Gestaltungssatzungen

  • In wieweit kann die Stadt hier Einfluss nehmen?


    Durch Erlass einer entsprechenden Gestaltungssatzung hätte die Stadt sehr weitreichende Einflussmöglichkeiten. Leider sind solche Gestaltungssatzungen seit einigen Jahrzehnten aus der Mode oder werden nachlässig beachtet, siehe Satzung für das Frankfurter Mainufer.

  • Wie in diesem Thread erwähnt, existiert eine Gestaltungssatzung für das Bahnhofsviertel. Bereits seit 27 Jahren. Demnach ist das mit Schiefer gedeckte Mansarddach vorgeschriebene Dachform, sofern die benachbarten Gebäude Mansarddächer haben. Grundsätzlich kommt die Satzung aber nur bei Neu- und Umbauten zur Anwendung (wie auch die viel neuere für das nördliche Mainufer). Die Notdächer kann es also noch in 50 Jahren geben, wenn solange nichts an den Häusern verändert wird.


    Da im Bahnhofsviertel auch bereits ein städtisches Förderprogramm existiert, können sonst wohl allenfalls gute Worte der Stadt an die jeweiligen Eigentümer helfen. Vielleicht unterstützt durch eine nochmals erhöhte Förderung, beschränkt konkret auf Wiederherstellung der historischen Dachlandschaft.

  • Ich muss sagen, ich bin doppelt schockiert, schon allein weil ich von Mäckler besseres erwartet habe... Aber auch wenn durch den Erhalt der Grundstruktur des Vorgängers bestimmte Dinge vorgegeben sind, der Umbau hat sich dennoch an die Richtlinien der Gestaltungssatzung zu halten. Ich habe jedenfalls keine ausdrückliche Differenzierung zwischen Neu- und Umbauten entdecken können.


    Ich war mal so frei, aus der Gestaltungssatzung die relevanten Paragraphen zu kopieren:


    §4 Abs. 3: Dachaufbauten
    a) Dachgauben dürfen max. 2,0 m breit sein und müssen untereinander mindestens einen ihrer Breite entsprechenden Abstand halten. Die Seitenwände von Gauben müssen von Giebeln, Graten und Kehlen mindestens 2,0 m entfernt sein.


    Ziemlich offensichtlich, dass diese Maße nicht eingehalten wurden. Die Gauben sind über zwei Meter breit und höchstens einen Meter auseinander. Abgesehen davon ist ihre Form, soweit erkennbar, absolut ahistorisch und hat mit dem klassischen Verständnis einer Gaube nicht viel gemein. Die zur Straße hingewandten Fenster sollten zumindest eine Einfassung haben.


    §6 Abs. 1: Plastizität, Formenreichtum und Symmetrie der historischen Gebäude sind bei Neu- und Umbauten dieser Gebäude durch entsprechende Fassadengliederung zu berücksichtigen.



    Sehe ich so nicht erfüllt. Auch wenn die Anforderungen sehr vage formuliert sind, so kann ich 7x5 Fenster im Rechteck ohne jede Gliederung nicht unbedingt als im Sinne des Gesetzgebers betrachten.


    §8 Abs. 1: Werbeanlagen müssen sich der Architektur der Bauwerke und dem Orts- und Straßenbild anpassen und insbesondere in Form, Größe, Maßstab, Werkstoff, Farbe und Anbringungsart werkgerecht durchgebildet und klar gestaltet sein. Sie müssen sich insgesamt dem Bauwerk und dem schützenswerten Ensemble unterordnen und dürfen Brandgiebelflächen, tragende Bauglieder oder architektonische Gliederungen nicht in störender Weise verdecken oder überschneiden.



    Man kann argumentieren dass die Aktienkursanzeige keine Werbung sei. Hier muss man aber berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nicht die Werbung an sich als negativ erachtet, sondern ihre Auswirkung auf das Gebäude an dem sie befestigt ist. Von daher muss eine solche Installation, welche dominant an der exponiertesten Stelle des Gebäudes angebracht ist, unter die gleiche Grundregel fallen wie normale Werbung.


    §8 Abs. 5: Kletterschriften und Blinkanlagen sowie grelle Farbgebungen sind unzulässig. Zeitschaltungen werden im Straßenbereich »Am Hauptbahnhof« und in der Düsseldorfer Straße nur ausnahmsweise gestattet. Die Schaltzeit zwischen den Hell- und Dunkelphasen darf 5 Sekunden nicht unterschreiten. Unzulässig sind Leuchtgirlanden, bunte Laternen und Ampeln.


