Virtuelle Altstadtmodelle

  • Virtuelle Altstadtmodelle

    Hallo Leute


    Mein Name ist Jörg Ott und ich bin derjenige, der das virtuelle Modell der kriegszerstörten Frankfurter Altstadt erstellt hat. Neben der Tatsache, dass in der lokalen Presse immer wieder Renderings dieses Modells veröffentlicht werden, um die Entwicklung des Areals des Technischen Rathauses zu beeinflussen (und zwar hin zu mehr Rekonstruktionen), ist es für mich wichtig zu betonen, dass der Umfang meines Modells doch weit über diesen neu zu bebauenden Teil hinausreicht. Dieses Thema soll dazu dienen über das virtuelle Altstadtmodell mit architekturinteressierten Leuten (also mit euch) zu diskutieren und eure Meinung herauszufinden. Zögert also nicht euren Senf dazuzugeben! Ich werde mich bemühen, auf sämtliche Anregungen und Kritik zu antworten. Bevor ich allerdings hier irgendwelche Bilder einstelle, will ich euch noch einiges zum Anspruch und zur Geschichte dieses Modells schreiben (siehe nachfolgende Beiträge).

  • GESCHICHTE DES VIRTUELLEN ALTSTADTMODELLS:


    Es war einmal ein Geografie-Student namens Jörg, der hatte gegen Ende seines Studiums eine Idee. Warum nicht, dachte er sich, meine Interessen und Hobbys in den Bereichen Geographie, Geschichte, Architektur und Städtebau kombinieren und etwas neues schaffen, das bisher noch keiner gewagt hat?
    Die Ausgangssituation war folgende: Viele deutsche Großstädte waren nach ihrer Kriegszerstörung mäßig oder sogar schlecht wiederaufgebaut worden. Mich hatte das selbst auch schon immer gestört. Es existiert ein ganzer Industriezweig, der davon lebt Postkarten, Bildbände und alte Filme über Deutschlands Städte vor dem 2. Weltkrieg zu vertreiben.
    Die meisten Leute stören sich an den Neubauten in den Stadtzentren, nur recht wenige finden sie gelungen. Architekten und Stadtplaner befinden sich in bezug auf die Stadtzentren stets in einer Zwickmühle. Sie wollen sich verwirklichen, aber der Bevölkerung ist die Erinnerung an die Vorkriegsbebauung nicht aus dem Kopf zu treiben. Hinzu kommt noch das allgemeine Misstrauen der Menschen gegenüber dem aktuellen Baustil, das in 60 Jahren negativer Erfahrung erlernt wurde und Neubauten zu einer hochkomplexen Sache macht, bei der am Ende keiner glücklich wird und das Ergebnis bestenfalls „bemüht“ wirkt (Der Architekt hat sich bemüht, eine altstadtgerechte Bebauung zu entwerfen, ohne den Vorkriegszustand wiederherzustellen).
    Ich habe mich gefragt: Warum eigentlich den Vorkriegszustand nicht wiederherstellen? Was ist so schlimm daran? Wieso sollen wir auf ein Erlebnis verzichten, das unsere Großeltern ganz selbstverständlich noch genossen haben und von dem sie bis heute schwärmen? Da ich aber nicht über das nötige Kleingeld verfügt habe, um reell zu bauen, musste ich mich mit der virtuellen Realität begnügen.
    Als Stadt wählte ich Frankfurt aus, weil hier der Unterschied zwischen Vor- und Nachkriegsbebauung besonders krass ausfällt und Frankfurt mit seiner Geschichte besonders radikal gebrochen hat.
    Die Literatur- und Materialrecherche nahm alleine 5 Monate in Anspruch, führte aber zu dem Ergebnis, dass eine flächenhafte Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt möglich ist. Das Konstruktionsprogramm (3d studio max) habe ich speziell für das virtuelle Altstadtmodell erlernt. Anfang November 2003 entstanden dann inselartig die ersten Gebäude (damals noch sehr einfach). 2004 „bebaute“ ich flächenhaft den Bereich zwischen Dom und Römer (inkl. Technisches-Rathaus-Areal). 2005 war dann die östliche Altstadt rund um den Dom und entlang der Fahrgasse dran und 2006 gelangte das Modell dank der Diskussion um das Technische Rathaus in die Öffentlichkeit, worunter der Baufortschritt allerdings zu leiden hatte. Als besonders fruchtbar hat sich die enge Zusammenarbeit mit Dominik Mangelmann erwiesen, den ich Ende 2005 kennen gelernt habe. Ich bin über das Erreichte sehr stolz und froh, dass mein Modell dazu beigetragen hat, den Befürwortern einer historischen Lösung Oberwasser zu verschaffen (auch wenn natürlich noch nichts entschieden ist). Man muss das so sehen: Wenn es Rekonstruktionen auf dem Gebiet des Technischen Rathauses gibt (5 Häuser sind ja im Moment im Gespräch), dann gehen sie zu je 50% auf die Kappe von Dominik Mangelmann und mir. Und das ist doch schon was. Davon kann so mancher Architekt unseres Alters nur träumen!

  • ANSPRUCH DES VIRTUELLEN ALSTADTMODELLS


    Ursprünglich diente das Modell ausschließlich dazu einer einzigen Person (nämlich mir) einen Zugang zu der Erlebniswelt der zerstörten Frankfurter Altstadt zu gewähren. Zu dieser Zeit war das Modell sehr einfach und besaß auch keinerlei Texturen. Doch recht schnell zeigten Freunde und Bekannte Interesse, so dass ich an der Qualität immer wieder arbeitete. An Texturen spare ich allerdings bis heute. Ich benutze nur Schiefer-, Pflaster-, Himmel- und Ziegelsteintexturen, so dass das Modell einen comichaften Stil besitzt. Jeder soll sehen, dass es sich um ein virtuelles Modell handelt, das keinen Ersatz für die untergegangene Altstadt darstellt, sondern lediglich einen Appetithappen, um die Leute dazu zu bringen sich für die Rekonstruktion zu engagieren. Trotz des Stils findet man sich sehr schnell in dem Modell zurecht, da die fehlenden Texturen in der hohen Fülle an Details untergehen. Die Menschen erkennen die Straßen und Plätze problemlos wieder (das ist auch ein Erfolg des Modells!) und sehen die dargestellten Gebäude erstmals in Farbe. Außerdem gibt es auch seit einigen Monaten Filmsequenzen, die eine Bewegung durch die Stadt ermöglichen. Ich setze mein Modell ein, um ein Umdenken in der (Innenstadt-) Architektur und Innenstadtplanung zu bewirken. Dass es Leute gibt, denen das nicht passt, dürfte jedem von euch klar sein. Aber der Diskussionsverlauf der letzten 12 Monate hat gezeigt, dass sich etwas bewegt. Und das ist auch gut so!

