Eckkneipe und Neubau

  • Es ist ein Thema, das mir doch etwas am Herzen liegt: In den heutigen Neubaublöcken findet sich praktisch nie Platz für eine Kneipe, ein Restaurant ist da schon das höchste der Gefühle und auch nur, wenn das Gebäude an einem belebten Platz steht.

    Nun ist Gewerbe im Erdgeschoss ohnehin selten geworden bei Neubauvorhaben, und wenn dann ist es ein Drogerie- oder Supermarkt.


    Aber was war früher anders, dass jedes Viertel mit einer Gaststätte ausgestattet war? Selbst die WHH GT 18/21 kamen noch standardmäßig mit Gastronomie im Erdgeschoss, heutige Bauprojekte sind dagegen meist in Beton gegossene Abstinenz.


    Sind es neue Regularien, die in Wohngebieten keinen Alkoholausschank zulassen?


    Auch wenn diese Lokalitäten freilich nicht ganz unproblematisch sein mögen, so fehlen doch mit ihnen auch soziale Räume, in denen die Bewohner auch einmal in gelöster Atmosphäre zusammenkommen können. Bei großen Neubauprojekten fehlt so etwas heute völlig, in Altbauviertel dagegen praktisch an jeder Ecke.


    Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

  • Ich denke, das hat mehrere Gründe.


    Die typische (Eck)Kneipe ist deshalb auch anderswo am Aussterben, weil sich das „nur“ Trinken, Rauchen und Quatschen, etwas überlebt hat.


    Heute muss es schon eine Musikkneipe, Dartkneipe, Billardkneipe, Spielekneipe oder ein Restaurant sein. Und da diese Einrichtungen meist mit Lärm verbunden ist, wollen das die Investoren in ihren Wohnhäusern natürlich nicht so gerne, weil Beschwerden dann vorprogrammiert sind.


    In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Ausstellung über Berliner Eckkneipen hinweisen, die momentan zu sehen ist:

    Chez Icke - Die Kneipe - ein paralleles Universum

    Die Ausstellung ist in den Räumen der Kommunalen Galerie am Hohenzollerndamm 176 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Die Schau dauert bis zum 28. Mai.


    Es gibt auch einen Tagesspiegel-Artikel dazu und einen kleinen Beitrag auf ARTE.

  • Ein Aspekt dürfte sein, dass während der Industrialisierung um die Jahrhundertwende viele Arbeitskräfte in die Städte strömten und oft keine Zeit/Fertigkeiten zum selbst einkaufen und kochen hatten, bzw. die Wohnverhältnisse nicht immer eine voll ausgestattete Küche hergaben. Viele "Eckkneipen" waren schlichte Versorgungseinrichtungen mit einfacher Küche zu günstigen Preisen - der Besuch einer Gaststätte war also weniger Vergnügen als Notwendigkeit. Vergleichen kann man das evtl. mit der Bistro-Kultur in Paris, wo viele Wohnungen immer noch einfache Zimmer mit Kochnische sind, und man zum Essen eben "ausgeht". Dieser Bedarf ist in deutschen Städten heute wohl nicht mehr vorhanden und die Kneipen bedienen andere Bedürfnisse.