Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Im Rahmen des von Prof. Barbara Hoidn (School of Architecture at the University of Texas at Austin) und Prof. Benedict Tonon (Universität der Künste Berlin) initiierten Hochschulprojektes "Off the Records: Maßnehmen am Marx-Engels-Forum" entstand 2009 übrigens dieser am Champ de Mars orientierte Entwurf:



    Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt



    Das begeistert mich, so stelle ich mir eine repräsentative Bundeshauptstadt vor! Auch die Brückenfunktion zwischen Alt und Neu springt einem geradezu in's Auge meine ich! Das wäre eine richtig gelungene Lösung. Ist das in der Versenkung verschwunden oder wird das auch tatsächlich so oder so ähnlich diskutiert?

  • @Architektator


    Ja genau, das ist der Entwurf den ich meinte mit den beiden Häuserreihen entlang der Längsachsen. Sehr schön repräsentativ kann ich mir das vorstellen.

  • Die räumliche Idee des Champ de Mars in Paris ist doch universell, für Solitäre wie den Eiffelturm oder eben den Fernsehturm Berlin! Aus keiner Perspektive wirkt der Eiffelturm beeindruckender, als wenn man von der Statue auf dem "Place Joffre" über das Marsfeld auf den Turm zuläuft. Eine richtige Hans-Kuck-in-die-Luft Spazierstrecke. Und bei schönem Wetter sehr belebt, überall Sitzgrüppchen und Sonnenanbeter auf dem Rasen. Solche prominenten öffentlichen Treffpunkte für Menschen jeder Facon sind doch wichtig für jede Metropole.


    Ein wirklich vergleichbares Gegenstück dazu mag mir in Berlin spontan nicht einfallen. Die dortigen Grünzüge sind leider entweder relativ ungestaltet wie der Tierpark, öde wie die leidlich gepflegte Wiese vor dem Bundestag oder eben kommerziell bespielt, wie irgendwelche Strandbars. Eine gärtnerisch gefasste, attraktive und zentrale Grünachse fehlt Berlin einfach. Der Lustgarten ist ein schönes Beispiel dafür, wie es aussehen kann. Aber er ist doch vergleichsweise klein und bildet keine städtebauliche Achse.

  • Ich kann mir zwischen Stadtschloss und Fernsehturm sowohl ein Champ de Mars nach Pariser Vorbild als auch eine kleinteilige Bebauung auf historischem Grundriss mit einem als Traditionsinsel konzipierten Neuen Markt an der Marienkirche vorstellen.

  • ^^
    Die Idee die Blickachse zwischen Fernsehturm und Schloss durch eine Randbebauung zu betonen ist ja sehr naheliegend und wurde hier auch schon häufiger diskutiert.


    Viele Traditionalisten mögen es aber nicht weil es dann nicht "wie früher" wäre, weil es den DDR-Fernsehturm und die DDR-Stadtplanung aufwerten würde, weil die Ostfassade des Humboldtforums relativ schlicht gestaltet ist und es keine Fußgängerbrücke über die Spree gibt, weil eine symmetrische, parallele Bebauung irgendwie (DDR) totalitär wäre. Hätten es die alten Preußen schon so gemacht wäre es natürlich toll und voll in Ordnung, müsste wieder hergestellt werden... . Naja, usw.


    Rotes Rathaus und Marienkirche heben die strenge Symmetrie auf und sind vermutlich auch ein Grund für die zweite vordere Reihe mit kleineren Klötzchen im Entwurfsbild. Wobei so ja auch eine aufsteigende Reihe zur den größeren Blöcken und den hohen Scheibenhäusern dahinter entstehen würde.

  • Wo gibt es in Berlin denn schon eine gärtnerisch hochwertig gefasste, grüne Sichtachse, die alleinig Flaneuren vorbehalten ist und nicht durch Straßenverkehr genutzt oder gestört wird? Blickt man beispielsweise vom Brandenburger Tor zur Siegessäule, dann sieht man v. a. grauen Asphalt und Verkehr. Nach dieser Definition wäre jede große Ausfallstraße in einer Stadt bereits eine Sichtachse.

  • Wie willst Du denn nahe des Alexanderplatzes eine "gärtnerisch hochwertig gefasste, grüne Sichtachse, die alleinig Flaneuren vorbehalten ist und nicht durch Straßenverkehr genutzt oder gestört wird" bauen? Das ist doch lachhaft! Die bisherigen Erfahungen zeigen, dass eine stündliche Polizeistreife zur Abwehr von Gefahr für Leib und Leben sinnvoll ist. Ich habe da lange genug gewohnt. Flaneure? Kotztüten kannst du da samstags verteilen und gleich die Scherbenmeere beseitigen. Schau dir doch den Platz vor dem Eingang des Fernsehturmes an: kein Jahr als und sanierungsreif.