  • Von mir auch ein herzliches Willkommen!


    Als Ortsfremder und seltener Besucher des hiesigen Unterforums ist mir Dein Modell bisher vollkommen unbekannt, wie ich zugeben muss. Daher bin ich schon sehr gespannt!


    Gleich mal Klartext: Ich bin hier der Nörgeler und Mießmacher vom Dienst (ohne jegliche Rücksicht auf Ansehen der Person oder erbrachte Leistungen ;)). Deshalb wirst auch Du nicht von mir verschont bleiben :D. Trotzdem hoffe ich, Dich nicht sofort zu vergraulen :)



    Zitat von joerg

    Es war einmal ein Geografie-Student [...] Architekten und Stadtplaner befinden sich in bezug auf die Stadtzentren stets in einer Zwickmühle. Sie wollen sich verwirklichen [...]


    Hättest Du statt Geografie vielleicht Architektur, Stadtplanung oder Kunsthistorik mit entsprechendem Schwerpunkt studiert, würde Dir die extreme und damit sachlich verkehrte Verkürzung dieser Aussage auffallen. Dieses Forum existiert nicht erst seit gestern, vergleichbare Auffassungen haben hier schon zahlreiche Personen vertreten (und werden es vermutlich weiterhin tun). Du kannst die dazu gehörigen, teils sehr kontrovers geführten Debatten hier an jeder "Ecke" finden.


    Es soll mir nicht darum gehen, individuelle oder zeitgeistige Geschmäcker in Frage zu stellen oder die künstlerischen und handwerlichen Leistungen vergangener Epochen kleinzureden. Ich will nicht einmal eine Lanze für die Moderne und ihre Ableger brechen! Aber nenne mir bitte einen ernstzunehmenden Grund dafür, weshalb tausende Architekten dahindarben und dabei den besonderen Ruhm - der von verschwörerischen Kräften der Architekten-Unterwelt ausgegeben wird nie erlangen! Dabei wäre es nach Deiner These doch so einfach: warum sollten sich diese Menschen nicht mal an den Kopf fassen um endlich zu begreifen, dass sie mit dem detaillierten Nachempfinden historischer wie historisierender Bauten allemal besser fahren würden? Was sollte es einen Architekten kümmern, ob er in der nächsten DETAIL oder bauzeitung lobend erwähnt wird, wenn ihm statt dessen Mehrheiten quer durch die Bevölkerung hinweg applaudieren (und so garantiert für jede Menge Folgeaufträge, aber zumindest für einen vollen Kühlschrank sorgen)? Da wäre doch noch Jedem das Hemd glatt näher als die Hose! Oder wird man in diesem Beruf in Deutschland (und augenscheinlich auch dem Rest der Welt) nur zugelassen, wenn man eine seltene, spezielle Macke besitzt?


    Vielleicht hätte auch ein Psychlogie-Studium geholfen? Dessen Absolventen sollten weniger dazu neigen, mangels Einblick in komplexe Themengebiete zur nächstbesten Verschwörungstheorie zu greifen (der böse Architekt will sich bloß verwirklichen, deshalb haben wir zu leiden und gegen Verschwörungen ist man leider machtlos ...



    Zitat von joerg

    Warum eigentlich den Vorkriegszustand nicht wiederherstellen? Was ist so schlimm daran?

    Was steht denn in der Literatur, die Du über fünf Monate studiert hast? Die war doch sicher nicht von Johannes v. Buttlar, oder? Steht dort drin, dass fiese Architekten nach dem letzten Krieg über wehrlose Familien hergefallen sind und diese wie Vieh in neue Behausungen pferchten? Steht dort drin, dass Architekten darüber entscheiden, welche Funktion ein Gebäude besitzt, wieviel es kosten darf, was dem Bauherrn zu gefallen hat und welche Auflagen, Gesetze und Verordnungen (die alle sehr wohl einen wesentlichen Einfluss auf die äußere Gestalt besitzen können) relevant sind und welche nicht?


    Selbstverständlich wird es immer Befürworter aus Deinen Reihen geben und ich beglückwünsche Euch auch dazu, wenn Ihr es schafft, die Rahmenbedingungen und alle Beteiligten von diesen Anliegen derart zu überzeugen, dass Ergebnisse in Eurem Sinne entstehen! Deshalb sind aber nicht alle anderen unflexibel, ungebildet oder gar verschworen (was Du in fünfmonatigem Studium indirekt herausgefunden haben willst, das impliziert jedenfalls Dein Beitrag ;)). Über die vielfältigen Ursachen die dazu führten, dass man heute anders baut als z. B. vor 120 Jahren ist in diesem Forum schon ausreichend gesprochen worden. Die werde ich an dieser Stelle nicht noch einmal zusammenfassen (u. a. findest Du hitzige, thematisch eng verwandte Debatten im Thread über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses)



    Zitat von joerg

    Wieso sollen wir auf ein Erlebnis verzichten, das unsere Großeltern ganz selbstverständlich noch genossen haben und von dem sie bis heute schwärmen?

    Das ist eine Verallgemeinerung, die ich so nicht gelten lasse! Dieses Argument wird häufig vorgetragen. Dabei kann niemand von denen, die das tun (ich nehme an, auch Du nicht) belegen, dass es sich hier um eine allgemeingültige, seit Ende des Historismus permanent vertretene und kontextübergreifend gültige Überzeugung in den Köpfen der Mehrheit handelt. Die Moderne ist ursprünglich nicht gegen den Widerstand der Bevölkerung "eingeführt" worden (weil sich mal wieder jemand verschworen hatte) sondern kam quasi aus ihrer Mitte. Falls Deine Großeltern das Glück hatten, in einer bourgeoisen Innenstadtwohnung zu leben oder in entsprechend "schönen" Gegenden regelmäßig flanieren konnten - bitte sehr! Aber für alle anderen, die auf der Soll-Seite der Neubauten aus 18xx standen (und das war real die Mehrheit!) brachten die Wohn- und Arbeitsbedingungen, die mit dem industrialisierten, "vereinfachten" Bauen einsetzten erheblich mehr Vorteile, als eine schöne Postkartenansicht eines wilhelministischen Straßenzuges je wettmachen könnte!


