Plattenbauten in Berlin

  • Tja, wenns nach mir ginge, kämen die natürlich alle weg. Wobei die an der Wilhelmstr. eher stehen bleiben dürften als die anderen von dir aufgezählten. Schon allein, um z.B. den Straßenverlauf und Blockstruktur der Leipziger Str./Fischerinsel wiederherzustellen...Am Spittelmarkt und Petriplatz ist man ja schließlich schon dabei. Aber anja, wird eh noch ein Paar Tage dauern, bis man ernsthaft darüber nachdenkt. Sind in den Häusern (überwiegend) denn Miet- oder Eigentumswohnungen?

  • Zu jeder Zeit gab es "gute" und "schlechte" Architektur ...


    Und jetzt kommt das Unglaubliche: die von Dir benannten Ensembles gehören für DDR-Verhältnisse und auch ganz allgemein, was die Bautätigkeit der 60er Jahre in Berlin betrifft, zu den besseren Ergebnissen (okay, Wilhelmstraße nur bedingt, wäre auch 80er, Fischerinsel eher weniger).


    Ich würde eher das Nikolaiviertel aufsprengen und zumindest diese fürchterlichen Giebelhausimitate Marke Wohnungsbaukombinat Rostock ersetzen. deren gekünstelte Kleinteiligkeit sich nicht einmal mit den angerenzenden historischen Originalen und Imitaten verträgt, geschweige denn mit dem restlichen Stadtraum vor Ort, bevor ich mich an die von Dir genannten Gebäude ranmachen würde.

  • Meinste jetzt die Dinger um den Alex? Also, für mich ist der Alex und was so dahinter liegt eh unwiederbringlich verloren, schon allein wegen der Struktur.


    Beim Niko (Reko!) und den anderen angesprochenen "Ensembles" ist meiner Meinung nach durchaus noch was zu retten. Dieses Autobahnformat der LS ist doch wikrlich unerträglich. Und wo nun wie gesagt der Bereich Spittelmarkt/Petriplatz/Breite Str. und irgendwann der Molkenmarkt wieder halbwegs hergestellt oder zu mindest umstrukturiert wird, kann es doch nicht so schwer sein, auch die LS wenigstens in ihrer Breite zurückzubauen...

  • naja, das ersetzen der plattenbauten in den erwähnten gegenden durch rekos ist doch nichts weiter als eine träumerei. in den wohnungsbaugesellschaften regiert eher das ökonomische kalkül, und aus diesem grunde wird es aus dem abriss in absehbarer zeit sicherlich nichts werden. die häuser sind gut vermietet, die nachfrage ist hoch, und wie aeg bereits erwähnte, sind sie saniert und in gutem zustand. es gibt heute noch genügend menschen, die plattenbauten speziell wegen dem modernen sanitären standards (sprich rohrsysteme...) ggü altbauten vorziehen. man sollte sich eher auf das vorhandene konzentrieren und sehen, wie man dessen zustand erhalten bzw. verbessern kann.

  • Bin immer erstaunt, was denn alles noch weg soll. Gibt ja schon genug Löcher in der Stadt. Zudem handelt es sich ja teilweise um ganze Ensembles. Die Hochhäuser in der Leipziger auf der Südseite stören mich nun nicht. Eher die Scheiben auf der Nordseite. Hier muß man aber auch nicht unbedingt abreißen, sondern das markante barocke Straßenraster ergänzen. Als wirklich störend empfinde ich nur die zweigeschossigen Verkaufsblöcke auf der Südseite zwischen den Hochhäusern.


    Bei den Platten rund um den Fernsehturm weiß ich, daß es dort keinen Leerstand gibt und daß die Mieten recht hoch sind. Es scheint sehr gefragt zu sein. Gleiches trifft auf die Hochhäuser in der Leipziger Süd zu. Den Blick über die Stadt kann man doch sonst nicht mehr bezahlen.


