Plattenbauten in Berlin

  • Plattenbauten in Berlin

    http://www.welt.de/data/2004/05/05/273436.html


  • http://morgenpost.berlin1.de/inhalt/bezirke/story676908.html


  • "Good Bye Lenin" spielte m. E. vorwiegend in der Gegend nördlich des zweiten Bauabschnittes der Karl-Marx-Allee. Die dort befindlichen Bauten sind zwar auch plane Scheiben mit Keramikfassaden, entsprechen jedoch nicht dem Typ P2. Der P2 in der Berliner Ausführung ist äußerlich daran zu erkennen, dass er ausnahmslos einseitig komplett mit einem strengen Balkon-Raster versehen ist. Die innere Erschließung erfolgt über drei Verteilergeschosse (nur dort hält der Fahrstuhl) und innenliegende Treppenhäuser. Das alles ist am im Film gezeigten Ort nicht erkennbar.


    Die Wohnraumgrößen betragen - mit Ausnahme der Atelierwohnungen auf einigen Dächern - zwischen 14 und 19 m². Mithin sind sie, gerade auch verglichen mit Entwürfen aus den Anfängen des sozialen Wohnungsbaus, nun so beklemmend eng auch wieder nicht. Selbst heute entstehen hier und da noch solche Karnickelställe.


    Der P2 aus "Halbe Treppe" ist ein, regional bedingt, ganz anderes Modell, dass mit dem Berliner Typ eigentlich nur noch die Erfinder und die Laststufen der Außen-Elemente gemein hat.


    Dass jeder 17. DDR-Bürger in einem P2 lebt ist auch wenig glaubwürdig. Im heutigen Mecklenburg-Vorpommern kommt er kaum vor, da dort sehr intensiv an eigenen Reihen gearbeitet wurde (einiges davon ist in Berlin-Hellersdorf / Kaulsdorf-Nord zu sehen). Im heutigen Sachsen sind zur Zeit des P2 auch vorrangig Eigenentwicklungen an den Start gegangen. Der erste flächendeckend eingesetzte Typ war der WBS70 in all seinen Spielarten (zu erkennen daran, dass er nur seltenst die bis dahin übliche Keramik-Fassade trug; die Fassaden sind - zumindest einseitig - in der Tiefe leicht gestafelt). Selbst in Berlin taucht der P2 nicht überall auf. Es gibt einige Exemplare an der Grenze zwischen Mitte und Friedrichshain, ein paar in Lichtenberg und einige im Köpenicker Allende-Viertel (sicher habe ich etwas vergessen). In den großen Platten-Gebieten Marzahn (QP, WBS70, W66), Hohenschönhausen (WBS70), Hans-Loch-Viertel/Straße der Befreiung (QP, WBS70, W66), Pankow-Heinersdorf (QP, Q3), am Tierpark (W66, QP) oder Hellersdorf (WBS70 sowie einige Mecklenburger Varianten) taucht er eigentlich garnicht auf.



    So, genug geschlaumeiert :cool:



    Gruss
    AeG

  • darauf war zwar nicht mein augenmerk gerichtet, aber da du davon anfaengst, taet mich eines interessieren. in russland scheint es vor allem zwei typen gegeben zu haben (?) ... inwieweit haben sich die plattis rein technisch in der ddr und sonstigen udssr eigentlich gegenseitig befruchtet?

  • Zitat von trance-x

    darauf war zwar nicht mein augenmerk gerichtet, aber da du davon anfaengst, taet mich eines interessieren. in russland scheint es vor allem zwei typen gegeben zu haben (?) ... inwieweit haben sich die plattis rein technisch in der ddr und sonstigen udssr eigentlich gegenseitig befruchtet?


    unter anderem rektal. aber das führte selten zum erfolg.

  • Zitat von trance-x

    darauf war zwar nicht mein augenmerk gerichtet, aber da du davon anfaengst, taet mich eines interessieren. in russland scheint es vor allem zwei typen gegeben zu haben (?) ... inwieweit haben sich die plattis rein technisch in der ddr und sonstigen udssr eigentlich gegenseitig befruchtet?



