Potsdam: Wiederherstellung historische Mitte - Diskussionsthread

  • Jetzt bitte mal ganz locker bleiben, Großer.


    Klarenbach [...] schreibt nicht verschwörungstheoretischer als Du oder [...] Rotes Rathaus, die Ihr hinter jedem Verteidiger der sog. "Scheußlichkeiten" einen heimlichen Stalinisten zu vermuten scheint.


    Vielleicht ist es mit dem historischen Wissen bei Dir bzw. Ihnen nicht besonders weit her, aber ich vermute hinter niemandem einen verkappten "Stalinisten". Ich stehe aber dazu, dass ich jemanden, der in diesem Forum die über alle zuständigen Organe hinweg getroffene Entscheidung Ulbrichts zur Sprengung der Garnisonkirche verteidigt, die Beschlüsse der demokratisch gewählten heutigen Stadtverordnetenversammlung aber nur dann anerkennt, wenn sie in seinem Sinne ausfallen, für einen Apologeten des DDR-Systems halte.


    Im übrigen handelt es sich nicht um eine "völlig unrepräsentative Unterschriftensammlung", sondern um ein erfolgreiches Volksbegehren gemäß § 15 der Brandenburger Kommunalverfassung.


    Wer die brandenburgische Kommunalverfassung zitiert, sollte sie auch gelesen haben (dann klappt es auch mit der richtigen Terminologie). Es gibt Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Im Moment haben wir lediglich ein Bürgerbegehren. Erst ein aufgrund eines zulässigen Bürgerbegehrens ergangener Bürgerentscheid (= Mehrheitsentscheid der Bürgerschaft einer Gemeinde, wie hier der Stadt Potsdam) steht einer Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung gleich. Soweit sind wir aber noch nicht.


    Verschwörungstheoretisch ist das nicht, ideologisch vielleicht – auf jedenfall ist es respektlos gegenüber den eigenen Argumenten: Du nimmst sie Dir, wie es Dir gerade passt.


    Ganz entschieden: Nein. Ich habe mehrfach gesagt, dass ich das Ergebnis eines Bürgerentscheids auch dann anerkenne, wenn es mir inhaltlich nicht gefällt. Das unterscheidet mich m. E. grundsätzlich von den Fassadendemokraten, die die Entscheidugen eines demokratischen Organs wie der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung nur dann anerkennen, wenn sie in ihrem Sinne ausfällt.


    Im Übrigen habe ich schon deshalb kein Problem mit sog. Volksgesetzgebung, weil ich grds. für mehr repräsentative Elemente in den Verfassungen von Bund und Ländern bin. (Ich bin Jurist.) Aber das nur am Rande.

  • Schimmelpfenghaus am Bretscheidplatz [...] ICC [...] Deutschlandhalle [...] Verkehrskanzel am Kudamm.


    Was die von Dir genannten Beispiele angeht: D'accord.


    Es mag sich dabei aber auch um eine (alt-)westberliner Eigenart handeln. Aus meiner westdeutschen Heimatstadt (Großstadt mittlerer Größe) und den Städten, in denen ich seitdem gewohnt habe, kenne ich dieses Phänomen nicht. (Im Prinzip finde ich die Potsdamer in dieser Frage übrigens auch erheblich pragmatischer als die Berliner in Ost und West.)

  • Vielleicht ist es mit dem historischen Wissen bei Dir bzw. Ihnen nicht besonders weit her, aber ich vermute hinter niemandem einen verkappten "Stalinisten".


    Sie bezeichneten die Verteidiger von Mercure, FH, etc. als "Apologeten" der DDR, die DDR war ein stalinistisches Herrschaftssystem, seine "Apologeten" wären folglich als Stalinisten zu bezeichnen. (Habe übrigens Geschichte studiert, aber das nur am Rande.)


    Wer die brandenburgische Kommunalverfassung zitiert, sollte sie auch gelesen haben (dann klappt es auch mit der richtigen Terminologie). Es gibt Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Im Moment haben wir lediglich ein Bürgerbegehren.


    Schon recht, "Volksbegehren" heißt es auf Landesebene, ich bitte um Vergebung. Aber wie Sie genau wissen, ging es mir unabhängig vom Terminus darum, dass Sie oben ein Instrument der Kommunalverfassung (Bürgerbegehren) so behandeln, als sei es die irrelevante Spinnerei irgendeiner dubiosen Special-Interest-Gruppe ("völlig unrepräsentative Unterschriftensammlung").


