Marktplatz - Wünsche & allgemeine Diskussion

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    Wir hatten ja letzte Woche den Katholikentag und da wurde nochmal deutlich wie wichtig es ist, dass die Bänke demontierbar sind. Mal sehen wie diese "Stolperfallen" gefallen und wie die Tröge dann aussehen, wenn sie ein paar mal bewegt wurden..., es sieht so aus das ein Bäumle noch sein Plätzle sucht, falls nicht, ist die rechte Seite imho gewollt und nicht gekonnt.

    Die Bäumle sind das Globuli für das Mikroklima in Stuttgarts heißesten Platze... ;)

  • Ich möchte mich hier mal als Marktplatz-Fan outen. Klar wäre die Fachwerkbebauung und das alte Rathaus schöner, aber Rekonstruktionen wie in Frankfurt sehe ich kritisch (Kaufhaus Schocken wäre in Stuttgart der einzige Kandidat, unter anderem da nicht im Krieg zerstört, allerdings hat daran scheinbar niemand ein Interesse).

    Die 50/60er Architektur hat durchaus auch ihren Reiz, besonders in der Stiftstraße. Die Gebäude Haufler und Kurtz haben von der Sanierung stark profitiert, Eppli und Benger gefallen mir schon immer gut. Ich bin gespannt was aus dem Bletzinger Haus wird, immerhin der einzige Altbau am Platz. Vor einer Weile wurde ein Teil der Verputzung auf der Vorderseite entfernt, vielleicht besteht das Interesse, die Steinfassade wieder zu zeigen?

    Das Fontänenfeld sorgt für viel Belebung und endlich wird es auch wieder nennenswerte Außengastro geben.

    Als Highlight der Sanierung sehe ich aber die Anhebung des Marktplatzbrunnens an, zusammen mit den großen Bäumen gibt die Ostseite des Platzes dann sicherlich einiges her. Wichtig wird hier auch eine gelungene Neugestaltung der Fassade Breitling sein.


    Ich empfehle jedem, mit dem Paternoster im Rathaus hochzufahren und den Platz von oben zu betrachten, ich denke mit der Ansicht kann jeder Leben. Es verbieten sich aber Vergleiche mit Göttingen, Tübingen und so weiter, der Martplatz bleibt ein Kind der Kriegszerstörung.

  • ^ Das hat überhaupt nix mit Kriegszerstörung zu tun, sondern mit dem Unwillen das alles am Markt wieder so hinzubauen wie das vorher war (zumindest optisch). Aber so ein paar Schlaumeier meinten alles besser zu wissen und nun haben wir seit dem Diskussionen über den Marktplatz.

    => Wäre alles so wie vorher, gäbe es diese Debatten überhaupt nicht.


    Das Rätsel um die Wasserblockade am Dienstag ist nun gelöst:

    https://www.stuttgarter-zeitun…eVFPL4#Echobox=1655478437

    => Fontaine sprudelt nun nicht mehr so hoch wie vorher

  • (Kaufhaus Schocken wäre in Stuttgart der einzige Kandidat, unter anderem da nicht im Krieg zerstört, ...


    Dein Gedankengang erschließt sich mir nicht.


    - Wenn es nicht im Krieg zerstört wurde (wie das Kaufhaus Schocken), dann ist eine Reko erwünscht.

    - Wenn es jedoch im Krieg zerstört wurde, dann ist keine Reko erwünscht.


    Gibt es bei dir unterschiedliche Klassen von Zerstörungen? Eine Zerstörung durch Bombenhagel wiegt weniger als ein freiwilliges Zerstören in der Nachkriegszeit. Wo ist da der Sinn?

  • @Schocken

    Das ist wie viewtex sagt, ein Unterschied in mehrerer Hinsicht. Das Schocken so der Tagblattturm sind herausragende Beispiele ihrer Epoche. Das alte Rathaus, war vielleicht auf dem Niveau des Rathauses Berlin-Schöneberg, aber sicher nicht annähernd an dem des Hamburger Rathaus. Das mir ebenso unsere 50er Gebäude gefallen, wie vielen anderen hier mal geschenkt, so schenken wir uns das gerade der Marktplatz mit dem Brunnen Hochkonjunktur hat. Unser Marktplatz war nie etwas Herausragendes in der Geschichte von Deutschland, weder hat dort irgendein historisches Ereignis stattgefunden, noch hat die Architektur dort den z.B. von Tübingen überflügelt.

