Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Bei FIS-Broker ist er in den Sondertools als privat angegeben. Wie schon oben gesagt, die WBM muss 2 qm Spielfläche für ihre Bewohner nachweisen. Deshalb gehört der Hof natürlich zur Wohnanlage hinzu, einerlei wer nutzen darf. Es gibt auch in Gründerzeithöfen öff. Spielplätze.


    Aber wir waren ja dabei, dass diese Wand eben in einem wesentlichen Teil des Stadtkernes eine urbane Entwicklung schlicht verstellt, da die Wand nach Süden steht.

  • Und zum zweiten Punkt: Das ist doch naiv. Die Gründerzeitbauten wirken auf mich nicht wie aus der Zeit gefallen. Mit ihrer Ästhetik sind sie zum Heute sehr kompatibel.


    Wir kommen in unseren Diskussionen nicht weiter, wenn immer wieder relativistische und ignorante Plaste-Argumente gebraucht werden. Es zählt eben nicht nur das Alter eines Gebäudes oder die Systemzugehörigkeit, sondern letztlich die Ästhetik.


    Eine gelungene Ästhetik kann auch über eine Zeitepoche oder ein politisches System hinaus attraktiv und aktuell sein. Gerade weil die Bauten vor 1920 so gelungen sind, passen wir den modernen Städtebau in Proportion, Parzellierung und anderen Dingen daran wieder an. Man erkennt langsam die modernistische Hybris und kommt wieder in der Realität an.


    Lieber Echter Berliner, und du bist dir also wirklich sicher, daß du weißt, wie das "Heute" des Jahres 2043 aussehen und was damit kompatibel sein wird?
    Und noch einmal, lerne doch einmal zu unterscheiden daß ästhetische Vorlieben subjektiv und relativ sind und sich geändert haben, ändern und ändern werden. Und hör doch bitte auf jedes mal wenn jemand es wagt dich darauf hinzuweisen daß deine subjektiven ästhetischen Vorlieben eben NICHT die universal gültige Wahrheit sind wie ein beleidigtes Kind um dich zu schlagen und andere Foristen runterzumachen.
    Auch wenn du es wohl kaum ertragen kannst, deine subjektiven Vorlieben sind nur das und du bist nicht im Besitz der universal gültigen Weltformel räumlicher Entwicklung, auch wenn du das hier gerne suggerierst.
    Und das, was du im Jahr 2013 als "gelungene Ästhetik" siehst, an die quasi als Naturgesetz wieder angeknüpft wird, können und werden andere Menschen im Jahre 2043 ganz anders sehen.
    Aber was interessierts, der Echte Berliner wird dann wahrscheinlich immer noch was von seiner von seiner objektiv richtigen Einschätzung der Dinge raunen, an der die Welt sich aber ganz relativistisch gemeinerweise kein Stück stößt.

  • Ästhetik ist nicht willkürlich und auch nicht rein subjektiv. Das ändert sich auch nicht durch mehrmaliges wiederholen. Fakt ist, bestimmte Elemente werden von einer breiten Masse als ästhetischer Mehrwert empfunden und andere nicht. Allein darüber warum und wieso das so ist, lässt sich diskutieren.


  • Zur letzteren Vermutung möchte ich sagen, dass man zwar immer von "moderner Architektur" spricht aber inzwischen hat diese Art des Bauens bereits grob ein Jahrhundert auf dem Buckel. Das allgemeine Empfinden bzgl. des ästhetischen Werts hat sich seitdem nicht verändert (in der breiten Bevölkerung waren die nie populär, wenn man etwas recherchiert wird man breite und lautstarke Ablehnung von den "Großbetonplanungen" der 60er in Westdeutschland finden).


    Das was wir aus früheren Jahrhunderten noch sehen, sofern es noch erhalten ist, ist das Sahnehäubchen. Banale oder schlicht häßliche Gebäude hat man schon immer gebaut, die standen dann aber nur ein paar Jahrzehnte und wurden wieder ersetzt - und genau so entstanden die interessanten europäischen Städte mit ihrem Mix aus vielen Epochen.