    Wenn man hier so mitliest hat man den Eindruck, dass sich die meisten Forianer die Gesellschaft zu ihren Träumen gleich mit dazubasteln. Ich merke nur an: die ist schon da.


    Ich sprach von Staatsachse, und die gibt es einmal in der Ostwestachse und im Band des Bundes. Da braucht's zur Repräsentation keine dritte.


    Die einzige echte Alternative zum Status quo ist die gemischte Stadt, die in ihrer Funktionsweise inkl. Sozialkontrolle wieder ein urbanes, lebenswertes Umfeld schaffen kann.

  • Wo gibt es in Berlin denn schon eine gärtnerisch hochwertig gefasste, grüne Sichtachse, die alleinig Flaneuren vorbehalten ist und nicht durch Straßenverkehr genutzt oder gestört wird?


    Die Frage ist doch wohl eher - warum sollte man das in Berlin brauchen und vor allem wieso ausgerechnet an dieser Stelle? Letztlich ist auch das nichts anderes als ein weiterer Versuch die Vergangenheit mit möglichst stadtfeindlichen Mitteln unsichtbar zu machen. Ahistorisch, beliebig, identitätsverleugnend.

  • Konstantin
    Warum soll in Berlin nicht möglich sein wofür Du dich Potsdam mit soviel Leidenschaft einsetzt? Von der "ahistoritalität" wie tel es nennt einmal abgesehen. Ich glaube nicht, dass es in Potsdam ein kleineres Vandalitätsrisiko gibt, zumal der Potsdamer Lustgarten ja in Steinwurfnähe von Bahnhof und problematischen Plattenbauten liegt.

  • Auch ich halte den aus dem Hochschulprojekt hervorgegangenen Entwurf mit Grünachse ("Marsfeld") zwischen Schloss und Fernsehturm für eine tief überzeugende Lösung, denn sie verknüpft Vergangenheit und Gegenwart, und ich bin überzeugt, dass auch Stadtplaner des frühen 20. Jahrhunderts die Idee einer solchen Achse entwickelt hätten, hätten sie über eine solche tabula rasa verfügen können. Im Grunde variiert der Entwurf die schon von Stephan Braunfels früher propagierte Idee, nur jetzt mit einem geschlossenen Schlüterhof des Schlosses. Aber was damals an Braunfels' Entwurf gerühmt wurde, das gilt auch hier. Endlich bekommt das Schloss auch ein Gesicht nach Osten, wenn auch ein modernes, das bürgerliche Berlin des Ostens tritt erstmals in Beziehung zum Schloss als dem Fokus der ganzen Berliner Stadtentwicklung. Sowohl das Schloss als auch der Fernsehturm werden auf neue Weise in den städtischen Gesamtorganismus integriert.

  • ^Welche Vergangenheit soll denn solch ein Entwurf verknüpfen? Nichts derartiges hat je an dieser Stelle auch nur annähernd in dieser Form existiert - mal abgesehen vom kriegsbedingten Freiraum. Eine derartige Gestaltung wäre letztlich nur die Fortführung der vor 70 Jahren begonnenen radikalen Identitätsvernichtung. Allerdings mit noch sehr viel einschneidenderen Resultaten, als es selbst die DDR Altvorderen je geplant hätten.

  • ^^
    Das ist wohl Metaphysik. Der Fluch der Vergangenheit lastet ewig auf Grundstücken und überträgt die Identitäten der Toten der vergangenen Jahrhunderte immer wieder auf die Neugeborenen. Und deshalb müssen die alten Gebäude immer wieder hergestellt werden sonst drohen Unglück und Verderben durch die Geister der verstorbenen Könige. Oder so.

  • ... mal abgesehen vom kriegsbedingten Freiraum. Eine derartige Gestaltung wäre letztlich nur die Fortführung der vor 70 Jahren begonnenen radikalen Identitätsvernichtung.


    Du vergisst immer wieder oder vielleicht willst du es ja auch nicht erwähnen, dass die Zerstörung des Quartiers bereits 1938 durch die wahnwitzige Stadtplanung Speers und Hitlers mit großflächigen Abrissen für die überdimensionierten Neubauten der Industrie und Handelskammer, Museen etc. begonnen hatte.
    Das ärgert mich immer am meisten diese selektive Warnehmung und die daraus resultierende “geschönte“ Geschichte die ständig unters Volk gebracht wird .

  • Der einzige Anknüpfungspunkt einer solchen Achse in der Altstadt ist der Durchbruch der Ostachse durch Speer, der nur z. T. ausgeführt wurde. Dieser ist vom gründerzeitlichen Städtebau vorbereitet worden, ich erinnere nur an die geplante Verlängerung der Französischen Straße Richtung Osten (durch den Marstall, durch das Nikolaiviertel mit Inszenierung der Kirche als Solitär, bis zum Molkenmarkt und die durchgebrochene Grunerstraße). Insofern hat das alles seiner Wurzeln in der Umgestaltung der historischen zu einer verkehrsgerechten Stadt, die um 1850 ihren Anfang nahm.


    @ Camondo: nichts gegen deine Kommentare zu Berlin, aber von Potsdam hast du echt keine Ahnung. Hier grüssen sich selbst die ärgsten Gegner mit Namen. Die Pogromstimmung, die bei vielen Berliner Diskussionen herrscht (z.B. in Kreuzberg) ist in Potsdam ebenso unbekannt wie die Gewalttaten, die am Alexanderplatz zur Regel geworden sind.

  • Konstantin
    darf ich dich daran erinnern, dass DU das Problem des Vandalismus in Grünanlagen hier der Diskussion aufgedrückt hast und zwar als Gegenargument für einen Garten auf der Freifläche MEF/RF.
    Ich gebe hingegen gerne zu, dass ich die schönen Gärten Potsdams nur zu gerne besuche und auch ihre besänftigende Wirkung auf mein durch die ”Berliner Pogromstimmung“ erhitztes Gemüt geniesse.

  • Häßlichkeit macht häßlich. Die Umgebung in der sich Menschen aufhalten hat einen direkten Einfluss auf ihr Verhalten. Auch ist Gentrifizierung nicht immer negativ. Wenn es nun einmal so ist, dass es Milieus gibt, die zB gewalttätig sind, dann verdränge ich diese doch lieber irgendwo an die Peripherie, wo sie im Vergleich immer noch den geringsten Schaden anrichten und im Vergleich ihre Mitmenschen, die nicht auf Krawall gebürstet sind, noch am wenigsten belästigen.


    Sollte es in der Umgebung des Fernsehturmes tatsächlich grobe Probleme mit Vandalismus und Gewaltkriminalität geben, dann tut hier eine Aufwertung umso mehr Not! Dafür gibt es auch Vorbilder. So konnte man die öffentlichen Parkanlagen in New York, speziell auch den Central Park, in den 1980ern nicht mit einem sicheren Gefühl betreten.


    Es handelte sich um verwahrloste und gefährliche Orte. Die Stadt New York hat diese dann aber massiv aufgewertet und heute ist Manhattan sicherer als viele nordamerikanische Provinzstädte und der Central Park ein richtiges Schmuckstück und ein Ort, wo auch Familien mit ihren Kindern zum Spielen hingehen. Bei meinem New York Besuch hat mich eine Familie, die ich einen Moment beim Ballwerfen beobachtet hab, auch gleich eingeladen es auch mal auszuprobieren, getraut hab ich mich nicht, aber den Ort in positiver Erinnerung behalten. In Spuckweite der Highrises hat man ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit auf diesen Grünflächen, was man so in einer Megametropole gar nicht erwarten würde. Der Turnaround ist also gelungen.


    Man ist doch nicht machtlos gegenüber Verwahrlosung.

  • ^ Yo, genau: Pferchen wir den ganzen zahlungsunfähigen Pöbel in irgendwelchen Ghettos zusammen – wenn die Leute dann anfangen, sich gegenseitig die Fresse einzuschlagen, haben wir den Grund, warum es richtig war, sie zusammenzupferchen. Eine sellfulling prophecy reinsten Wassers. Dabei lieferst Du das Argument gleich mit, warum eine schöne Umgebung auch gegen Rohheit und Gewalt hilft.


    Was Du da schreibst, ist Zynismus an der Grenze zur Menschenverachtung.

  • Architektenkind: Das sind Dir aber ganz schön die Gäule durchgegangen: "Zynismus an der Grenze zur Menschenverachtung". Du wirst Dich leider damit abfinden müssen, dass es einen recht breiten und globalen Konsens gibt, dass die von Augustus beschriebene und von Dir fehlklassifizierte Vorgehensweise der richtige Weg ist.

  • Ja, auch ich bin überzeugt, dass eine schöne Umgebung zur Befriedung der Menschen beiträgt.
    Und New York ist ein sehr gutes Beispiel, das ich selbst erfahren habe.
    Deshalb glaube ich auch, dass Steinwüsten wie der Bebelplatz (Opernplatz), das Kulturforum oder die aktuell für das Schlossumfeld geplante, falsche Weichenstellungen waren und sind.
    Es mag billiger sein, maschinenfegbare Plätze zu unterhalten.
    Unter Berücksichtigung aller sozialen Auswirkungen sind sie´s bestimmt nicht.