    Baue ich das wieder auf, gewinne ich nicht, imho verliere ich, da viele sehen würden, hier sieht es ja aus wie in vielen schönen mittleren Städten, von Großstadt oder Metropole keine Spur.


    Es gab nun mal den Krieg, mit seinen Zerstörungen (45% der Gebäude), dafür haben wir in Stuttgart mit seinen 3000 erhaltenen Kulturdenkmälern noch Glück gehabt, wenn man Pforzheim oder Heilbronn anschaut.


    Am Beispiel Heilbronn kann man sehen, was ein guter OB bewirken kann, der mit geschickter Einbindung von Mäzenen die Stadt nach vorne bringt...


    So bin ich viewtex Meinung, den alten Kaufhof abreißen und den Schocken wieder aufbauen.

  • Es gibt da aber ein kleines aber feines Problem. Das Schocken dürfte im originalen Zustand kaum modernen Ansprüchen genüge tun, zudem würde ich mal vermuten das das Schocken insgesamt deutlich weniger BGF hat wie das Kaufhof-Gebäude. Eine 1zu1 Rekonstruktion halte ich daher für eher unrealistisch. Welcher Investor sollte sich das Freiwillig antun?

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    die Stadt Stuttgart, normalerweise bin ich "Investoren freundlich" beim Benko der unsere Kaufhäuser zuerst Karstadt und jetzt den Kaufhof, elegant beerdigt, fände ich nicht das schlimmste ihn raus zukaufen oder der Benko würde erkennen, dass er dies als kulturelle Visitenkarte nutzen könnte...


    Bei Kulturdenkmälern sollte anderes wichtiger sein als umbauter Raum, als Nutzung würde sich die VHS oder das interkulturelles Zentrum anbieten...

  • Das ist wie viewtex sagt, ein Unterschied in mehrerer Hinsicht. Das Schocken so der Tagblattturm sind herausragende Beispiele ihrer Epoche.

    Ich bin ebenfalls der Meinung, dass das Schocken ein herausragender Vertreter seiner Zeit gewesen ist. Daher würde mich ein Wiederaufbau freuen.


    Das war allerdings nicht mein eigentliches Anliegen. Ich störe mich daran, dass viewtex als Argument heranzieht, dass das Schocken im Krieg nicht zerstört wurde. Weg ist weg! Da macht es keinen Unterschied, ob die Architektur in Friedenszeiten oder Kriegszeiten verschwunden ist. Es ist wohl eher ein Unterschied in einfacher Hinsicht, sprich: ein herausragender Vertreter seiner Zeit. Die Unterscheidung in mehrfacher Hinsicht würde einer weiteren Erläuterung benötigen, die bisher leider ausgeblieben ist.

  • Vielen Dank für deinen Beitrag.


    Ich habe zu Rekonstruktionen keine abschließende Meinung, allerdings folgende Gedanken dazu:

    - Eine Rekonstruktion des Marktplatzes würde ausschließlich die Optik der Fassaden wieder herstellen können, die moderne Bauart hat dann gar nichts mit den alten Fachwerkhäusern zu tun. So wurde es auch in Frankfurt gemacht. Hier sehe ich eine große Gefahr, dass eine Art "Europapark- oder Disnayland-Feeling" aufkommt. Auch wenn der Marktplatz mit Rekonstruktionen sicherlich "sehr schön" werden würde, wären die Häuser ein "Fake".

    - Die jetzige Architektur drückt meiner Meinung nach eindeutig die Stimmung nach dem Krieg aus: Man kennt zwar noch seine Wurzeln (Grundstücke und Gebäudeaufteilung unverändert), zeigt aber eine sehr starke Demut (sehr kleinteilige Fassade, oberstes Stockwerk liegt "schwer" auf den Darunterliegenden, bunter Anstrich, bis auf den Minibalkon am Haus Eppli keine monumentalen Stilelemente, Flachdächer). Ich sehe den Marktplatz (gilt auch für das Rathaus) daher als klaren Bruch zur Nazi-Vergangenheit.

    - Darüber hinaus sehe ich den Abbruch der Häuser als ausgeschlossen an, einige wurden ja erst in den letzten Jahren aufwändig saniert.


