Architektur im Konflikt: Modernismus gegen Klassik

  • Kein Mensch möchte hier verweilen oder einfach durchschlendern.

    Diese Aussage ist nicht korrekt.

    Ich gehe gerne durch die Saalgasse, es gibt also zumindest einen Menschen, der genau das tut. Spannend ist es immer, hier finden meine Augen die unterschiedlichsten Haltepunkte, je nach Wetter, Jahres- und Tageszeiten.


    Meiner Meinung nach sollte sich ein Stadtbild auch dadurch definieren, dass die Entwicklung der Stadt- und Baugeschichte – auch in ihren Brüchen und Widersprüchen – ablesbar wird. Dafür eine überzeugende Lösung zu finden ist sicherlich nicht einfach, zumal in Hinblick darauf, dass es vor allem darum gehen sollte, städtische Räume für Menschen zu schaffen, die den heutigen Gegebenheiten entsprechen. Seit jenen seligen „Klassischen“ Zeiten haben sich die Lebens- und Arbeitsweisen rasant verändert, gar nicht zu reden von den deutlich spürbaren klimatischen Veränderungen. Darauf ausschließlich mit einem Konzept zu antworten, das aus ganz andern historischen Bedingungen stammt und jegliches Neue per se ablehnt, ist dabei sicherlich nicht hilfreich.

  • Es mag manchem sicher nicht schmecken: Ich schätze die postmoderne Zeile sehr, auch wenn sie nicht der Weisheit letzter Schluß sein mag, und schlendere gerne durch die Saalgasse. Denn im Unterschied zu den Siedlungsbauten der 50er, die nicht in diesen Innenstadtbereich gehören, waren die schmalen, endlich mal ausreichend hohen Häuser der erste und gar nicht so schlechte Versuch, wieder etwas Urbanität ins nachkriegsverwüstete Herz der Stadt zu bringen. Kontraste sind Frankfurt. Man sollte sich mal darauf einlassen, sie und die 'neue' Altstadt zusammen zu sehen. Denn beide Projekte gingen zu sehr unterschiedlich denkenden Zeiten doch in die gleiche Richtung: Wiederherstellung von Stadtqualität.

  • Da wären es schon drei Mäxken . 8o
    Ich mag die Saalgasse auch sehr gerne – gerade wegen der verschiedenen Stilmixe der Reinterpretationen.


    Schwarz-Weiß-Denken und diese absoluten Überhöhungen in die eine oder andere Richtung, haben noch nie zu irgendetwas konstruktiven geführt. Eigentlich sollten wir gerade als Frankfurter, die Vorzüge von einer gewissen Durchmischung und Vielfalt architektonischer Stile zu schätzen wissen. Es gibt Stellen, da ist eine Rekonstruktion super (ich liebe z. B. die neue Altstadt), andere Stellen verlangen geradezu nach einer Bebauung die dem historischen und architektonischen Kontext gerecht wird (das wäre meines Erachtens z.B. beim Bethmannhof so) und dann gibt es da auch genügend Orte an denen gerade der Bruch damit die Spannung erzeugt und ein aufregendes, abwechslungsreiches Stadtbild entstehen lässt (hierfür haben wir unzählige Beispiel im kompletten Stadtgebiet).


    Man kann historische Architektur lieben, ohne moderne Stile zu verteufeln oder umgekehrt. Beides kann friedlich koexistieren und sich gegenseitig respektieren und sogar bereichern. Die Mischung machts. Es gibt für mich da keinen ersichtlichen Grund, warum man sich sklavisch für eine der beiden Richtungen entscheiden müsste. Und noch weiniger, um umgehend danach alles Gegensätzliche oder auch nur minimal Abweichende kategorisch abzulehnen.

  • Ich kann den Vorrednern nur zustimmen. Auch ich mag die postmoderne Seite der Saalgasse sehr. Wenn man ihr was vorwerfen kann, dann vielleicht, dass es sich um reine Wohngebäude handelt und so natürlich ein urbaner Faktor fehlt, der es lebendiger machen würde: Läden und Gastro. Dort wurde dann der Fehler wiederholt, der in den 50ern bereits gemacht wurde und dem Bereich Richtung Main oder auch süd-westlich vom Rathauskomplex den Ruf einer verschlafenen Vorstadtidylle eingebracht hat. Und die südliche Seite verhindert natürlich eine Wirkung von attraktivem Stadtraum.

  • Ganz ehrlich – es wirkt fast schon wie eine bewusste Strategie, dass die Visualisierungen von der Straßenseite nicht sofort veröffentlicht wurden. So lässt sich die öffentliche Kritik an der geplanten Entwicklung leichter kontrollieren oder verzögern. Wie ich hier schon mehrfach angedeutet habe, gibt es in Frankfurt – insbesondere innerhalb der Stadtverwaltung und Teilen der Architektenschaft – starke Kräfte, die strikt gegen eine historisch orientierte Gestaltung der Altstadt sind. Das sieht man deutlich, wenn man sich z. B. diesen YouTube-Clip hier anschaut. Diese Hardcore-Modernisten wollen unter keinen Umständen, dass die Altstadt wieder so aussieht wie früher. Auch beim Bau der neuen Altstadt war das sichtbar: Diejenigen, die sich für echte Rekonstruktionen einsetzten, wurden damals zu Kompromissen gezwungen. Viele wissen gar nicht, dass über die Hälfte der neuen Gebäude in der Altstadt modernistische Neubauten sind – und nicht rekonstruiert wurden. Das war kein Zufall, sondern Ergebnis genau dieser Haltung.

  • Das oben ist eine wirklich hübsche Verschwörungstheorie. Viel realistischer ist jedoch, dass den Preisträgern eine Überarbeitung der Saalgassen-Seite aufgegeben wurde, die noch nicht vorliegt. Dafür spricht, dass von offizieller Seite noch nichts zur Ausgang des Wettbewerbs bekannt gemacht wurde.