Spittelmarkt-Thread

  • Es geht mir darum, daß hier nun mal keine Alstadt mehr da ist und hier einzig der Punkt einer "kulturhistorischen Bedeutung" als Begründung dafür herangezogen wird, historische Grundrisse wiederherzustellen, ohne darüber nachzudenken, ob darin überhaupt eine besondere Qualität stecken würde, die es lohnt, realisiert zu werden. Hinter dieser dogmatischen Haltung stecken eben doch bei vielen historische Sehnsüchte nach dem alten Bildband-Berlin. Ich persönlich kann das durchaus verstehen, bin aber kein Anhänger der "früher war alles besser - Fraktion", sondern für einen pragmatischen, bestandsorientierten Umgang mit der Stadt.

  • Du redest aber auch etwas am Thema vorbei. Die Grundhaltung hier ist doch sich am Bestand zu orientieren. Also die Blockränder zu bebauen und später, wenn der Erhalt der Hochhäuser nicht mehr rentabel ist, diese zurückzubauen und durch Blockrandbebauung zu ersetzen. Was dagegen vorzubringen ist wird mir aus deinen Aussagen nicht wirklich klar.

  • Darum geht es doch den Leuten hier, die den historischen Grundriss rekonstruieren wollen eben nicht, sondern um die möglichst sofortige Beseitigung der vorhandenen Bebauung, weil diese der "kulturhistorischen Bedeutung" nicht angemessen sind (nebenbei find ichs auch lustig, von Abriss bei nicht mehr vorhandener Rentabilität zu sprechen, solange man entsprechende Pflege vornimmt, bleiben die mit Sicherheit dauerhaft belegt).

  • Eigtl. doch.
    Streitpunkt dieser "Leute" ist lediglich ein gewünschter (so utopisch er sein mag) Abriss der Platten oder ein langfristiger "natürlicher Tod" oder eben eine dauerhafte Integration dieser in Blockstrukturen.

  • Das ist eine tolle Idee, kaputtwohnen lassen, damit man die Dinger einfach abreissen kann! Das kenne ich, das gab es in den Siebzigern schonmal. Damals hat man das mit den Gründerzeitgebäuden gemacht, welche man als "unzeitgemäß" einstufte. Außerdem waren sie unrentabel geworden. SO61 ist ein Paradebeispiel für solch eine Taktik. Errichtet wurden dann ähnliche Bauten wie auf der Fischerinsel. Diese Altstadtdiskussion gibt es ja schon in vielen Städteforen. Wer eine Altstadtillusion erleben möchte, der begebe sich doch bitte ins Nikolaiviertel! Das Postkartenberlin ist Vergangenheit. Es gibt keine acht Hinterhöfe mehr, keine Mulakritze, keinen Zille, kein Stadtschloß, keinen Kaiser mehr. Es gibt das Hansaviertel, Die Fischerinsel, Prenzlauer Berg den Partymeister, den Fernsehturm....Das sind alles Sehenswürdigkeiten und davon gibt es en masse in Berlin.

  • ^
    Das ist doch nun auch wieder sehr übertrieben. Es sollen lediglich historische bzw. an jenen anlehnende Straßenverläufe hergestellt werden. Es wird somit nicht gefordert das historische Cölln zu rekonstruieren. Zudem schrieb Andi "oder eben eine dauerhafte Integration dieser in Blockstrukturen". Bitte auf dem Boden bleiben und die Beiträge in Ruhe durchlesen und eigene mit Bedacht schreiben. Somit können Missverständnisse schon frühzeitig verhindert werden.

  • NewUrban - Die heutige FIscherinsel ist ganz sicher keine Sehenswürdigkeit. Es ist eine Wohnhochhausanlage wie man sie auch anderswo in der Stadt in ähnlicher Konfiguration vorfindet. Insofern also ein Musterbeispiel an Beliebigkeit, das diesem Ort in keinster Weise gerecht wird. Und nein, das Postkarten-Berlin ist nicht Vergangenheit. Alles andere wäre eine Kapitulation vor der Kulturlosigkeit.

  • @ Stadtplaner


    Natürlich läßt sich mein Postulat "Straßen und Parzellen sind das Gedächtnis einer Stadt" auch als Argument für den Status quo anwenden. Nur stehen dann eben die Änderungen seit 1960 gegen den Bestand der 200 bis 400 Jahre davor.


