Potsdam: Lustgarten

  • Die "andere" Debattenkultur

    Es ist wirklich bedauerlich, dass man mit vielen der DAF-Nutzer offensichtlich nicht kultiviert debattieren kann. In jedem zweiten Beitrag wird es persönlich. Zumeist werden nicht die Vorschläge und Argumente debattiert, die Leute schreiben, sondern die, die sich die Fans der Rekonstruktions- und Vergeltungsarchitektur für uns ausdenken.


    Soviel zum Thema "Debattenkultur".


    Dass Sie einerseits keine Sekunde zögern, andere Meinungen als politisch "rechts" (und schlimmeres) zu diffamieren, aber andererseits gleich empört aufheulen, wenn man Ihnen einmal den Spiegel vorhält, verrät nicht nur einen eklatanten Mangel an demokratischer Kultur, sondern ehrlich gesagt auch an Reife und Gelassenheit.


    Wer aus Provokationen und Clownereien ein politisches Geschäftsmodell gemacht hat, wird es ertragen müssen, wenn er auch nicht immer mit Samthandschuhen angefasst wird.


    Nehmen Sie's also sportlich.

  • "Vergeltungsarchitektur"

    [...] die Fans der Rekonstruktions- und Vergeltungsarchitektur


    Abgesehen davon: "Vergeltungsarchitektur" ist das, was die SED-Machthaber in Potsdams Zentrums angerichtet haben, wofür die Sprengung einer aktiv genutzten Kirche (Heilig-Kreuz- resp. Garnisonkirche) und die Zerstörung der zentralen Parkanlage durch Großbauten (Stadion und Plattenhochhaus im Lustgarten) die besten Beispiele sind.


    Was zur Zeit läuft, ist der von der Mehrheit der Potsdamer gewünschte Versuch, die durch Krieg und DDR-Stadtplanung gerissenen Wunden zu heilen.

  • Abgesehen davon: "Vergeltungsarchitektur" ist das, was die SED-Machthaber in Potsdams Zentrums angerichtet haben, wofür die Sprengung einer aktiv genutzten Kirche (Heilig-Kreuz- resp. Garnisonkirche) und die Zerstörung der zentralen Parkanlage durch Großbauten (Stadion und Plattenhochhaus im Lustgarten) die besten Beispiele sind.


    Ich dachte 'Vergeltungsarchitektur' hat als Terminus keinen Platz im DAF?!
    Und selbst wenn es so wäre, warum muss jetzt alles so gestaltet (als konkreter Bau oder als Idee von Stadt) werden, wie vor '68 oder '45? Warum kann man nicht zukunftsorientiert handeln und bauen, ohne einen architektonischen Rückblick oder Rückgriff? Warum nicht zeitgemäß und zukunftsorientiert? Darum, und nicht den Erhalt von möglichst viel DDR geht es vielen, ich würde sagen den meisten Kritikern.


    Was zur Zeit läuft, ist der von der Mehrheit der Potsdamer gewünschte Versuch, die durch Krieg und DDR-Stadtplanung gerissenen Wunden zu heilen.


    Die Quelle bitte...

  • Was ist an einer (größeren) Grünfläche nicht zeitgemäß oder zukunfstorientiert? Überall wird doch nach einer grünen Stadt und so gerufen und um jeden Baum bzw. gegen jeden Bauzaun gekämpft. Mal abgesehen davon, dass die Entwürfe mehr Gestaltung vorweisen, als die Situation von vor '45. Insofern kann man da kaum von Rückgriff o.ä. reden.

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    Da Potsdam nun wahrlich keinen Mangel an Grün hat, erachte ich diesen grünen Flecken (also ohne eine Form von Bebauung) als entbehrlich. Zudem habe ich geschrieben, dass der Rückgriff nicht nur im physischen Objekt, sondern auch in einer abstrakten Idee von Stadt zu finden ist. Dazu zählen beispielsweise 'Sichtachsen' und 'Sichtbeziehungen' oder bspw. die Idee, der Landtag funktioniere nur, wenn er mit einer Park-Freifläche gegenüber korrespondieren kann, der Bau ansonsten, so hörte man schon, beinahe umsonst sei.
    Als an Stelle des Mercure eine moderne Kunsthalle entstehen sollte, hat niemand nach mehr Grün gerufen. Die Existenz eines modernen Gebäudes an diesem Platz, war also egal, nein, gewünscht, solange dafür nur das Mercure weicht. Da dies ja nun lange vom Tisch ist, muss dort plötzlich eine neugestaltete parkähnliche Freifläche, natürlich ohne Mercure, hin. Man hat mitunter das Gefühl, man würde alles tun, nur um das Mercure loszuwerden. Und genau deswegen, kann man so manche Abrissbestrebung für das Mercure eben auch als ideologisch bezeichnen. Es ist ja schließich relativ egal was dort gebaut werden soll - hauptsache das Hochhaus verschwindet und es werden nebenbei Sichtbeziehungen von vor über 200 Jahren hergestellt.


    Das hat nichts mit meinem Verständnis von moderner Stadt zu tun. Das ist der geschichtliche Rückgriff, den ich überwunden sehen möchte.

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    Wie wäre es mit dem Entwurf von Dietz Joppin & Rose Fisch?
    Der hat ein Stadt- und Bolzplatz, eine Orangerie, ein öffentliches Gebäude...
    Da dürften doch einige Wünsche erfüllt werden, oder nicht?

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    Wo ist da ein Hotel bei dem eine Renovierung lohnenswert wäre? ;)


    Für Hotels wird sich doch außerdem sicherlich das ein oder andere Grundstück auf dem Staudenhof-Areal finden.

  • Ich finden den Dietz/Joppien-Plan auch am realistischten:


    1. Urheberrechtsfragen sind geklärt
    2. Die Vergrößerung des Neptunbrunnens ist konsequent und schön in der Form
    3. Die Ideen zur Öffnung der Kolonie Hinzenberg vergrößern den Garten, öffenen die Stadt zum Wasser hin und bieten einen attraktiven Stadthafen
    4. Ein Neubau neben dem Schloß halte ich für realistisch. Dessen Kopf bekäme im übrigen eine Entsprechung in der Schloßstraße. Das könnte z. B. ein Hotel sein, das ich persönlcih allerdings eher an der Spitze der Halbinsel Hinzenberg sähe.


    Die Fläche der heutigen Märkte ist noch etwas unentschlossen - um die Nutzungfragen hat man sich hier etwas gedrückt. Aber solange die Straße da vierspurig durchgeht ist viel anderes kaum möglich.


  • Und selbst wenn es so wäre, warum muss jetzt alles so gestaltet (als konkreter Bau oder als Idee von Stadt) werden, wie vor '68 oder '45? Warum kann man nicht zukunftsorientiert handeln und bauen, ohne einen architektonischen Rückblick oder Rückgriff? Warum nicht zeitgemäß und zukunftsorientiert?


    Tja, warum? Man versucht es doch seit 100 Jahren. Und noch immer scheinen einige das Grundprinzip der Moderne nicht verstanden zu haben: Das Hauptkriterium ist und bleibt die Funktion. Ist diese nicht mehr adäquat umsetzbar, wird eben abgerissen und durch etwas Neueres, Funktionaleres ersetzt.
    Abgesehen davon - was bitte soll denn in der Architektur 'zukunftsorientiert' bedeuten? Was gebaut wird, ist immer Ausdruck der jeweiligen Gegenwart und Lebenswelt, zu allen Zeiten.

  • Wenn ich die bisherige Diskussion zusammenfasse, dann gibt es zwar Hinweise darauf, dass es in Potsdam keine Mehrheit für einen Ankauf und Abriss des Hotels "Mercure" gibt. Auf der anderen Seite haben die "Mercure"-Gegner bisher aber keinen einzigen Beleg für die These gebracht, dass die Mehrheit der Potsdamer wirklich einen Ankauf und Abriss des Hotels will.


    Auch sehe ich keinen Grund, warum der Eigentümer sich entschließen sollte, das Gebäude aufzugeben und an einen anderen Standort umzuziehen. Der jetzige Standort ist dank seiner zentralen Lage, der guten Anbindung an den ÖPNV und Autoverkehr sowie der schönen Aussichten dermaßen attraktiv, dass er auch langfristig eine Zukunft haben dürfte. Zudem hat der Standort den Vorteil, dass in seiner unmitteöbaren Umgebung auch künftig kein Großhotel entstehen wird. Daher dürfte das "Mercure" konkurrenzlos bleiben.


    Die von Konstantin vorgeschlagenen Ersatzstandorte sehe ich nicht als eine Alternative an. Der Standort Hinzenberg ist zu weit ab vom Schuss, und auf dem Grundstück des Plögerschen Gasthofes dürfte ein Hochhaus kaum durchsetzbar sein. Daher sehe ich keine Grundlage für die Debatte.

  • ^^Paperlapap: die Nummer mit dem Mercure wird am Verhandlungstisch entschieden, von wegen demokratisch. Wenn nur ein Hauch von Mehrheit absehbar ist, dann schlägt der Staatssäckel zu. Egal ob 20 oder 30 oder 40 Mio.

  • Das Mercure-Hotel ist ein Auslaufmodell

    Die Quelle bitte...


    Wie oft soll Ihnen noch erklärt werden, wie die Mehrheitsbildung in der parlamentarischen Demokratie geschieht?


    Es gibt eine stabile parlamentarische (Stadtverordnetenversammlungs-) Mehrheit für die Wiederherstellung der historischen Mitte Potsdams, und in Ausführung dieser Grundsatzentscheidung wurden für den Inhaber des Mercure-Hotels unter anderem die von Konstantin wiederholt erwähnten Auflagen verhängt, die zwangsläufig zur Folge haben, dass das Mercure-Hotel früher oder später Geschichte sein wird, weil ein profitabler Betrieb ohne grundlegende Investitionen im Hotelgewerbe auf Dauer nicht möglich ist. Andere Nutzungen werden an dieser Stelle mit Sicherheit nicht genehmigt werden, dito ein Neubau.


    Mit anderen Worten: Das Mercure-Hotel ist ein Auslaufmodell – die Frage ist nur, ob es in 5, 10 oder 20 Jahren verschwindet. Auf diese Realität stellen sich die jetzt vorgestellten Entwürfe für den Lustgarten konsequenterweise ein.

  • Dietz/Joppien-Plan

    Ich finden den Dietz/Joppien-Plan auch am realistischten:


    Volle Zustimmung, mit Ausnahme dieses Punktes:


    Ein Neubau neben dem Schloß halte ich für realistisch.


    Ein Gebäude mitten im Lustgarten selbst fände ich nicht gut, selbst wenn es nur eingeschossig sein sollte. (Aus dem Grund war ich auch gegen den Bau der Plattner-Kunsthalle an dieser Stelle.)


    Klasse an diesem Plan ist natürlich die Erweiterung um einen "Öffentlichen Park Hinzensberg". Das ist auch der richtige Standort für Bolzplatz und Skaterpark (siehe Plan unten). Die Liegegebühren für Segelboote im dort vorgesehenen Hafen dürften nebenbei um ein Vielfaches über den Kleingartengebühren liegen.


    http://www.werkstatt-lustgarte…ppien&%20Rose%20Fisch.pdf

  • Ich kann Klarenbach das kurz erklären, warum Blackstone ein Grundstücksdeal machen wird: die SVV hat mit Mehrheit ein Sanierungsgebiet ohne Hotel beschlossen.


    Und warum müssen die Ersatzgrundstücke Hochhausgeeignet sein? Am Alex und anderswo betreibt Mercure auch kein Hochhaus, macht sogar mit Historie Werbung. Und warum nicht Mercure im Plögerschen Gasthof: Hier und hier und hier und hier ist Mercure doch auch in historischen oder historisierenden Gebäuden - von Adelaide über Kuba bis Laos.

  • Carlo


    Immerhin wurden in der DDR rund um den Alten Markt auch einige alte Gebäude sehr aufwändig wieder aufgebaut. Die Restaurierung des Filmmuseums wurde meiner Schulklasse sogar in einer Führung erläutert.


    Aber ich habe nicht bestritten, dass es in der DDR Vergeltungsarchitektur gab. Allerdings sollte dies kein Motiv sein, heute nach ähnlichen Mustern zu verfahren.

  • Ein Neubau neben dem Schloß halte ich für realistisch. ... Das könnte z. B. ein Hotel sein


    Es könnte ein Nachfolgebau des Hotels Mercure sein - mit dem Standort könnte der bisherige Besitzer bestimmt leichter zur Aufgabe der betagten Immobilie bewegt werden. Es spielt keine Rolle, ob DDR-Bau oder nicht DDR - Bauten der 1960er/1970er Jahre stehen inzwischen recht häufig zur Disposition, europaweit.


    hauptsache das Hochhaus verschwindet und es werden nebenbei Sichtbeziehungen von vor über 200 Jahren hergestellt.


    Es spielt wohl auch eine Rolle, wie wirkendes Hochhaus. Der Wunsch nach der Beseitigung wäre bestimmt geringer, gäbe es dort ein Hochhaus der Gesaltungsqualität wie im Frankfurter Palaisquartier, wo übrigens zwei Hochhäuser und eine Palastrekonstruktion errichtet wurden. Diesem Ensemble musste das weniger elegant wirkende Fernmeldehochhaus aus dem Jahr 1956 weichen. Es waren keinesfalls nostalgische Hochhausgegner am Werk - es wurde halt ein schlechter wirkendes Ensemble durch was besseres ersetzt.


    Was die Sichtachsen betrifft - ich erinnere mich noch an die Aufregung im Berliner Unterforum, dass die neuen Hochhäuser am Alex teilweise die Blickachse auf den Fernsehturm von der KMA tangieren könnten. Es scheint, die Sichtachsen sind keinesfalls etwas überholtes, was man nicht bräuchte?

  • Es spielt keine Rolle, ob DDR-Bau oder nicht DDR - Bauten der 1960er/1970er Jahre stehen inzwischen recht häufig zur Disposition, europaweit.


    Und das auch häufig zurecht!


    Es spielt wohl auch eine Rolle, wie wirkendes Hochhaus. Der Wunsch nach der Beseitigung wäre bestimmt geringer, gäbe es dort ein Hochhaus der Gesaltungsqualität wie im Frankfurter Palaisquartier, wo übrigens zwei Hochhäuser und eine Palastrekonstruktion errichtet wurden. Diesem Ensemble musste das weniger elegant wirkende Fernmeldehochhaus aus dem Jahr 1956 weichen. Es waren keinesfalls nostalgische Hochhausgegner am Werk - es wurde halt ein schlechter wirkendes Ensemble durch was besseres ersetzt.


    Ich würde einem 'Tausch' Mercure gegen ein solches Hochhaus sofort zustimmen. Es ist mit Sicherheit auch nicht unmöglich, aus dem Mercure etwas schickeres zu machen - nur ist das nicht gewollt. Es soll weg, damit Sichtbeziehungen vergangener Zeiten wieder zu Tage treten und auch ein Stück DDR verschwindet. Mit letzterem hätte ich kein Problem, wäre es eben nicht derart politisch aufgeladen. Ginge es nur und tatsächlich um gute Architektur, würde man an diesem Ort natürlich ein modernes Haus/ Quartier errichten. Nur geht es eben darum genau nicht, sondern einzig um ein Wiederbeleben vergangener Zeiten. Für mich, als Freund des Heute und des Morgen, ist dies einfach unerträglich.

  • Wie die Märkische Allgemeine von heute berichtet, werden sich die finanziellen Spielräume von Potsdam in den nächsten Jahren deutlich verringern. Demnach wird der städtische Immobilienbetrieb KIS bis 2018 Kredite in Höhe von 112 Millionen Euro aufnehmen müssen, vor allem für den Bau neuer Schulen. Die Pro-Kopf-Verschuldung Potsdams wird dann von derzeit 1335 Euro auf 1789 Euro steigen. In solch einer Situation dürfte es für einen Ankauf und Abriss des Hotels keine Spielräume geben.


    http://www.maz-online.de/Lokal…uf-1789-Euro-im-Jahr-2018

  • ^^
    Wer bestimmt denn was gute Architektur ist? Ein bauwilliger Investor, die Stadtverwaltung, die Bürger, das DAF?
    Dem Investor dürfte die Gestaltungsfrage - gesetzt den Fall er dürfte abreißen und ein neues Hochhaus bauen - vermutlich egal sein. Die Lage wäre ideal für ein Luxus-Hotel oder -Wohnhochhaus. Dann schreien allerdings wieder die Gentrifizierungsgegner.
    Ergo; wie man's macht macht man's falsch. Für mich wäre Abriss und kein Neubau am weniger falschesten ;)


    Mit letzterem hätte ich kein Problem, wäre es eben nicht derart politisch aufgeladen.


    Ein Widerspruch.

    Wiederbeleben vergangener Zeiten


    Wieso? Wenn ich mir die Entwürfe aus der Ideenwerkstatt ansehe trift dies nicht zu.