    Und ohne die Existenz der Moderne wäre das Alte heute leider genau so viel wert wie vor 100 Jahren, auf Grund seiner Banalität nämlich so gut wie nichts. Man kann es sicher begüßen, dass architektonische und städtebauliche Fehlentwicklungen - wer sie auch immer zu verantworten hat - als Negativ-Beispiele zu einem bewußteren Umgang mit dieser Thematik führen und so Vergangenes oft an Wertschätzung gewinnt oder gar alte, funktionierende Konzepte (z. B. das frei finanzierte innerstädtische Haus mit Mischnutzung auf kleiner Parzelle) unter veränderten Vorzeichen zu neuem Leben erweckt werden. Alles weitere hierzu findet sich auch in diversen Threads dieses Forums.


    Ich hoffe ich habe Dich nicht sofort nach Deiner Anmeldung hier vergrault. Das wäre nicht meine Absicht! Eher wäre ich an konstruktiven Dialogen interessiert. :)


    Und noch einmal: ich freue mich auf Dein Modell!


    Gruss
    AeG




    PS: wie bist Du eigentlich auf 3ds max gekommen? Das nutzt man doch eigentlich gerade dann, wenn man's "schön" machen will. Für weiterverwendbare, technisch exakte und reproduzierbare Ergebnisse sind die div. CAD-Lösungen eigentlich besser geeignet (und in ihrer Grundfunktionalität oft einfacher zu erlernen). 3ds max spielt doch seine Stärken erst in komplexer Modellierung, Beleuchtung, bei Materialeditor und -Vergabe sowie Animation (damit meine ich keine Kamerafahrten) aus.

  • Hallo joerg. Auch von mir ein herzliches Willkommen.


    Auch ich bin sehr gespannt auf die Bilder und Links zu Deinem virtuellen Altstadtmodell und freue mich auf Deine weiteren Beiträge :daumen:!

  • Hallo AeG


    Zunächst mal zu dem Programm 3d studio max: Ich habe mir am Anfang einige Programme angesehen und ihre Funktionen getestet. Da waren neben 3ds max noch Maya, Nemetschek und Cinema 4d dabei. Diese Programme hat mir ein Bekannter genannt, der sich mit 3d-Visualisierungen bestens auskennt. Letztlich bin ich bei 3ds max hängen geblieben, weil ich mit diesem Programm am besten arbeiten konnte. Die anderen waren - zumindest für meine Begriffe - nicht so gut zu bedienen. Du hast natürlich recht, wenn du sagst, dass ich viele Vorteile des Programms nicht voll ausnutze, aber das tue ich ja nur im Moment nicht. Es hindert mich ja keiner daran professionelle Texturen zu erwerben und die Gebäude nachzutextuieren. Und dann könnte man 3ds max schon besser nutzen.


    Ich bin prinzipiell IMMER daran interessiert, die Qualität meines Modells zu verbessern. Wenn dir (oder jemand anderem) also bei den Bildern etwas auffällt, dann schreib es ruhig! Vieles was heute den Charakter meines Modells ausmacht beruht auf Verbesserungsvorschlägen anderer Leute. Und mit Kritik wirst du mich auch ganz bestimmt nicht vergraulen. Ich hab ja schon in den ersten Beiträgen geschrieben, dass ich hier bin um eure Meinung herauszufinden. Es kann nur sein, dass ich aus Zeitmangel nicht sofort antworten kann.


    Und jetzt zu der ideologischen Schiene: Wie du bereits in deinem Beitrag geschrieben hast, ist dieser Bereich traditionell sehr heiß umkämpft, was ja auch verständlich ist. Es dürfte ebenso klar sein, dass ich mich auf die Seite der Traditionalisten einordne, und auch die entsprechenden Argumente hierfür liefern würde. Da der ganze Komplex mit entsprechenden Ergebnissen aber ja schon ausdiskutiert ist, bekanntlich übrigens auch über die Fachliteratur und in anderen Foren, möchte ich in diesem Handlungsstrang die ideologische Schiene nicht weiter bedienen.


    Ich selbst habe nie das Wort „Verschwörung“ in meinen Beiträgen benutzt. Dieses Wort kommt von dir. Ich persönlich glaube auch nicht an eine Verschwörung. Wenn ich Leute treffe, die gegen die historische Lösung auf dem Areal des Technischen Rathauses sind, dann habe ich es mit Menschen zu tun, die eine andere Meinung vertreten, und nicht mit Verschwörern. Und ich finde es gut, wenn sie tatsächlich offen ihre Meinung sagen und sich nicht, wie es leider sehr häufig geschieht, hinter Scheinargumenten verstecken (Bsp.: „Das geht nicht!“, „Die Decken sind zu niedrig.“, „Da will doch eh keiner drin wohnen.“) oder mich bei der Arbeit behindern, was leider auch schon mehrfach geschehen ist. Das ist übrigens ein echtes Problem, das mich auch sehr ärgert, denn mit diesem virtuellen Modell entsteht nebenbei auch ein wesentlicher Beitrag zur Frankfurter Stadtgeschichte, weil erstmals sämtliche vorhandenen Quellen zusammengeführt werden. Und wenn ich dann sehe, dass es Leute in bestimmten Ämtern und Positionen gibt, die mir die Herausgabe relevanter Informationen verweigern oder bei jeder Gelegenheit versuchen zu verhindern, dass ich mit dem Modell Geld verdiene (was ihnen glücklicherweise nicht immer gelingt), dann müsstest du eigentlich froh sein, dass ich noch kein Anhänger der Verschwörungstheorie bin.


    Das gilt auch für ein weiteres Beispiel, das ich dir ebenfalls nennen möchte: Einer meiner Freunde hat hier im Rhein-Main-Gebiet Architektur studiert. Er ist ebenfalls Traditionalist. Und er hatte während seines Studiums deswegen mit Problemen zu kämpfen. In den vielen Gesprächen, die ich mit ihm geführt habe, hat er mir auch erzählt, wie die Studenten im Grundstudium „auf Linie“ gebracht werden. Nämlich in dem man die Errungenschaften von Bauhaus und seinen Entwicklern über den grünen Klee lobt und über alles andere abschätzig redet. So hat er in einer der ersten Übungen die Aufgabe bekommen, ein Häuschen am Meer zu entwerfen. Das Ergebnis hatte bei ihm den Charakter einer Villa im Stil der Bäderarchitektur. Dafür bekam er eine schlechte Note und wurde vor dem gesamten Kurs von den Professoren der Lächerlichkeit preisgegeben. Wie gesagt, das Gebäude hatte keinerlei konstruktive Mängel oder dergleichen, es ging ausschließlich um Ideologie. Danach hat er es sich erst einmal verkniffen, weiterhin traditionelle Entwürfe abzuliefern. An der nachfolgenden Entwicklung war ich dann nicht ganz unschuldig, denn als ich ihn kennen lernte und wir uns unterhielten, habe ich bei ihm die Zuneigung zur traditionellen Architektur wieder geweckt. Von da an hat er auch in Seminararbeiten wieder entsprechende Entwürfe gemacht – und ist wieder in Konflikt mit Professoren geraten. Schließlich kam er zur Diplomarbeit. Das Thema, das er sich aussuchte, war ein innerstädtisches, aber ungeordnetes Gebiet in Darmstadt baulich zu entwickeln. Daraufhin entwarf er eine traditionelle (aber keine historische) Blockrandbebauung, bestehend aus diversen Einzelgebäuden, die alle eine gemeinsame Handschrift erkennen ließen, aber individuell gestaltet waren. Die Gebäude waren gut belichtet und konstruktiv nicht zu beanstanden. Ganz im Gegensatz zu dem Entwurf einer Kommilitonin, die sich als Thema den fiktiven Neubau eines Museums für die Stadt Bingen (am Rhein) ausgesucht hatte und einen Glaskubus auf dünnen Stelzen 10 cm über dem Flusswasser abgeliefert hatte. Von den berüchtigten Rhein-Hochwassern, die schon beim ersten Mal dafür gesorgt hätten, dass ihr Glaskubus in der Nordsee gelandet wäre, hatte sie offensichtlich noch nichts gehört. Das wurde ihr bei der Bewertung natürlich angekreidet, aber das Diplom gab’s trotzdem dafür. Mein Kumpel ist aber durchgefallen, denn die Professoren, die mit ihrer Architektur so gerne andere Leute provozieren, fühlten sich durch den von ihm vorgelegten traditionellen Entwurf nun plötzlich selbst provoziert. Sie hielten ihm u.a. vor, er hätte den Sinn des Architekturstudiums nicht verstanden. Er macht heute Praktikum bei Rob Krier in Berlin und wird dort fest angestellt, sobald er das Diplom im zweiten Anlauf besteht. Wenn du magst, kannst du dich gerne mal mit ihm unterhalten, du kommst ja ebenfalls aus Berlin. Etwas anderes als ich wird er dir jedoch nicht sagen können. Interessanterweise glaubt auch er nicht an eine Verschwörung, aber an eine „schleichende Indoktrination“ der Architekturstudenten, wie er es mal ausgedrückt hat. In Wirklichkeit hat es meiner Meinung nach nichts mit Verschwörung, sondern mit Besitzstandswahrung und mit Rechthaberei zu tun.


    Bei solch ungünstigen Voraussetzungen kannst du sicher verstehen, wie froh ich bin, dass ich nicht Architektur studiert habe. Auch ein Psychologiestudium fällt flach, denn was nützt es mir, wenn ich das Problem bis in alle Details inhaltlich verstehe, aber trotzdem traditionelle Architektur lieber mag? Dann hätte ich nur als einer von vielen das Problem auf theoretischer Basis ausgebreitet und die Wirkung wäre verpufft. Ich habe aber mit meinem Wissen und Verständnis praktisch gehandelt, und es hat sich was verändert.

  • Zum Altstadt-Modell:


    Ich kann nicht verstehen, weshalb man die solche Probleme bereitet. Ich weiß, dass es gerade an der TU Darmstadt ein sehr großes Projekt mit Wanderaustellungen des IKA-Lehrstuhls gibt. Man versucht zerstörte aber auch nie realisierte Gebäude 3-Dimensional nachbauen. Das reicht von der gigantischen Abtei Cluny bis hin zu wichtigen deutschen Synagogen.
    Der Lehrstuhl hat dabei natürlich den Anspruch dem Architekturbegriff eine neue, rein virtuelle Ebene hinzuzufügen, dennoch gibt es natürlich Paralellen zu deinem Altstadtmodell.
    http://www.cad.architektur.tu-darmstadt.de/d_projects/


    Insofern kann ich nicht verstehen, weshalb die moderne Seite das Modell an sich nicht erstmal als neutral betrachtet, denn es würde ja auch den Modernisten Argumente gegen den Wiederaufbau liefern, sofern es diese Argumente eben gibt.
    Also ich meine das jetzt auch an beide Seiten mahnend gerichtet, ich weiß ja nicht wie ideologiebeladen Du selbst Dir kooperationswillen verbaust, bzw. wie gerechtfertigt die Versuche der Modernisten sind, dich zu behindern?
    Da ich selbst Befürworter einer Teilrekonstruktion bin und Argumente beider Seiten nachvollziehen kann, finde ich es schade, dass sich die Debatte so erhitzt hat, dass wirklich mit jedem Dreck geschmissen wird, angefangen von ungerechtfertigten Verungilmpfungen des Bauhauses einerseits bis hin zu Nazibeschimpfungen andererseits.


    Zum Studium:


    Ich studiere selbst zur Zeit an der TU Darmstadt Architektur und muss Joergs Bericht zustimmen. Mit traditionalistischen Entwürfen hat man absolut keine Chance.
    Es ist aber auch so, dass die Bewertung eines Entwurfs oftmals einseitig auf den künstlerischen Ansichten des Betreuers bzw. jeweiligen Lehrstuhls beruht.
    Ich bin sicherlich kein Traditionalist, aber selbst mit "modernen" Entwürfen ist es schwer genug jedes Semester eraten zu müssen, auf was der jeweilige Prof/Betreuer so steht.
    Deshalb kann man auch nicht sagen, dass an der Uni jetzt eine betsimmte Ideologie gelehrt wird. Wenn das so wäre, wär ich verdammt froh zu wissen, wie der Schuppen den ich jeweils grad entwerfe aussehen sollte :)
    Es gibt eben nur eine Reihe von Dingen die absolut nicht gehen, zu denen zählen alle traditionalistischen Tendezen inklusive Postmoderne, aber z.B. auch Hightech-Kitsch.
    Ganz hoch im Kurs sind zur Zeit zwei Strömungen:


    1. Die extrem (abgehoben) künstlerische, also z.B. Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au etc.


    2. Die Öko-technische, sehr reduzierte, von den eher technischen Lehrstühlen vertreten.
    gebautes Beispiel: http://www.akademie-mont-cenis.de/


    Allerdings ist das eine ganz grobe Einstufung, also der Städtebaulehrstuhl findet auch einige frühe Sachen von Kolhoff gut, Prof Koob vom Informatikbereich hats ganz besonders mit den Architekturphilosophen wie z.B. Eisenman.


    Wenn ihr mich fragt, so wird die zukünftige Architektur eine Synthese aus komplex geformten aber sonst sehr schlichten, "leeren" Räumen mit einem hohen ökologischen/technischen Anspruch. Beide Strömungen werden sich wahrscheinlich in den nächsten Studentengenerationen vereinen. Also was Libeskind heute aus künstlerischer Sicht krumm baut, wird Morgen wohl aufgrund irgendwelcher Öko-Computerrechnungen solche Formen erhalten.

  • Jörg,


    wir schweifen hier ganz schön vom Thread-Titel ab, aber es ist ja auch kaum jemand hier, der sich dadurch gestört fühlen könnte (und mik trägt noch zur OT-Debatte bei). ;)


    Ich habe selbst ein solches Studium hinter mich gebracht, allerdings nicht im Rhein-Main-Gebiet, sondern hier in Berlin. Ich kann grob das bestätigen, wovon Dein Freund und auch mik sprechen. Das trifft zumindest auf das Schleifen im Grundstudium etc. zu. Jedoch kann ich mich nicht erinnern, dass es für Andersdenkende jemals zu derart herben Sanktionen gekommen wäre, wie beschrieben (der Lächerlichkeit preisgeben, beim Diplom durchfallen lassen etc.). Ich bin auch der Meinung, dass gerade in einem sehr subjektiv bewertbaren Schwerpunkt wie der Entwurfslehre genügend Beurteilungs-Defizite bei den Lehrenden bestehen, was pädagogisch und didaktisch wünschenswerte Inhalte und Maßstäbe angeht. Das sollte sich aber eigentlich spätestens dann legen, wenn man sich im Hauptstudium seine Professoren mehr oder weniger frei aussuchen kann.


    Wir waren eine eher kleine Fakultät (ca. 30 bis 50 Studenten im Erstsemester, je nach Jahrgang). Trotzdem erinnere ich mich, dass noch jeder seinen Weg, bzw. Prof gefunden hat, auch deshalb, weil sich niemand von den Lehrenden wagte, reine Entwurfsaufgaben mit ungenügend zu bewerten (selbst Vieren waren selten und kamen nur bei zur Schau gestellter Faulheit zum Einsatz). Gut, bei uns hatte im ersten Semester ein unbedarftes Mädel mit einem Vogelhäuschen die Aufgabe "Ein Haus in der Landschaft" (o. ä.) gewonnen, während andere Entwürfe ablieferten, die bereits von einer intensiven voruniversitären Beschäftigung mit der Architektur oder gar von fachlicher Kompetenz (z. B. vorherige Bauzeichnerausbildung) zeugten. Und jenes Fräulein war später Tutorin und erhielt den gefragtesten Erasmus-Platz. Ich denke nur, das hat viel mit Sympathie und weniger mit Ideologie zu tun. Ein entgegengesetztes Beispiel dafür kann ich auch liefern. Es gab jemanden der sich früh während des Studiums den klassischen Stilen zuwandte und sogar eine tragende Rolle in der "Prince's Foundation" übernahm, Prince Charles Stiftung für traditionelle Architektur. Derjenige wurde später Tutor beim Fachbereichs-Prof., lieferte bez. einer - der Thematik immanenten - Ermangelung an neuen Entwurfskonzepten das Skript einer manifestartigen Architekturzeitschrift über historische Bauwerke als Diplomarbeit ab und wurde damit m. E. sogar als einer der Jahrgangsbesten benotet (falls jemand, dem das bekannt vorkommt hier zufällig mitliest: ja, derjenige besaß einen französischen Namen). So einfach, wie von Dir geschildert, ist es also nicht immer. Ich kann mich auch erinnern, fast alle Profs. waren mit Hans Kollhoff irgendwie bekannt (er hielt bei uns auch ab und an Vorträge oder wurde zu speziellen Vorlesungen als Gastredner eingeladen) und die jüngeren Lehrbeauftragten durchliefen vormals fast alle sein Büro. Auf dieser Uni waren u. a. Jan Kleihues, ein Patzschke- und ein Kollhoff-Sohn. Heute arbeite ich mit Leuten zusammen, die allesamt an einer anderen Berliner Uni studiert haben und kann mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dort wurde insgesamt weniger eindringlich gelehrt, weder, was traditionalistische, noch was moderne Tendenzen betrifft.