    Oops,


    da bin ich ad hoc leider etwas überfragt. Meine Bibliothek ist zwar recht umfasngreich, gerade zum Thema Bauen in der DDR, aber dort, wo es um sowjetische Projekte geht, sind - soweit ich das auf die Schnelle beurteilen kann - kaum Detailinformationen zu finden. Allerdings hatte ich bisher auch nicht den Eindruck, dass dort zwei Primär-Typen das Sagen hatten. Im Gegenteil, insgeheim hatte ich bei meinen damaligen oberflächlichen Betrachtungen eher etwas Neid auf die (scheinbar) sehr differenzierten sowjetischen Typen entwickelt. Mag sein, dass das übliche Bildmaterial vorrangig einzelprojektierte "Prestigeobjekte" zeigt.


    Ich bin 1989 mal von Kleipeda bis nach Astrachan mit dem Zug gefahren, also einmal von Nord nach Süd. Ich bilde mir ein, auch damals eine Menge Verschiedenes, wenn auch nicht unbedingt Hochwertiges, gesehen zu haben.


    Gerade die südlichen ehemaligen Sowjetrepubliken sind ja auch für die starke Verwendung von orientaler Ornamentik an den Bauten der sozialistischen Moderne bekannt - siehe Odessa, Baku, Taschkent, Astrachan etc.


    Sicher war die Planungsleistung der realsozialitischen "Bestimmer" nicht immer zielsicher. Dennoch kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass ein bis zwei General-Typen ausreichen sollten, Standorte in verschiedensten Gegenden mit stark unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, differierenden Bodenverhältnissen, unterschiedlich vorkommenden und/oder regional vertretenen Baumaterialien sowie kulturell bedingten verschiedenen Nutzungsvorstellungen abzudecken.


    Ich werde bei Gelegenheit aus eigenem Interesse mal rechrchieren - soweit möglich.


    Richtig ist auf jeden Fall: damals neu errichtete Wohngebäude in oder bei Kasernenanlagen der Sowjetarmee auf ostdeutschem Boden entsprechen nach meiner Kenntnis grundsätzlich einem einzigen Typ Punkthaus, welches in seinen Einzelelementen offensichtlich in der SU gefertigt und dort wohl auch projektiert wurde. Verifizieren kann man das heute noch, soweit noch nicht "rückgebaut" z. B. in Wünsdorf, in Bad Saarow oder in Fürstenwalde.



    Gruss
    AeG

  • Nachtrag zum zweiten Teil Deiner Frage, trance-x:



    Zu den Einflüssen der durch Chruschtschow ausgelösten Wandlung des sozialistischen Bauwesens hin zur vermeintlichen Moderne gibt es eine Menge Material - auch in meinem Haushalt. Allerdings muss ich das erst mal sichten, bevor ich detaillierte Informationen geben kann.


    Ich würde mir allerdings nicht allzu viele Parallelen (im Sinne von Nachahmung) erwarten. Konstruktiv nehmen sich die "Platten2 auf diesem Planeten wohl selten viel. Entweder ist es Längs- oder (häufiger) Querwandbauweise. Die Fassaden tragen bei Letzterer mal mit, mal nicht. In der ehemaligen Sowjetunion war die bauweise m. e. teils noch stärker industrialisiert. Dort wurden zum Teil fertige "Naßkomplexe" samt Außenhülle am Stück verbaut. In der DDR gab es das eigentlich nur bei wenigen WBS70. Aber auch dort hatte es nicht diese Komplexität erreicht.


    Der Vollständigkeit halber sei noch einmal angemerkt, selbst die vermeintlichen "Zuckerbäcker-Bauten" der ehemaligen Stalinallee in Berlin weisen weit weniger Parallelen zu ihren sowjetischen Pendants auf - sowohl technisch oder konstruktiv, wie auch in ihrer Nutzungsaufteilung oder bei gestalterischen Details - als gemeinhin angenommen.