    Ich habe mehrfach gesagt, dass ich das Ergebnis eines Bürgerentscheids auch dann anerkenne, wenn es mir inhaltlich nicht gefällt.


    Welch' ein Edelmut! Tatsächlich ist es aber völlig egal, ob Sie oder ich oder Klarenbach eine Entscheidung in der SVV oder im Bürgerentscheid "anerkennen" oder nicht: Demokratie heißt nicht, dass die Minderheit sich im Nachhinein der Mehrheit anschließen muss. Das einzige, was sie "anerkennen" sollte, ist ihre Niederlage, wenn es nichts mehr auszurichten gibt; sonst macht sie sich irgendwann lächerlich. Dieser Punkt ist aber erst erreicht, wenn alle Mittel ausgeschöpft sind – siehe Bürgerentscheid.


    Das unterscheidet mich m. E. grundsätzlich von den Fassadendemokraten, die die Entscheidugen eines demokratischen Organs wie der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung nur dann anerkennen, wenn sie in ihrem Sinne ausfällt.


    Diese Unterscheidung dient vor allem der Herabsetzung des Gegners: Er sei nicht satisfaktionsfähig, deshalb auch seine Argumente nicht ernstzunehmen – Apologeten von Scheußlichkeiten, halt. Ich bin sehr gespannt, wie die Reaktionen der Reko-Freunde hier ausfallen, sollte der Bürgerentscheid erfolgreich sein. "Ok, das war's, streichen wir die Segel, schließlich sind wir Demokraten"? Ich glaube nicht! Freut mich aber zu lesen, dass immerhin Sie als Musterdemokrat sich in diesem Fall – auch gegen Ihre eigene Überzeugung – für die Entscheidung starkmachen würden... ;)

  • Architektenkind, es geht hier nicht um Semantik, auch wenn ich weiss, dass die Semantik den Historikern oftmals noch wichtiger zu sein scheint als den Juristen.


    Es ist selbstverständlich so, dass es auffallend ist, dass sich regelmäßig eine ähnliche Gruppe von Bewahrern formiert, die sich gezielt für den Erhalt von DDR Städtebau in Berlin/Brandenburg einsetzen. Auch wissen wir, dass es sowas wie "DDR Apologeten" gibt, ohne tiefer in die Genese dieses Begriffs einzusteigen. Umgangssprachlich einfach Ostalgiker genannt. Die waren schon beim Abriß des PdR äußerst präsent und treten bis heute gerne nach.



    Die bisherige Nutzung des FH Baus endet durch Wegzug der FH. Nach der eigenen Logik der "Moderne" ist der Abriß jetzt nur konsequent, das muss ich dir als vormaligen Hörer der Geschichte ja nicht erzählen. Die "Moderne" wollte keine Bauten für die Ewigkeit mehr schaffen. Sondern hochspezialisierte Räume, nach dem Credo "form follows function", die eine eingebaute Obsoleszenz besitzen. Das mag man bei besonders herausragenden Gebäuden einer Epoche übergehen und diese dennoch erhalten. An diesem ehemaligen FH Gebäude ist aber nichts evident herausragendes. Dazu ist es marode.



    Zusammengefasst:
    -bzgl. des Zwecks für das es erbaut wurde obsolet,
    -baulich marode,
    -im Weg für eine seit nun 25 Jahren verfolgte städtebauliche Leitlinie,
    -ein Erhalt würde eine millionenschwere Sanierung bedingen, wobei man noch nicht einmal weiss was man dann mit dem sanierten Bau macht, zumindest braucht ihn niemand mehr und man müsste aktiv auf die Suche nach einer neuen Nutzung gehen die den Bau auslastet,
    -umgekehrt würde ein Abriß ermöglichen, dass Potsdam nicht nur kein Geld für die Sanierung ausgeben muss, sondern durch Grundstücksverkauf sogar Geld einnimmt, eine Aufwertung des Stadtbilds gibts gratis dazu (Abriß eines maroden Baus und Neubau ist immer eine Aufwertung, beinahe gleich welchen Baustils!),
    -wenn es interessierten Bürgern dann wirklich um den Erhalt öffentlicher Flächen im Zentrum geht, warum nicht mit den Einnahmen aus dem Grundverkauf und zusätzlicher Städtebauförderung auf einen Kauf des Mercure durch die Stadt hinwirken und dieses abreißen und an dessen Stelle einen Blickfang, gerne auch in moderner Architektur, als Kulturzentrum für Künstler und Vereine und dergleichen anbieten. Oder alternativ statt mit den 30 Mio. € die für eine Sanierung im Raum stehen den maroden Bau abreißen und Architekten einladen, mit dem restlichen Geld einen möglichst gewieften, zeitgenössischen bau zu entwerfen, der Freunde historischer Architektur und Freunde zeitgenössischer Architektur versöhnt und dann hinterher Vereine und Künstler beherbergt. Stadtbild profitiert, Stadtgesellschaft profitiert, alle glücklich...