    Zur Ideologie: Man kann darüber streiten, wer eher einen ideologischen und wer einen pragmatischen Standpunkt vertritt. Fakt ist, jede Gesellschaft und jede Zeit brachte ihre eigene Baukunst hervor. Das war so durch den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmen determiniert und gilt mit der Abschwächung durch Industrialisierung und Globalisierung auch heute noch. Wenn sich jetzt eine Seite hinstellt und konsequent eine Architektur fordert, die die heutige gesellschaftliche Realität widerspiegeln soll (Pragmatismus, Kapitalismus, Funktionalismus, Individualismus oder was man auch immer an Boten unserer Zeit in der Moderne und ihren Spielarten zu erkennen glaubt), ist die dann ideologisch verbrämter als die Standpunkte der anderen Seite, die wider besseres Wissen(?) Abziehbilder baulicher Zeugnisse fordert, deren Entstehung anderen Rahmenbedingungen als den heutigen geschuldet war (Verhältnis von Material-, zu Lohnkosten, vorhandene handwerkliche Fähigkeiten die noch nicht durch eine Vielzahl anderer erwerbsfördernder Spezialkenntinisse relativiert wurden, fehlende Industrialisierung, fehlende oder anderslautende ökologische, baurechtliche oder z. B. schlechte Arbeitsbedingungen für Mensch und Tier fördernde Rechtslagen, autoritäre, undemokratische "Stilpolizei", Fehlen von Bürgerrechten, starkes soziales Gefälle, andere Familien- und Finanzierungsstrukturen, wechselnde Auffassungen in der Mode und den schönen Künsten etc.)? Ich denke, diesen Ball können sich alle Beteiligten abwechselnd zuspielen. Ich habe nur leider den Eindruck, der Ideologie-Vorwurf wird vorwiegend in eine Richtung getragen, nämlich von den Kritikern aktueller Tendenzen an jene, die sich durch ihre Ämter und Berufe zwangsläufig intensiver mit der komplexen Materie beschäftigen müssen.


    Ich denke, die von Dir vorgetragenen Strukturen und Abhängigkeitskonstellationen findet man tatsächlich in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Dazu zählen besonders der Kunstbetrieb in allen Spielarten, ob Bühne, Malerei oder Musik, die Bekleidungsmode und beinahe alles, was gerne mit den Begriffen Bohème, Avantgarde oder Szene in Verbindung gebracht wird. Das sind aber Felder, in denen die jeweiligen Protagonisten sehr viel losgelöster von gesellschaftspolitischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Zwängen agieren können, als dies aktuell in der Architektur und im Städtebau der Fall ist. Stellvertretende Stichworte seien: Kriegsschäden, Wohnungsknappheit, Massenmotorisierung, Kapitalkonzentration und alle paar Dekaden politisch oder rein machtdemonstrativ postulierte Paradigmenwechsel). Auch das Wegbrechen aristokratischer Strukturen und der damit verbundene Entfall von, im diskutierten Fall: gestalterischen Vorbildern bzw. deren spätere Teilrehabilitation musste zwangsweise zu einem baulichen Zickzack im letzten Jahrhundert führen. Und der Bedeutungsverlust antiker und anderer, religiöser Vorbilder im Alltag musste dann auch zwangsweise eine Veränderung in der figuralen Gestaltung folgen. Das und vieles mehr sind Dinge, die man beachten muss, will man nicht dem Vorwurf des Forderns von Disneyland-Kopien verlorener Bauzeugnisse erliegen.


    Ich hab's hier sicher schon (zu) oft geschrieben: Nicht zuletzt unterliegt die Architektur nach meiner Auffassung ähnlichen Modezyklen, wie sie für beinahe alle anderen gestalterischen Bereiche auch mittlerweile anerkannt gelten. Das gilt auch, wenn die Zyklen hier etwas länger sind und ihre Schwankungen in der Architekturtheorie noch weniger erforscht scheinen (zumindest der Öffentlichkeit weniger bekannt sind). Deshalb erachte ich ein starres Beharren auf Positionen - besonders, wenn sie auf Kategorien wie "Schönheit" basieren - für wenig produktiv. Und ähnlich wie in anderen Bereichen der Kunst ist es auch in der Architektur beinahe "normal", dass die Ansprüche und Sichtweisen von Laien und professionellen Planern/Entwerfenden schon allein aufgrund ihres unterschiedlichen Erfahrungshorizontes divergieren - auch wenn das für einen engagierten Erwachsenen zunächst despektierlich klingen mag. Das ist genau das gleiche "Phänomen", wie man es z. B. bei Musikkonsum oder Sonstigem beoachten kann: die Schnittmenge der bevorzugten Stücke von Heranwachsenden und Berufsmusikern dürfte kaum nennenswert ausfallen, Ältere Eltern erziehen ihre Kinder im Allgemeinen anders als jüngere, Rentner mögen - grob verallgemeinernd - Kaki-Farben und Bitterschokolade etc. Das hat alles mehr mit Wissen, Erfahrung oder Wandel gegen Abstumpfung zu tun, als mit Profilierungssucht (wobei, ich kannte mal jemanden, der glaubte ernsthaft, wer z. b. Jazz höre, wolle sich nur von jenem und seinesgleichen absetzen, obwohl man doch genau wüsste, dass Depeche Mode viel interessantere Songs machen; okay, in der "Szene" mag derartiges Verhalten teils wirklich populär sein)


    Zur Verschwörung: Zugegeben, Du hast diesen Begrif nicht verwendet. Worauf ich mich mit dessen Erwähnung explizit beziehe, habe ich zuvor als Zitat von Dir ausgekoppelt. Das war meine Interpretation Deiner These vom vermeintlich weltweit identisch agierenden - da sich mit ähnlichem Verhalten profilierenden - Architekten, der ja dann, so meine Vermutung, quasi ferngesteuert sein muss (Gut, inzwischen habe ich dazu gelernt, die Profs. des Grundstudiums sind schuld. Aber sind die dann vielleicht verschworen oder manipuliert? ;)) Alle folgenden Erwähnungen meinerseits hatten eine rein dramaturgische Funktion :).