    Gruss
    AeG

  • aeg ...


    das mit den "zwei typen" in der sowjetunition scheint ohnehin nicht zu stimmen, seh ich gerade. ich bezog das aus einem thread, den ein moskauer commieblockfreak postete - was sich aber bei einem spaeteren dialog doch als unrichtig rausstellte. insofern spraeche das durchaus fuer deine mutmassungen ...


    um den thread gehts: (hier mit berliner wohnungsbau)
    http://skyscrapercity.com/show…php?p=1495362#post1495362


    (relevante stelle)
    http://skyscrapercity.com/show…php?t=60150&page=11&pp=20


    ansonsten kannste ja den ganzen thread anaeugen... jede menge plattis ...


    apropos karl-marx-allee! gibts da eigentlich plaene, die gebaeude ohne ornamentik anzugleichen? (also zwischen alex und den torbauten - oder zwischendrin?

  • Garantiert nicht, trance-x!


    Denn dieses Ensemble ist - ebenso wie der erste Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee - ein wichtiges baugeschichtliches Zeugnis seiner Zeit. Wir nehmen heute im Allgemeinen diesen Bereich nur als eines von vielen Platten-Arealen war. Zur Zeit seiner Entstehung war er jedoch einmalig und repräsentierte eine entscheidende Kehrtwende sozialitischer Architekturen auf deutschem Boden. Nicht umsonst wurde gerade dieser Bereich während seiner Sanierung in den Neunzigern als einer der Wenigen nicht mit zeitgeistiger, bunter Tapete überzogen. Vielmehr wurde der Originalzustand weitestgehend erhalten. Am Beispiel der strikten Vorgaben für den Neubau des Rathauses Mitte an der Stelle, wo früher das Hotel Berolina in gleichen Abmessungen, Proportionen und vergleichbarer blauer Keramik-Fassade stand kann man sehr gut erkennen, welchen hohen Stellenwert diesem Komplex beigemessen wird.


    Immer wieder gab es mal - gerade von (West-)Berliner Architekturstudenten - Versuche, die Straße an dieser Stelle "aufzuwerten". Um den Umgang mit sensiblen Orten zu schulen ist es auf der Ebene eines Studienprojektes oder -wettbewerbes sicher legitim, neue Möglichkeit aufzuzeigen. In der Realität gehe ich jedoch davon aus, dass absehbar keinerlei bahnbrechende Veränderungen an den Gebäuden ausgeführt werden. Allenfalls der durchgehend versiegelte breite Straßenbereich könnte eine Überarbeitung erfahren. Und natürlich hoffe ich auch, dass die derzeit untergenutzten "kulturellen" Pavillons (Café Moskau etc.) endlich auch die Frischzellenkur bekommen, die dem Rest schon lange zuteil wurde.



    Gruss
    AeG

  • der erste bauabschnitt ist doch dies hier, nech? oder ist das der letzte, bei dem es quasi nicht mehr zu ornamentik reichte? es gibt doch aber nach den tuermen "gewoehnliche" plattis, die veraenderbar waeren, weil sie als solche noch anderweitig vorhanden sind? - die pure befindlichkeit innerhalb eines ensembles muss ja kein dogma sein.


    was anderes interessantes, fand ich grad...



    frankfurter strasse 105-107, 1997 .............. und 1904
    http://www.webloc.de/kino/straspic2/grfra105.jpg
    http://www.webloc.de/kino/straspic2/grfra106.jpg

  • Zitat von trance-x

    der erste bauabschnitt ist doch dies hier, nech? oder ist das der letzte [...] es gibt doch aber nach den tuermen "gewoehnliche" plattis [...]



    :confused::confused::confused::confused:



    Was Du dort im Anschluss aufzeigst ist der (offiziell) zweite Abschnitt zwischen Straußberger und Alexanderplatz. Was meinst Du mit "gewoehnliche Plattis"?


    Meinst Du jene, die zwischen den Blöcken B und C ab 1962 die Sporthalle und das Stalindenkmal ersetzten? Die gehören mithin ebenso zum Ensemble des zweiten Abschnittes, auch wenn sie den südlich dahinter gelegenen P2 aus dem Viertel rund um den Ostbahnhof sehr ähnlich sehen. Nicht umsonst wurde auch deren Fassade sehr behutsam saniert. Ich denke, das neu angebrachte anthrazitfarbene Schmuckband im Bereich der obersten Fensterlinie soll dezent zwischen ihnen und den auch im Mezzanin-Bereich variierenden Bauten des ersten Abschnittes vermitteln. Aus meiner Sicht eine gute Lösung.


    Oder meinst Du die Laubenganghäuser auf der Südseite zwischen D und E, die sich heute hinter schnellwachsenden Bäumen verstecken müssen? Da glauben heute die wenigsten, dass diese älter sind als ihre reich geschmückte Umgebung. Die gehören noch zum Kienbaumplan und stehen als Teile des dahinterliegenden Gebietes um die Hildegard-Jadamowitz-Straße ebenso unter besonderem Schutz. Schließlich symbolisieren sie die anfänge des wiederaufbaus - noch vor Gründung der DDR.


    Oder sprichst Du auf die zahlreichen, leicht geschmückten WBS70 Derivate an, die sich im Anschluss an G vor allem südlich entlang der Frankfurter Allee aufreihen? Die sind ja teils bereits saniert. Wie Du sehen kannst, gibt es dort scheinbar keine Satzungen. Warum auch?

    Und wer sind die "Türme" - "Haus Berlin" und "Haus des Kindes", oder die Henselmannschen am Frankfurter Tor?



    Gruss
    AeG

  • mal wieder ein Nachtrag.


    ich weiß, ich bin der Welt größter Schlaumeier aller Zeiten, aber dennoch:



    Wenn die beiden zu Unterst von Dir gezeigten Bilder den gleichen Ort abbilden sollen, dann stimmt irgend etwas nicht. Das im linken Bild gezeigte Haus ist der Block B-Süd von Egon Hartmann kurz vor der Sanierung durch die Firma Munte. In diesem befinden sich die geraden Hausnummern 5x bis 6x (und die Wohnung von Hans Modrow, dem letzen DDR-Oberhaupt!). Die Nummer 78 hingegen befindet sich ganz westlich im Block C-Süd von Richard Paulick. An dieser Stelle bog schon lange die Koppenstraße auf die Magistrale (auf beiden Bildern nicht zu erkennen). Block C-Süd ist u. a. Sitz der Architektenkammer über der Karl-Marx-Buchhandlung. Und zwischen B und C sind ja noch einige, der oben beschriebenen "Plattis" (Luflinie zwischen beiden Orten also ca. 500 Meter).



    Gruss
    AeG

  • so. mir fehlte ein plan. jetzt hab ich einen gefunden! - einen alten bekannten ...


    http://www.kma-berlin.de/allee…rer/allab/abschnittbc.htm


    und so: yep, genau ... das oben war der zweite bauabschnitt, der ja nach den ornamentikgeschichten kam, also neuer ist ...


    das was ich z.b. meine, befindet sich zwischen abschnitt B und C ...


    beispielsweise das hier:


    wenn du mal eben ensembleschutz vergisst, wirst du ja selbst festgestellt haben, dass zwischen straussberger platz und frankfurter tor gewisse bereiche dissonant ins auge stechen. - natuerlich guelt das nicht fuers zeitgeschichtliche auge.


    bei der abwaegung zwischen ensembleschutz und schlichter aesthetik, ist einer der ersten gedanken, die mir kommen, eben zu eruieren, ob es nicht baugeschichtliche beispiele an einer "weniger stoerenden stelle" gibt, die dann eben erhalten werden koennen, so dass die eher "stoerenden bereiche" nachtraeglich aesthetisiert werden koennen. dass es mit fassade abstauben nicht getan ist, sollte ja klar sein ;)


    das gebaeude oben scheint ja eben so eine ornamentikbereinigte low-cost-version zu sein (so war ja auch der geschichtliche verlauf gewesen, nech? es dann preiswerter zu halten?) ... warum sollte man die bereiche also nicht nachtraeglich aufwerten? stell dir einfach vor die ddr haette noch weiter vereinfacht und gar keine fassade gemacht. das kann etwas neues bringen, muss aber nicht. ich sehe keinen anlass unbedingt diese "halbzustaende" erhalten zu muessen. dass ein halbzustand auch einen ganzen darstellt ist klar, aber eben teil der abwaegung. eventuell gaebe es ja hier auch loesungen, die das haus durchaus belassen, aber die umgebung so veraendern, dass es sich genehmer einfuegt. ich bin ja sehr fuer umbrueche, aber dort stoeren sie m.e. eher ...