    ...das sind meine skizzenhaften Gedankengänge. Und daher stocke ich so, wenn ich diesen vehementen Einsatz für einen Erhalt des Status Quo sehe. Weil mir beim besten Willen - wortwörtlich, ich bin da guten Willens! - nicht einfallen mag, wie das in den von mir skizzierten Gedankengang unterzubringen ist.


    Die Gegner einer Umgestaltung argumentieren ja auch nie, ich habe noch keinen einzigen Post gesehen, der einen Einblick in die Gedankengänge und Beweggründe gewährt. Auch auf Nachfragen oder Appelle wird schlicht nicht reagiert, sie werden ignoriert. Egal von welchem Nutzer. Es wird nur selektiv aufgegriffen, was gerade in die Agenda passen könnte, die da heißt "Erhalt um jeden Preis". Das "Warum" und "Wozu" haben die Erhalt-Befürworter noch kein einziges Mal stringent und schlüssig dargelegt. Zumindest nicht, dass es mir bekannt wäre. Die Gegner machen auch keinerlei Kompromissvorschlag, der auf die von ihnen selbst vorgebrachten "Argumente" eingeht. So heißt es ständig, man wolle eine Privatisierung öffentlichen Grunds verhindern. Ja, das geht aber nicht nur mit Erhalt dieses DDR Baus, sondern auch mit Abriß und Neubau - maßgeschneidert für eine neue öffentliche Nutzung, statt einem ehemaligen Hochschulbau mit viel Geld eine Umnutzung abzuringen. Beispielsweise für Künstler maßgeschneiderte Atelier-Räumlichkeiten, für Kulturvereine, usw. Aber nein, "Erhalt, Basta!". Also kann es doch wohl nicht (nur) darum gehen eine Privatisierung öffentlichen Grunds zu verhindern. Es wird ja nicht nur speziell der Plan zur Wiederherstellung der Stadtmitte abgelehnt, es wird bereits jegliche Veränderung des Ist-Zustands (ex FH Bau) abgelehnt.


    Es geht augenscheinlich einfach nur darum dieses steingewordene Stück DDR zu erhalten. Egal wie und warum.



    Als kritische Stimme des Forums sollte dir das eigentlich auch aufgefallen sein, Architektenkind.

  • Sie bezeichneten die Verteidiger von Mercure, FH, etc. als "Apologeten" der DDR, die DDR war ein stalinistisches Herrschaftssystem, seine "Apologeten" wären folglich als Stalinisten zu bezeichnen. (Habe übrigens Geschichte studiert, aber das nur am Rande.)


    1. Die DDR war maximal bis 1953 ein stalinistisches Herrschaftssystem.
    2. Ein DDR-Apologet wie unser Freund K. muss ergo nicht notwendigerweise ein Stalinist sein.
    3. Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden als "Stalinisten" bezeichnet, schon gar nicht hier. (Vielleicht überlege ich es mir bei Ihnen aber noch anders, wenn Sie nicht mit diesem Blödsinn aufhören. ;))


    Schon recht, "Volksbegehren" heißt es auf Landesebene, ich bitte um Vergebung. Aber wie Sie genau wissen, ging es mir unabhängig vom Terminus darum, dass Sie oben ein Instrument der Kommunalverfassung (Bürgerbegehren) so behandeln, als sei es die irrelevante Spinnerei irgendeiner dubiosen Special-Interest-Gruppe ("völlig unrepräsentative Unterschriftensammlung").


    Wie bereits geschrieben: Das tue ich ausdrücklich nicht.
    1. Bin ich ein Freund plebiszitärer Elemente auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.
    2. Ist es aber nun einmal so, dass erst ein Bürgerentscheid bindend ist, ein Bürgerbegehren daggen nicht. Dieses ist - bis zu seiner Zulassung durch die zuständigen Stellen - in der Tat nichts weiter als eine unrepräsentative Unterschriftensammlung. Sorry.