    Fragt sich auch, wer sollte den großflächigen Abriß bezahlen? Nur die Fischerinsel ist häßlich. Aber manche Gesellschaft hat auch immer das Talent, ihre Häuser in ein fröhliches Grau zu kleiden. Trotzdem wird niemand einen Abriß bezahlen wollen. Dann lieber Verdichtung.:) :daumen:

  • Ben,


    ich meine jene, "den typischen Berliner Bauten nachempfundenen" (:nono:) Scheußlichkeiten auf diesem Wiki-Photo: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Nikolaivrtl_1a.jpg , Bildmitte.


    Selbst wenn man den Mittelteil rauskloppen und nur durch einen Glasriegel, Marke Grüntuch und Ernst, ersetzen würde, wäre hier m. E. schon viel gewonnen. Aber auch das wird absehbar nichts werden.

  • Also, dort ein Glasriegel ist dort ja wohl noch mehr frehl am Platze. Ich habe mich auf deinen ersten Absatz bezogen, nicht auf den zum Niko.


    @Bato
    Ich meinte mit Reko auch nur das Niko, nicht die LS usw.. Dort kann man meinetwegen auch (neue, schöne) Hochhäuser bauen, als Skyline-Bindeglied zw. denen am Potse und denen (eines Tages) am Alex. Und drei HH (nicht die Platten) stehen dort ja eh schon. Hat dann viell. etwas von Manhattan. Viell. könnte man bei der Fischerinsel - auch wenns wohl nie dazu kommen wird - eine Teilreko in Erwägung ziehen, z.B. den Teil am Wasser. Ist ja das zweite hist. Zentrum der Stadt.


    @ralle
    Ja, hast Recht. Mich stört bei der LS auch eher die Nord- als die Südseite udn die damit zusammenhängende Breite. Zum bezahlen findet sich schon jemand...Bund, Bauherr, SED-Gelder...Ist ja nicht das erste Mal, das ein größeres Gebäude abgerissen wird.

  • Ich stimme AeG zu:


    Diese Pseudo-Altbau-Platten sind der größte Graus der gesamten Stadt. Nikolaiviertel bzw. Edelplatten am Gendarmenmarkt - brrr - da gefallen mir selbst die Scheiben auf der Fischerinsel besser. Wenn ich mir obiges Bild ansehe läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich frage mich wirklich, warum sich die Leute (hier vorrangig Touristen) so einen billigen Scheiß reinziehen.


    Von mir aus abreißen und nen Glas- bzw. Sichtbetonkasten hinsetzen. Würde wenigstens nicht ganz so peinlich und miefig aussehen.


    Kotzkotz kann ich da nur sagen:
    http://www.ststours.ca/cms_images/Nikolaiviertel.jpg
    http://www.elkebehrends.de/Des…os/Laden-Eulenspiegel.jpg
    http://members.surfeu.de/hobby…pictur/Nikolaiviertel.jpg

  • Also bei aller Liebe, vergesst nicht, was das für ein besonderes Projekt für die DDR war. Der Vergleich mit Rostock ist doch total unangebracht!
    In Rostock wurde eine eigenständige Bauart geschaffen, die die örtliche Bau- und Stadtbildkultur in die Nutzbauten integriert hat. Auch sind die Bauten zu unterschiedlichen ökonomischen und politischen Phasen der DDR entstanden!


    Bevor die DDR diese Bauten unter hohem Aufwand erstellt hatte, sah es so aus!


    Dass gerade du AEG, dir einen Grüntuch und Ernst Verschlimmbesserung wünscht, erstaunt mich aber wirklich!

  • A propos Gendarmenmakrt: In der Jägerstr. zw. Gendarmenmarkt und Fritzewerder stehen auch 3 oder 4 Platten. Ich finde diese Straße irgendwie schön (weiß auch nicht genau wieso). Wenn diese Dinger nur abgerissen und durch angemessene Neubauten (also nicht noch ne belgische Botschaft) ersetzt werden würden...Weiß jemand mehr dazu? Ein Problem dürfte sein, dass in einer Platte die Polizei sitzt, oder?


    Das Hilton finde ich auch scheibe...Die anderen Platten am GM sind noch im Bereich des Erträglichen, jedenfalls von Weitem. Und die Neubauten sind auch nicht viel anders.

  • Kent,


    es tut mir Leid, Dir das sagen zu müssen ;): aber diese Giebelhaus-Imitate sind im Ansatz tatsächlich der Beitrag des Rostocker WBKs für die Aufhübschung zur 750-Jahr-Feier gewesen.