  • Ich widerum finde diese beiden Blöcke durchaus gelungen. hier kann man auch wunderbar direkt vergleichen. Das sind übrigens Bauten vom Typ QP, der weiter oben schon mal Erwähnung fand. Sicher, eine Sonderprojektierung - egal in welchem Stil - hätte dem Ort besser gestanden. Dennoch finde ich das Zeugnis früher Siebziger Jahre Baukunst auf DDR-Grund an dieser Stelle besser aufgehoben als an den anderen Standorten, wo es noch so zu finden ist.


    Abgesehen davon: willst Du die bestehenden Gebäude etwa retouchieren? Da kommt sicher nichts Gescheites bei rum. Und für Ersatzbauten mit ausgeprägtem handwerlichen Bedarf fehlt garantiert schlicht das Geld - bzw. die erforderliche Renditeerwartung. Hinzu kommt, dass ich das Original-Ensemble nur ungern durch nachträgliche Nachahmungen verwässert sehen würde. Schau Dir aktuelle Projekte in Moskau an, die die "sieben Schwestern" (eigentlich sind's ja nur sechs) nachzuahmen versuchen. Aus meiner Sicht kann das nur nach hinten gehen. Jedweder postmoderne Schnickschnack, der sich den Gegebenheiten und Erfordernissen der industriellen Fertigung sichtbar unterwirft gehört m. e. verboten.



    Gruss
    AeG

  • Ich hab mal eine generelle Frage! Ich hab mal vor Jahren bei einem Bauamt mitgearbeitet! Dort hatte ich öfters mit einem Stadtplaner aus der ehemaligen UdSSr zu tun, der mal Chefstadtplaner einer Stadt mit rund 700.000 Einwohner in der Ost-Ukraine war!
    Mittlerweile hat er dann bei dem Bauamt irgendwelche Garten und Häckseljobs machen müssen, aber das Gehalt sei bei weiten besser gewesen, als in seiner Heimat! Egal,
    zumindest konnte er hervorragend mit der Hand zeichnen, und auch sehr detaillierte Angaben zu den sogenannten Microreons machen!
    Es soll sogar in Rußland einen Witz geben, der aus einem Film stammt, der die Plattenbauentwicklung kritisiert, in der Leute aus Moskau in St. Petersburg Urlaub machen, besoffen ins Taxi steigen, ihre Adresse sagen und in der anderen Stadt in einer gleichaussehenden Strasse landen! Die Pointe sieht dann so aus, dass nur die Frau am nächsten Morgen anders aussieht, als sonst! ;)
    Also nun zur Frage! Wurde der Bautyp des Microreons auch in der DDR verwendet?
    Gab es etwas wie eine standardisierte Stadtbereichsplanung in der DDR?
    Wie sieht es mit Polen und Rumänien aus?
    Danke im voraus!
    Kent


    (Unter einem Microreon versteht man standartisiertes Stadtviertel! Dieser Typus konnte quer über die ganze ehemalige Sowjetunion gefunden werden! Ein Microreon enthielt zudem auch Versorgungseinrichtungen und einen kleineren Stadtplatz!
    Soweit es mich nicht täuscht konnten in so einem Viertel rund 125000 Menschen leben!
    Verschiedene Städte der ehemligen UdssR bestanden aus mehreren Microreons, die aneinandern gehängt wurden!)

  • Was war jetzt gleich die generelle Frage? ;)


    Mircroreon? Leitet sich das von Rajon = Bezirk ab? Falls Du damit hochkomplexe Bauten meinst, die alle erdenklichen Nutzungen enthalten, ohne dass die Bewohner zur Straße raus müssten, soetwas wird nun schon seit Jahrhunderten geplant und ist in Ansätzen auch von Le Corbusier (Habitate), japanischen Metabolisten oder auch innerhalb der "sieben Schwestern" in Moskau angedacht worden. Selbst die Häuser in der Karl-Marx-Allee mit ihren kleinen Läden, die eher für den täglichen Bedarf als für die große Repräsentation vorgesehen waren und die diverse Gemeinschaftsräume aufwiesen, gehören bedingt dazu. Dass sich das gesellschaftliche Leben gerade im Sozialismus weniger in den vier Wänden der Famile, als eher an gesellschaftlichen Orten innerhalb kleiner abgesteckter Territorien abspielen sollte, wird gerne am Beispiel der sich mehrfach verändernden Küchengrößen im DDR-Wohnungsbau erläutert.


