Ausschreibungsverfahren öffentlicher Auftraggeber

  • Ausschreibungsverfahren öffentlicher Auftraggeber

    schaut Euch mal die Vorschriften für EU-weite Ausschreibungen an - und welches der Angebote dann genommen werden muss...
    Da geht es ziemlich automatisch auf das niedrigste Angebot. Das ist leider die Crux, mit der nicht nur die EZB zu kämpfen hat. Und das ist nun auch der Grund, warum der Vertrag aufgehoben wurde. Man verpflichtet sich ja auch, die Leistung sachgerecht nach Angebot zu erbringen.

  • Auch in EU-weiten Ausschreibungen kann man Entscheidungskriterien und deren Gewichte festlegen. Der niedrigste Preis muss nicht das einzige Kriterium sein. Der entsprechenden Rohbauausschreibung mit ihren 7 Losen lagen tatsächlich etwas differenziertere Zuschlagskriterien zugrunde.


    Zitat aus der Ausschreibung 2010/S 70-104101 (bzw. die Bekanntmachung über deren Vergabe):


    Zuschlagskriterien:
    Wirtschaftlich günstigstes Angebot in Bezug auf folgende Kriterien:
    1. Preis. Gewichtung: 70 %.
    2. Qualität. Gewichtung: 25 %.
    3. Vertragsbedingungen. Gewichtung: 5 %.


    Allerdings liegt das Preisgewicht mit 70% äußerst hoch.

  • Verstehe ich das richtig, dass die EZB von sich aus die Gewichtung auf 70% für den Preis festgesetzt hat? Dafür gibt es keine gesetzliche Regelung? Sie hätte also auch den Preis z. B. mit nur 50% gewichten können und die Qualität mit 40 sowie Vertragsbedingungen mit 10%?


    Wenn das so ist, dann sind sie selber schuld, sorry. Jetzt wird's mit Sicherheit teurer, egal ob bei Baresel wegen Nichterfüllung noch was zu holen ist oder nicht.

  • 70% Gewichtung für den Preis halte ich für vergleichsweise niedrig.


    Ich arbeite bei einem Bauunternemen was hauptsächlich Ingenieurbau (also Rohbau, Brücken, Tunnel, Bauen im Bestand, usw.) betreibt.


    Uns kommt kaum eine EU-Ausschreibung auf den Tisch, bei der die Preisgewichtung unter 90% liegt. Dann bleibt also nur 5 bis 10% Gewichtung für Qualität oder Termine.


    Selbst bei sehr komplexen Bauvorhaben wird also fast ausschließlich der Preis gewertet.


    Da sind die 25% für Qualität ja fast unverschämt viel... (Achtung Ironie!)

  • Da es sich bei der EZB um einen öffentlichen Auftraggeber handelt und er in Deutschland baut, muss er sich eigentlich an die VOB/A halten. Mich wundert nur ein bisschen, dass in dem von Epizentrum verlinkten Text "Verhandlungsverfahren mit Aufruf zum Wettbewerb" steht. Üblich sind bei öffentlichen Ausschreibungen (zumindest bei solchen mit Einheitspreisvertrag) "offene Verfahren", d.h. hier geben die Bieter ihr Angebot ab und hinterher darf nichts mehr verhandelt werden, um die Gleichbehandlung der Bieter zu gewährleisten.


    Auch ist es sicher so, dass bei 90 % aller öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland zu 100 % nur der Preis gewertet wird, d.h. der günstigste Bieter erhält den Zuschlag. Und wenn dies so ausgeschrieben ist, MUSS der Bauherr diesem auch den Zuschlag geben (es sei denn, er schließt ihn wegen fehlender Angaben aus oder weist ihm nach, das er nicht richtig kalkuliert hat, sondern Phantasiepreise eingesetzt hat, was aber u.U. sehr schwierig ist). Und er kann noch ein bisschen "spielen", indem er das eine Nebenangebot zulässt und das andere nicht, aber das wars dann auch schon. Qualität spielt in der Regel keine Rolle.

    Und das hat auch einen einfachen Grund: der Preis ist ein einfach zu wertendes Kriterium: niedrigster Euro-Wert = bester Bieter. Bei der Qualität sieht das schon anders aus. Wie bewertet man die? Wie bewertet man die für etwas, was noch gar nicht "produziert" ist? Und wenn der Bauherr dann Kriterien gefunden hat, mit denen er die Qualität beurteilen kann, müssen die so stichhaltig und eindeutig und für jeden nachvollziehbar sein, sonst hat der Bauherr sofort die Klage eines unterlegenene Bieters auf dem Tisch...
    Man kann natürlich mit Präqualifikationen arbeiten und sich Referenzen vorweisen lassen, aber das macht die Sache auch nicht viel einfacher. Deswegen ist es in der Regel bei öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland so: der günstigte Bieter erhält den Auftrag.

  • Bin leider auch kein Fachmann für Vergaberecht, aber in den VOB-konformen Ausschreibungsverfahren die mir bekannt sind, waren im Grunde die einzig relevanten Kriterien Qualität des Angebots( !), d.h. ob die abgefragten Leistungen wirklich in vollem Umfang angeboten werden und ab da der Preis.
    Wenn man versucht anders (differenzierter) zu werten, kann das je nach Volumen sehr aufwendig werden und das Risiko sich eine Vergabebeschwerde einzuhandeln wird höher.


    Und ich kann euch sagen, dass besonders öffentliche Bauherrn dieses Risiko aus nachvollziehbaren Gründen nach Möglichkeit nicht eingehen wollen...


    EDIT:


    Sorry, Queridos Post habe ich anscheinend übersehen, der schreibt ja schon das gleiche...

  • Da es sich bei der EZB um einen öffentlichen Auftraggeber handelt ... (Mod: Zitat gekürzt. Für den gesamten Text das blaue Quadrat anklicken.)


    Deswegen gibt es in der Schweiz ein mmN besseres System: Iirc muß dort das billigste Angebot automatisch ausgeschlossen werden. Was auf den ersten Blick hart klingt, bringt bei weiterführender Überlegung eine Eindämmung des unrealistischen Preisdumpings.

  • schaut Euch einfach nur das Theater mit der Umgestaltung der Zeil an. Niedrigstes Angebot, Unmengen Nachforderungen, peinliche Fehler, und das Tempo - auch für niedrige Geschwindigkeiten gilt der Begriff "Geschwindigkeit". Hätte man da einem anderen Angebot folgen können, wären viele dankbar.


    Ich finde die EZB hat jetzt erstaunlich selbstbewusst und konsequent gehandelt. Architekten und Ingenieure haben auch schon seit einigen Wochen Alarm geschlagen.


    Was das Timetable betrifft, mache ich mir wenig Sorgen. Wenn nicht nachgebessert werden muss, hat man - ab jetzt gerechnet - kaum Verzug.

  • Eure Berichte zum Vergaberecht und der alleinigen Dominanz des Preises sind erschreckend... Da möchte man kein öffentlicher Auftraggeber sein, der sich an solche Regeln halten muss. Auch die Baubranche muss ein hartes Milieu sein - kein Wunder, dass da die Controller das Sagen haben.


    Für die EZB ist das natürlich zu spät, aber für die Zukunft sollte sich die EU das Schweizer Modell einmal genauer ansehen, das jet2sp@ce erläutert hat. Hört sich nach einer interessanten spieltheoretischen Problemlösung an! Ich wünschte, mehr derartige wissenschaftliche Vorgehensweisen würden es in die Praxis schaffen.

  • Hört sich nach einer interessanten spieltheoretischen Problemlösung an! Ich wünschte, mehr derartige wissenschaftliche Vorgehensweisen würden es in die Praxis schaffen.


    Die Schweizer Vorgehensweise ist in der Tat ein bereits seit langem unter der Bezeichnung "Vickrey Auktion" oder "Zweitpreisauktion" bekannter Mechanismus, der nachgewiesenermaßen garantiert, dass die Auktionsteilnehmer ihre Gebote nur nach ihrer "wahren" Zahlungsbereitschaft bei der Verkaufsauktion (bzw. Ertragserwartung bei der Ausschreibung) abgeben. Der genaue wissenschaftliche Begriff für das in der Schweiz verwendete Zweitpreisverfahren ist "Reverse Second Price Sealed Bid Auction". Es wird in der Tat Zeit, dass Erkenntnisse des "Mechanism Design" in die praktische Gestaltung von Wirtschaftsprozessen einfließen.


    Die wissenschaftliche Bezeichnung der Auktion mit den gewichteten Kriterien ist "Multiattributive Auktion". Ich habe mich aber auch schon immer gefragt wie man das Kriterium Qualität in der Praxis messen will... mit Vergangenheitsdaten?

  • Kleine Anmerkung :


    Der Preis spielt letztenendes nur deswegen die Rolle weil es kein Oberbürgermeister oder öffentlicher Amtsmann vertreten kann einen auf dem Papier zwar teueren, aber dennoch in der Schlussrechnung wohl billigeren AN zu beauftragen.
    Auch wenn er Mengenspekulation/Gemeinkostenspekulation etc. nachweisen kann und mit 1-2 Szenarien aufzeigen kann dass der Billigste zwangsläufig einer der teuersten werden muss, so sieht er sich gleich Bestechungsvorwürfen und Vetternwirtschaft ausgesetzt.


    Laut VOB zählt dass wirtschaftlichste Angebot. Demnach müsste gegenüber der ausgeschriebenen Schwarzabdichtung auch der teuere Sondervorschlag "Weiße Wanne" als wirtschaftlicher betrachtet werden ... aber mach dass man der dummen Meute klar dass man mit Mehrausgaben von viell 1/2 Mio für die Weiße Wanne auf 30-40 Jahre Millionen sparen könnte ...


    Desweiteren darf sehr wohl bei öff. Auftraggebern ein Verhandlungsverfahren eingeleitet werden, ist sogar sehr beliebt. Die LV´s wimmeln nur so von Lücke die der AN auzufüllen hat (Hersteller, Subunternehmer etc.), jede nicht ausgefüllte Lücke ist quasi ein formaler Fehler und könnte zum Ausschluss des Gebotes führen. Wenn also alle Gebote (was nicht selten vorkommt) formale Fehler aufweisen, kann der öffentliche AG zum Verhandlungsverfahren einleiten ... nicht selten finden sich dann Auftrags-LV´s die eigentlich immer noch formale Fehler enthalten ... ;)