    Ich denke, das sollte eine Börsenkursanzeige recht deutlich ausschließen.


    § 13 Zusätzliche Vorschriften für die »Kaiserstraße« und »Am Hauptbahnhof« (einschließlich Eckfassade)
    Abs. 1: Die abwechslungsreiche Dachgestaltung der historischen Bauten ist durch Dachgauben, aufgesetzte Giebel, bei Eckgebäuden auch durch Turmaufbauten nachzubilden.


    Giebel sind keine vorhanden, die Gauben sind wie oben festgestellt ein schlechter Witz und der Turm ist mit seiner Börsenkursanzeige sicher auch nicht im Sinne des Erfinders. Hier muss auf jeden Fall nachgebessert werden.

  • Nun, was soll ich sagen? Wir sind ein pragmatisches, kleines Städtchen...


    Du hast meiner Meinung nach vollkommen recht - der Umbau verstößt in vielen Punkten gegen die Gestaltungssatzung.


    Doch: Wenn ein nicht-satzungsgemäßer Umbau durch einen Architekten, von dem man erwarten darf, dass das Ergebnis sich sehen lassen kann, witschaftlich sillvoll ist und man daher eine "Ruine" in prominenter Lage loswird, schlagen wir skrupellos zu und weinen nicht für die nächsten 50 Jahre einer vollkommen illusorischen Gründerzeitrekonstruktion nach.


    Durch diesen Pragmatismus wird Frankfurt unter anderem gerade mit dem Palais Quartier beglückt. Wen interessiert eine Satzung (ein Rahmenplan), wenn der Kompromiss ein Gewinn für alle ist?


    Im übrigen fällt mir im Bahnhofsviertel gerade mal ein einziger Umbau ein, der buchstabengetreu dieser Gestaltungssatzung folgt: Das "Kronprinzenpalais", Ecke Münchener/Moselstraße.

  • Es findet sich übrigens bei planAS eine Übersicht über sämtliche Bebauungspläne etc in Frankfurt, darunter auch Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen.


    Zitat von mahlzeit

    Wen interessiert eine Satzung (ein Rahmenplan), wenn der Kompromiss ein Gewinn für alle ist?


    Damit formulierst du genau das Problem in dieser Stadt: "Wen interessiert eine Satzung?" - offensichtlich niemanden. Es gibt zwar so einige, aber eingehalten werden diese kaum (besonderes Negativbeispiel: das Westend).
    Was ich aber im Gegensatz zu dir nicht im Geringsten als positiv einstufen kann, sondern mit aller Kraft verurteile. Denn damit wird der Zweck dieser Satzungen vollkommen konterkariert. Und ob der "Kompromiss" wie du so schön sagst tatsächlich ein Gewinn für alle ist, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.


    Diese Satzungen wurden ja nicht aufgestellt, weil man einfach mal aus Jux und Dollerei eine Satzung aufstellen wollte, sondern um zu verhindern das Altbaubezirke die vor allem in den 70ern extrem zu leiden hatten weiterhin ihr Gesicht verlieren. Sie schützen quasi die Stadt davor noch hässlicher zu werden. Und dazu ist es unerlässlich dass diese Satzungen auch ohne Wenn und Aber eingehalten werden! Hier sehe ich dann aber auch die Stadt und die zuständigen Ämter in der Pflicht endlich mal die Einhaltung dieser Satzungen mit Priorität zu beachten. Ansonsten hätte man sich ihre Aufstellung auch gleich sparen können.
    Dementsprechend muss das Projekt im Bahnhofsviertel an der Stelle des Carlton-Hotels, das ja der Auslöser für diesen Thread hier ist, auf jeden Fall auch noch derart umgeplant werden dass es auch die Satzung einhält. Das betrifft vor allem die Gauben, diesen Werbeturm und die Fassadengliederung inklusive Fenstereinfassungen. Ein Einhalten der Satzung würde das Gebäude dann auch deutlich besser zur Umgebung passen lassen.


    Und mit Verlaub: der Vergleich mit dem PalaisQuartier hinkt gewaltig. Ich persönlich erachte das PalaisQuartier auch als einen deutlichen Gewinn für Frankfurt, aber in Altbauquartieren wie dem Bahnhofsviertel, den Orten wo derlei Gestaltungs-/Erhaltungssatzungen gelten, hat eine derartige Architektur nicht das Geringste verloren.


    Btw, wäre es auch an der Zeit mal für Sachsenhausen-Nord eine Satzung aufzustellen, dann müsste man sich auch nicht mehr über diese unmöglichen Gebäude die zur Zeit in der Nähe des Südbahnhofs errichtet werden aufregen. Derzeit wird von diesem Stadtteil seltsamerweise nur Alt-Sax sowie durch einen Bebauungsplan ein Teil des Malerviertels geschützt.

  • ^ Ich wollte meinen Vergleich anders verstanden wissen:


    - Der Investor "verstößt" gegen den HH Rahmenplan
    - Die Stadt bekommt ein Palais zurück


    Somit eine echte win-win-Situation ("'tschuldigung" für die Wortwahl).


    Und diesen Fall haben wir hier auch: Das Carlton wird niemand wieder errichten und ein Pseudogründerzeitler ist hier wenig sinnvoll, denn die beiden einzigen Gründerzeitfassaden in der Karlstraße rechtfertigen es meiner Meinung nach eben nicht, einen Investor zu knechten. Die Satzung halte ich dennoch für sinnvoll - z.B. Kaiserzwei würde ohne einen entsprechenden Rahmen anders aussehen. Doch auch hier war die Stadt offenbar kompromissbereit: Blech statt Schiefer auf dem Dach, keine Sünde, will ich meinen.

  • Der Neubau hat viel weniger in Bezug zu den Altbauten der Karlsstraße zu stehen als viel mehr zum gesamten Bahnhofsvorplatz, der nun mal nach wie vor durch den Historismus geprägt ist. Dem Investor hier irgendwelche Zugeständnisse zu machen ist absolut nicht angebracht, denn die Lage des Grundstückes verzeiht einfach keinen gestalterischen Fehler. Jede Missachtung der Umgebung wird an dieser Stelle genau wie beim Vorgängerbau auf Jahrzehnte hinaus negativ auffallen. In jeder Querstraße des Bahnhofsviertels, in jedem anderen Gründerzeitviertel wäre ich froh und dankbar für so einen Umbau. Aber am Bahnhofsplatz, einer der repräsentativsten Adressen der Stadt, hat ein solches Gebäude nichts zu suchen. Die Stadt kann hier nur gewinnen, wenn sie entweder eine Rekonstruktion oder einen wirklich angepassten Neubau bekommt - alles andere wird in der Zukunft genauso unbefriedigend sein wie die gegenwärtige Situation.

  • Fachwerkhaus und Rohne, es ist ja nicht so, dass wir Euch nicht grundsaetzlich Recht geben wuerden. Aber man muss auch sehen was moeglich ist. Wie FAchwerkhaus richtigerweise festgestellt hat, ist die Gestaltungssatzung sehr schwammig. Da steht nichts von Wiederaufbau und dieser waere aus Investorensicht auch nicht schluessig. Allerdings wuerde ich mir auch eine staerkere Auspraegung des Daches und der Gauben wuenschen, aber es geht doch tendenziell schon mal in die Richtung. Auch eine staerkere Fliederung der FAssade ist absolut wuenschenswert. Allerdings kann ich mit dem Turm, anders als Ihr, sehr gut leben. Ich finde die Idee gut. Auch das Banner, dass ja sehr dezent ist (schwarz-weiss) finde ich eine nette Idee.


    Eine viel interessantere Frage waere doch, ob man da nicht auch noch etwas in die Richtung erreichen koennte?

  • Ich nehme an, dass der Begriff der „Nachbarbebauung“ durch die Stadt anders ausgelegt wurde – nämlich auf die Glasfassade gegenüber und die …


    Du interpretierst da einiges falsch. Die Gestaltungssatzung greift nicht weil vielleicht ein direktes Nachbargebäude noch alt ist, sondern die Satzung gilt im gesamten Bahnhofsviertel und das auch völlig zurecht.
    Wie schon häufig genug gesagt: es sind weniger die erhaltenen Gebäude in der Karlstraße wegen derer das Projekt so noch nicht akzeptabel ist sondern weil es sich um ein Gebäude an einem der repräsentativsten Plätze der Stadt handelt. Und das ist sehr wohl ein Grund vom Projektentwickler ein Höchstmaß an Qualität sowie unbedingtes Einhalten der Gestaltungssatzung zu verlangen!