Potsdam: Garnisonkirche - Der Diskussionsthread

  • Du fällst genau auf die Propaganda der Linken rein. [...] Das sind doch nur vorgeschobene Argumente. [...] Man akzeptiert eher den Islam als alles Christliche. Die stehen auf Ulbricht-Positionen, man könnte auch Stalin nennen.
    Wir haben überhaupt keinen Grund, vor deren Argumenten auf die Knie zu gehen.


    Dieses anmaßende "wir" verbitte ich mir. Ihre Art der Argumentation hört auf den Namen Pappkamerad oder Strohmann (von engl. "straw man fallacy") und zählt zu den klassischen Fehlschlüssen. Statt auf die Argumente eines Gegners einzugehen, behauptet man zu wissen, was dieser "eigentlich" gemeint habe und malt ihn in den denkbar schwärzesten Farben, um ihn moralisch ins Unrecht zu setzen. In diesem Falle kommt dabei heraus: Wer den Wiederaufbau der Garnisonkirche nicht will, sei letztlich Anhänger eines der größten Massenmörder der Geschichte. Derartige Beiträge sind nicht satisfaktionsfähig.


    Ich habe in diesem Strang mehrfach meine Probleme mit der Garnisonkirche dargelegt, deshalb fasse ich mich diesmal kurz: Als Militärkirche diente das Ding nun mal von Anfang an dazu, der preußischen Kriegspolitik religiöse Weihen zu verleihen – und das war über weite Strecken der Geschichte auch für die eigenen Soldaten eine hässliche Politik, mit Zwangsrekrutierung, Spießrutenlauf und Prügelstrafe. Die Berliner Akzisemauer wurde bekanntlich nicht zuletzt zu dem Zweck errichtet, verzweifelte Soldaten an der Flucht zu hindern. Vor allem aber steht die Garnisonkirche seit 1933 für den Schulterschluss der alten, preußischen Militär-Elite mit Hitler, was das NS-Regime ideologisch legitimiert und machtpolitisch in seiner späteren Form erst ermöglicht hat. Diesen Schandfleck wird auch eine wieder aufgebaute Kirche niemals loswerden, und ich wehre mich gegen die Versuche hier im Forum, das Problem einfach wegzudiskutieren – was mich andererseits nicht daran hindert, den Bau seiner architektonischen und städtebaulichen Qualität wegen zu achten.

  • Ich verstehe die Haltung der Abrissbefuehrworter ueberhaupt nicht.
    Wie kann man den Abriss schoenreden?
    Die Kirche wurde nicht aus Propaganda gebaut, Sie wurde desweiteren auch fuer die Waisenkinder gebaut.
    Der Tag von Potsdam war bis vor wenigen Jahren nur in Potsdam bekannt und ist es zum Teil ja immernoch. Die Komunisten haben 68 Kirchen gesprengt und ein paar weitere verfallen lassen. Hitler ist doch eine Ausrede. Nach dieser Logik muesste man auch den Pariser Eiffelturm sprengen.

  • Der Tag von Potsdam war bis vor wenigen Jahren nur in Potsdam bekannt und ist es zum Teil ja immernoch.


    Nicht ernsthaft, oder? Das Foto von Hindenburg und dem buckelnden Hitler kannte ich schon als Kind aus irgendwelchen populär-historischen Bildbänden, die meine Eltern gelesen haben. In seiner historischen Funktion habe ich den "Tag von Potsdam" irgendwann in der Mittelstufe kennengelernt. Und zwar im Westen. Nun kann ich es nachvollziehen, wenn man im Geschichtsunterricht gepennt hat; später aber das eigene Desinteresse am historischen Stoff mit dem Wissensstand der Gesellschaft zu verwechseln – das fällt unter die Kategorie "Das Brett vorm Kopf zur Waffe machen".


