Mahn- und Denkmale in Berlin

  • Zitat von der benutzer

    Ich meine, richtige Mahnmäler müssen vor Ort sein, die Zeiten von pompösen Denkmälern auf innerstädtischen öffentlichen Plätzen sind vorbei. Die Möglichkeit, dass da der Führerbunker mal in der Nähe war, die reicht nicht.


    Zwei Dinge, die mir dazu im Kopf rumspuken:
    - Wozu noch Mahnmäler vor Ort, wenn der Ort erhalten ist? (ehemalige KZs...) Doppelt gemoppelt hält nicht unbedingt besser...
    - Waren es wirklich nur die von dir gemeinten "Orte", an denen Juden Böses wiederfuhr? Ich denke nicht. In Berlins Mitte fingen immerhin die Schicksale an!

  • Orte zur Verdeutlichung der Gräuel gegenüber Juden und Anderen gibt es reichlich. Und sie gehören für ein Verständnis der Gräuel an sich ins Gedenkstättenrepertoir. Gehen wir mal Gräuel gucken!Das Grauen kann geschockt angesehen werden, wie in einem Museum. Und was dann? Lähmung? Nur geschockt sein?


    Die neue Wache dient doch als nationale Gedenkstätte eher staatlichen Presentationszwecken der staatlich offiziellen Haltung gegenüber Krieg und Gewaltherrschaft. Und dafür halte ich die neue Wache für einen angemessenen Ort.


    Aber hat Deutschland einen Ort, an dem mit offiziellem Charakter, an möglichst zentralem Ort, jeder einzelne Mensch (in aller erster Linie wir, aber auch jeder andere) dazu angehalten wird, sich persönlich mit dem Thema menschenverachtenden Verhalten auseinander zu setzen? Denn in uns steckt die Wurzel des potentiellen Übels, welches damals geschehen ist. Ich persönlich halte es als Angehöriger einer damals verfolgten Gruppe sozusagen mit dem Spruch, wehret den Anfängen! Und erlebe im Kleinen mitunter heute noch die Ablehnung und Ausgrenzung die durch Dummheit oder Ignoranz auch dafür gesorgt hat, das das damals geschehen konnte!


    Das Mahnmal könnte genau dieser Ort in meinen Augen sein. Ob es das ist, muss sich zeigen. Einiges spricht aber doch dafür, oder?


    - die offene Struktur, in die man gewollt oder vielmehr zufällig hineingehen kann
    - die Ausdehnung, damit man sich in die Situation einfinden kann. Besonders wenn man als gestresster Touri mit dem Eis in der Hand an sich nur mal eben durchlaufen wollte.
    - das unaufdringliche versteckte Infocenter, auf das eher gestoßen werden muss. Bitte keine Schilder, die einem veraten, was man hier erleben kann. Man sollte in erster Linie den Opfern gedenken UND sich selbst (be-) denken.
    - die zentrale Lage und der Feldcharakter, von dem aus immer auch das Jetzt zu sehen bleibt, gibt eher die Möglichkeit, im Gedenken nicht stecken zu bleiben, sondern verändert aus diesen Feld heraus zu gehen und über sich nachzudenken. Mit Blick auf das Umfeld tröstend, dass es trotzallem auch immer weitergeht.

  • Nach den Bildern des Stern zu urteilen, finde ich das Mahnmal schon ganz gut. Es erinnert mich durch diese Masse und Symmetrie an Stelen (gehöre wohl zu den wenigen, die das Wort kennen) an einen Friedhof und damit einen Ort der Trauer und des Gedenkens. Das Mahnmal liegt zentral, ohne aber penetrant zu wirken (also direkt vorm Reichstag wäre mir einfach zu penetrant). Jetzt sollte aber die Mahnmalsdiskussion ein Ende haben und keine weiteren Mahnmale gebaut werden. Es gibt einfach schon genug davon, auch wenn die meistens eher abseits liegen.
    Letztens gab es übrigens eine Reportage über die Mahnmalsdebatte der letzten Jahre. Worüber sich in dieser Debatte aufgeregt wurde, war mir unbegreiflich. Da wurde in der von Thierse geleiteten Kommission ernsthaft diskutiert, ob Thierses Verhalten bei einer Baustellenbesichtigung (Er stieg auf eine Stele, um die Baustelle zu überblicken) akzeptabel oder eine Beleidigung der Holocaust-Opfer war, ob Degussa den Auftrag für den Graffitischutzlack bekommen darf usw. Da dachte ich mir, die leben immer noch in einer anderen Welt, und zwar in einer, die voller Verbitterung ist, die ich wohl nie begreifen werde.