    In Sachen Aufwand hast Du recht. Demnach wäre dieses Ensemble sehr wohl erhaltenswert. Und einen markanten Ausdruck seiner Zeit stellt es auch dar. Da müsste man sich also eigentlich geschlagen geben ;). Ich finde es dennoch brutal (und empfand das schon von Beginn an, habe Aufbau und Einwiehung damals schon interessiert mitverfolgt). Das liegt daran, dass es m. E. mit zum Unehrlichsten gehört, was sich die Stadt leistet. Es gibt äußerlich kaum Bezug zur tatsächlichen historischen Substanz (bis auf ein wages Straßenraster und anderthalb nachempfundene Häuser und Restaurationen), keinen zum darum gewachsenen Stadtraum, keine zur tatsächlichen Nutzung und darüber hinaus wird die historische Entwicklung bis zur Kriegszerstörung und darüber hinweg komplett geleugnet.


    Honecker wollte in seiner Hauptstadt eine kleinteilige, gemischt bebaute Fußgängerzone haben, wie er sie in westdeutschen Kleinstädten während seiner späten Reisen erlebt hatte. Und Gißke, der Schwachkopf (schon mal jemand seine Biografie "Bauen - mein Leben" gelesen?) war dabei sein willfähiger Handlanger.


    Wenn ich an das ganze Brimborium denke, was damals um dieses Viertel getrieben wurde, wird mir heute noch schlecht. die DDR hat sich mit dieser Nummer einmal mehr selbst verleugnet (ich klinge ja schon wie ein PDS-Wähler :rolleyes:).


    Aber solches Zeug kommt eben raus, wen sich Politiker (ob mit oder ohne Wählerklientel im Nacken) zu sehr in Dinge einmischen, von denen sie weniger Ahnung haben, als wünschenswert ist.

  • @ AeG. ok!
    Vor ein paar Jahren habe ich mir Ausstellung in Rostock angeguckt, und ein Kumpel von mir wohnte auch in so einer Bude! Soweit ich mich erinnern kann, waren die Rostocker Plattenfachwerkhäuschen auch noch mit roten Klinkerfliesen bestückt. Die Dinger hatte die DDR ja wohl massenhaft hergestellt. (Ganze Betoneinfamilienhäuserreihen im Westen hatten eben diese Fliesen im Keller!)
    Was die Gestaltung angeht hast du recht, die Bauten passen sich sehr wenig der gewachsenen Struktur an! Es gibt keinen Bezug zu den "Bürgerhäusern" die dort vor dem Krieg standen. Natürlich ist es eine Fassadenspielerei auf niedrigem Niveau. Dennoch besitzen die Dinger eine gewisse Einzigartigkeit! Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob die unbedingt beseitigt werden müssen.


    Und was wäre denn die Alternative moore & Ruble oder doch wieder Patzschke und co.


    Im Übrigen bist du sicher, das Honi sich an westdeutschen Kleinstädten orientieren wollte. Ich meine mich daran zu erinnern, dass Honi neidisch auf den Tourismus in Prag war, und auch in OstBerlin einen "Touristenmagnet" schaffen wollte. In der Literatur wurde deswegen ja auch immer die Nähe zum Palast gelobt.

  • Kaktus:


    Ja, will ich. Ernsthaft. Aus Blechplatten baut man Favelas, Townships, Ölbohrinseln, Flüchtlingslager und Tankstellen.


    Tedentiös sind meine Mitteilungen durchaus, denn wir führen hier eine Diskussion, bei der Meinungen vertreten werden.


    Und was heißt hier "Nein geht nicht."? Ist das Ihre Meinung oder eine harte Faktenlage, deren Quelle Sie uns nur nicht verraten wollen?


    Und jene ominöse STERN-Gesellschaft gehört eher in die Architektenkammer eingesperrt, wenn ich mit diesen Kalauer erlauben darf. "Das machen wir alles in weiß! Strahlend weiß! Die Farbe der Moderne! Wie die Weissenhof-Siedlung! Nur besser! Und dann ein paar Primärfarben... so ganz de Stijl! Das wird toll!"