    Allgemein war es ein Bestreben vieler Vordenker der klassischen Moderne, die starke Funktionstrennung zwischen Arbeiten und Wohnen in Stadtlandschaften so zu gestalten, dass alle nicht-erwerbsmäßigen Nutzungen möglichst auf engen Inseln zwischen dem Grün stattfinden sollten. Aber wie wir wissen, solche Utopien sind gescheitert. In der Hochhauswohnung im Wald mit angeschlossenem Supermarkt, Jungendklub, Gaststätte und Kino wohnen heute fast ausschließlich Leute, die irgendwie sozial stigmatisiert sind.


    Eine "standartisierte Standtbereichplanung" hat es in der DDR sehr wohl gegeben. Die war natürlich auch Änderungen unterworfen. Anfangs gehörten zu den "Einheiten" vor allem große Kulturhäuser und kleinere Läden, später wurden nach Typenschema sogen. "Wohngebietszentren" errichtet, die häufig aus Klubgaststätte, Dienstleistungseinheit samt Jugendklub und Kaufhalle bestanden. Dazwischen befanden sich vollversiegelte Promenaden, Blumenkübel und in besseren Gebieten auch Brunnen. Ansammlungen solcher "Wiederverwendungsprojekte" (damaliger Sprachgebrauch) kann man bisweilen noch in den größeren DDR-Wohngebieten entdecken. Oft sind sie jedoch bereits durch neuzeitliche Konsumtempel ersetzt worden.


    Über Rumänien besitze ich diesbezüglich keine Angaben. In Polen war der Bau kultureller Zentren innerhalb der Wohngebiete auch sehr verbreitet. Allerdings kam es hier wohl - ähnlich wie in Tschechien - nicht zu einer derart ausgefeilten Typenproduktion. Der Nachteil individueller Projektierungen in der Mangelwirtschaft bestand aber leider darin, dass die Bauqualität und in manchen Fällen auch die Nutzungsvielfalt noch stärker zu leiden hatten.



    Gruss
    AeG

  • Danke AeG!
    Inwieweit orientierte sich diese am russischen Vorbild?


    Soweit ich mich erinnere, wurde auch die DDR Platte nach den verschiedensten Regionen Rußlands exportiert und dort errichtet!


    Kannte man denn den Begriff des Microrajons auch in der DDR?

  • Plattenbauten in Mitte

    Mich würde mal Eure Meinung zu den noch vielen, z. T. in sehr prominenter Lage gelegen Platten(hoch)bauten in und um Mitte interessieren. Ich denke da z. B. an
    - Wohnhochhäuser an der Leipziger Straße & Fischerinsel (ein Graus wenn man auf dem Gendarmenmarkt steht und im Hintergrund "erschlagen" einen diese Relikte aus grauer Vorzeit)
    - Ensemble (ich denke heisst Rathauspassagen) neben dem Roten Rathaus
    - Dem gegenüber das ganze Areal zwischen Alex und Stadtbahn, Ungarnhaus, Haus des Berliner Verlags usw..
    - Plattenwohnhäuser in der Wilhelmstraße, z. B. direkt hinter dem Stelenfeld


    Gibt es Neuigkeiten, ob sich an diesen Gebäuden etwas tut? Wie sieht es denn mit der Eigentumsstruktur aus?


    Ich weiß natürlich auch, Plattenbauten gehören auch zur bewegten Geschichte Berlins. Und z. B. in der Karl-Marx-Allee versprühen sie im Sommer sogar so etwas wie Charme.


    Ansonsten sollte es in Berlin aber möglich sein, im zentralen Bereich auf solche Gebäude gut und gerne verzichten zu können.

  • Vergiss es!


