzeichen denn darauf hindeuten, dass der beschlossene Kostenrahmen ganz bestimmt extrem überzogen wird. Bei vernünftiger Planung und vernünftiger Steuerung und Überwachung dürfte das nicht passieren. Warum sollte man davon ausgehen, dass nicht vernünftig geplant wurde und nicht genauso vernünftig gesteuert und überwacht wird? Außerdem ist es ein Neubau und kein Bauen im Bestand, unplanbare Überraschungen dürften eigentlich nicht mehr auftreten. Oder sehe ich das zu positiv?

  • Damit distanziert sich der Spiegel erfreulicherweise etwas von der tendenziösen Berichterstattung der letzten Tage und der Mär, dass das Schloss im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, was im Prinzip SED-Propaganda in Reinkultur ist. Unfasslich, was noch alles erhalten war und nur ideologischen Gründen geopfert wurde.


    Also, ein paar Spuren hat der Krieg dann doch hinterlassen. Das Schloss war durchaus beschädigt, wie man unschwer an den Bildern erkennen kann.

  • ^^ Das bestreitet neimand. Für die Entscheidung der kommunistischen Diktatur, das Schloss zu sprengen war dies aber wohl eher nebensächlich.

  • ° Ursächlich für das Verschwinden des Schlosses war die erste, faschistische Diktatur in Deutschland. Und sonst Niemand. Das dann die SED die Reste sprengen ließ, war die zweite Barbarei.

  • ^ Lieber DerBe, da widersprichst Du Dir aber in einem einzigen Satz selbst. Wie war es denn nun?
    M.E. war die Sprengung der Reste auch Teil des Verschwindens; oder etwa nicht?

  • Lieber Rotes Rathaus, ich vermute, dass das Schloss in seiner vollen Pracht noch stehen würde, hätte es den vom dritten Reich begonnenen Krieg nicht gegeben. oder etwa nicht?


    Ich zitiere mal den User RMA: " und der Mär, dass das Schloss im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, was im Prinzip SED-Propaganda in Reinkultur ist."

  • Nicht, weil die Nazis den Krieg begonnen haben, sondern weil sie ihn verloren haben...
    (aber wer weiß, was Albert Speer noch gemacht hätte)

    Was ich damit sagen will: man kann je nach Weltanschauung eine Grundursache für die endgültige Zerstörung aussuchen. Es waren nicht nur die Nazis und der Krieg, sondern auch die preußenfeindliche Haltung der DDR-Regierung um Ulbrecht und Co.

  • Nicht zu vergessen, dass das Stadtschloss sogar weniger zerstört war als das Schloss Charlottenburg. Auch dieses sollte noch nach dem Willen des Nachkriegsmagistrats abgerissen und durch einen „Wohnungsbau für Arbeiter“ ersetzt werden. Erst der unermüdliche Einsatz von Hans Scharoun und schließlich Margarete Kühns sorgte für den Erhalt und der Rekonstruktion des Schlosses.


    Auch für den Erhalt des Stadtschlosses setzten sich beide ein. Scharoun schaffte es schließlich den vor allem kommunistisch besetzten Nachkriegsmagistrat dazu zu bringen Geld für erste Instandsetzungsmaßnahmen freizugeben. Es fanden sogar wieder Ausstellungen im Weißen Saal statt. Dann folgte die Teilung Deutschlands und damit auch Berlins und das Unheil nahm seinen Lauf.


    Insofern ist die These, das Schloss wurde vor allem aus ideologischen Gründen abgerissen, durchaus korrekt. Auf 32 Millionen Mark schätzte ein damaliges Gutachten die Wiederaufbaukosten. Doch stattdessen gab man lieber 8 Millionen für den Abriss aus.

  • Es ist lobenswert, dass Bato auf die Position des Stadtbaurates Hans Scharoun hinweist. Kennt man das sonstige Schaffen Scharouns, ist sein Einsatz für den Bestand beider Schlösser schwer zu verstehen. Nachvollziehbar wird dies erst nach dem Studium des sog. "Kollektivplan" von S., der einen flächenhaften Abriss des gesamten Gebietes zwischen Alexanderplatz und Spree vorsah. Wie jeder Sachverhalt gibt also hier zwei Seiten: die Radikalität der Abrissvorschläge bedingten den Einsatz für einige wenige, bauhistorisch bedeutsame Bauwerke.


    Das Schloß Charlottenburg, so meine These, ist vom Westberliner Senat nur gerettet worden, weil Ulbricht das Berliner Schloß sprengen liess. Ohne diese Fanal sozialistischer Kulturbarberei mit der entsprechenden internationalen Perzeption wäre das Schloß Charlottenburg wohl auch abgebrochen wurden, wie die monarchischen Repräsentationsbauten in Hannover, Braunschweig und vielerorts im Westen mehr.


    Der Kollektivplan von Hans Scharoun 1946:



    (C): AKG, Berlin


    1957 dachte Scharoun auch radikal, hier der Ausschnitt für die Kernstadt: Schloß, Dom - wech. Da sind nur noch Rotes Rathaus, Marien- und Nikolakirche. Das Orangene sind Stadtautobahnen, aufgeständert mit Auffahrten.



    (C) AKG, Berlin

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  • Das Schloß Charlottenburg, so meine These, ist vom Westberliner Senat nur gerettet worden, weil Ulbricht das Berliner Schloß sprengen liess. Ohne diese Fanal sozialistischer Kulturbarberei mit der entsprechenden internationalen Perzeption wäre das Schloß Charlottenburg wohl auch abgebrochen wurden


    Könnte sein. Jedoch wurde dem Schloss Charlottenburg durch britischer Militärorder bereits 1946 der Status eines Befehlsbaus gegeben womit schon frühzeitg die Instandsetzung beginnen konnte.

  • Das war ja mit dem Berliner Schloß nicht anders. Die Russen wollten es nicht abreissen, das haben wir Deutsche schön selbst verbrochen.

  • ° Ursächlich für das Verschwinden des Schlosses war die erste, faschistische Diktatur in Deutschland. Und sonst Niemand. Das dann die SED die Reste sprengen ließ, war die zweite Barbarei.


    Weder das eine, noch das andere sind in irgendeiner Weise geeignet, den späteren Zustand zu rechtfertigen. Das Humboldtforum wird eben auch deshalb in dieser Form errichtet, weil die Bundesrepublik Deutschland sich nicht in jene Tradition der kulturellen und zivilisatorischen Barbarei stellen will.



    1957 dachte Scharoun auch radikal, hier der Ausschnitt für die Kernstadt:


    Bizarr... offensichtlich hatte er wohl vor allem die großflächige Aufforstung der Innenstadt im Sinn.

  • Wirklich gruselig die Vorstellung, daß die gesamte Innenstadt aussehen würde, wie das Areal der Philharmonie.


    Nein, das ist mir zu extrem und divergierend: viel Bäume, vereinzelte Bauten, Autobahn.
    Richtig ist, daß wir keine Wilhelminischen Mietskasernen brauchen, aber meiner Meinung Blockränder orientierend an den Strukturen der Vorkriegszeit (eigentlich eher Weimarer Republik, die Nazis haben ja sich ja auch nicht um alte Strukturen gekümmert->siehe Germaniapläne) schon eine gute Sache ist. Sowohl eine gewisse Tradition, als auch Verdichtung verbunden mit durchaus moderner Architektur ist eine gute Melange, die Berlin gut steht. Da hat man in Ost und West viel zu viel anders gemacht.