  • Ich finde aber ein Plattenbau hat eher den Charakter von Favelas oder den Charme einer Tankstelle (also keinen, oder er ist schwer baulich zu fassen). Daher ist es falsch dieses zu ignorieren und davor eine Klinkerfassade zu hängen, wenn Begriffe wie Ablesbarkeit eine Rolle spielen. Es wäre für mich einfach billig, wie mit Folie überkleben, wieso willst du sowas machen?


    Zur STERN kann ich nicht allzuviel sagen, was ist das für ein Zitat?

  • gralsritter:
    Wieso gewinnt man bei ihren Beiträgen immer den Eindruck, dass sie an einer Baugeschichtsverdrängung interessiert sind. Finden sie das was sie vorschlagen überhaupt realisierbar? Und der Vergleich mit den brasilianischen Favelas ist einfach nur daneben!

  • Architektur ist keine Kunstgattung mit einer eigenen Ikonologie. Zählt man etwaigen bildplastischen Schmuck nicht als immanenten Bestandteil der Architektur gibt es gar keine ikonographische Bedeutungsebene. Die bildende oder plastische Kunst muß neuerdings dem Auge nicht mehr gefallen - es reicht, wenn sie eine Aussage hat, selbst wenn diese auch nicht mehr in kanonischer Symbolik und Chiffrierung angegeben werden muß.


    Die Architektur kann sich also auf diesen Paradigmenwechsel nicht herausreden und steht weiterhin quasi in der Pflicht, ästhetisch zu sein. Was nun ästhetisch ist, ist sicherlich höchst kontrovers. Wenn Sie, Kaktus, jedoch sagen, ein Plattenbau habe den Charakter einer Favela, dann sprechen sie ihm damit implizit künstlerische Ästhetik und damit den Status eines Kunstwerks ab (das tue ich auch).


    Hat er nun keinen künstlerischen Wert, ist er auch aus architektonischer (baukünstlerischer) Sicht nicht schützenswert. Möglich wäre einzig ein denkmalpflegerischer Schutz, dieser hätte aber de jure den Ursprungszustand als "DDR"-Plattenbau betreffen müssen. Heute ist das Gebäude aber bereits überformt.


    Ablesbarkeit und Authentizität werden damit hinfällig und eine erneute Überformung diente dem Zweck, die Bauten mit ihrem Umfeld halbwegs zu versöhnen und sie fürs Auge erträglicher zu machen.


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    Das Zitat entstand in meinem Kopfe, als ich mir die STERNchen am Planungstisch vorstellte.

  • Kent,


    ich sagte nur, Blech lasse an Favelas denken (ergo: sei kein Material für städtischen Hochbau). Den direkten Vergleich Plattenbau -> Favela zog Kaktus.

  • @ Gralsritter, das ist eine sehr einseite Auslegung! Wenn nicht gerade Fussball laufen würde, würde ich Ihnen jetzt auch länger antworten können! Aber das hole ich bei gegebener Zeit nach!


    Nachtrag: Irgendwie hatte ich die Diskussion gestern beim Fußballspiel anders in Erinnerung; demnach kein Nachtrag! ;)

  • An Gralsritter: Meinen Sie Ikonographie, den es gibt einen Unterschied?


    Desweiteren: Favelas sind zum Großteil sicher ihrer Intention nach keine Kunstwerke, dennoch spreche ich vielen Fotos, mit einer Menge von Hütten und einer schier endlosen Farb- und Formenpracht nicht eine besondere Anmutung ab, Sie? Übertragen Sie das analog auf die Plattenbauten, es geht um Elemente die eine gewisse Zeit vermitteln, und das tun trotz baulicher Überformung die Hochhäuser in der leipziger Straße, die versuchen nicht etwas zu sein, was sie nicht sind (zB irgendwelche NY-klinker-blockbauten oder ähnlich)


    Ich glaub bei den ausführenden Büros war man bemüht mit dem gegebenen Budget alles saniert zu kriegen und dabei der Fassade noch ein Mindestmaß an gestalterischer Qualität zu geben, in den gegebenen Grenzen eines Plattenbaus wie sie hier vorliegen.


    Ich muss auch zurück zum Spiel...