    Ich verwahre mich gegen den Anwurf "Rekonstruktionsfanatiker" zu sein.
    "Rekonstruktionsbefürworter" paßt wohl eher. Und das ist genau so legitim wie "Befürworter der DDR-Moderne" oder " - Bauhaus-Moderne".
    Als jemand, der die rußgeschwärzten Fassaden der Ross- und Grünstrasse (übrigens auch die Bauakademie!) noch gesehen hat, bevor sie den Abrissbrigaden zum Opfer fielen, empfinde ich die Chance einer Wiederkehr zumindest der Straßenverläufe nicht als Bedrohung. ;)

  • @ Reinhard


    Sicher bestand die alte Struktur (wenn auch nicht unverändert) über eine lange Zeit, nur ist sie nicht mehr da, von Bestand kann ich da einfach nicht reden.
    Im übrigen hab ich grundsätzlich gar nichts gegen Grundrissrekonstruktionen, wie beispielsweise am Molkenmarkt, nur ist die Situation dort durch Brachen geprägt, die einzige Schwierigkeit besteht in der Umverlegung der Grunerstr. wohingegen die Fischerinsel numal bebaut ist (mit einer Struktur, die vielen nicht passen mag, dennoch ist es keine problematische Gegend) und der Erhalt der jetzigen Bebauung (auch das ist bauliches Erbe!) inklusive der Lebensräume der jetzigen Bewohner ist für mich nicht nachrangig gegenüber der Rekonstruktion früherer Zustände (wobei wir hier zu dem interessanten Streitpunkt kommen, ob hier ein gesamtstädtisches Interesse überhaupt vorliegt, welches so schwerwiegende Maßnahmen wie Abrisse rechtfertigen kann - man sollte auf jeden Fall erstmal abwarten, welche Assoziationen der neue Molkenmarkt inklusive Großem Jüdenhof auf historischem Grundriss überhaupt wecken kann, oder ob es nicht ein neues Stadtviertel wie viele andere auch wird).
    Letztlich bedeutet der von mir gewünschte bestandsorientierte Umgang mit der Stadt, daß Strukturen oder Gebäude nicht nach Geschmacksfragen beseitigt werden (die sowieso extrem zeitgeistabhängig sind), sondern danach beurteilt, ob sie funktionieren oder nicht nicht; die Fischerinsel funktioniert ihrem Zweck nach als Wohnsiedlung zumindest gut genug, um den Fokus auf andere Bereiche der Innenstadt zu legen, die Maßnahmen deutlich nötiger haben.

  • @ Stadtplaner


    Das Problem "Fischerinsel" ist nicht das dringendste der Stadt und ich bin mit dir einer Meinung, den Fokus auf andere Bereiche der Innenstadt zu legen, die Maßnahmen deutlich nötiger haben.
    Z.B. den Bereich Luisenstr./Schiffbauer Damm.

  • Eigtl. doch.
    Streitpunkt dieser "Leute" ist lediglich ein gewünschter (so utopisch er sein mag) Abriss der Platten oder ein langfristiger "natürlicher Tod" oder eben eine dauerhafte Integration dieser in Blockstrukturen.


    Mein Komentar bezog sich auf die, wieder einmal wunschträumerische Vorstellung, diese Gebäude würden eines "natürlichen Todes" sterben. Solange Berlin nicht an Einwohnern gewinnt, sehe ich keinen Grund, die Fischerinsel nach zu verdichten! Das brächte erhebliche Nachteile für die Bewohner. Das diese Gebäude keine Sehenswürdigkeit sind, das leuchtet mir ein. Davon profitieren die Anwohner, welche die Ruhe in der Großstadt genießen wollen.

  • ReinhardR
    Weshalb sind Maßnahmen am Schiffbauerdamm und Luisenstraße notwendiger als auf der Fischerinsel? Das sind relativ schöne und gerade sanierte Straßen. Da würden mir in Mitte aber etliche Gebiete mit höherem Handlungsbedarf einfallen.

  • Und nein, das Postkarten-Berlin ist nicht Vergangenheit. Alles andere wäre eine Kapitulation vor der Kulturlosigkeit.


    Und zwei und zwei sind fünf, wenn ich es mir nur lange genug wünsch'...


    Ich glaube, es ist nicht Kulturlosigkeit, die hier Kapitulation einfordert, sondern ein viel mächtigerer Gegner: Die Realität.


    Alt-Berlin ist in Schutt versunken, das hatte Gründe, und das nicht zu akzeptieren ist doch ein kaum ernst zu nehmendes Wehklagen...

  • Zwischen Alt-Berlin und seelenloser Tristess gibt es schon noch ein paar Differenzierungen. Auch ein neues Berlin sollte in seinen Ansichten postkartenwürdig sein. Alles andere ist in der Tat kulturlos.

  • tel33
    Wie wäre es denn jetzt mal mit konstruktiven Vorschlägen über die künftige Gestaltung des Geländes wenn man davon ausgeht, dass die Wohnhochhäuser noch viele Jahre erhalten bleiben? Die Diskussion dreht sich momentan im Kreis.