    mik,


    meine Erfahrungen während des Studiums sind im Prinzip deckungsgleich mit Deinen (halbjährlich neues Raten, was die Ideallinie beim jeweiligen Prof angeht etc.) Wie oben bechrieben, mit den "Traditionalisten" wurde bei uns nicht so hart umgesprungen. Es gab sogar Scheine, die bekam man für die intensive Beschäftigung mit antiker Architektur (so wurden großmaßstäbliche Gipsmodelle angefertigt, in Museen zum Zeichen gegangen oder, weniger antik, Dokumentationen erhaltener Berliner Straßenzüge aus vergangenen Zeiten erarbeitet etc.). Und der Postmoderne waren auch mindestens zwei Profs sehr zugetan. Überhaupt hatte ich den Eindruck, bei Bedarf hätte man das Studium auch abschließen können, ohne jemals ernsthaft eine "Kiste" entworfen zu haben. Dennoch, im "normalen" Studienverlauf der Unentschlossenen (und derer, die stets den Weg des geringsten Widerstands nehmen) war die Beschäftigung mit der Architekturgeschichte und den Ursachen des Wandels viel zu wenig ausgeprägt. Man konnte sogar fast ohne sie über die Runden kommen und alle derartigen Themen wurden nur von einer Minderheit der Studenten aufgegriffen. Und wer sich auffallend intensiv damit auseinandersetzte (und seine Positionen gar noch verteidigte), dem wurde häufig geraten, doch auszusteigen und auf Kunsthistorik, Schwerpunkt Architektur umzusatteln. Aus dieser Ecke kamen schließlich auch die Profs, die Entsprechendes lehrten. Vermutlich ist diese Einstellung sogar historisch legitimiert, denn selbst Schinkel scheint sich auch kaum mit dem Barock beschäftigt zu haben sondern hat sich statt dessen nur für die Dinge interessiert, die ihm erst seine Lehrer beigebracht haben und die er später auf Reisen, am Ende vor allem zeitgenössische englische Architektur betreffend, für wertvoll und nachahmenswert erachtet hat.


    Was die von Dir aufgeführten aktuellen Tendenzen betrifft denke ich, diese waren schon zu meiner Zeit en vogue. Selbst meine Freundin (Landschaftsarchitektin) erzählte mir, bereits vor 15 Jahren gingen architektonische Exkursionen vor allem zu solchen Objekten. Dabei sollte doch gerade das bisherige Lebenswerk von Hadid - ähnlich wie die Fischer-Biografie - eher als Abschreckung für angehende Architekten fungieren können. Allgemein denke ich, die Fokussierung im Lehrbetrieb auf die von Dir genannten Beispiele entsteht dadurch, dass diese Bauten gut und umfangreich vermittelbar sind, ein interessanter Diskurs mit den Studenten entsteht und so eine angenehmere Entwurfsbegleitung mit großen Freiheiten möglich ist, als dass sie Ausdruck von Geringschätzung gegenüber weit banaleren Gebäuden ist. Auch ist das m. E. ein Beweis dafür, dass die Modeuhren in der Architektur sehr langsam ticken.


    Die Tendenzen im Bau sehe ich ganz woanders als Du, aber an dieser Stelle würde die Diskussion noch sehr viel weiter vom Thema abrücken, als sie es ohnehin schon tut. ;)



    Gruss
    AeG

  • SONNTAGSÜBERRASCHUNG!!!


    Ich werde nun endlich mal Bilder meines Modells einstellen. Sie sind alle neu produziert, d.h. ich habe sie noch nirgendwo anders gepostet und sie sind daher auch für Leute interessant, die in anderen Architekturforen schon Renderings von mir gesehen haben. Sämtliche Bilder stammen aus dem Bereich des Technischen Rathauses und dessen direkter Umgebung. Ihr dürft die Bilder auf euren Rechner laden und sie mit Verweis auf meine Person anderen Leuten zeigen. Ich untersage jedoch jede kommerzielle Nutzung!


    Zuerst ein Foto vom Römerberg mit Blick in den Markt Richtung Dom. Vorne rechts der Samstagsberg mit dem Haus zum Engel, das Anfang der 80er Jahre wieder aufgebaut wurde.



    Für das nächste Bild müssen wir etwas in den Alten Markt hineingehen. Es zeigt an dessen Beginn das Steinerne Haus aus dem 15. Jhd., das nach dem Krieg ebenfalls rekonstruiert wurde und heute einen modernen Anbau besitzt. Das grüngelbe Gebäude rechts davon befindet sich bereits im Areal des Technischen Rathauses.



    Schräg gegenüber vom Steinernen Haus befand sich der Eingang zur Goldhutgasse mit dem Haus zum Gleismund, dessen Fachwerk 1938 freigelegt wurde. Dieser Bereich steht für eine Rekonstruktion NICHT zur Debatte, war allerdings ebenfalls sehenswert. Die Goldhutgasse führte einst zum bekannten Fünffingerplätzchen.



    Das nächste Bild zeigt das ebenfalls bekannte Rote Haus, ein Gebäude, das nur von 3 Eichensäulen und einigen Kragsteinen der Nebenhäuser getragen über der Einmündung des Tuchgaden schwebte. Es stammte aus dem 14. Jhd. und wurde um 1500 um das 3. OG aufgestockt. Die Nebengebäude gehörten ebenfalls zum Ensemble. Dahinter der Domturm. Im "Erdgeschoss" befanden sich die berühmten Schirnen, in denen sich die Frankfurter ihr heiße Fleischwurst besorgten. Inzwischen befürworten selbst die meisten Rekonstruktionsgegner den Wiederaufbau dieses Hauses.



    Blick vom Roten Haus zum Hühnermarkt mit dem Stoltze-Denkmal. Hinten links (teilweise verdeckt) das Haus Eßlinger, das ebenfalls mehrheitlich zur Rekonstruktion empfohlen wird. Aus dem Haus Eßlinger stammte die mütterliche Linie von Johann Wolfgang von Goethe. Hier verbrachte er auch einen Teil seiner Kindheit und Jugend.



    Blick über den Hühnermarkt zum Roten Haus. Der Markt verläuft im Hintergrund von links nach rechts. Heute befindet sich an dieser Stelle der Eingang zum Technischen Rathaus. Um zur Goldenen Waage zu gelangen muss man nach links weitergehen.



    Blick auf die Goldene Waage. Rechts der Eingang des Marktes mit Blick Richtung Westen zum Hühnermarkt und zum Roten Haus. Die Goldene Waage wird ebefalls selbst von Rekonstruktionsgegnern zum Wiederaufbau empfohlen. Das Fachwerkhaus besaß auf seinem Rückgebäude das bekannteste Belvederchen der Stadt und war zum Schluss ein Museum. Links davon die Gebäude der Höllgasse, auf deren Gebiet sich heute der Archäologische Garten erstreckt.



    Durch das Tor im hintersten der vier Bögen im Erdgeschoss an der Höllgasse kommt man in den kleinen Fachwerk-Innenhof der Goldenen Waage. Rechts der steinerne Treppenturm, über den man das Belvederchen erreicht.



    Das nächste Bild zeigt die Laube auf dem Dach des Rückgebäudes der Goldenen Waage, die 10 Menschen Platz bot. Im Sommer waren Belvederchen und Laube mit Pflanzen geschmückt, die der ganzen Szenerie einen mediterranen Touch verliehen. So kann es auch wieder werden. Aber nur dann, wenn man vom Belvederchen nicht in moderne Hinterhöfe schaut. Das macht nämlich einiges an Reiz aus.



    Als nächstes der Blick von der Laube über das belvederchen mit dem Brunnen (rechts) zum Treppenturm (links) und auf den Domturm. Diese Aussicht war früher eines der Highlights für Frankfurt-Besucher.



    Das folgende Bild ist südlich der Goldenen Waage am Krautmarkt aufgenommen. Der Blick geht nach Westen über das Plätzchen am Tuchgaden (hinten) in die Bendergasse. Sämtliche Gebäude können nicht wieder aufgebaut werden, weil hier entweder schon die Schirn steht oder das Abstandsgebot zur Schirn im Weg ist. Das hellgelbe Haus im Hintergrund (Mitte) war übrigens das sogenannte Mozart-Haus, in dem Mozart als Kind übernachtet hat, als er mit seiner Familie in Frankfurt ein Konzert gab. Von diesem Gebäude ist eine Fensterscheibe erhalten: In diese ritzte Mozart seinen Namen. Sie befindet sich heute im Historischen Museum.



    Das Tuchgadenplätzchen mit Blick in den Tuchgaden:



    Das letzte Bild zeigt den Tuchgaden Richtung Rotes Haus, das man nun von seiner verschieferten Rückseite sieht. Links daneben das "Alte Rote Haus", ein spätromanisches Gebäude, das zu den ältesten baulichen Zeugnissen Frankfurts zählte. Hinter der linken Häuserreihe lag das Metzgerhöfchen. Dieser Blick wurde unzählige Male gemzeichnet und fotografiert. Er sollte den zukünftigen Generationen nicht vorenthalten werden. Eine Rekonstruktion wäre nämlich problemlos möglich.



    So! Das war der erste Teil. Ich werde von Zeit zu Zeit weitere Bereiche der Altstadt rendern und hier einstellen. Bitte seht mir nach, dass ich nur wenig Zeit habe und übt euch in Geduld. Jetzt dürft ihr aber auch euren Senf dazugeben und entweder eure Meinung schreiben oder diesen Beitrag bewerten. :D

  • Die Überraschung ist gelungen. Die Renderings vermitteln einen überragenden Eindruck wie die Altstadt einmal ausgesehen hat und - zunächst wenigstens in Teilen - demnächst wieder aussehen könnte. Großes Kompliment!

  • Klasse Joerg, phantastisch gemacht! Vielen Dank!!!!!:daumen:
    Es ist schwer sich im Anbetracht solcher Bilder gegen einen Wiederaufbau zu stemmen.

  • Wow, ich glaube kaum, dass jemals in einem einzelnen Beitrag soviel Arbeit steckte (ohne natürlich andere geringschätzen zu wollen!) - große Hochachtung!
    Ich würde mich sehr freuen, wenn Teile der Altstadt bald wieder so romantisch aussehen würden wie auf Deinen Simulationen - und dann noch Leben auf den Straßen, Cafés, Sommer... *träum*


    Danke und weiter so! :daumen:

  • Du mußt diese Bilder der Öffentlichkeit zeigen! Damit muß sich doch fast jeder Herz erweichen lassen! Und wenn mir jetzt jemand damit kommt, das wäre alles nicht nutzbar, Pustekuchen! Das sind keine 2-Stock-Fachwerkhäuser, sondern ja richtig große Gebäude!
    Fantastisch!!!

  • Ich bin begeistert von den Bildern.


    Könnte man die Bilder bzw. einen virtuellen Rundgang einer breiten Öffentlichkeit Frankfurts zur Kenntnis bringen, wären die Gegner des Wiederaufbaus wohl nicht mehr zu hören. Das gesamte Ensemble toppt fast Rothenburg ob der Tauber! Nicht nur aus touristischer Sicht wäre Frankfurt mit dem alten bzw. neuen Identität stiftenden Herz eine wahre Meisterleistung gelungen.


    (Hoffentlich kommt es auch so...)


    Vielen Dank für Deine tolle Arbeit joerg :daumen:.

  • Unglaublich... also jetzt bin ich auch absoluter Rekonstruktions-befürworter, war vorher noch unentschlossen. Denke es wird vielen anderen auch so ergehen, wenn sie diese Bilder sehen!
    Damit könnte sich Frankfurt viel "Charakter" und Gemütlichkeit verschaffen, die von unwissenden Nicht-Frankfurtern oft vermisst oder bemängelt wird...

  • Schön, hier neue Bilder zu sehen, wie man merkt, legst du dich mächtig ins Zeug! Bei soviel Herzblut kann man wirklich nur applaudieren. :daumen:


    Hier mal noch als Ergänzung eine alte Ansicht vom von dir erwähnten Metzgerhöfchen von einem alten Lichtdruck, den ich vor einiger Zeit einmal gescannt habe...



    ...und der Hof des Hauses "Hinter dem Lämmchen 6", der meines Wissens mit dem Gebäude ebenfalls zur Rekonstruktion in Frage käme...



    Vielleicht kannst du ja von beiden noch deine CG-Ansichten posten, zumindest vom Metzgerhöfchen hast du schonmal etwas gezeigt, wenn ich mich recht erinnere. ;)


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    Hinweis der Moderation: Ich nehme an, dass die Fotos inzwischen gemeinfrei geworden sind. Dies bitte das nächste Mal dazuschreiben, ansonsten die Quelle. Danke.


    Edit: Jepp, sind sie - der Fotograf, C. F. Mylius ist 1916 gestorben und somit die 70 Jahre tot, nach denen das Urheberrecht im deutschen Sinne erlischt. Entschuldigung, dass ich das vergessen habe zu erwähnen.