    Beim Schocken sehe ich die Lage anders:

    - Der Stil des Neuen Bauens wird im Grunde noch heute angewandt, im Bosch-Areal steht ja sogar eine Neuinterpretation des Schockens. Die Bautechnik hat sich zwar stark weiterentwickelt, die Grundform (Stahlskelett/ Stahlbeton) ist aber die gleiche. Für mich wäre daher eine Rekonstruktion des Schockens auf dem heutigen Baustandard wesentlich "ehrlicher".

    - Die Rekonstruktion wäre keine Korrektur der Kriegszerstörung, sondern vielmehr eine Ehrung eines herausragenden Architekten.

    - Der Standort wird in den nächsten Jahren so oder so neu bebaut.


    Die grundlegende Frage ist hier, sollen Gebäude einfach nur schön (und lebenswert) sein oder muss Architektur auch die Gesallschaft widerspiegeln/ Zeitgeist ausdrücken/ teilweise auch politisch sein.

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    Ich verstehe viewtex, denn der Krieg war ein einschneidendes Ereignis, anders wie eine Entscheidung ein Gebäude abzureißen, weil man sich versprochen hat, mit einem Neubau mehr Geld zu verdienen.


    Das Stuttgarter Rathaus z.B. hätte man ähnlich wie das neue Schloss nach dem Krieg wieder aufbauen können, nur wurde es aus irgendeinen Grund damals anders entschieden. Heute ist das Rathaus zusammen mit den Gebäuden ein Beispiel prägender 50er Gebäude in Deutschland.


    Wiederaufbau, wo mir als Erstes das Adlon und das Berliner Schloss einfallen, warum und wieso es Sinn macht ein Schloss wiederaufzubauen, dies hat alleine Jahre der Diskussion gekostet. Beim Adlon kann ich nur sagen, dass man hier zu viel gespart hat, die Fassade hat z.B. nur dünne Natursteinplatten, die an den Gebäudeecken sehr ins Auge stechen, generell sehe ich hier lauter "fakes" und kann persönlich dieses Gebäude nicht wertschätzen, anders das komplett neu gebaute Ritz-Carlton das durch seine Massivität den Luxus der 20er präsentiert.


    In anderen Worten, die Welt um uns herum sollte nicht zu einem Museum verkommen, falsche städtebauliche Entwicklungen wie die B14 muss/sollte man korrigieren und bereit sein eine Gründerzeit² zu entwickeln, in die für mich das Schocken sehr gut reinpassen würde.

  • Ich sehe den Marktplatz (gilt auch für das Rathaus) daher als klaren Bruch zur Nazi-Vergangenheit.

    Die historischen Bürgerhäuser am Marktplatz wurden lange Zeit (teilweise sogar mehrere Jahrhunderte) vor der Zeit des Dritten Reiches erbaut und haben mit dem Dritten Reich schlichtweg nichts zu tun!


    Du machst es dir ziemlich einfach. In deiner Argumentation werden alle Gebäude, die vor der Zeit des Neuen Bauens entstanden sind, einfach mal auf eine Stufe gestellt mit der Architektur des Dritten Reiches. Ansonsten würdest du nämlich nicht von einem "klaren Bruch" sprechen. Das ist die Argumentation der 68er-Revoluzzer, getreu dem Motto: „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“. Für dich sind alle Gebäude, die vor der Zeit des Bauhauses entstanden sind, brauner Mief, den man nicht mehr aufbauen darf.

  • Das stimmt so nicht, es geht ja nicht um den Abriss der historischen Bebauung, sondern um die Rekonstruktion von Zerstörtem. Ich fände es toll wenn der alte Marktplatz noch stehen würde, ich freue mich auch über jedes Gründerzeithaus in Cannstatt, gehe sehr gerne zum Hans im Glück Brunnen und bin froh, dass Teile der Calwer Straße noch stehen. Vom Wiederaufbau des Neuen und Alten Schlosses, der Markthalle usw. ganz zu schweigen. Unsere Vorgänger wollten mit dem Marktplatz aber bewusst ein Signal des Aufbruchs in eine neue BRD setzen. Damit ist auch die heutige Bebauung ein Zeitzeuge, den es zu respektieren gilt.

  • Und warum sprichst du dann von einem "klaren Bruch"?


    Am Stuttgarter Marktplatz wäre der klare Bruch, den man in der Nachkriegszeit vollzogen hat, doch gar nicht notwendig gewesen. Am Marktplatz ging es beim Wiederaufbau lediglich um ein paar zerstörte Bürgerhäuser, nicht um die Berliner Reichskanzlei.