    Und zum Thema Bauerhalt, das ist einfach nicht wahr. Es ist allgemein bekannt dass Stahlbeton eine grundsätzlich begrenzte Lebensdauer hat die sich selbst mit allerallergrößtem Aufwand irgendwann nicht weiter verlängern lässt. Wenn die Stahlbewehrung mal durchkorrodiert ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Das chemische Milieu des Betonsteins verändert sich mit den Jahren auch immer mehr zu Ungunsten der Bewehrung. Unter Garantie wird kein Gebäude unserer Zeit ähnlich lange stehen bleiben können, sofern es nicht ausnahmsweise in Massivziegelbauweise errichtet wird, wie das Gebäude aus dem Mittelalter bis heute tun. Gebäude unserer Zeit werden nach und nach komplett verschwinden, was bei den meisten ja auch nicht bedauernswert ist (im langen historischen Vergleich der Baustile ist für unsere späteren Nachfahren unsere Zeit nur eine Epoche unter vielen, in 200-300 Jahren rückblickend). Das darf auch keinen überraschen, wenn unsere "Wegwerfgesellschaft" auch "Wegwerfarchitektur" hervorgebracht hat.

    Einmal editiert, zuletzt von Berchen ()

  • Das was wir aus früheren Jahrhunderten noch sehen, sofern es noch erhalten ist, ist das Sahnehäubchen. Banale oder schlicht häßliche Gebäude hat man schon immer gebaut, die standen dann aber nur ein paar Jahrzehnte und wurden wieder ersetzt - und genau so entstanden die interessanten europäischen Städte.


    Das würde ich so aber nicht stehen lassen, wenn ein Bau nur alt (und somit in der Regel auch rar) genug ist spielt der ursprüngliche Status des Gebäudes kaum eine Rolle für den Erhalt.
    Oder wie kommt es sonst daß z.B. in der Spandauer Vorstadt mit Verve jede vor- oder frühgründerzeitliche Hinterhofremise erhalten und saniert wird?
    Das waren bestimmt nicht die Sahnehäubchen ihrer Epoche.

  • Weil man daraus gelernt hat dass die deutschen Städte zweimal zerstört wurden im 20. Jahrhundert, einmal durch Bomben, dann durch den "Wiederaufbau". Die Leute klammern sich verständlicherweise an allem fest, was etwas Abwechslung in den nicht mehr zu ertragenden Einheitsbrei der sog. modernen Architektur bringt. Egal wo man in Deutschland hinkommt, alles schaut gleich aus. Damit ist nicht nur das Ende jeglicher regionaler Architektur gemeint, es ist immer der selbe Baukasten aus z.B. quadratischen Reihenhausbungalows mit weiß verputzten Fassaden, verzinkten grauen Regenrinnen, weißen Kunststofffenstern. Und so weiter, die ganzen Prototypen heutiger Architektur sind bekannt, ich muss sie nicht aufzählen. Der markanteste Teil der Architektur besteht eigentlich nur noch daraus, die Fenster bei jedem Gebäude etwas anders zu rastern. Ist doch vielsagend, dass die Leute sogar Gebäude vorziehen, die zu ihrer Entstehungszeit relativ lieb- und gedankenlos errichtet wurden, weil selbst die noch mehr "Charakter", auch Liebe zum Detail und Individualität, haben. Die Styroporkästen werden nie Charakter entwickeln.