    Ich bin sehr gespannt, wie die Reaktionen der Reko-Freunde hier ausfallen, sollte der Bürgerentscheid erfolgreich sein. "Ok, das war's, streichen wir die Segel, schließlich sind wir Demokraten"? Ich glaube nicht! Freut mich aber zu lesen, dass immerhin Sie als Musterdemokrat sich in diesem Fall – auch gegen Ihre eigene Überzeugung – für die Entscheidung starkmachen würden... ;)


    Sie können davon ausgehen, dass ich eine solche Entscheidung akzeptieren würde. Ich respektiere ja auch sonst alle möglichen Gesetze und sonstigen Vorschriften, die mir nicht gefallen.


    In diesem Sinne.

  • Wer so diffamiert und beleidigt wie Klarenbach, der muss schon sehr dünne Argumente haben. :)


    Ansonsten ist es quatsch, dass ich auch nur einem einzigen hier Stalinismus unterstelle oder Verschwörungstheorien anhänge. Ich finde nur den unermüdlichen Einsatz für die teilweise Reparatur einer wunderschönen und sehr sehr wertvollen Stadtstruktur, die sich ganz konkret vermarkten lässt, weitaus weniger ideologisch, als den unermüdlichen Einsatz für einige Allerweltskisten, die nach der zweiten Sanierung nicht mehr wieder zu erkennen sind. Man kann ja anderer Meinung sein, aber dass diese Argumentation "Quatsch" sein soll, lässt mich wieder nur etwas infantil sagen: Selber Quatsch im Obergeschoss.

  • Die Ideologie kommt hier von einigen Nutzern, die einzig den vormodernen Stadtstrukturen eine Existenzberechtigung zubilligen und den Städtebau der Moderne komplett als Irrweg, als Fehlentwicklung denunzieren, die möglichst schnell korrigiert werden muss. Diese Haltung wird dann zudem verallgemeinert. Es wird nicht geschrieben, "ich finde den Städtebau der Moderne nicht so toll", sondern es wird geschrieben, dass jeder normale Mensch diesen Städtebau schrecklich finden würde oder dass es einen gesellschaftlichen Konsens geben würde, nach dem dieser Städtebau eine Katastrophe wäre. Es wird behauptet, dass die Zerstörung von Strukturen des modernen Städtebaus eine Heilung von Wunden und Stadtreparatur wäre. Im Gegenzug gibt es keinen Moderne-Fan, der seine Haltung dermaßen verallgemeinert.


    Wenn sich dann herausstellt, dass es diesen Konsens keineswegs gibt, sondern dass es viele Leute gibt, die den Städtebau der Moderne richtig gut finden, dann werden diese Moderne-Fans beleidigt. Entweder sie sind alte DDR-Kader oder sie sind linksradikale Chaoten oder sie sind weltfremde Denkmalpfleger oder sie ist eine Senatsbaudirektorin aus der Schweiz, die von einem Hass auf Deutschland getrieben wird. Selbst die einfachsten Regeln der Höflichkeit und des Respektes gegenüber anderen Meinungen werden außer Kraft gesetzt, wenn gegen die Anhänger des modernen Städtebaus gehetzt wird. Auch in dieser Hinsicht gibt es keine vergleichbaren Diffamierungen seitens der Moderne-Fans. Niemand wird als Befürworter der Monarchie bezeichnet, weil er Gründerzeitviertel attraktiv findet. Liebhaber von DDR-Gebäuden und Ensembles werden dagegen ständig verdächtigt, DDR-Fans oder alte SED-Kader zu sein.


    Wenn also etwas die Debatten vergiftet, dann ist es diese Ideologie, wobei der Tonfall im Stadtbild-Deutschland-Forum noch aggressiver ist als hier. Schon dieser Fakt zeigt, dass die Diffamierungen keine Reaktion auf Moderne-Fans sind.

  • Die Wortwahl "Diffamierung" und "verhetzen" ist eindeutig deplaziert, sachfremd und heizt das Diskussionklima nur zusätzlich auf. Komunikationsstrategisch ist das seitens Klarenbach nachvollziehbar, da es ihm um eine Schwächung der anderen Seite geht, die er reizen und zu unbeachten Äußerungen bringen will. Das gelingt ja auch.