    Für die Zeitgenossen war der "Tag von Potsdam" ein prägender Moment beim Übergang von der Demokratie zur Diktatur; und jedem, der sich nur ansatzweise für diese Phase der Geschichte interessiert, ist das Ereignis ein Begriff. Es auf die Potsdamer Lokalgeschichte zu reduzieren, wäre völlig fehl am Platz. Wer sich für den Gegenstand und seine Verquickung mit der Geschichte der Garnisonkirche interessiert, dem sei dieser Vortrag empfohlen, den der heutige Direktor des Zentrums für zeithistorische Forschung Potsdam, Prof. Martin Sabrow, zum 70. Jahrestag des "Tages von Potsdam" 2003 im Alten Rathaus gehalten hat.

  • ^ Wie viele Leute dieser Tag von Potsdam wirklich kratzt, könnte nur eine neutrale Umfrage glaubhaft belegen. Ich finde es jedenfalls unredlich, einen Bildungsmangel zu unterstellen bloß weil jemand die eigenen Interessenschwerpunkte nicht teilt. Würdest Du etwa den genauen Verlauf des Nika-Aufstands aus dem Gedächtnis beschreiben können? Das bezweifle ich - sollte das etwa einen Bildungsmangel beweisen?
    Eine Gemeinsamkeit beider Ereignisse - beide sind nur noch aus historischen Überlieferungen bekannt. Ich glaube nicht, dass die gesellschaftliche Mehrheit aus Geschichtsfans besteht. Schöne barocke Kirchen werden hingegen verbreiteter gemocht.

  • Leider geht es hier im Forum oft nach dem Motto zu: "Wer nicht mein Freund ist, ist mein Feind".
    Das in einer pluralistischen Gesellschaft wie unserer zwischen "bin voll dafür" und "bin voll dagegen" meistens noch zig andere Variationen gibt, scheint dem Ein oder Anderen fremd zu sein :nono:.

  • ^^ Es ist völlig egal, wie viele Leute der "Tag von Potsdam" kratzt. Ebenso ist es egal, ob Bohnenstange sich für Geschichte interessiert. Es geht aber nicht, das eigene Desinteresse zum Gradmesser für historische Relevanz zu machen; und darauf wollte ich hinaus. Eine bessere antike Analogie als der Nika-Aufstand scheint mir die Einführung des Prinzipats in Rom zu sein: Leute, die sich für Geschichte interessieren, kennen die Ereignisse, die 27 v. Chr. das Ende der römischen Republik und die Gründung des Kaiserreichs besiegelten. Leute, denen Geschichte egal ist, kennen sie nicht. Dennoch sähe die Welt heute anders aus, hätte es diese Ereignisse nicht gegeben.


    In Analogie zu Bohnenstange müsste man jetzt sagen: Dass der Senat Augustus die Macht übertragen hat, sei eigentlich nur in Rom bekannt (und spiele deshalb keine Rolle). Aber das änderte doch, selbst wenn es wahr wäre, am Ergebnis nichts. In genau diesem Sinne war der "Tag von Potsdam" 1933 ein prägendes Ereignis – denn hier gab der preußische Militäradel sein symbolisches Einverständnis zur Herrschaft Hitlers. Abweichenden Bestrebungen, wie sie damals etwa der Chef der Heeresleitung, General von Hammerstein, verfolgte, wurde dadurch die Legitimation entzogen.


    Und was das Thema "Schöne Barockkirche" betrifft: Es ist auffällig, dass die Ästhetik eines Gebäudes in diesem Forum immer losgelöst von den sozialen und kulturellen Bedingungen behandelt werden soll, denen es entstammt. Gerade die Ober-Reko-Fans, denen doch eigentlich die Kunst der Alten heilig sein sollte, verkleinern sie gegen ihren Willen zur Kunstfertigkeit, wenn sie ein sakrales Gebäude, das mit einer spezifischen, religiös-politischen Intention errichtet wurde, als eine Art Stadtbild-Dekoration behandeln.


    Für die Garnisonkirche soll dann ihre optische Gefälligkeit sprechen, wie die akustische Gefälligkeit für Bachs H-Moll-Messe – unter Absehung ihrer Gestehungsbedingungen; als wäre das Werk zu haben ohne das Denken und die soziale Praxis, die seine Zeit geprägt hat. Dagegen schließe ich mit einem klugen Zitat von Walter Benjamin: "Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein. Und wie es selbst nicht frei ist von Barbarei, so ist es auch der Prozeß der Überlieferung nicht, in der es von dem einen an den andern gefallen ist." Quelle

  • Mir scheint der sogenannte "Tag von Potsdam" bei genauerem Hinsehen doch recht vielschichtig und ambivalent. Die Allianz von Thron und Altar, verkörpert durch die Garnisonkirche als Haus- und Hofkirche der Hohenzollern, hat hier abgedankt, kann man rückblickend sagen, aber sie bot eben auch lange Zeit imperialistischen Bestrebungen, die ökonomisch bedingt waren (siehe Hannah Aredt Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft) Widerstand.