    Warum muss man bei zerstörten Fachwerkhäusern einen "klaren Bruch" propagieren?


    Ich beantworte die Frage selbst.


    Weil man in der Nachkriegszeit so getan hat, als ob das zerstörte Fachwerkhaus am Stuttgarter Marktplatz genauso braun & böse ist wie die zerstörte Berliner Reichskanzlei.


    Ist es nicht so?

  • Am Stuttgarter Marktplatz wäre der klare Bruch, den man in der Nachkriegszeit vollzogen hat, doch gar nicht notwendig gewesen.

    Das stimmt, aber offensichtlich haben es die Verantwortlichen anders gesehen. Man hat wohl gemeint, nicht nur die Politik, sondern auch die Bevölkerung brauchen einen Neuanfang. Das kann und will ich nicht beurteilen, die Entscheidung aber nachvollziehen. Am Schlossplatz hat man dafür den Großteil wiederaufgebaut und den Olgabau eher "konservativ" nach alter Stuttgarter Schule neu errichtet.

    Ich bin nicht per se gegen Rekonstruktionen wie in Frankfurt, bei dem genannten Hotel Adlon finde ich sie definiv gut. Ich finde aber, dass die jetzige Bebauung am Marktplatz eine Berechtigung hat und diese wohl mehr wiegt als eine potentielle Aufwertung durch (vorkriegs-)historische Fassaden.


    Ich beantworte die Frage selbst.

    Das glaube ich nicht, sonst hätte man nicht die ursprünglichen Grundformen zitiert und andere Gebäude wieder aufgebaut.

  • ... , zeigt aber eine sehr starke Demut ....

    Das war keine Demut. Es war viel eher eine Hybris.



    Bitte der besseren Lesbarkeit wegen möglichst wenig zitieren. Gänzlich unnötig ist es, jeweils den kompletten Vorbeitrag "zitieren". Es versteht sich von selbst, dass darauf geantwortet wird. Siehe auch die Richtlinien.

  • Ich kann die Diskussion hier ebenfalls gut verstehen, mir geht es dabei ähnlich wie viewtex.

    Das Schocken war in der Tat ein herausragender Vertreter seiner Zeit, und es ist sehr Ärgerlich dass es ohne Not abgerissen wurde. Da es um ein einzelnes Gebäude geht, und nicht gleich um ein ganzes Ensemble, ist ein Wiederaufbau auch deutlich wahrscheinlicher. Vielleicht wäre auch eine moderne Interpretation denkbar?

  • Ich kann mir hier höchstens eine Neuinterpretation vorstellen. Der Schocken-Bau war damals revolutionär, aus heutigen Gesichtspunkten würde das Gebäude aber kaum als herausragend oder schön wahrgenommen werden. Ich glaube Otto-Normalbürger kann man eine Rekonstruktion des Gebäudes im original Zustand kaum vermitteln. Ich habe das auch schon oft erlebt wenn ich wenig architektonisch versierte Besucher zum Weißenhof geführt habe. Die konnten damit überhaupt nichts anfangen und meinten teilweise sogar solche “Bausünden” gäbe es in ihrer Stadt auch. Ohne den geschichtlichen Kontext kann man mit der avantgardistischen Moderne der 20er Jahre eben nichts anfangen.

  • Ein lange und weit vertretene Ansicht in der Wissenschaft sah und sieht den militaristischten Aspekt des Nationalsozialismus (2. WK) in einer Traditionslinie mit dem preußischen Militarismus und einer allgemeinen kulturellen Normalisierung von Kriegen in Europa.

    Insofern ging eine vermutlich weit verbreitete Intention des Auf-Bruchs (Achtung Wortspiel) in eine neue BRD wohl auch dahin, sich von derartigen Traditionen gänzlich loszusagen. Die BRD hat bislang recht erfolgreich in Frieden mit seinen Nachbarn gelebt, eine derart lange Friedensperiode gab es in Westeuropa zuletzt vor über 1000 Jahren.


    Ob und inwieweit die Architektur dafür kausal war oder derartiges spiegelt, mag man freilich bezweifeln dürfen. Als Dokument eines neuen Zeitgeistes, der sich aktiv zu Frieden und Aussöhnung gewandt hat, finde auch ich sie dennoch bedenkenswert.