    Inhaltlich ist aber aber völlig unangemessen. Die Diskussion um den radikalmodernen Städtebau (keineswegs um die gesamte Moderne) wird seit Ende des zweiten Weltkrieges omotional und mit harten Bandagen geführt. Spätestens seit dem Bonmot Scharouns (1946) die "mechanische Auflockerung durch Bombenkrieg und Endkampf" gebe "uns jetzt die Möglichkeit einer großzügigen organischen und funktionellen Erneuerung" ist der Ton zynisch, emotional und eben auch ideologisch. Die euphemistischen Begründungen der DDR-Führung für Abrisse, die von der Verkehrssicherheit über den "Hitlerfaschismus" bis zum "Volkswohl" reichen taten das übrige, westdeutsche Äußerungen man müsse die Anhänger der europäischen Stadt "umerziehen" haben die Auseinandersetzungen weiter angeheizt. Noch jüngst äußerte ein Funktionär des BDA in Potsdam, die Debatte um Rekonstruktionen sei "kein Thema der Architektur" sondern ein "gesellschaftliches und Bildungsproblem". Diese Äußerungen sind es doch, die viele auf auf Barrikaden bringt.


    Harscher wird der Ton, weil die Debatte nun schon Jahre andauert und durch die fortdauernde Nutzung des FH-Areals die Beschlüsse der SVV nicht umgesetzt werden. Die Leute verstehen nicht, warum gefasste Beschlüsse immer und immer wieder von Minderheiten in Frage gestellt werden (die 10 Prozent der Bürgerentscheides sind auch eine Minderheit, und zwar eine kleine). Dieses Dilemma machen sich Boede, Tomczak & Co. zunutze - und zwar leidlich professionell.


    Das ist aber trotzedm kein Grund seitens K. hier die Choreographie des "Sterbenden Schwan" aufzuführen und sich als Opfer der rauen Zeiten darzustellen.

  • ^^ Da ist was dran.


    Für den Abriss des Mercure gibt es aus meiner Sicht derzeit keinen einzigen wichtigen Grund. Wer es hässlich findet, kann das aus persönlichen Geschmacksgründen natürlich tun, es rein "aus Prinzip" abzulehnen ist aber Quatsch. Ich finde es weder besonders schön noch hässlich, aber absolut in Ordnung und als Hotelhochhaus hat es gerade an dieser Stelle durchaus seinen Wert.


    Dort gab es auch keine historischen Gebäude, deren Wiederaufbau es im Weg steht. Aus meiner Sicht stört es auch nicht den Blick auf das Landtagsschloss. Auch in der Potsdamer Innenstadt sollten Kontraste möglich sein. Nur um den als karge Kirmes- und Veranstaltungsfläche neu gestalteten Lustgarten erweitern zu können, der kaum etwas mit dem historischen Lustgarten zu tun hat, ist mir für einen Abriss nicht Grund genug.


    Was FH und Staudenhof angeht, kann man (bitte sachlich!) über eine Abriss diskutieren. Wobei es auch viele Gründe gibt, diese zu erhalten. Die Gebäude einfach so lange vor sich hin rotten zu lassen, bis auch der letzte Fürsprecher mürbe wird, ist aber auch keine gute und faire Politik. Mir würde es auch reichen, den südlichen Teil der FH abzureißen und die südliche und westliche Häuserreihe des geplanten Baufeldes III meinetwegen im historisierenden Stil zu realisieren. Dadurch bekommt der Alte Markt eine komplette Fassung aus hübschen Rekofassaden. Den Staudenhof und den restlichen Teil der FH könnte man sicher auch in eine ergänzende Neubebauung integrieren. Das wäre mein Kompromissvorschlag.


    Wenn man die Baufelder III, IV und V in "historischen Strukturen mit Leitbauten" usw. errichten will, verstehe ich nicht, warum dieser klobige und übergroße "Wissenspeicher" (Bildungsforum) gebaut werden durfte (den ich keinesfalls "schöner" finde als das Mercure). Er sprengt ganz klar den Blockrand und die Gebäudegröße der geplanten historisch angelehnten Bebauung. Das sieht man sehr gut auf den Plänen wie diesem.

  • Das stimmt ja nicht, Backstein. Der Abbruch der FH ist schon vor Jahren beschlossen worden, deshalb rottet die Fassade vor sich hin. Diese Beschlüsse sind nur bestätigt worden.


    Beim Mercure stimme ich Dir im Effekt zu, nicht in der Begründung. Ursächlich für das städtebauliche Desaster an dieser Stelle ist die Straße, nicht das Mercure. Aber hier weigert sich die Stadtpolitik zu Lösungen zu kommen.

  • Nun, da es unterschiedliche Infos dazu gibt und ich nicht beurteilen kann, was stimmt, glaube ich an einen Abriss der FH erst dann, wenn ich es sehe.


    Naja, die Straße, was soll man denn machen? So richtig überzeugenden Lösungen gibt es nunmal nicht, solange man nicht bereit ist, den Autoverkehr drastisch einzuschränken.