    Alle von Dir genannten Bauten bzw. Ensembles gelten als schützenswert. Das Einzige, was eventuell zur Disposition stehen könnte, wären die Blöcke um die Wilhelmstraße herum.


    Und ich sehe auch keinen ernsthaften Grund dafür, weshalb man sonderprojektierte Bauten, die zu ihrer Zeit allesamt unter großem Aufwand entstanden sind (selbst die grauen Kästen auf der Fischerinsel waren Prototypen), die über sinnvolle Grundrisse verfügen, die aufwändig saniert wurden und die begehrte Wohnungen mit ausgewogener Mieterstruktur enthalten nur deshalb plattmachen sollte, weil sie jemandem aus ästhetischer Sicht gerade mal nicht in den Kram passen!


    Irgendwann werden Deine Kinder und Enkelkinder auch alles Kacke finden, was ihre direkten Vorfahren verzapft haben und ihrerseits auf die Zeugnisse ihrer längst dahin gegangenen Altvorderen schielen. Dazu werden dann auch die von Dir genannten Bauzeugnisse zählen, jede Wette! Wer das nicht glaubt, hat entweder Defizite, was die Kenntnisse der jüngeren Architekturgeschichte und die Entstehung von Trends betrifft oder er hält seinen individuellen Geschmack für unfehlbar und allzeit gültig, ggf. gilt auch beides.


    Gut, wenn es einen dringenden Bedarf zur Wandlung des Stadtraumes an diesen Stellen gäbe, z. B. wirtschaftlich oder durch Bevölkerungswachstum bedingt, dann könnte man den Zeitgeist durchaus über diese ungeliebten Areale stülpen. Dieser Bedarf existiert aber nicht. Wir haben ja schon Probleme, in direkter Nachbarschaft einzelne Ruinen zu verhökern um sie auf Vordermann bringen oder ersetzen zu lassen.


    Wenn überhaupt, dann werden wir maximal noch eine geringfügige Nachverdichtung dieser Gebiete erleben. Dabei ist es am wahrscheinlichsten, dass die Fischerinsel uferseitig mit keinteiliger Bebauung, ähnlich den Townhouses am Friedrichswerder, versehen wird. Aber auch dann werden die grauen Hochhäuser erhalten bleiben. Und irgendwann in den nächsten dreißig Jahren wird vermutlich auch noch die Karl-Marx-Allee, Bauabschnitt II, durch Parzellierung des Straßenlandes verengt werden. Aber auch dabei werden ästhetische Gesichtspunkte lediglich als Alibi für den schnellen Euro dienen, den die Stadt mit dieser Methode erzielen könnte - prall gefüllte Investorenportemonnaies vorausgesetzt!


    Ich würde mir jedenfalls keine all zu großen Hoffnungen machen.

  • Ich bin vollkommen mit Dir d'accord, dass die Geschmäcker verschieden sind, jeder einen anderen Sinn für Ästhetik hat und Vorstellung und Realität nicht immer vereinbar sind. Und natürlich sollte niemals die Meinung eines Einzelnen über für und wider eines gebauten architektonischen Fakts bestimmen.


    Nichtsdestotrotz sollte die Diskussion darüber sich aber mit dem vermeintlichen status quo auseinander setzen können und auch müssen!


    Zu jeder Zeit gab es "gute" und "schlechte" Architektur, Pracht- und Zweckbauten, das Zusammenspiel von "neuer" und "bestehender" Architektur. Der Eiffelturm stand noch gar nicht, da wollte man ihn schon wieder abreißen. Heute ist er eine absolute Ikone. Das heißt, Meinungen und Geschmäcker ändern sich kontinuierlich - und das ist auch gut so!


    Ich plädiere also dafür offen darüber zu diskutieren, wo will die Stadt hin, was will sie erreichen, für was steht sie. Wenn da Plattenbauten im Zentrum dazu gehören, dann soll es wohl so sein. Die Welt geht davon nicht unter. Aber es gäbe bestimmt auch andere denkbare Lösungen. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Ich sage nur Stadtschloß.


    Ansonsten hoffe ich auf weitere Denkanstöße für eine lebhafte Diskussion :lach: