Berliner Stadtverkehr (Straße, Bus, Bahn, Wasserwege, Gebäude)

  • Naja, Berlin hat 3 Opern und ist Objektiv sicherlich eines der 5 wichtigsten politischen Zentren der Welt;

    Berlin hat 4 Opern mit der Neuköllner, bedeutend ist davon keine. Die politische Bedeutung teilt sich Berlin mit Bonn, Brüssel, Washington und der UNO in New York. Wir haben nicht mal einen Sitz im Sicherheitsrat. In Bonn arbeiten mehr Bunedesbeamte als in Berlin, mehrere Ministerien haben dort ihren Hauptsitz, Der Rest einen Zweitsitz. Das politische Zentrum Deutschlands liegt irgendwo in der Luft auf halbem Wege zwischen Tegel und Köln/Bonn und wird eh vom Bundesrat blockiert. Rückständigkeit, Zerrisenheit und Reformunfähigkeit prägen die deutsche Politik. Militärisch bedeutungslos, politisch einflusslos, kennzeichnet strategisches Mitläufertum die deutsche Aussenpolitik.


    Eines der 5 wichtigsten politischen Zentren der Welt? Nach Washington, Moskau, Peking, Paris, London, Tokyo, New York, Brüssel ... Vielleicht an Nummer 9 (oder 10 nach Bonn), wenn man die Gruppe der Wichtigsten soweit laufen lassen mag. Was wird denn wirklich in Berlin entschieden? Eigentlich nichts.

    Hamburg ist der groesste Hafen Europas, der 3. groesste Luftfahrstandort der Welt, nach London die reichste Stadt Europas

    Der größte Hafen in Europa - ja - nach Rotterdam, was auch schon keine Weltstadt mehr ist, genau wie Toulouse. Überhaupt "das beste Bundesland", "der 2te oder 3te in Europa". Wer sagt, das solche Titel irgend eine Bewandnis haben? In vielen Bereichen spielt die Musik heute in Asien und Amerika, aber nicht mehr dazwischen.

  • was genau heisst denn "die Musik spielt woanders" ? Deutschland ist die 4. groesste Wirtschaftkraft der Welt, und der Weltgroesste Exporteur.
    bezgl. Berlin: die Beamten in Bonn interessieren doch nun wirklich kaum jemanden mehr, die Entscheidungen werden in Berlin getroffen. Was die Wirtschaftskraft angeht, so kann diese sicher ein Bonus sein wenn es um das Weltweite ansehen als Weltstadt geht, hier hat Berlin aber lediglich im westlichen vergleich Defizite.
    bezgl. Hamburg: Hafen, Luftfahrt, Wirtschaftskraft allein reichen sicherlich nicht aus (siehe Rotterdam, Seattle oder Zuerich), wenn allerdings die Kombination aus diversen aehnlich gearteten Faktoren wie den genannten nicht relevant sein sollen, dann weiss ich nicht, was es waere, und eine objektive Diskussion wird schwer.

  • Den Provinzler erkennt man am ehesten daran, das er mit Klauen und Zähnen seinen Heimatort verteidigt, gerne auch, ohne angegriffen worden zu sein. Großstädter neigen eher zur Gelassenheit.:lach:

    Hihi. Nach der Definition sind wahrscheinlich beides keine Grossstädte. :D

    Guderian: Was man als vernünftige Verkehrsplanung betrachtet, liegt wohl im Auge des Betrachters. Der Ossi mag das Ostmodell, der Wessi das Westmodell, jeder so, wie er's gewohnt ist. Es lohnt sich nicht darüber zu streiten, weil wir offenbar grundsätzlich verschiedene Ansichten dazu haben, die auf unserer Herkunft beruhen.

    Das meinte ich ja. Die Ablehnung von Oberleitungen hat vor allem damit zu tun, das die Hässlichfinder sie von zuhause aus nicht gewöhnt sind und sie deswegen als besonders störend wahrnehmen. Die Beobachtung matched nur nicht ganz auf meinem Provinz Begriff, zum einen, weil natürlich auch viele kleine Städte Straßenbahnen haben, ohne deren Oberleitungen hässlich zu finden, zum anderen, weil ich mich auch an viele Westberliner erinnern kann, die geradezu empört auf Straßenbahnen reagiert haben, als wären sie Teufelswerk. Was der Mensch nicht kennt, das mag er nicht. Scheint eine Art Naturgesetz zu sein.

    Übrigens hat dieses Hochjubeln der DDR-Planung einen schalen Beigeschmack.

    :cool: Trotzdem hat es handfeste Vorteile für die Stadtplanung ohne finanzielle Zwänge (und private Eigeninteressen) planen zu können. Nach der Wende hatte Berlin erst einen Bauboom bei Bürogebäuden, dann Einkaufszentren, jetzt Hotels. Es wird immer nur das eine Investitionsmodell gebaut, das sich gerade am Besten rechnet. Eine Stadtplanung aus einem Guss kann so nie entstehen. Die Neubaugebiete in Ostberlin sind planwirtschaftlich auf einen Rutsch durchgeplant worden. So und soviele Häuser mit so und sovielen Wohnung benötigen so und soviele Schulen, Kaufhallen, Schwimmbäder, Parkplätze und Straßenbahnen. Demgegenüber herrscht im markwirtschaftlichen Westen eher dekonstruktivistisches Chaos. Man merkt immer erst hinterher, das irgendwas fehlt und quetscht es dann irgendwo dazwischen.


    Bestes Beispiel ist der neue Berliner Hauptbahnhof. Selbst der geübteste Fährtenleser hat keine Chance ohne Hilfe die Bushaltestelle zu finden, so gut hat man sie versteckt, eigentlich könnten sich darüber die Taxifahrer freuen, aber die beschweren sich, dass es nicht genug Stellplätze gibt und die Autofahrer finden ihr Parkhaus nicht. Obwohl drei von fünf Etagen am Hauptbahnhof nur für Essen und Shoppen sind, hat der ganze Bahnhof nur eine Toilette. Der Bahnhof ist wirklich wunderbar, solange man dort nicht aussteigt, sondern schnell mit irgendeinem anderen Zug weiterfährt. Und um mal wieder OnTopic zu kommen, zum Hauptbahnhof war ja auch schon länger eine Straßenbahn geplant aus der noch immer nichts geworden ist.


    http://de.wikipedia.org/wiki/S…e_f.C3.BCr_Neubaustrecken
    "Bis voraussichtlich 2011 wird die Straßenbahnstrecke durch die Invalidenstraße zum Hauptbahnhof eröffnet. Ursprünglich sollte die Straßenbahn bis 2006 in Betrieb gehen, aber aufgrund von Planungsfehlern wurde der Beginn der Bauarbeiten verschoben, um die Pläne zu überarbeiten. [...] Die neuen Planungen führten in etwa zum selben Ergebnis, allerdings soll das Bundesministerium für Verkehr auf etwa 50 Meter Länge einen zwei Meter breiten Streifen des Gartens an das Land Berlin abtreten, damit genug Platz für alle Verkehrsteilnehmer ist."


    Wieder ein bisschen Grün vernichted, damit der ganze Verkehr grad man so hinpasst. Ironischerweise muss ausgerechnet das Bundesministerium für Verkehr :D auf einen Teil seines Garten verzichten, damit frühestens fünf Jahre nach der Eröffnung des Hauptbahnhof die erste Straßenbahn an selbigem halten kann. Mit sozialistischer Planerfüllung und 5-Jahr-Plänen hat das alles wirklich nur bedingt zu tun. :D

  • Den Provinzler erkennt man am ehesten daran, das er mit Klauen und Zähnen seinen Heimatort verteidigt, gerne auch, ohne angegriffen worden zu sein. Großstädter neigen eher zur Gelassenheit.:lach:


    Sehr wahr! In dieser Beziehung ist Hamburg noch weit davon entfernt, eine Großstadt zu sein.

  • Was genau heisst denn "die Musik spielt woanders" ? Deutschland ist die 4. groesste Wirtschaftkraft der Welt, und der Weltgroesste Exporteur.

    Ich sag mal, im DAX ist eine SAP so ziemlich das einzige Unternehmen, dessen Geschäftsmodell nicht auf einer Basistechnologie beruht, die über 100 Jahre alt ist. Die Deutschen verdienen noch ganz gut an ihren alten Industrien. Aber für die Zukunft ist ein neues iPhone, was Wachstum und Wertschöpfung betrifft, wohl bedeutsamer als die x-te verbesserte Einspritzpumpe an einem VW-Motor. Aber das ist nur meine persönliche Sicht von, "da wo die Musik spielt". Ein Hamburger mag den Containerumschlag viel wichtiger finden.


    Armes Silicon Valley, der Port of San Francisco hat das Containerzeitalter nicht überlebt und der Port of Oakland ist nur der "fourth busiest container port" in den USA. Keine Chance auf Weltstadtstatus. Microprozessoren haben einfach kein großes Volumen.

  • Habe jetzt gerade keine Zeit hier einzugreifen. Aberum das Thema Straßenbahnen scheint es ja nict mehr zu gehen.


    PS: Zur Gelassenheit
    Den Stein des Anstoßes in Post 310 hat dann wohl auch ein "Provinzler" gegeben? Das Micro auf den Teilsatz anspringt, war allerdings klar.;)

  • Das war jetzt aber gemein...


    Hoffentlich wird hier bald zum Thema zurückgekehrt. Hamburg hat in diesem Thread nichts verloren.

  • Immer diese Wer-hat-den-Längsten-Diskussionen im DAF...:cool:


    In der A-Kategorie der europäischen Weltstädte würde ich nur Rom, Moskau, London und Paris zählen. In die B-Kategorie, Großstadt mit Potential zur Weltstadt, würde dann Berlin auftauchen, neben Wien, Brüssel und Madrid vielleicht. In die C-Kategorie, dann schon nix mehr mit Welt..., käme Hamburg und München, gleichauf mit Prag, Amsterdam, Budapest, Mailand. Spinnen wir weiter: D-Kategorie: Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Zürich, Stockholm, Kopenhagen, Oslo. E-Kategorie in D: Bremen, Dresden, Hannover, Stuttgart, Leipzig, Dortmund, Essen, Nürnberg...


    Aber um auch mal was zum Thema beizutragen, Straßenbahnen gehören zum Großstadtfeeling schon dazu. Und Berlin hat den besten ÖNV, den ich kenne.

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    Das Zitat wurde gelöscht. Bitte künftig auf die Boardregeln (6. Absatz 7) bezüglich Zitate (Quote-Funktion) achten und nur dann zitieren, wenn es wirklich nötig ist. Vielen Dank. :nono2:


    Von Weltstädten hab ich aber nicht angefangen. Das war Post #313. Ich hab nur gesagt, wer Straßenbahnen bzw. deren Oberleitungen aus ästhetischen Gründen ablehnt, ist ein Pro... , halt jemand der nicht damit klar kommt, wenn's mal ein wenig urbaner zugeht. Warum zensierst du das Wort eigentlich, wenn ich es verwende und benutzt es dann selber? :confused:


    Für mich war ja das hier der Stein des Anstosses:

    ... dass die Oberleitungen der Straßenbahn das Stadtbild verschandeln, das regt mich hier in Ostberlin immer wieder auf. ...

    Ob das Stadtbild von Ostberlin verschandelt ist, darüber kann man ja nochmal reden, aber es liegt ganz sicher nicht an den Oberleitungen der Straßenbahnen.

  • Straßenbahnen gehören schon dazu. Gerade in dichter besiedelten Stadtteilen sind sie ja ideal zur Erschließung geeignet, da kanns dann ruhig auch etwas umwegiger zugehen solange genügend Umstiegsmöglichkeiten zur U-Bahn bestehen. Die Oberleitungen lassen sich ja auch recht dezent anlegen, beziehungsweise sogar ganz verschwinden: irgendwo in Frankreich gibts doch eine Straßenbahn, die in der Innenstadt ihren Strom aus einer dritten Schiene bezieht, Oberleitungen gibts nur in den Außenbezirken.
    Weil hier auch die Stadtautobahn angesprochen wurde: ich möchte nicht wissen was in Berlin ohne die A100 los wäre, mit fast 200000Kfz am Tag zwischen Funkturm und Kudamm immerhin Deutschlands stärkstbefahrene Autobahn...

  • Weil hier auch die Stadtautobahn angesprochen wurde: ich möchte nicht wissen was in Berlin ohne die A100 los wäre, mit fast 200000Kfz am Tag zwischen Funkturm und Kudamm immerhin Deutschlands stärkstbefahrene Autobahn...

    Was einmal gebaut ist, wird natürlich auch genutzt, aber die ein oder andere breitere Durchfahrtsstraße deren rechte Spuren nicht zugeparkt werden darf, dazu eben der Ausbau anstatt der Abriss des Westberliner Straßenbahnnetzes und die Sache sähe heute schon ganz anders aus.


    Wer den ÖPNV abbaut und den Individualverkehr fördert, der bekommt eben auch die Fahrzeugmassen, die eine Stadtautobahn notwendig machen. Vom Platzverbrauch ist eine Straßenbahn allemal ökonomischer als dieselbe Menge PKWs in denen ja eh meist nur einer alleine drinsitzt.

  • Kann mir jemand erklären, warum Berlin ein kleineres U-Bahnnetz als Madrid hat? Und in Madrid trotzd der hohen Kosten immer noch neue Kilometer dazukommen? In Berlin weiß ich ja, daß es teuer wegen des Grundwassers ist. Aber gibts da keine günstigen Möglichkeiten?

  • Madrid kriegt doch noch ohne Ende Geld von der EU, ähnlich rasant wie das U-Bahn-Netz wächst ja auch das Autobahnnetz dort.


    Guderian: glaube aber nicht, dass sich auf das Auto großartig verzichten lässt. Auch in Großstädten wird der IV weiterhin einen sehr großen Anteil haben ganz gleich wie gut der ÖPNV auch ausgebaut ist. Sobald man seinen Wocheneinkauf zu transportieren hat, Start/Ziel in einem weniger gut erschlossenen Gebiet liegt, ... kommt man um das Auto nicht herum. Von Lieferverkehr etc ganz zu schweigen.
    Und Berlin hat ja nun wirklich einen hervorragenden ÖPNV zudem auch noch vergleichsweise humane Preise. Die A100 wäre auf keinen Fall verzichtbar. Und wenn man mal den Flächenverbrauch einer Autobahn/Hauptdurchfahrtsstraße (eine 6spurige Autobahn kommt auf 33Meter Kronenbreite in bebautem Gebiet, hinzu kommen noch die planfreien Knotenpunkte) zu den Verkehrsbelastungen ins Verhältnis setzt, kann man wirklich sogar froh sein, dass diese Autobahn existiert.

  • Kann mir jemand erklären, warum Berlin ein kleineres U-Bahnnetz als Madrid hat?


    Auch weil Berlin ein S-Bahn System hat das im mit und im Ring, was Frequenz und Haltestellenabstand angeht, de facto Metrocharacter hat.

  • ^ Sehe ich ganz genau so! (Edit: zu Rohne #337)


    Dazu kommt, die West-Berliner Stadtautobahn befindet sich innerhalb der dichten Siedlungsgebiete beinahe ausnahmslos auf altem, ehedem obsolet gewordenen Bahnland. Diese Trassen sind, ohne immense Kosten zu verschlingen, eh kaum anderweitig nutzbar. Nun mögen einige einwenden, dann sollen dort eben wieder Bahnen fahren. Dabei übersieht man aber leicht Folgendes:


    Zum einen besitzt auch der schienengebundene Personenverkehr keine positive ökologische Bilanz. Die derzeit höhere Energieeffizienz geht einher mit zusätzlicher Infrastruktur, die - sofern man wollte - auch dem Individualverkehr zugute kommen lassen könnte (Stichwort: E-Autos). Die Energiebilanz während der Fahrzeugherstellung, die einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Gesamtaufwendung besitzt (und die Forderungen der Politik nach neuen, emissionsarmen Fahrzeugen in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen!) spricht sogar eindeutig gegen Bahnwaggons aus Aluminium etc.


    Zum anderen hat der ÖP(N)V heutiger Prägung überhaupt nicht die Möglichkeit, die notwendigen Kapazitäten, die beim Wegfall des Individualverkehrs schlagartig benötigt würden, bereitzustellen. Vor hundert Jahren mag das noch funktioniert haben. Da war geringere Mobilität von Nöten, die Arbeitsstätten lagen näher am Wohnort, die notwendige Infrastruktur konnte dank billiger Arbeitskraft und wegen geringerer bürokratischer und juristischer Hürden schnell und unkompliziert den jeweiligen Erfordernissen angepasst werden und das Sicherheitsbedürfnis war weniger stark ausgeprägt. Vor 80 Jahren gab es teils Zugfolgen im 20-Sekunden-Takt. Heute sind wir schon bei Minimum drei Minuten. Der Güterverkehr ist hier noch garnicht berücksichtigt.


    Also mit anderen Worten: wir benötigten zur Vollversorgung mit dem ÖPNV Verkehrsräume, bei denen selbst dem letzten Anarcho die Kinnlade runterfiele.


    Noch nicht eingerechnet ist auch hier der Umstand, dass die effizientesten Strecken bereits heute sehr gut per ÖP(N)V erschlossen sind. Beinahe alles, was zusätzlich erschlossen werden müsste, wär demnach ineffizienter zu bewirtschaften. Das beinhaltet automatisch eine schlechtere ökologische Bilanz! Schon heute gibt es Bus- und Bahnstrecken, deren Verbrauchsäquivalent verglichen mit dem eines durchschnittlich besetzten Autos wenig rosig aussehen.


    Und die Lärmemissionen, die bei hohen Zugfolgen entstehen oder die wartende Busse verursachen (ich kann als Anwohner einer Endhaltestelle ein Lied davon singen), sind wesentlch ohrenbetäubender als die, die eine PKW-Lawine zu erzeugen imstande ist.


    Dazu kommt, wir müssen neben den Bahn- und Busstrassen weiterhin für den Unterhalt von Straßen aufkommen. Einmal, weil sie bei Wegfall des motorisierten Individualverkehrs für Fahrradfahrer und Fussgänger benötigt würden, dann, weil der Güternahverkehr ohne Wiedereinführung des Pferdefuhrwerks oder der Sklaverei (und selbst dann) kaum anders zu bewältigen sein wird und schließlich, weil motorisierte Einsatzkräfte auch weiterhin von ihnen befahren können werden müsssen.


    Volkswirtschaftliche Belange lasse ich mal aussen vor, obwohl man darüber alleine schon romanähnliche Abhandlungen verfassen könnte.


    Wer also den motorisierten Individualverkehr und seine Infrastruktur - über dessen/deren konkrete Ausformung für die Zukunft man durchaus debattieren kann - generell verteufelt, setzt sich dem Verdacht aus, entweder Handlanger politischer Minderheiten und deren radikaler Interessen zu sein, oder er ist nur kurzsichtig.



    Konkret zu Straßenbahn: Berlin mag "hipp" sein und Straßenbahnen fahren in Berlin. Deswegen sind Straßenbahnen aber noch lange nicht "hipp".


    Der momentan entscheidendste Vorteil gegenüber anderen Verkehrsträgern ist die zentrale und somit effiziente Energieversorgung bei - im Verhältnis zu U- und S-Bahnen wesentlich günstigeren Streckenkosten. Nachteile sind die Unflexibilität gegenüber Bussen und Individuallösungen sowie die Tatsache, dass heutige Trassenneubauten den Verkehrsraum gerne vom Individualverkehr abzweigen und somit dessen ökologische Bilanz streckenspezifisch permanent verschlechtern - wogegen die Straßenbahntrasse nur so lange genutzt wird, wie es sich für den Betreiber rechnet. Von weltfremden Ideologen wird das natürlich klammheimlich als Vorteil verbucht.


    Das Argument pro Straßenbahn, die eigene Trassenführung sei unempfindlicher und Busse würden nur im Stau stehen, ist an den Haaren herbeigezogen. Auch für Letztere böten sich separate Trassen und Vorrangschaltungen an. Mancherorts wird das auch schließlich so gehandhabt.


    Es bleibt der Vorteil der zentralen Energieeinspeisung und damit der besseren Filtermöglichkeit von Emissionen. Aber auch dieser wird schrumpfen, je stärker alternative Antriebskonzepte den Individualverkehr wandeln werden. Und das ist absehbar.

  • Die Preise sind zwar in DM aber ich zitier die Quelle trotzdem mal:
    http://www.bund-berlin.de/index.php?id=122&type=10
    "Bei der Kanzlerlinie kostet ein Kilometer 350 Mio. DM, wohingegen für einen Kilometer Straßenbahnneubaustrecke nur 20 Mio. DM aufzuwenden sind."


    Auch wenn U-Bahnen und Straßenbahnen andere Kapazitäten und Taktraten haben, macht ein Kostenverhältnis von 1 zu 17,5 die Straßenbahn zu einer "hippen" Angelegenheit, nicht nur für Berlin, sondern für alle Städte, die ein bisschen aufs Geld achten müssen. Also eigentlich alle deutschen Städte (außer 10 Minuten Transrapid München :lach:).


    Auch wenn der Madrider U-Bahnbau nicht direkt von der EU subventioniert wird, fliesst doch schon genug Geld nach Spanien. Ich habe mal irgendwo gelesen, das 6 von 10 (oder waren es 4 von 10 ?) km des spanischen Autobahnnetzes von der EU finanziert wurden. Das Madrid sowieso (ohne DDR und ohne Mauer) mehr finanzielle Ressourcen hat als Berlin, um in den Ausbau eines teuren U-Bahnnetz zu investieren, sollte klar sein.


    Ich habe auch niemals sagen wollen, das man auf den Individualverkehr in irgendeiner Weise verzichten könnte, nur, dass ohne den Abriss des Straßenbahnnetzes, heute weniger (vielleicht auch nur ein kleines bisschen weniger) Individualverkehr nötig wäre. Die Umwelt- und Energiebilanz einzelner Verkehrsträger interessiert mich eigentlich überhaupt nicht, bin ja kein Grüner. Ökologisch korrekt ist doch eh nur, wer zu Fuss geht, schon ein Fahrrad (wenn es denn aus Aluminium gefertigt ist) schädigt die Umwelt, wegen des Energieverbrauchs bei seiner Herrstellung.


    Mir geht es eigentlich nur um den Platzverbrauch, als die zu optimierende Ressource. Ohne Zahlen zu kennen, vermute ich, das eine Straßenbahn weniger kostbaren innerstädtischen Platz wegnimmt, als wenn dasselbe Verkehrsaufkommen mit PKWs und Bussen bewältigt werden müsste. Allein die ganzen Parkplätze, die jeder einzelne PKW benötigt, können eine Stadt ruinieren. Und ich meine eben nicht ästhetisch ruinieren, wie die unschönen Oberleitungen, sondern praktisch als platzfressende Auswüchse der mobilen Gesellschaft. Oberleitungen sind ein kleines nur Centimeter dünnes Übel. Jede Fahrbahn ist hingegen ein drei Meter breites Hinderniss und eine (manchmal tödliche) Barriere für Fussgänger.


    Zum Lärm, ich habe 30-40 Meter vor meinem Fenster eine Straßenbahnhaltestelle, die höre ich so gut wie nie und wenn dann nur sehr leise. 10 Meter vor meinem Fenster habe ich eine Wohngebietsstraße, deren Krach ist stark abhängig von zusätzlichen Bedingungen, ob es geregnet hat oder nicht, ob sich die Autofahrer an Schrittgeschwindigkeit halten oder nicht. Und ein- zweimal im Monat kommt ein Motorrad fahrer mit einem getunten Auspuff vorbei, der ist lauter als jeder Düsenjet.


    P.S.: AeG: Die Zahl der Elektroautos im heutigen Straßenverkehr dürfte ja wohl auch zu vernachlässigen sein. Um den Autoverkehr zu elektrifizieren, bedarf es wohl auch weit größerer Summen, als die paar Millionen, die in der elektrischen Straßenbahn stecken. Von der Energieeffizienz (die mir persönlich Schnuppe ist) wird auch künftig kein E-Auto mit einem E-Werk mithalten können.

  • Die Energiebilanz während der Fahrzeugherstellung, die einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Gesamtaufwendung besitzt (und die Forderungen der Politik nach neuen, emissionsarmen Fahrzeugen in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen!) spricht sogar eindeutig gegen Bahnwaggons aus Aluminium etc.


    Mit Verlaub, das ist Quatsch, die Fahrgastkilometer die ein S-Bahnwagen pro Tonne über die Jahrzehnte erwirtschaftet schafft kein Auto dieser Welt, allein schon weil diese oft nur wenige h am Tag fahren und im Schnitt nur 8 Jahre alt werden.


    Gerade bei ÖP-Nahverkehrsmitteln ist der Ernergiemehraufwand von Aluminium gegenüber Stahl vernachlässigbar, abgesehen davon dass sich Stahl auch nicht von allein schmilzt, bei 12h+ Einsatz über mehrere Jahrzehnte wird das locker wieder rausgefahren, die kürzere Lebensdauer ist ein indirekter Faktor, aber da spielen andere Faktoren als das Wagenkastenmaterial eine grössere Rolle.


    Wenn man den Verkehrsweg einbezieht wird die Sache interessanter, dennoch sind auf einer gut ausgelasteten Bahnstrecke Fahrgastzahlen möglich an die keine vergleichbar grosse Strasse rannkommt.

  • Mit Verlaub, das ist Quatsch. Richtig ist, dass das Durchschnittalter des PkW-Bestands rund acht Jahre beträgt. Du meinst aber das Alter, mit dem PkW durchschnittlich aus der deutschen Zulassungsstatistik ausscheiden. Und das beträgt zwölf Jahre, mit steigender Tendenz übrigens. Nicht berücksichtigt natürlich, wenn die Autos danach noch ein zweites Leben im Ausland beginnen, irgendwo in Afrika etwa.

  • Natürlich macht die Herstellung der Wagenkästen nur einen Teil aller anfallenden Kosten bzw. der aufzuwendenen Energie aus. Der deutliche Unterschied zwischen z. B. Stahl und Eisen in der Herstellung begründet sich aber dennoch nicht (EDIT, sorry, entscheidendes Wort vergessen) einfach auf andere Schmelztemperaturen. Er ist zudem signifikant.


    Und selbstverständlich legt ein Waggon gegenüber einem Automobil ein vielfaches an Strecke zurück. Aber in der Zeit, in der er fährt, nutzt er sich auch ab. Beim 22 Stunden stehenden Auto ist das nur sehr begrenzt der Fall. Zudem, durch die ständige Einsatzbereitschaft und die unvermeidlichen Leerfahrten auf schlecht ausgelasteten Strecken (die, wie angerissen, mit zunehmender Vernetzung anteilig steigen, da derzeit vor allem die effektivsten Strecken bedient werden), die überproportional benötigten Reservekapazitäten etc. verringern sich die Vorteile weiter.

    Anders: Ich benötige aktuell mit dem ÖPNV vom Büro nach hause ca. 65 Minuten. Mit dem Auto sind es 18! Das, obwohl beide Anlaufpunkte nicht weiter als drei Minuten vom jeweiligen Bahnhof entfernt sind. Wenn ich aber zwischen neun und zehn Uhr abends fahre, befindet sich kaum noch ein PKW länger auf paralleler Strecke. Ebenso ist die Bahn relativ leer.

    Was ist effizienter, drei Leute in einem zig Tonnen schweren Panzer über Umwege und an tausend Haltepunkten vorbei durch die Stadt zu lotsen, oder sie mit sinnvollen Automobilen selbst Zeit und Weg bestimmen zu lassen?

    Klar, es gibt auch entgegengesetzte Fälle, in denen der ÖPNV effizienter agiert. Aber man kann sich nicht immer nur auf diese berufen, wenn man mal wieder gegen den Individualverkehr polemisieren möchte!



    Dass die schienengbundenen Systeme bei vergleichbarer Kapazität gegenüber dem motorisierten Individualverkehr Trassenflächen sparen, halte ich aus Gründen, die ich schon im vergangenen Beitrag erörtert habe, für ein Märchen. Sicher, in einen Zug oder in eine Straßenbahn passen auf gleicher Verkehrsfläche viel mehr Leute. Aber das war's auch schon. Wenn man Lieschen Müller aus Hohenschöngrünkohl dazu bewegen will, das Auto stehen zu lassen, kann man in Ihr 300-Seelen-Dorf keine Fahrzeuge fahren lassen, die für genau so viele Fahrgäste wie Einwohner gebaut wurden. Und nebenbei muss man den dann notwendigen zusätzlichen Güterverkehr inkauf nehmen, denn der Wochendeinkauf passt kaum auf den Schoß, während Lieschen in der Straßenbahn sitzt.


    Ich bin dafür, dass eine Woche lang alle, die es nicht dringendst benötigen, das Auto stehen lassen und auf Busse und Bahnen umsteigen! Dann wird sich zeigen, wer welchen Belastungen ausgesetzt ist und wie gut die Öffentlichen funktionieren. Anschließende Drohungen gegenüber Herrn Mehdorn bitte ich gering zu ahnden. Steuererhöhungen bitte ich auch schonmal zu entschuldigen. Und dafür, dass dann weder BAFÖG, noch HartzIV oder die Renten alsbald angehoben werden können, sind dann mit Sicherheit nicht die Autofahrer verantwortlich.

    Ach ja, das Klima wird sich in der einen Woche sicher nicht erhohlen, Deutschland von dieser Woche aber auch nicht!