    So hochproblematisch rückblickend die Rolle der Kirchen im Dritten Reich auch war, der "Tag von Potsdam", der damalige zuständige Generalsuperintendent Otto Dibelius und selbst die Garnisonskirche können auch als Symbole für Versuche der Bewahrung einer gewissen Unabhängigkeit verstanden werden. Otto Dibelius war zwar einerseits stramm nationalkonservativ, auch antisemitisch, aber er war auch Pazifist und Vertreter der Ökumene, zudem sehr schnell auch Mitglied der Bekenneden Kirche und um die Unabhängigkeit der Kirche bemüht. (Nach dem Zweiten Weltkrieg war er an der Formulierung des "Stuttgarter Schuldbekenntnisses" beteiligt.) Den Staatsakt in der Gamisonkirche wollte er bewusst kirchlich gestalten, sich also nicht der Gesamtinszenierung des Tages durch die Nationalsozialisten unterordnen.

    Selbst das Foto mit Hitler und Hindenburg ist ambivalenter, als man meint. Dem Historiker M. Sabrow zufolge war es "ein Schnappschuss und kein geplanter Vorgang der Propaganda " und sei von dieser auch nicht verwendet worden, da "Hitlers Verneigung (...) den Funktionären der NSDAP 'zu tief und deshalb peinlich' gewesen" sei. "Daher sei das Foto entgegen heute weit verbreiteter Annahmen von der NS-Propaganda nicht verwendet worden" und "wurde bis 1945 nur vereinzelt in Zeitungen verwendet. Erst nach dem Krieg sei es als Propagandabild verstanden worden" (https://de.wikipedia.org/wiki/Tag_von_Potsdam)
    Wäre Hitler frühzeitig gescheitert, hätte man dieses Foto womöglich als wirkungsvolles Symbol seiner Demontage gedeutet.


  • Gerade die Ober-Reko-Fans, denen doch eigentlich die Kunst der Alten heilig sein sollte, verkleinern sie gegen ihren Willen zur Kunstfertigkeit, wenn sie ein sakrales Gebäude, das mit einer spezifischen, religiös-politischen Intention errichtet wurde, als eine Art Stadtbild-Dekoration behandeln.


    :daumen: Danke !!!


    Das Ziel, nur das Stadtbild wiederhergestellt sehen zu wollen, wäre der Sache zwar nicht würdig, aber wäre ja immerhin ein harmloses Ziel.
    Die Vehemenz und Wortwahl, mit der mancher hier die Garnisionskirche u.ä. Projekte befürwortet und gegen Kritik verteidigt, lässt mich schlimmeres befürchten.


    Potsdam hat mehr verdient als ein Mekka für Preussenfans zu werden !


    (Ich hoffe, das "Mekka für Preussenfans" besser verständlich ist, als der von mir schon mal verwendete Begriff "Preussen-Mekka")

  • ... Es geht aber nicht, das eigene Desinteresse zum Gradmesser für historische Relevanz zu machen ...


    Das gilt für eigenes Interesse genauso - wie schon mal geschrieben, das allgemeine Interesse am Ereignis könnte nur eine neutrale Erhebung ermitteln. Und abgesehen vom Interesse an diesem Ereignis - es spricht nichts darüber, ob ein Bauwerk existieren darf oder nicht. Wenn schon die Antike zitiert wird - im Archäologischen Park Xanten wurden einige Bauten aus der Zeit des Alten Roms rekonstruiert, egal was man über die Politk dieser längst vergangener Zeit meinen mag.


    ... Das Ziel, nur das Stadtbild wiederhergestellt sehen zu wollen, wäre der Sache zwar nicht würdig, aber wäre ja immerhin ein harmloses Ziel. Die Vehemenz und Wortwahl, mit der mancher hier die Garnisionskirche u.ä. Projekte befürwortet ...


    Nachdem ich selbst jahrzehntelang die Trostlosigkeit der Plattenbauten im Osten Europas erlebt habe (übrigens anders als manche hier) und wie jedes schönere Gebäude freute, finde ich das Ziel einer schöneren Stadt sowas von würdig. Was sollte denn an der Wortwahl nicht stimmen? Von der Verhemenz ganz zu schweigen - ist es so, dass jeder Wiederaufbau-Gegner sich hier nur einmal zur Wort meldet und dann nie wieder, um Verhemenz zu vermeiden?


    ... Potsdam hat mehr verdient als ein Mekka für Preussenfans zu werden ! ...


    Die touristische Attraktivität (wobei es sich um einen sehr bedeutenden Wirtschaftszweig handelt) habe ich schon mal angesprochen. Ein Mekka für Leute, die etwa die Antike interessiert, kann Potsdam kaum sein, da die Stadt im Unterschied zu Xanten, Köln, Mainz, Trier in dieser Epoche nicht existierte. Mittelalter gibt es viel üppiger woanders. Dann bleibt nur eine Epoche, mit der man punkten kann.
    Die Gegenspieler des Alten Fritz residierten in Versailles - dass dieser Ort zum Mekka der an dieser Epoche Interessierten wurde, scheint hier keinen zu stören.

    2 Mal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Bau-Lcfr:
    1. Der von dir angesprochene Museumspark Xanten kann wohl kaum als Vergleich zur bewohnten Innenstadt Potsdams herangezogen werden.


    2. Die unbestritten trostlosen Plattenbausiedlungen in Ostdeutschlnd (die ich durchaus noch gut kennengelernt habe) passen auch nicht richtig zum Thema. Ich ahne aber was du meinst. Aber ob die wiederaufgebaute Kirche ohne Gemeinde (die es ja einfach nicht mehr gibt) die Tröstlichkeit und Schönheit Potsdams wirklich noch weiter steigert, stelle ich in Frage.


    3. Meinst du wirklich, es kommt ein Bus mehr mit normalen Touristen nach Potsdam wegen der wiederaufgebauten Kirche, bei dem Spektrum an Baudenkmälern das Potsdam heute schon hat?
    Ich befürchte eher das Leute kommen werden, mit deutsch-nationalem, rechtem Weltbild, die den Orginalschauplatz des Tages von Potsdam sehen wollen.


    Ob das dann wirklich der touristischen Anziehungskraft Potsdams dient, bezweifele ich!

  • ^ Wegen der Summe der wiederaufgebauten Bauten auf jeden Fall - so wie rekonstruierte Altstädte von Breslau oder Danzig europaweit bekannte Reiseziele geworden sind. Weswegen sollte man sonst nach Potsdam kommen, wenn es die Altstadt, die Kirchen und die Schlösser nicht gäbe?

  • ...Aber ob die wiederaufgebaute Kirche ohne Gemeinde (die es ja einfach nicht mehr gibt) ...


    Falsch: die Gemeinde gibt es sehr wohl noch: Heilig-Kreuz-Gemeinde. Sie heißt heute noch so, da die Garnisonkirche zuletzt so hiess.


    ... Meinst du wirklich, es kommt ein Bus mehr mit normalen Touristen nach Potsdam wegen der wiederaufgebauten Kirche, bei dem Spektrum an Baudenkmälern das Potsdam heute schon hat?
    Ich befürchte eher das Leute kommen werden, mit deutsch-nationalem, rechtem Weltbild, die den Orginalschauplatz des Tages von Potsdam sehen wollen.


    Ob das dann wirklich der touristischen Anziehungskraft Potsdams dient, bezweifele ich!


    Offensichtlich glauben Sie ja doch, das da deswegen Touristen kommen werden. Auf die von Ihnen prognostizierten Touristen verzichte ich gerne und glaube auch, dass sich solche nicht einfinden. Da denen Versöhnung wie Toleranz, nach meiner Einschätzung und Erfahrung, ähnlich wie Ihnen -mit Verlaub- am Arsch vorbei gehen.