    Die einzige evtl. denkbare Alternative wäre eine Trasse vom Hbf direkt an der Nordseite der Bahngleise entlang bis zur Kiezstraße und dann wieder auf die Breite Straße. Dafür wären zahlreiche Abrisse und massive Beeinträchtigungen anderer Viertel nötig. Die jetzige Lange Brücke müsste aber für Straßenbahn, Fußgänger und Radfahrer und sicher auch Einsatzfahrzeuge erhalten bleiben und könnte dann bestenfalls ähnlich der Friedrich-Ebert-Str., so wie sie jetzt westlich vom Schloss aussieht, gestaltet werden. Heißt schmäler mit deutlich weniger Verkehr, aber eine nahtlose Verbindung zwischen Schloss und Lustgarten gäbe es auch dann nicht.


    Die vorgeschlagene Alternativtrasse wäre mit immensen Kosten verbunden und würde auch auf gewaltige Widerstände stoßen. Da kann man besser vorerst mit der jetzigen Situation leben.

  • Welche "unterschiedlichen Infos" sind denn gemeint? Hier die Pläne aus dem Beschluß der SVV zum Areal der SVV aus dem Juni (große Mehrheit gegen die Stimmen von PDS und "die Anderen"). Da gibt es doch gar keinen Zweifel.
    Es meint jetzt nur eine kleine Minderheit von 10 Prozent der Wahlbevölkerung per Bürgerentscheid diesen Beschluß rückgängig machen zu können. Einen Bürgerentscheid gegen Bauleitplanungen (es sind hier zwei aufgestellte B-Pläne) ist aber nicht zulässig. Im Volltext hier zu finden:



  • Die Ideologie kommt hier von einigen Nutzern, die einzig den vormodernen Stadtstrukturen eine Existenzberechtigung zubilligen und den Städtebau der Moderne komplett als Irrweg, als Fehlentwicklung denunzieren, die möglichst schnell korrigiert werden muss. [...] Im Gegenzug gibt es keinen Moderne-Fan, der seine Haltung dermaßen verallgemeinert.


    Ach ja, da isser wieder - der von Ihnen wieder gerne bemühte Gegensatz zwischen den ach, so ideologischen "Verteidigern der vormodernen Stadtstrukturen" und den angeblich ganz unideologischen "Moderne-Fans".


    Die Wertung (ideologisch hier, unideologisch dort) ist ganz offensichtlich subjektiv, und der angebliche Gegensatz (Verteidiger der Vormoderne vs. Moderne-Fans) nur ein Scheingegensatz:


    Erstens, weil zahlreiche Befürworter des Abrisses von Mercure-Hotel, FH-Gebäude und Staudenhof (darunter auch ich) sich bei der Frage, ob die Altstadt nach historischem Vorbild wiederaufgebaut werden soll, hier nahezu völlig zurückhalten. Mir etwa geht es in erster Linie um städtebauliche Aspekte.


    Zweitens, weil es auch Abrissbefürworter gibt, die einzelne Bauleistungen der DDR durchaus schätzen, aber eben nicht diese drei Gebäude. Ich finde zum Beispiel die Berliner Karl-Marx-Allee/Frankfurter Allee großartig, und zwar nicht nur den älteren Abschnitt im "Zuckerbäckerstil", sondern auch den in den 1960ern gebauten Abschnitt um das Café Moskau herum.


    Ihre platte Gegenüberstellung (ideologisch + vormodern vs. unideologisch + modern) geht also ins Leere. Versuchen Sie einfach zu akzeptieren, dass es Leute gibt, die in ästhetischen Fragen anderer Meinung sind als Sie und das auch sagen. Wir nennen es Pluralismus.

    2 Mal editiert, zuletzt von Carlo ()

  • @ Konstantin:


    Wenn man sich so anschaut, wie groß der Anteil der "förderfähigen Wohnbauflächen" inkl. "Sonderwohnformen" (studentisches Wohnen etc.) an der Gesamtwohnfläche ist (vgl. die zweite von Dir kopierte Grafik), kann wirklich niemand behaupten, die Bebauungsplanung leiste der Gentrifizierung Vorschub.

  • Eigentlich ist doch seit Monaten alles zu dem Thema gesagt. Die eine Seite wird die andere nicht überzeugen können weil es mittlerweile eher zu einer Glaubensfragen denn zu einer Sachenscheidung geworden ist.


    Letztlich wird im Zweifel die Bügerbefragung zeigen wer denn nun wirklich die Mehrheit der Potsdamer vertritt und ich könnte mir gut vorstellen dass die Initiative Potsdam neu denken die ja in zig Variationen in Potsdam auftritt böse Schiffbruch erleiden wird. Ich muss die ganze Zeit an Stuttgart 21 denken wo eine ziemlich aggressiv agierende Gruppe stetig versucht hat allen zu erklären dass sie doch für die Mehrheit spricht. Die Wahrheit kam dann als man sich den realen Wahlergebnisses stellen musste.


    Und so wird es auch hier sein. Mit Ausnahme eines harten Kerns gibt es keine rationalen Gründe die für einen Erhalt von FH und Staudenhof sprechen. Aber leider geht es nicht mehr um rationale Gründe. Und so ist mittlerweile ein in Plattenhochhaus in der Hand übelster Heuschreckenkapitalisten zum Aufhänger linker Gruppen geworden. Auch das muss man als Außenstehender mit einer Mischung aus Verwunderung und leichtem Lächeln quittieren. Eigentlich schon alles verrückt was da in Potsdam los ist.

  • Odysseus
    So verrückt ist das Bürgerbegehren nicht, einfach weil die Initiatoren eben nicht die von Dir unterstellten ideologischen Motive vertreten. Das Bürgerbegehren hat nicht zum Ziel, in Potsdam den Kommunismus zu errichten. Vielmehr geht es nur darum, ob die Stadt Potsdam Millionensummen für den Abriss und Ankauf eines funktionierenden Hotels ausgeben soll oder nicht. Ansonsten kann das Hotel weiterhin in privater Hand bleiben, selbst Die Linke fordert keine Verstaatlichung des Hotelgewerbes.
    Ansonsten bin ich ganz Deiner Meinung, dass der Bürgerentscheid eine gute Sache ist.

  • Klarenbach


    Klar ist das alles verrückt. Aber ich schmunzel mittlerweile nur noch drüber. Einfach weil das nur noch grotesk ist wie eine Debatte mittlerweile so völlig aus dem Ruder gelaufen ist so dass man das wenn man mal inne hält und sich mal 2 Monaten null damit beschäftigt wie ich das getan habe und dann nochmal drauf schaut kaum noch ernst nehmen kann.


    Letztlich geht es um zwei Bauten, den Staudenhof und die FH die objektiv gesehen Bauten am Ende des normalen Investzyklus angekommen sind und die in jeder anderen Stadt ohne großes Tamtam längst verschwunden wären. Warum auch immer wurden diese bauten aber plötzlich in einer seltsamen Art und Weise mit Bedeutung beladen wobei selbst ich als Kenner der Materie nicht mehr erklären kann wie es dazu kam.


    Und nun haben wir die irre Situation dass linke Gruppen die normal für Sozialwohnungen, Studenten und Familien eintreten genau dagegen sind dass diese in großem Umfang errichtet werden und nun eine Position vertreten die Unmengen an Geld stattdessen in aus der Luft gegriffen Nutzungen investieren wollen die niemand wirklich braucht. Etwas was man in meiner Region gern der CDU anlastet die gern mal Kohle in solche nutzlosen Prestigepeojekte pumpt.


    Und dieser Irrsinn zeigt wie völlig absurd das ganze geworden ist. Letztlich hat alles mir der Garnisonkirche angefangen und da kann man ja durchaus geteilter Meinung sein und als man dann gemerkt hat dass sich dieses Projekt dem direkten Einfluss entzieht weil die Stadt darauf keinen Einfluß mehr hat hat man sich jedes im Umfeld befindliche Projekt gegriffen um den Frust dass man die Kirche nicht verhindern konnte an anderer Stelle zu kanalisieren.


    Ich kann jedem mal empfehlen wirklich mal Pause von solchen Diskussionen hier im Forum zu machen und dann mal nach 3 Monaten nochmal drauf zu schauen und dann wirkt so manche Diskussion doch arg bizarr.

  • @ Klarenbach :


    Umgekehrt forderst du dann aber ebenso Milionensummen für die FH! Diese würden nämlich genau dann fällig wenn die FH erhalten und in öffentlichem Besitz bliebe ! Und noch weitaus mehr finanzielle Mittel werden dann für ( welches Konzept ? ) Unterhalt und Betrieb nach der Sanierung und Umbau Jahr für Jahr fällig.


    Ich sehe jedenfalls keinerlei Ansätze für Nutzungen, die diesen Aufwand refinanzieren würden und ein derartig großes Zuschussgeschäft bindet sich doch keine Kommune ans Bein !


    Was den öffentlich finanzierten Abriss des Hotels angeht kann man sehr wohl geteilter Meinung sein und ich kann Argumente beider Seiten nachvollziehen.


    Aber einmal Millionenausgaben für ein vermeintlich sinnloses Projekt verdammen und sie dann für ein ähnlich fragwürdiges Vorhaben mit zudem wohl zukünftig kontinuierlich erheblichem Finanzbedarf zu fordern - da hakt die Logik ein wenig !

  • Wie gesagt: die Frage nach dem Hotel stellt sich nicht, da der Eigentümer nicht verkaufen mag.


    Für die FH schlagen die Neudenker eine Art Kreiskulturhaus vor, wo sich jeder einmal ausprobieren soll und das Land Brandenburg, die Potsdamer Hochhulen und Forschungseinrichtungen sowie weitere Kultureinrichtungen ein "Schaufenster" unterhalten, sich also auf Staatskosten präsentieren sollen.Deshalb müsste ein Umbau der FH, der ja in einer Rückführung auf den Rohbauzustand, der Asbestentsorgung der gefüllten Geschossdecken und dem anschliessenden Neubau besteht, auch aus Staatskosten finanziert werden. Wohnnutzungen, auch für ggf. sozial Schwache, kommen im Konzept der Neudenker nicht vor. Nur im Erdgeschoss soll es eine "preiswerte Pizzeria" (Tomczak) geben, weil gerade die in Potsdam fehlt. Zusammengefasst wird also ein staatsfinanziertes Selbsterfahrungszentrum gefordert. Das kann und will keine Stadt bezahlen.


    Dies macht erneut deutlich, dass es den Neudenken keineswegs, wie vorgegeben, um eine sinnvolle, sparsame und verantwortliche Neunutzung eines Bestandsgebäudes geht sondern ausschliesslich um die Blockade der bestehenden Pläne, die nach Lesart der Neudenker, Klaranbacher und Anderen unmittelbar Aufwertung, Verdrängung und den Untergang des Abendlandes einläuten und mit der teilweisen Wiederherstellung von historischen Gebäuden eigentlich geistig den Zweiten Weltkrieg ungeschehen machen wollen.


    So ist auch erklärbar, dass es seitens der Genannten keine konstruktiven Vorschläge für die Nutzungen der Alten Fahrt und der anderen von der Stadt ausgeschriebenen Grundstücke gab und gibt. Das geht sogar soweit, dass mißliebige Bankfilialen in Neubauten mit zweifelhafter Architektur im Brutalklassizimus gutgeheissen werden - weil sie die Rekonstruktion historischer Bauten verhindern.


    Die Frage wie Potsdam als wachsende Stadt seine Infrastruktur finanziert, nämlich naturgemäß mit Einnahmen aus dem Tourismus, wird als Kapitalismusgeschwätz abgetan. Im Gegenteil, man tut alles, damit nicht mehr Touristen kommen (was nicht gelingt).

  • Odysseus
    Der Wohnblock am Staudenhof wurde 1971/72 errichtet. Er ist damit ungefähr genauso alt wie die Rathauspassagen und dem Komplex an der Karl-Liebknecht-Straße in Berlin. (Baujahr 1968-1972) Er ist jünger als die Plattenbauten an der Karl-Marx-Allee, 2. Bauabschnitt. (Baujahr 1959-1965). Wenn also der Wohnblock am Staudenhof "am Ende des normalen Investitionszyklus" angekommen wäre, dann müsste das bei den Berliner Blöcken erst recht der Fall sein. Dennoch gibt es in Berlin keine Abrisspläne, und das liegt daran, dass ein Plattenbau nach 45 Jahren eben nicht am Ende des normalen Investitionszyklus angekommen ist, sondern noch eine lange Lebensdauer vor sich hat.
    Daher ist ein Erhalt des Wohnblocks am Staudenhof mit seinen 180 Wohnungen sehr viel preiswerter als ein Abriss und Neubau.


    Konstantin
    Wo behauptet "Potsdamer Mitte Neu denken", dass die Förderung des Tourismus "Kapitalismusgeschwätz" wäre? In der Stellungnahme von PMND vom 5.2.2016 zum "Mercure" wird sehr wohl auf die Bedeutung des Tourismus eingegangen. Dort heißt es:


    "Ein Abriss wäre deshalb mit Einbußen für die Tourismusentwicklung verbunden. Dies bedeutet letztlich deutliche Nachteile für die Potsdamer Wirtschaft."
    http://www.potsdamermitteneudenken.de/mercure/


    In diesen Sätzen erkenne ich eher eine positive Haltung zum Tourismus.

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