  • Dann kommt doch der diesjährige "Tag des offenen Denkmals" an diesem Wochenende wie gerufen, der sich passender Weise dieses Jahr dem Thema
    „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?"
    widmet.
    Dort werden jede Menge Bauten zu sehen sein, die eher nichts mit "Schönheit" und "Ästhetik" zu tun haben, und man kann sich unter fachkundiger Anleitung näher mit ihnen beschäftigen, im Programm ist unter anderem auch eine Führung von Landeskonservator Haspel zur Nachkriegsmoderne am Alexanderplatz.
    Im Übrigen haben Bürgerproteste in den vergangenen Jahren den Abriß von Bauten aus dieser Epoche verhindert, wie bei der Bonner Beethovenhalle, dem Kölner Schauspielhaus, oder dem Landtag von Hannover, und der Abriß des Düsseldorfer Tausendfüsslers wurde von Protesten begleitet.
    Es gibt also durchaus genug Stimmen, denen bei "Moderne" nicht automatisch die reflexartige Forderung nach Beseitigung einfällt.

  • Weil man daraus gelernt hat dass die deutschen Städte zweimal zerstört wurden im 20. Jahrhundert... Der markanteste Teil der Architektur besteht eigentlich nur noch daraus, die Fenster bei jedem Gebäude etwas anders zu rastern. .... Die Styroporkästen werden nie Charakter entwickeln.


    andere europäische städte wurden auch zerstört und die haben andere schlüsse gezogen. nur soviel zu diesem alleinstellungsmerkmal das keines ist.
    das mit der mehr oder minder „brutalistisch öden“ architektur, wie ich deine kritik interpretiere, ist aber nur in deutschland und explizit in berlin so massiv. sieht man nur ein bisschen über den tellerrand, dann muss man unwillkürlich feststellen dass allüberall in europa und der welt wesentlich moderner .. in materialien, in der formensprache in der vision etc. gebaut wird als hier. eine erklärung dafür liegt für mich darin, dass zum beispiel politiker wie der unsägliche berliner ex-senatsbaudirektor stimman mit gestaltungssatzungen, was höhe, material anteilige stein/glasflächen betrifft, versucht haben moderne architektur und architekten in ein korsett zu sperren um damit ihren ästhetischen stempel zu manifestieren. so ist es ja bezeichnend, dass frank o. gehry sich von seinem gebäude am pariser platz distanziert hat, weil es einfach nichts mehr von der ihm eigenen formensprache repräsentiert. übrig bleibt bei sowas ein öde steinkiste, abwaschbar, austauschbar, ersetzbar. solange der politische einfluss so unsäglich ist wie in berlin, kommt dabei leider furchtbar banaler murks heraus. solange das bauen einem in erster linie, -verkehrsminister untersteht, es einen/keinen? kulturminister gibt, der mal einen städtebaulichen diskurs entfacht, solange das bauen nicht den stellenwert hat der ihm gebührt, muss man sich nicht wundern. warum empfinden wir städte wie kopenhagen, barcelona, rotterdam, marseille (mit denen sich berlin viel eher vergleichen sollte, als mit paris oder london) als so attraktiv, so leicht -fast verspielt, aber vor allem als modern im innovativen sinne? ich denke weil dort pluralität stattfindet.
    meiner meinung nach bewegt sich berlin in eine sackgasse. so lange es nur im eigenen ästhetischen saft schmort, neue gebäude so aussehen als wären sie nicht neu, was hier im forum auch noch sehr geliebt wird, man sich aus allen stilschubladen der letzten 200 jahre schlecht bedient (adlon, kolhoff am p-platz, fellini-residences, rosenhöfe etc), ist es für mich leider nicht ernstzunehmen. und es ist gewiss nicht der nabel der architektur. was aber im umkehrschluss nicht heissen darf, dass das heil in der rekonstruktion der halben innenstadt läge. das wäre die andere sackgasse.

    4 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Und zum Thema Bauerhalt, das ist einfach nicht wahr. Es ist allgemein bekannt dass Stahlbeton eine grundsätzlich begrenzte Lebensdauer hat die sich selbst mit allerallergrößtem Aufwand irgendwann nicht weiter verlängern lässt. Wenn die Stahlbewehrung mal durchkorrodiert ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Das chemische Milieu des Betonsteins verändert sich mit den Jahren auch immer mehr zu Ungunsten der Bewehrung. Unter Garantie wird kein Gebäude unserer Zeit ähnlich lange stehen bleiben können, sofern es nicht ausnahmsweise in Massivziegelbauweise errichtet wird, wie das Gebäude aus dem Mittelalter bis heute tun


    Wenn also dann dereinst das in Stahlbeton wiederaufgebaute Schloss verrottet ist, könnte man ja wieder den Palast der Republik aufbauen....:lach:

  • Ja, diese Tristesse ist ein speziell deutsches Problem. Ich habe die Nachkriegszeit nicht miterlebt, aber ich hatte immer den Eindruck, dass es irgendwie als eine Art Buße für die kollektiv empfundende Schuld an Krieg und Naziverbrechen empfunden wurde, dass die Städte betont nüchtern wiederaufgebaut wurden. Man diskutierte ja zeitweise Berlin gar nicht mehr wieder aufzubauen sondern als "flächendeckendes Mahnmal" zu belassen. Und für Menschen so wichtige Dinge wie Gemütlichkeit und Heimat durften auch keine Rolle spielen. Darum dominieren bei uns simpelste geometrische Formen und Materialien, bis hin zu "abwaschbaren Häusern" (gekachelte Außenwände). Nüchternheit, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das geht ja soweit, dass geklinkerte Industrie- und Gewerbegebäude aus dem 19. Jahrhundert, die damals eigentlich als eher liebloser, zweckmäßiger und simpler Zweig der Architektur galten, heute zu teuer vermieteten Liebhaberimmobilien werden. Das Auge ist in unseren "modernen" deutschen Städten so ausgehungert was Ornamentik, Gestaltung.. ja, einfach auch nur auch mal andere Farben als Grau- und Beigetöne, angeht, dass manche alte Lagerhalle aus Klinkern uns heute wie ein kleines Schlösschen erscheint.


    Nicht nur finde ich das einfach bedauerlich, der Alltag in den Städten könnte mit anderer Architektur einfach angenehmer sein, es ist auch ignorant unserer Geschichte und unserem kulturellen Erbe gegenüber. Kulturelles Erbe lebt von Pflege und Anwendung, nicht vom musealen Bewahren der Asche (schwarzweiß Fotos in Archiven reichen halt nicht). Ich hoffe, es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine neue Generation von Architekten und Stadtplanern wieder mit mehr Verspieltheit und Mut ans Werk geht und die Städte von Momos grauen Herren zurückerobert.

  • Der schlichte Stil der in den 1950ern und 1960ern wiederaufgebauten Gebäude liegt wohl nicht in einer bewussten Simplifizierung bzw. einer Art "Büßerarchitektur", sondern in der Notwendigkeit begründet in kurzer Zeit möglichst viel Wohn- und Geschäftsräume wieder herzustellen. Dies kann man z.B. an vielen Stellen der Kölner Innenstadt sehen. Wahrscheinlich wurden viele der Gebäude sogar mit einem imanennten Verfallsdatum gebaut, um diese in späteren Zeiten durch qualitativ besserer Architektur zu ersetzen.


    Man muss jedoch die Moderne als eine Abfolge verschiedener Strömungen und Epochen begreifen, sonst wird man dem Thema nicht gerecht. Es stimmt, der Modernismus ist schon um die 100 Jahre alt, aber das heißt nicht, dass er langweilige und austauschbare "Kisten" hervorgebracht hat. Eine Reise durch die moderne Architekturgeschichte zeigt, dass gerade hier auch mit unkonvenionellen Bauformen (Runde Gebäude, Stelzengebäude, Komplettholzarchitektur, Glashäuser etc.) experimentiert wurde. Selbstverständlich bringt die heutige Architektur, wie jede Epoche, auch jede Menge Schund und austauschbare Temporärarchitektur hervor. Eine Reduzierung auf partielle Erscheinungsformen ist aber ignorant gegenüber den großen Leistungen dieser neuen Bauformen, man sollte also die Moderne nicht generell verteufeln.


    Zurück zum Thema: Eine Bebauung des MEF wäre sowieso nur mit zeitgenössischer, an traditionelle Gestaltung angelehnte Architektur zu machen. Keine Mehrheit wünscht sich die windschiefen und üsseligen Häuschen auf dem Gebiet zurück, wenn es auch sicher gute Argumente für eine Bebauung dieses Geländes gibt, anstatt es wie das Rathausforum so frei zu lassen wie es jetzt ist.

  • Nene, nicht "zurück", das gehört voll zum Thema. Wir reden doch letztlich darum, ob wir diese Art der Ästhetik der derzeitigen Gestaltung wollen oder nicht wollen.


    Das was du sagst stimmt - sind aber Sonderformen. Klar, wenn ich in einem Bildband moderner Architektur blättere, am besten in kunstvoller schwarz-weiß Fotographie in Szene gesetzt, begeistert mich das schon und ich will das auch als Erbe unserer Zeit gepflegt wissen. Aber das sind, letztlich, doch eher Sonderbauten und Randerscheinungen. Das Gro der Gebäude wird diesem hehren Anspruch schlicht nicht gerecht, in der Fläche regiert Tristesse und Zweckmäßigkeit. Kann man teilweise auch rechtfertigen, neben der Autobahn wird man so oder so keine tolle Aufenthaltsqualität her kriegen. Aber wieso man solche Gestaltung denn auch unbedingt in das Herz Berlins bringen muss, das kann ich eben nicht nachvollziehen. Das ist ja alles nichts originär-berlinerisches, einmaliges etc., so und so ähnlich schaut es auch überall in Westdeutschland in Ballungsgebieten aus - aber eben neben der Autobahn, im Gewerbegebiet oder in gescheiterten Trabantenstädten aus den 70ern und 80ern.


    Frankfurt hatte mitten in seinem Herz ein "Betongebirge", das Technische Rathaus. Das wurde bekanntlich abgebrochen, an dessen Stelle entsteht ein Teil des alten Frankfurts neu, in Mischung mit eher moderner Architektur. Und ich garantiere dir, in einem Menschenleben wird quasi kein Mensch mehr wissen dass das "Rekonstruktionen" sind, das neu entstandene Altstadtviertel wird zur guten Stube Frankfurts, zum Identifikationspunkt und auch zum Anschauungsobjekt der Kulturgeschichte - damit ist es so original, wie es nur sein kann (Begriffe von Originalität sind doch ohnehin nur menschliche Fiktion, der Sandstein ist immer gleich alt, ob man ihn jetzt aus dem Steinbruch holt oder er vor 200 Jahren rausgeholt wurde, nur nach menschlichen Maßstäben sind das überhaupt nennenswerte Zeiträume).


    Frankfurt zeigt dass das möglich ist, ein großer Wurf. Ich sperre mich gegen die Resignation, dass man in Berlin nur Baumärkte und Einkaufszentren im Herzen der Stadt als Großprojekte durchsetzen kann, aber nicht auch sowas.


  • Frankfurt hatte mitten in seinem Herz ein "Betongebirge"... Und ich garantiere dir, in einem Menschenleben wird quasi kein Mensch mehr wissen dass das "Rekonstruktionen" sind, das neu entstandene Altstadtviertel wird zur guten Stube Frankfurts, zum Identifikationspunkt und auch zum Anschauungsobjekt der Kulturgeschichte - ... der Sandstein ist immer gleich alt, ob man ihn jetzt aus dem Steinbruch holt oder er vor 200 Jahren rausgeholt wurde, nur nach menschlichen Maßstäben sind das überhaupt nennenswerte Zeiträume).


    aber das ist genau das verherende. wenn mann in 200 jahren nicht mehr wissen soll aus welcher zeit dieses oder jenes gebäude stammt. sorry aber diese einstellung führt zu geschichtsvergessenheit und es ist wie ich dir schonmal geschrieben habe geschichtsklitterung.
    ich möchte immer an einem gebäude ablesen können aus welcher zeit es stammt. auch wenn es rekonstruktionen sind.

  • Rekonstruktonen:

    ^^ ...oder beim Warschauer Königsschloss oder bei St. Pauli in Hamburg oder bei der Tuchhalle in Löwen oder dem Kreml in Moskau oder dem Kloster Montecassino oder dem Alcasar in Toledo?


    Es sind alles Gebäude, die mindestens einmal völlig neu wieder aufgebaut wurden.
    So what?

  • Im Falle der Semperoper ist am Eingang z.B. eine Steinplatte angebracht worden, die an den Wiederaufbau des Gebäudes erinnert. Ich denke, das reicht, das Gebäude an sich muss nicht unbedingt zwangsweise modern überformt werden. Ansonsten könnte man auch gleich einen Neubau errichten.

  • Eben. Zumal ich den ganzen Anspruch nicht verstehen kann. Ich lebe doch nicht 24/7/365 "bewusst-intellektuell". In meiner städtischen Umgebung will ich mich einfach wohl fühlen. Irgendwelche Purismusdebatten kann ich da einfach nicht nachvollziehen, gehen an mir vorbei. Ist vielleicht eine Generationenfrage, keine Ahung.


    In früheren Zeiten war das übrigens auch üblich, dass man Gebäude anstatt diese zu sanieren abgerißen und originalgetreu wieder neu gebaut hat (das ist nicht erst heute so, dass Abriß und Neubau häufig billiger und einfacher ist). Und es spricht auch keiner dem Ulmer Münster oder Kölner Dom ab, wahre Weltwunder von Architektur und menschlicher Schaffenskraft zu sein - ob Atheist oder Christ. Dass beide maßgeblich "erst" im 19. Jahrhundert fertiggestellt wurden, na und? Der Entwurf, die Idee, ist wesentlich älter und gibt Zeugnis von der Gothik, ob im 19. Jahrhundert oder 15. Jahrhundert vollendet (der Dom ist ohnehin nie "original", weil er quasi unentwegt abgerißen und neugebaut wird, im Zuge des nötigen Austauschs von Sandstein - nie würde jemand deswegen auf die Idee kommen und angewidert das Gesicht verziehen und sagen, das sei ja irgendwie Geschichtsklitterung - rein sprachlich ist das übrigens "Geschichtsfälschung" und eigentlich ein ziemlich persönlicher Vorwurf.. weswegen ich mich einer Replik enthalten habe).


    Authentizität ist ebenso Fiktion, wie alle anderen menschlichen Einteilungen der Zeiten. Man muss nur weit genug in die Zukunft denken, dann wird ohnehin mal alles von der Industrialisierung bis zum "Ende des Öls" vermutlich als Montan- oder Carbonzeitalter in Geschichtsbüchern abgehandelt, ebenso knapp und oberflächlich wie wir das heute mit ganzen Jahrhunderten auch tun. Was aber aus früheren Zeiten bleibt und einen Eindruck davon gibt sind die Gebäude, egal ob aus dieser Zeit erhalten und wieder aufgebaut.


    Ich möchte hierzu auch mal kurz erzählen, was mein "Aha-Moment" war. Die Deutschen spötteln den Amerikanern gegenüber ja gerne, diese hätten ja quasi gar keine nennenswerte Geschichte und seien ohne geschichtslos etc. Als ich dann die USA bereist habe, war ich einerseits baff davon, wie liebevoll und engagiert sich ehrenamtliche im ganzen Land voller Inbrunst um Pflege des historischen Erbes kümmern. Kein Dorf ohne Post Office - und Museum. Ein äußerst geschichtsbewusstes Land, viel mehr als ich das hier in Deutschland je erlebt habe (abgesehen von der Zeit des zweiten Weltkrieges, darüber hinaus sind die allermeisten Deutschen aber quasi "blank").


    Der zweite Teil meines "Aha-Moments" war, dass Städte wie Boston, San Francisco oder New York ein viel viel "älteres", historisch gewachseneres Stadtbild, voller Patina, haben als das zigfach so alte Berlin. Alles voll von toll erhaltenen historischen Gebäuden - und ergänzt durch klar erkennbare Neubauten späterer Zeit, die sich aber vom Stil (modern interpretiert) einfügen und keine kreischenden Solitäre sein wollen, kein "Schlag ins Gesicht".


    Zurück in Deutschland wirkte Berlin auf mich plötzlich ganz anders und seitdem bin ich ein Verfechter von dem, was ich Eingangs beschrieben habe. Reisen bildet eben wirklich. :)


    Ich bedaure, dass ich keine Antwort geben kann, wenn mich jemand fragt, wo denn die Altstadt Berlins sei. Graue Bodenplatten anzuschauen ist ja jetzt kein tolles Sightseeing und der halbherzige Wiederaufbau des Nikolaiviertels (SOWAS lehne ich auch ab) ist mir persönlich eher peinlich. Also behaupte ich dass ich das nicht wisse. Berlin fehlt sowas wie ein Herz, Polyzentren hin oder her.

  • ^ Wenn man nach der Rückkehr aus Boston, San Francisco oder New York nicht so empfindet wie du, ist man dann 'bildungsresistent'?


    dem Kreml in Moskau


    Weder ist der Kreml ein Gebäude, noch wurde er nach einer Zerstörung wieder originalgetreu aufgebaut. Falls du die Zerstörungen im 13. und 14. Jahrhundert meinst, danach wurde der Kreml jeweils wieder völlig neu im Baustil und mit den Bauweisen der Zeit angelegt- deswegen ist aus dem ursprünglich hölzernen auch ein steinerner Kreml geworden. Die während der Bolschewistischen Revolution beschädigten Gebäude wurden teilweise abgerissen und überbaut und teilweise repariert, was aber keiner suggerierten Totalreko gleichkommt. Das größte Gebäude im Kreml ist ein sehr modernes Gebäude, der staatliche Kreml-Palast.


    Insgesamt also taugt das keinesfalls als Argumentationshilfe für die Rekonstruktion von Bürgerhäusern.

  • ^Weisst Du das denn beim Markusturm in Venedig oder bei der Semperoper in Dresden?


    ja, da ich architekturinteressiert bin und mich schon ein wenig auskenne, so wie du.
    trotzdem bin ich der meinung dass man immer merkt ob etwas rekonstruiert ist oder wirklich alt ist. ich jedenfalls merke es. da bin ich das gebe ich gerne zu auch pedantisch. und gebäude bestehen ja auch nicht nur aus ihrer äusseren hülle ebenso wichtig ist das innere und das ist ja meistens leider unmöglich zu rekonstruieren. so kommt dabei zwangsläufig ein hybrid heraus. auf den würde ich dann lieber verzichten, andere hingegen nicht.

  • Und es spricht auch keiner dem Ulmer Münster oder Kölner Dom ab, wahre Weltwunder von Architektur und menschlicher Schaffenskraft zu sein - ... Dass beide maßgeblich "erst" im 19. Jahrhundert fertiggestellt wurden, na und? Der Entwurf, die Idee, ist wesentlich älter und gibt Zeugnis von der Gothik, ob im 19. Jahrhundert oder 15. Jahrhundert vollendet ....


    schon wieder hinkt deine argumention.
    beides sind keine rekonstruktionen, sie wurden niemals zerstört. sie wurden nur vollendet. dagegen ist auch nichts einzuwenden, sie taugen aber nicht als argument. und weltwunder würde ich sie nicht nennen wollen.