  • Zitat von stativision

    Zwei Dinge, die mir dazu im Kopf rumspuken:
    - Wozu noch Mahnmäler vor Ort, wenn der Ort erhalten ist? (ehemalige KZs...) Doppelt gemoppelt hält nicht unbedingt besser...
    - Waren es wirklich nur die von dir gemeinten "Orte", an denen Juden Böses wiederfuhr? Ich denke nicht. In Berlins Mitte fingen immerhin die Schicksale an!


    Nun, ein KZ ist ein Mahnmal bzw. Gedenkstätte in sich.
    Einige Gedenksteine,-tafeln usw. tun ihr übriges. Man muss da auch nicht separieren nach Juden/Sinti usw.
    Orte mit Symbolkraft sind das.
    Man sollte eher nach Mauthausen oder Auschwitz mal fahren, als das Kasperle-Theater mit den Stelen zu besuchen. Wie das dann wirken wird, ist auch noch die Frage. Natürlich, jetzt fühlt jeder die Beklemmung usw.. aber eigentlich sieht es doch nach einem Irrgarten aus. Es muss nur mal jemand aussprechen.
    Ganz unglücklich ist Berlin über die Größe des Mals, die Bedeutung als Touri-Attraktion sicher auch nicht.

  • Zitat von ir.Glas

    Habe "gut" eingetragen, finde es allerdings mindestens "sehr gut"


    Es gab nur maximal vier Optionen zum Eintragen ;)

  • Zitat von der benutzer


    Man sollte eher nach Mauthausen oder Auschwitz mal fahren, als das Kasperle-Theater mit den Stelen zu besuchen.


    Wie oft fährst Du denn im Jahr dorthin?
    Nein, es gab keinen geeigneteren Standort als in der Mitte der Hauptstadt, zwischen Brandenburger Tor, Reichstags(-gebäude!) und Potsdamer Platz, zwischen bewegter Vergangenheit und Neuanfang nach der Wiedervereinigung.
    Es symbolisiert für mich die Ernsthaftigkeit der Deutschen, Geschichte nicht zu verharmlosen, abzutun und keinen Schlussstrich zu ziehen. Diesem Mahnmal den Charakter eines Touri-Werbegags zu Gunsten klammer Finanzen in der Hauptstadt zuzuschreiben, ist imo etwas daneben gegriffen. Einen willkommenen Nebeneffekt gibt es sicherlich, aber einen Ersatz für die Love-Parade wird das Holocaust-Mahnmal nicht darstellen, sondern etwas ganz anderes: Eine Willenserklärung an die Welt und an das jüdische Volk: Deutschland hat aus seinen Fehlern gelernt.

  • Jetzt sollte aber die Mahnmalsdiskussion ein Ende haben und keine weiteren Mahnmale gebaut werden. Es gibt einfach schon genug davon, auch wenn die meistens eher abseits liegen.


    Es gibt auf dem Weg vom "Platz des 18. Mai" (blöder Name!) zum Reichstag noch ein Schild, dass dort ein Mahn-/Denkmahl für die Sinti&Roma entstehen soll...Wann und was genau da entstehen soll weiß ich aber nicht.

  • Zitat von Wagahai

    Wie oft fährst Du denn im Jahr dorthin?
    Nein, es gab keinen geeigneteren Standort als in der Mitte der Hauptstadt, zwischen Brandenburger Tor, Reichstags(-gebäude!) und Potsdamer Platz, zwischen bewegter Vergangenheit und Neuanfang nach der Wiedervereinigung.
    Es symbolisiert für mich die Ernsthaftigkeit der Deutschen, Geschichte nicht zu verharmlosen, abzutun und keinen Schlussstrich zu ziehen. Diesem Mahnmal den Charakter eines Touri-Werbegags zu Gunsten klammer Finanzen in der Hauptstadt zuzuschreiben, ist imo etwas daneben gegriffen. Einen willkommenen Nebeneffekt gibt es sicherlich, aber einen Ersatz für die Love-Parade wird das Holocaust-Mahnmal nicht darstellen, sondern etwas ganz anderes: Eine Willenserklärung an die Welt und an das jüdische Volk: Deutschland hat aus seinen Fehlern gelernt.



    :daumen:

  • Mich erinnert es an einen Schützengraben und die engen Gänge in den deutschen Westwall-Bunkern. Es ist ein passendes Mahnmal für den unbekannten Soldaten.
    Die springenden Kids sind ok. So haben sich bei meinem Besuch in Jad Waschem die israelischen Kids auch benommen. Die haben sich amüsiert wie unsereins in der Geisterbahn.
    Jetzt fehlt nur noch, daß einer eine Belohnung aussetzt um Lea Roshs Backenzahn zu finden.

  • Ich war gestern am/im Mahnmal und es hat mich positiv beeindruckt. Nicht nur das Mahnmal an sich, sondern auch die Reaktionen der Menschen dort.
    Da erst seit gestern das Stelenfeld der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, waren viele Besucher noch etwas unsicher wie sie sich verhalten sollten. Die meisten wußten nicht ob sie überhaupt die Stelen berühren oder sich auf die niedrigeren setzen durften.
    Ich hatte den Eindruck, dass die Betrachter etwas irritiert eine Art Eingang gesucht haben. Es ist ja sehr ungewöhnlich, dass ein Mahnmal sich derart offen gegenüber dem Stadtumfeld gibt.
    Viele Partygänger, die ihre Autos in der Nähe auf den neugebauten Seitenstraßen geparkt hatten, verkürzten ihren Weg zum Club zwischen den Stelen. Sie haben aber auch deutlich Interesse an diesem Ort gezeigt.
    Die Kiddies haben nach anfänglichem Zögern einfach angefangen vertsecken zu spielen.



    Was ist damit sagen will?
    Peter Eisenman wollte gerade das alles mit seiner Architektur bewirken. Das Mahnmal und der Umgang mit dem Gedenken an den Holocaust soll zur einer ungezwungenen Selbstverständlichkeit werden. Man soll diesen Ort nicht nur zu Jahrestagen aufsuchen, sondern ihn als Teil des alltäglichen Lebens betrachten, denn das Verbrechen an das hier erinnert werden soll gehört für die Deutschen zu ihrer Identität und mit diesem Mahnmal zeigen sie dies eindrucksvoll.


    RESPEKT! :daumen:

  • Man soll diesen Ort nicht nur zu Jahrestagen aufsuchen, sondern ihn als Teil des alltäglichen Lebens betrachten, denn das Verbrechen an das hier erinnert werden soll gehört für die Deutschen zu ihrer Identität und mit diesem Mahnmal zeigen sie dies eindrucksvoll.


    Nein. Zu meiner Identität gehört kein Verbrechen! Und ich lasse mir das auch nicht anhängen. :(

  • Nein. Zu meiner Identität gehört kein Verbrechen! Und ich lasse mir das auch nicht anhängen


    Das muß jeder mit sich selbst ausmachen.


    Natürlich sind alle Deutschen, die nach dem Krieg geboren wurden unschuldig und können nicht dafür verantwortlich gemacht werden was die Generation ihrer Eltern oder Großeltern angerichtet hat.

  • Das mit dem Backenzahn ist jetzt endlich auch Geschichte, der kommt zurück an seinen Ursprungsort.


    Ich sehe übrigens das Beinhalten des Verbrechens in meiner Identität als Deutscher nicht als Bürde, sondern als Chance.

  • Die Idee eines Denkmals nur für einen Teil der Opfer des Nationalsozialismus ist genauso unsinnig und pietätlos wie die Beerdigung eines Backzahns.

  • Zitat von stativision

    das Beinhalten des Verbrechens in meiner Identität als Deutscher


    Also glaubst Du an die Erbschuld?

  • Wie definierst du "Erbschuld"?


    Edit:


    Ich sehe das etwas differenzierter und nicht unbedingt so belastend - Erbschuld klingt mir sehr nach Bibel, Kollektivschuld so sehr nach brüokratischem Juristentum...


    Ich will nur sagen, dass ich mir der Verbrechen eines Großteil des deutschen Volkes im dritten Reich besonders bewusst bin - und es somit in meiner Identität - als Deutscher - verankert.

  • Kannst Du erstmal auf meine Frage mit einer Antwort reagieren statt diese mit einer Gegenfrage zu antworten?
    Oder es sein lassen wenn Du nicht antworten möchtest...
    Edit: ich füge hinter dem Wort Erbschuld ( nicht religiöse Erbschuld ) nach einem Komma (,) noch das Wort Kollektivschuld ein...

  • Du bist sehr aggressiv - warum?
    Vor einer Diskussion wüsste ich gerne, wie ein wichtiger Begriff definiert wird.


    Falls das übrigens dein normaler Umgangston ist, wünsche ich meinen Ausschluss vom Forum.