    Das ebensolche Rekonstruktionen erheblichen touristischen Zulauf haben, zeigt nicht nur die Dresdner Frauenkirche. Auch das Potsdamer Stadtschloss und der Palast Barberini sind solche Beispiele. Dort kamen die Besucher zu Zehntausenden, noch bevor die Gebäude in ihren eigentlichen Funktionen eröffnet waren.


    Luftpost

  • Die nicht-ideologischen Argumente haben wir doch schon oft besprochen, nur dass sie in dem ganzen Wust an ideologischen Debatten immer wieder untergehen. Die Unterstellung, es könne den Befürwortern des Wiederaufbaus in Wahrheit nur um ein Preußen-Mekka o.ä. gehen, finde ich lächerlich bis unverschämt. Die Keule, die hier geschwungen wird, funktioniert auch wunderbar als Pendel, sodass sich dann wechselseitig Anschuldigungen ergeben. Zig mal erlebt und in der Sache hat es nie weiter geführt. Ich finde es ehrlich gesagt nur noch ermüdend, dass regelmäßig aufzuwärmen. Das einzig neue zum Thema kam mE von ElleDeBe. Dass hierauf keine Reaktion kommt und stattdessen nur wieder zum gefühlt 82. (oder sei es zum 81. oder 83.) Mal derselbe Quark neu durchgequirlt wird: Es kann mich nicht überraschen aber schade finde ich es doch. Wenn man ein Schlagwortverzeichnis für diesen Thread erstellen müsste, hätte jeder Begriff dutzende Referenzen, die allermeisten völlig redundant und entbehrlich. Es wiederholt sich immer und immer und immer wieder. Ewig derselbe Käse. Täglich kotzt das Murmeltier. Wiederholung ist die Mutter der Wiederholung (und deren Großmutter, Urgroßmutter, Ururgroßmutter, Urururgroßmutter usw). Ich würde diese Parodie gerne weiter ausführen aber ich ermüde allmählich an mir selbst.


    Ach ja: Nicht-ideologische Argumente (auch nachzulesen auf etwa jeder 7.-8. Seite dieses Threads):
    -Stadtbild: nicht irgendein weiterer alter Kasten, sondern einer der prägenden Turmbauten.
    -Touristenattraktion: Gerade zu Beginn werden sicher Touristen gezielt wegen dem Projekt kommen. Es ist eben DAS neue Projekt der Stadt und somit auch Aushängeschild der Stadtvermarktung. Ansonsten ist es zum einen ein weiterer Bestandteil eines immer reizvolleren Gesamtbildes. Zum anderen bietet sich hier künftig eine mW in dieser Form einzigartige Aussichtsplattform. Dass dies keinen Unterschied macht, denke ich kaum. Jedenfalls werde ich von Berlinbesuchern häufiger gefragt, wo man eine besonders schöne Aussicht über die Stadt hat. Würde mich extrem wundern, wenn das in Potsdam anders wäre.
    -Versöhnungszentrum: Schön, dass gerade dieser Punkt gerne angegriffen und in Zweifel gezogen wird. Dabei wird hier das klare Signal gesendet, an was angeknüpft werden soll und an was nicht. Das hat also eine gesellschaftliche Funktion in der Vermittlung zwischen Vergangenheit und Gegenwart/ Zukunft. Das könnte vielleicht helfen, dass Menschen in kommenden Jahrzehnten überhaupt noch einen Bezug zu diesen historischen Ereignissen haben und eine Haltung dazu entwickeln. Dies an einem so authentischen Ort zu inszenieren, finde ich nur maximal wirkungsvoll. Ähnlich wie mit Mauer- oder KZ-Gedenkstätten. Da sehe ich komischerweise auch keine Propagandatrupps aufmarschieren, sondern eher Schulklassen o.ä. Aber einige trauen den Menschen offenbar weniger zu als irgendwelchen vermeintlich kontaminierten Steinen. In Kolosseum von Rom sollen ja auch regelmäßig blutige Kampfszenen aufleben. Neulich habe ich vor der Siegessäule einige Uniformierte aufmarschieren sehen und ... ach lassen wir das. Einige hier meinen das Ganze ja bierernst.

  • ^ Auch in Xanten gibt es eine dem Kolosseum ähnliche nachgebaute Arena, wo in den Gängen gar auf Bildschirmen nachgestellte Gladiatorenkämpfe gezeigt werden. Natürlich sind die Zuschauer weder Anhänger der Sklaverei noch der blutigen Gemetzel - ich habe die Saw-Filme nie länger als wenige Minuten geschafft als die hin und wieder im Fernsehen liefen.
    Versailles (die französische Version von Potsdam) habe ich übrigens samt Schloß und Spiegelsaal besucht - ohne dass ich für LePen was übrig hätte. Ansonsten war ich noch im Madrider Palacio Real (mehrmals), in Alhambra, in Wiener Hofresidenz und im Brüsseler Königspalast - die Kaiserliche und Königliche preußische Residenz in Breslau nicht vergessen, wo ein Drittel die preußische Geschichte zeigt, ein Drittel welche davor ab dem Großmährischen Reich, ein Drittel die polnische nach dem WKII. Der überall in Europa besuchten Kirchen dürfte es eine zumindest dreistellige Anzahl geben.


    ElleDeBE schrieb was von Ambivalenz, doch mir scheint es wenig relevant zu sein, wenn das angeblich so wichtige Ereignis die meisten Leute einfach nicht kratzt. Ich verrate mal was Neues - außerhalb von Deutschland wird darüber selbst auf Gymnasien nicht mal eine Sekunde unterrichtet, da für den Verlauf weiterer Jahre denkbar schnuppe ist, wo Adolf H. wen umarmt, den Hintern geküsst, die Schuhe abgeleckt oder sonstwas getan hat. Eine völlig unbedeutende Anekdote der Geschichte, die manche immer wieder und wieder und wieder aufwärmen, um dann auch noch die Verhemenz anzusprechen.

  • ^ Wenn das gemutmaßte Desinteresse der "meisten Leute", und dazu auch noch "außerhalb von Deutschland", zum relevanten Kriterium für spezifische Diskussionen avanciert, dann können wir das Forum dicht machen. Es gibt so gut wie keine Architekturfrage, die die "meisten Leute" "krazt" und schon gar keine Frage um Architektur in Deutschland, die "die meisten Leute" "außerhalb von Deutschland" kratzen würde.

  • ^ Doch, wenn ein neues Gebäude eröffnet wird (auch ein rekonstruiertes), erlebe ich öfters Leute in der Straßenbahn oder der S-Bahn, die darüber diskutieren. Aber nie Debatten über leere Politikergesten, von den es täglich unzählige gibt - erst recht nicht über welche aus einer Zeit vor Jahrzehnten.

  • Wow, das war jetzt ein superschneller Rückzug von der Aussage: "die meisten Leute" und "außerhalb Deutschlands" zu "ich erlebe öfters Leute" "in der Straßenbahn". :daumen:


    Ja, diese Leute gibt es gewiss, aber es gibt auch solche, die über historische Fragen im Zusammenhang mit Architektur debattieren, z.B. hier im Forum. So what?


    Die immer wieder auftretende populistische Versuchung, sich auf eine vermeintliche vox populi zu beziehen, um Diskussionen abzuwürgen oder gegen Ansichten vorzugehen, die einem vielleicht nicht passen, ist immer und aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen. Sie ist aber besonders hier ärgerlich, wo historische Debatten im Zusammenhang mit einer Rekonstruktion entbrennen, weil sie gerade einen der größten Vorzüge von Rekonstruktionen angreift: dass sie das historische Bewußtsein qua Debatten, die sie immer wieder entfachen, erneuern und beleben können.

    Einmal editiert, zuletzt von ElleDeBE ()

  • ...wo historische Debatten im Zusammenhang mit einer Rekonstruktion entbrennen, weil sie gerade einen der größten Vorzüge von Rekonstruktionen angreift: dass sie das historische Bewußtsein qua Debatten, die sie immer wieder entfachen, erneuern und beleben können.


    Und genau darum geht es im Kern: der in der DDR erlernte negative Kontext Garnisonkirche = Preussen = Militarismus = Hitler (und heute neu zugefügt: ) = Nazi wird aufgebrochen. Einerseits durch die schon heute stattfindende Diskussion. Andererseits, wenn denn dann die schöne Kirche wieder unverfremdet wieder steht, durch ihr Anglitz. Denn offensichtliche Schönheit kann doch nicht so schrecklich ursächlich sein. Also ist das Schreckliche, das heute dem Ort verfemdend ablenkend, zugeschrieben wird, dann nicht mehr dem Orte oder dem damals schon untergegangenen Staate Preußen, zuzuschreiben. Diejenigen, die dieses gern Politik- immunisierend bewusst tun, verlieren ihre Argumentationgrundlage. Denn im Unterbewussten wird dann der Fehler in den Aussagen leicht erkannt .


    Bilder können für die Darstellung ihres Inhaltes nichts. Jedoch derjenige, der Gemalt hat. Bilderstürmerei lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Es transferiert das Problem auf das Bild, ohne das Problem ansich zu lösen und mit der Vernichtung des Bildes wird das Problem im Bewusstsein verstetigt. Denn es können dann mit den vernichteten Bild keine neuen, anders lautenden Verknüpfungen mehr entstehen. Die mit der Vernichtung entstandene Verknüpfung bleibt dauerhaft erhalten. Um mit der letzten Verknüpfung dauerhaft Politik betreiben zu können. Die Abwesenheit nützt damit den Gegnern zur dauerhaften politischen Legitimation auf Kosten der Problemlösung, da das Problem nicht angegangen werden muss, da es ja vermeintlich untergegangen ist.


    Luftpost

    4 Mal editiert, zuletzt von Luftpost ()

  • ElleDeBE: Die Debatte an sich ist ja auch völlig ok. Und tatsächlich nehme ich an, dass das Projekt Garnisonkirche schon jetzt ein tieferes Bewusstsein bei gewissen Teilen der Gesellschaft bewirkt hat. Dies finde ich grundsätzlich sehr positiv.


    Nur dreht sich hier inzwischen alles in einer Endlosschleife. Deinen kürzlichen Beitrag kann man da wie gesagt eher als rühmliche Ausnahme denn als repräsentativ für die Dynamik in diesem Thread werten. Niemand, der alles hier seit Jahren einigermaßen nah verfolgt, kann das extrem hohe Maß an Redundanz ernsthaft bestreiten. Dass jetzt bspw schon wieder die Keule mit der vermeintlichen Preußen-Nostalgie geschwungen wird, ist einfach nur noch ermüdend und nervig.


    Im übrigen stimme ich Bau-Lcfr insoweit zu, dass die mE künstliche Debatte um eine vermeintliche ideologische Gefahr die Gesellschaft nicht wirklich tangiert. Wie gesagt erfahren viele so erst Näheres zu der Geschichte des Bauwerks und können so eine Haltung dazu aufbauen. Dass sich jemand WEGEN der Reko zum Preußenfanatiker oder Neo-Nazi bekehrt, halte ich für reichlich weit hergeholt. Da sollte man mE mal die Kirche im Dorf lassen.

  • ... weil sie gerade einen der größten Vorzüge von Rekonstruktionen angreift: dass sie das historische Bewußtsein qua Debatten, die sie immer wieder entfachen, erneuern und beleben können.


    Aha, es gibt also Vorzüge der Rekonstruktionen, hier ein Beispiel. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auch rekonstruiert wird, ergo jetzt muss es erst recht durchgezogen werden. Im fertigen Bau kann man beliebig viele Geschichtstafeln mit Erläuterungen hinstellen - OK, das gerade wurde schon mal gesagt.


    Dass bei allen den Turbulenzen, die es gerade in Europa und woanders gibt, gerade eine Rekonstruktion irgend etwas verstärken würde, ist lächerlich - OK, etwa jan85 hat dem schon zugestimmt. Wer nach irgendwelchen Symbolen sucht, findet schon irgendwo welche, wie gekünstelt auch immer.


    BTW: Angeblich wurde in gewissen Kreisen die Ziffer 8 zum Symbol - darf ich nur noch 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9 und 0 benutzen?