  • Wie kommt ihr eigentlich darauf, das 'Alt-Berlin' besonders schön gewesen ist?
    Ich kenne Photographien von 1900-1930 und mein Eindruck ist eher so: enge Mietskasernen, die dazu noch blockweise und uniform mit mittlerer Qualität und kurzer Bauzeit hochgezogen worden sind, die von Kohleabgasen der Schwerindustrie verußten Fassaden, dazu noch der etwas abenteuerliche Geschmack des wilheminischen Geld/Adels (der Dom und das Schloß sind/waren sicher beeindruckend durch ihre Baumasse, aber 'schön'?).



    Zur momentanen Entwicklung: Ich bin mal gespannt, wie sich die Veränderungen and der Leipziger + Gertraudenstrasse auswirken. Früher hieß es, diese Strassen würden die Quartiere nördlich und südlich zerschneiden.

  • Alt-Berlin ist in Schutt versunken, das hatte Gründe, und das nicht zu akzeptieren ist doch ein kaum ernst zu nehmendes Wehklagen...

    Welche Gründe, die mit Architektur, Stadtplanung und Bauhistorie zu tun haben, waren das?
    Ich wäre für eine Erläuterung dankbar!

  • Es geht ja nicht darum, ganz Berlin mit mehr oder minder historischen Gebäuden zu zupflastern, weil diese oft als schöner empfunden werden.
    Hier geht es um ein eng begrenztes Gebiet, das im Laufe der nächsten Jahrzehnte ganz sicher Entwicklungsbedarf hat.


    Wie weiter oben schon gesagt wurde, spiegelt die Architektur einer Stadt auch immer ein Stück Ihrer Geschichte wieder. Architektur aus den verschiedenen vergangenen Epochen zu haben, bedeutet somit auch zu zeigen, woher die Stadt kommt und für die Gegenwart somit oft auch ein Stück Identität (im Gegensatz zu bspw. reinen Retortenstädten). Genau das wurde besonders in Berlin (in Ost wie West) als es um Erhalt und Wiederaufbau ging übersehen oder bewusst verdrängt. (Die Gründe hierfür sind vielfälltig und will ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen.)


    In Situationen wie dieser, in der
    1. das Gebiet eine gewisse historische Bedeutung hatte, die mehr oder minder bis zu Kriegszerstörung und großflächigem Abriss vohrhanden war
    2. heute sowieso eine Notwendigkeit zur Neu bzw. Weiterentwicklung aufweist und
    3. historische Anknüpfungspunkte noch vorhanden sind (wie bspw. die Spreebrücken, mittlere Fischerinsel, die rückgebaute Gertraudenstr.)
    ist im Zuge der Entwicklung eine Bezugnahme darauf m.E. aus oben genannten Gründen geboten und stellt eine Korrektur zu Kriegszerstörung und ideologischem Abriss dar. Was der Bezug ist, ob vollständige Reko, architekonische Anlehnung einzelner Gebäude oder bloße Straßenverläufe unter Beibehaltung des gegenwärtigen Bestandes, muss dabei im Einzelfall entschieden werden.


    Im übrigen hat ansonsten moderne Architektur natürlich auch ihre Darseinsberechtigung und soll hier ja auch gar nicht unter Generalverdacht gestellt werden. (auch wenn sicher vieles diskutabel ist).


    Ferner halte ich es für zu kurz gegriffen, aus der Tatsache, dass man bspw. in den 70 vermeintliche städtebauliche Fehler begangen hat, wie von eindem der Vorredner angesprochen, nun abzuleiten, dass nun aus Angst vor neuen Fehlern möglichst keine Änderungen mehr passieren dürfen. Denn 1. ist die Einstellung gegenüber dem Bestand heute eine andere als in den 70ern und 2. muss sich eine Stadt auch entwickeln dürfen (und zwar in jede Richtung!)


  • Zur momentanen Entwicklung: Ich bin mal gespannt, wie sich die Veränderungen and der Leipziger + Gertraudenstrasse auswirken. Früher hieß es, diese Strassen würden die Quartiere nördlich und südlich zerschneiden.


    Wieso früher? Das tun sie schon aufgrund ihrer Führung und Dimensionen bis heute.
    Die Intentionen überhaupt eine solche Schneise quer durch die Stadt zu schlagen, würden mich schon mal interessieren. Einen tatsächlichen Bedarf gab es doch zu keinem Zeitpunkt. Immerhin endete der Straßenzug zu DDR-Zeiten im Nichts.

  • @ Vertical


    Für das Gebiet < Schiffbauerdamm und Luisenstraße abgegrenzt durch das Stadtbahnviadukt im Norden > ist ein Wettbewerb ausgeschrieben oder zumindest angekündigt.
    Ich kann z.Z. nichts mehr darüber finden, aber "Kaktus" hatte das auch erwähnt in #300.
    Dieses Areal weist nur wenige - wie ich meine: zwei - erhaltenswerte Bauten auf und ist durch seine Nähe zum Regierungsviertel für eine beispielhafte Neugestaltung prädestiniert. :daumen: