Dresdner Eisenbahngeschichte


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    Der erste Leipziger Bahnhof - Beginn des Eisenbahn-Zeitalters in Dresden.


    Nach etwas längerer Zeit konnte ich mich in den vergangenen Tagen wieder einmal meinen verkehrshistorischen Expeditionen widmen. Da das Feld des Dresdner Stadtverkehrs mittlerweile weitgehend abgegrast ist, wurde der Aktionsradius etwas vergrößert, und ich werde mich in Zukunft ebenfalls ausgewählten Themen zur Geschichte des örtlichen Eisenbahnverkehrs zuwenden, und dabei vor allem solchen Themen, die in der Regel etwas abseits der öffentlichen Wahrnehmung liegen. Erstmals werde ich dabei auch die eigentlichen Stadtgrenzen zum Zwecke einer zusammenhängenden Darstellung verlassen.

  • Die sächsische Semmeringbahn (Teil I)


    Mit der Inbetriebnahme der ersten deutschen Ferneisenbahn zwischen Leipzig und Dresden entwickelte sich die sächsische Haupt- und Residenzstadt sehr früh zu einer Vorreiterin beim Aufbau des Eisenbahnwesens in Deutschland. Der ersten folgten bald weitere Fernstrecken nach Schlesien (ab 1845-47), Böhmen (ab 1848 zunächst bis Pirna, dann schrittweise bis 1851 auf der Gesamtstrecke nach Bodenbach) und Berlin (zunächst über Röderau und Jüterbog im Anschluss an die Leipziger Bahn). Die schwierige Topografie südlich der Stadt verzögerte den Bau der privaten Albertsbahn von Dresden durch den Plauenschen Grund nach Tharandt und Freiberg, so dass die gebirgige Strecke erst 1855 bis Tharandt, ab 1862 schließlich bis Freiberg eröffnet werden konnte - der Lückenschluss nach Chemnitz erfolgte erst 1869. Der Albertsbahnhof lag zunächst auf dem Gelände des späteren Kohlebahnhofes an der Freiberger Straße und wurde erst später in den Böhmischen Bahnhof, Vorgänger des heutigen Hauptbahnhofs, verlegt.


    Größte Bedeutung erlangte die Albertsbahn auch im Güterverkehr. Zu jenem Zeitpunkt war der Steinkohleabbau im Döhlener Becken bereits in vollem Gang. Viele der Schächte lagen jedoch auf den Höhenzügen rund um das Weißeritztal, was erhebliche Probleme beim Abtransport der geförderten Kohle und der oft vor Ort gleich mit produzierten Briketts nach sich zog. Um den Abtransport seiner Produkte zu erleichtern trieb insbesondere der hoch droben fernab der Bahnlinie tätige Hänichener Steinkohlenbauverein den Bau einer Anschlussbahn zu seinen drei Schächten in Hänichen, Rippien und Wilmsdorf voran. Dem schlossen sich bald weitere Interessenten, darunter vor allem die Freiherrlich von Burgker Steinkohlen- und Eisenhüttenwerke mit ihren Gruben im Windberggebiet, an.


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    Zeitgenössische Darstellung der Hänichener Kohlenzweigbahn


    Es gelang 1854 dem Ingenieur Guido Brescius einen Entwurf vorzustellen, der durch seine kunstvolle und kurvenreiche Trassierung den beträchtlichen Höhenunterschied zwischen der Sohle des Plauenschen Grundes und der Hochebene überwinden und einen regulären Adhäsionsbetrieb gewährleisten konnte. Zudem kam eine solche Streckenführung völlig ohne größere Kunstbauten aus. Der Bau gestaltete sich dennoch äußerst schwierig, und die außergewöhnliche Trassierung beschränkte die auf der Bahn einsetzbaren Betriebsmittel Zeit ihres Bestehens.


    Bereits 1855 begannen die Bauarbeiten auf der zukünftigen Hänichener Kohlenzweigbahn, die bereits ein reichliches Jahr später dem Verkehr übergeben werden konnte. Bei der offiziellen Betriebsaufnahme im April 1857 unternahm der damalige sächsische König Johann eine Inspektionsfahrt und prägte in einer Ansprache den legendären Spitznamen der Strecke:


    „Nun meine Herren, jetzt stehen wir den Österreichern in nichts mehr nach. Auch wir haben nun eine Semmeringbahn, eine Sächsische Semmeringbahn.“


    Damen waren offenbar keine anwesend…


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    Grafische Darstellung der Gesamtstrecke der Windbergbahn. Die offiziell im Gelände des Berglustschachtes in Wilmsdorf endende

    Hauptstrecke verfügte über zahlreiche Anschlussbahnen zu den am Wege liegenden Schachtanlagen. War der erste Teil der kurvigen Streckenführung noch allein den Geländeverhältnissen geschuldet, ergab sich die kaum weniger kurvige Fortsetzung auf der Ebene ab Obergittersee vor allem aus der Notwendigkeit, möglichst viele Förderstellen direkt zu erreichen. Nach der Jahrhundertwende kam dies dem Umbau zur Ausflugsbahn natürlich sehr entgegen. Quelle: Deutsche Fotothek


    Die private Albertsbahn-Gesellschaft erkannte schnell das touristische Potenzial der Strecke, die durch die vielen Windungen und Drehungen spektakuläre Aus- und Einblicke in den Plauenschen Grund, auf das Windbergmassiv und in den Dresdner Talkessel hinunter bot. Schon 1857 wurden an den Wochenenden Ausflugszüge bereitgestellt, die sich bei den zahlreich heranströmenden Städtern der nahen Residenz größter Beliebtheit erfreuten. Da keine Personenwagen vorhanden waren, kehrte man einfach die zahlreich vorhandenen Kohlehunte aus und stellte Sitzbänke hinein. Es ist nicht überliefert, ob und in welchem Umfang sich das honorige Publikum hierbei den feinen Sonntagszwirn versaute…


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    Lokomotive „Elbe“ der Erstausstattung von 1856 kurz nach Eröffnung der Hänichener Kohlenzweigbahn mit den eigens entwickelten 5-Tonnen-Kohlehunten an der Umladestelle in Niedergittersee (später Güterbahnhof Freital Ost).


    Diese Fahrten führten unter anderem auch auf die Windberg-Zweigbahn zu den dortigen Freiherr von Burgkschen Schächten. Dies blieb im Volksmund haften, und auch nach dem mit der Verstaatlichung der Albertsbahn 1868 erfolgten abrupten Ende der Ausflugsfahrten hielt sich der Name „Windbergbahn“. Er übertrug sich später auch auf die umgebaute und neueröffnete Ausflugsbahn von 1907/08 - obwohl diese den Windberg selbst nicht mehr berührte.


    Die großen Erwartungen in die Ergiebigkeit der Kohleflöze südlich Dresdens erfüllten sich in der Folge nur bedingt. Kaum ein Jahr nach Streckeneröffnung schlossen die ersten Schächte, und bis zur Jahrhundertwende war ein Ende des Steinkohlenabbaus absehbar. Nur der spät ab 1886 abgeteufte Marienschacht in Boderitz sollte noch bis 1930 durchhalten. Was nun aber tun mit der vorhandenen Infrastruktur?


    Man baute sie in eine Strecke mit regulärem Güter- und Personenzugverkehr um. Vor allem auf den Ausflugsverkehr setzte man dabei, sich wohl der Erfahrungen der ersten Betriebsjahre erinnernd. Diese Erwartungen sollten in der Folge nicht enttäuscht werden. Im September 1907 begannen die Umbauarbeiten, und nach gerade einmal hundert Tagen Bauzeit (bei laufendem Betrieb!) konnten noch im Dezember des Jahres die ersten erlebnishungrigen Ausflügler bis zum Bahnhof „Hänichen - Goldene Höhe“ auf dem Gelände des 1905 abgeworfenen Beckerschachtes den winterlichen Berg hinauf gefahren werden.


    Schon die Wahl des Bahnhofsnamens nach einer stadtbekannten Ausflugslokalität ließ darauf schließen, auf welches Publikum man vordergründig setzte. Dennoch spielte sie auch eine bedeutende Rolle als Beförderungsmittel für die Bewohner der anliegenden Ortschaften, insbesondere im Berufsverkehr zu den letzten Schachtanlagen und für jene Dörfler, die sich wegen der Schließung ihrer Zechen neue Arbeit unten in der Stadt suchen mussten. Schließlich konnte man bis Dresden-Hauptbahnhof durchfahren…


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    Die Lokomotive mit dem klangvollen Namen „Mozart“ gehört der ab etwa 1890 auf der Kohlenbahn eingesetzten Gattung sächsischen Gattung VII T an. Sie posiert hier 1907 mit stolzem Personal und sonstigen Anwesenden auf dem frisch fertiggestellten Bahnhof Bannewitz. Die kleinen Maschinen wurden wenige Jahre später durch die legendären „Kreuzspinnen“ abgelöst. - Deutsche Fotothek

    Kaum ein Jahr später erfolgte die Streckenverlängerung bis zum endgültigen Endpunkt in Possendorf, weitgehend angelegt auf dem Planum der schon vierzig Jahre vorher verschwundenen Anschlussbahn zum Hermannschacht.



  • Die sächsische Semmeringbahn (Teil II)



    Wir beginnen unsere Streckenexkursion im Tal des Plauenschen Grundes am ehemaligen Bahnhof Freital Birkigt, dem Ausgangspunkt der Windbergbahn. Das einst im schicken Heimatstil errichtete Gebäude macht einen verwahrlosten Eindruck.


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    Skelettierter Packwagen im Bahnhof Freital-Birkigt.


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    Der direkte Anschluss der Windbergbahn an die im Hintergrund sichtbare Hauptbahn Dresden - Werdau ist seit Jahren unterbrochen. Rechts neben der Vereinigten Weißeritz der verschlossene Tunnelmund des „Höllenmauls“, mit dem die Bahn ursprünglich aus der Hauptstrecke ausgefädelt wurde - schließlich verkehrten alle Züge ab Dresden-Hauptbahnhof. Schon seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt, wurde es nach dem Hochwasser 2002 endgültig zugesetzt. Die Wiederherstellung eines Anschlusses wird jedoch angestrebt.


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    Blick auf das Empfangsgebäude von der Coschützer Straße aus.


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    Frisch saniert zeigt sich das Wasserhaus des Bahnhofes Birkigt. Es wurde nach einem verheerenden Bombenangriff 1944 schwer getroffen und vereinfacht wiederaufgebaut.

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    Stationsschild. Der Bahnhof trug Zeit seines Bestehens mehrere Namen. 1907 hörte er zunächst auf „Potschappel“, wegen akuter Verwechslungsgefahr mit dem nahen Bahnhof an der Hauptbahn wurde er aber schnell in „Potschappel-Birkigt“ umgetauft. Nachdem 1921 die Stadt Freital gegründet und 1923 auch Birkigt eingemeindet worden war, erhielt er die noch heute bestehende Bezeichnung als „Freital-Birkigt“.


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    Totale des aktuell ungenutzten und stark zurückgebauten Gleisfeldes des Bahnhofes, mit Wasserkran vorn.


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    Wohl kürzlich instand gesetzt wurde die unmittelbar anschließende erste Querung der Coschützer Straße in Form einer Vollschrankenanlage.


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    Das liebevoll sanierte Schrankenwärterhäuschen. Die Strecke im Hintergrund zeigt sich dagegen arg zugewuchert.


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    Fernblick auf den Bahnübergang.


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    Nach einer ersten engen Kurve zwecks Höhengewinnung quert die Bahn die Coschützer Straße zum zweiten Mal, diesmal in Form einer Überführung.


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    Talwärtiger Blick auf die Brücke.


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    Dieser Blick die Coschützer Straße hinunter verdeutlicht die beträchtliche Steigung, die die Strecke ab den ersten Metern bewältigen muss.


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    Direkt an der Stadtgrenze zwischen Freital-Birkigt und Dresden-Coschütz quert die Strecke nach einem weiteren engen Mäander die Straße ein letztes Mal.


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    Die heute verwahrloste Maschinenfabrik Hänsel besaß einst einen eigenen Anschluss an die Bahn. Etwa hier befand sich von 1857 bis 1861 auch der erste Anschluss der Kohlenbahn zum Moritz-Schacht.


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    Auch die ehemalige Fördertechnik, vormals Mühlenbau, war guter Kunde der Bahn.


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    Bahnübergang an der Gitterseer Straße.


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    Eindrücke vom Birkigter Hang mit der an Höhe gewinnenden Bahnstrecke im Hintergrund. Charakteristisch sind die kleinen Häuschen der ehemaligen Bergarbeitersiedlungen.


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    Von der nun ein Stück entlang der Ferdinand-Freilgrath-Straße entlangführenden Strecke bietet sich ein erster Ausblick auf Freital und den Plauenschen Grund bis hinauf nach Pesterwitz.



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    Verkrautete Bahntrasse, der Blick schweift in den Plauenschen Grund in Richtung Dölzschen.


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    Talwärtiger Blick durch die Bahnunterführung „Zur Schicht“.


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    Gegenrichtung mit Straßenschild. Auf dem bis 1993 von schweren Güterzügen genutzten Abschnitt wurden die ursprünglichen Bogendurchlässe von 1855/56 fast durchgehend durch Betonüberbauten ersetzt.


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    Leisnitz. In einem weiteren engen Bogen ändert die Trasse erneut ihre Richtung um 180 Grad. Typisch auch hier die kleinen Bergarbeiterhäuschen. Wiederum bieten sich fantastische Einblicke in das Tal.


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    Aktuell sind die Gleise derart zugewachsen, dass man die Trasse am Straßenrand kaum wahrnimmt.


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  • Fortsetzung Teil II



    Strecke der Windbergbahn auf einem Dresdner Stadtplan von 1929. Gittersee wurde erst 1945 eingemeindet.


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    Bahnübergang Bannewitzer Straße. Ab hier mäandert die Strecke hauptsächlich in östlicher Richtung Gittersee entgegen.


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    Die Strecke verläuft oberhalb der Bebauung der Bannewitzer Straße und überquert erneut „Zur Schicht“.


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    Eine weitere Spitzkehre wird nun oberhalb des Kesselgrundes beschrieben und eine Kleingartensparte durchquert. Die Sperrtafel im Gleis zeigt das aktuelle Streckenende talwärts geblickt; ab hier ist die Strecke von Gittersee aus wieder befahrbar.


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    Blick über den Kesselgrund nach Gittersee.


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    Zu DDR-Zeiten in Beton erneuerte Überführung im Kesselgrund.


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    Anschließend liegt die Strecke unterhalb des Meiselschachtweges in einem Einschnitt. Blick in Richtung Gittersee.


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    Talwärtiger Blick. Die äußerst engen Gleisbögen sind säntlich durch Leitschienen gesichert.


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    Auf dem Meiselschachtweg überqueren wir die Stadtgrenze zwischen Freital und Dresden.


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    Am Birkenwäldchen. Oberhalb des Kesselgrundes bietet sich ein weiterer großartiger Blick über den Plauenschen Grund und das Döhlener Becken.


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    Die Strecke windet sich hier einer weiteren Spitzkehre entgegen. Oberhalb der weißen Mauer ist das ehemalige Gelände des Meiselschachtes zu verorten, der zwar 1856 noch vor der offiziellen Streckeneröffnung einen Anschluss an die Kohlenbahn erhielt, aber bereits 1859 abgeworfen wurde.


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    Ein letzter Blick über die Strecke der Windbergbahn gen Tal. Der spektakuläre Höhengewinn über eine Vielzahl enger Kurven und Spitzkehren ist fast vollzogen.


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    An der Einmündung des Meiselschachtweges in die Karlsruher Straße ist als letzte Baulichkeit des namensgebenden Schachtes noch das Huthaus zu finden.


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    Die Bahnüberführung über die Karlsruher Straße, bis zur Eingemeindung von Gittersee 1945 hier als Dresdner Straße bezeichnet, ist einer der wenigen nennenswerten Kunstbauten der Windbergbahn und befindet sich im Scheitel einer weiteren 180-Grad-Kehre, die die Trasse nach Süden in den Bahnhof Gittersee führen wird.


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    Von der Brücke öffnet sich für kurze Zeit der Blick in den Dresdner Elbtalkessel, hier nur zu erahnen.


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    Ursprünglich befand sich hier anstelle der Blechträgerbrücke eine für die Frühzeit des Eisenbahnalters typische gemauerte Bogenbrücke, die sich wohl immer mehr zum Verkehrshindernis entwickelt hat.


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    Ende der Spitzkehre oberhalb der Karlsruher Straße, mitten durch ehedem industriell genutztes Gebiet. Hier wäre der Gleisanschluss zur Reinstsiliziumfabrik Gittersee eingeführt worden - der bereits errichtete Rohbau wird heute von der Dr. Quendt Backwarenfabrik genutzt.


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    Blick in den Bahnhof Gittersee.


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    Die Hermann-Michel-Straße hieß bis zur Eingemeindung passenderweise Bahnhofstraße, führt sie doch genau auf den Bahnhof Gittersee zu.


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    Güterabfertigung Gittersee mit dem „Fuhrpark“ des Windbergbahn-Vereins. Das nach dem Krieg ausgebaute und aufgestockte Gebäude verdeutlicht die einstige Bedeutung des Güterverkehrs für den Bahnhof.


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    Feldbahnlok und Lorendenkmal erinnern an den 1989 endgültig eingestellten Bergbau im Gitterseer und Burgker Revier.


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    Zum Zeitpunkt des Besuches war die Anlage verschlossen, und illegal auf das Gelände eindringen wollte ich nicht. Daher nur eine rückwärtige Ansicht des Bahnhofsgebäudes, das bereits in den 1980er Jahren durch die damalige Arbeitsgemeinschaft Windbergbahn instandgesetzt und zu einem kleinen Museum umgestaltet wurde.


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    Wieder errichtet wurde der benachbarte Freiabtritt.


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    Blick über den Zaun auf den Bahnsteig. Mehr war nicht drin…


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    Außerdem herrschte recht störendes Gegenlicht.


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    Unübersehbar ist das mächtige Stationsschild. Im Hintergrund sanierte Halden der SDAG Wismut.


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    Informationstafel des Windbergbahn-Vereins zur Geschichte des Bahnhofes Gittersee.


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    Abschied vom Bahnhof Dresden-Gittersee. Das Stationsgebäude war ein Typenbau der Königlich-Sächsischen Staats-Eisenbahn und weitgehend baugleich mit denen in Bannewitz und Hänichen.


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    Blick hinüber nach Boderitz. Weithin grüßt der Förderturm des Marienschachtes - nach einigen weiteren Irrungen und Wirrungen wird dort auch die Trasse der Windbergbahn vorbeiführen.


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    Das Gleisende in Richtung Kleinnaundorf befindet sich seit Anfang der 1970er Jahre in Burgk unmittelbar hinter der Stadtgrenze vor dem ehemaligen Bahnübergang über die Cunnersdorfer und Kleinnaundorfer Straße, gleich ums Eck an der „Hopfenblüte“.


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    Ein letzter Blick auf die bestehende Strecke. Ab nun geht es weitestgehend gleislos weiter. Aber dazu später.


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  • Die sächsische Semmeringbahn (Teil III)


    Heute geht es weiter auf den Spuren der Windbergbahn - zunächst bis zum Marienschacht, immer schön südlich der Dresdner Stadtgrenze entlang. Den Auftakt bildet der älteste Streckenfahrplan in meiner Sammlung aus dem Kriegsjahr 1914.


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    Legendär und einem weiten Kreis von Eisenbahnfreunden bekannt wurde die Windbergbahn weniger wegen ihrer spektakulären Trassierung, sondern vielmehr des eigens für die Strecke entwickelten Fahrzeugmaterials. Bis in die 1960er Jahre versahen hier die „Kreuzspinnen“ der sächsischen Gattung I TV, später 98.0, ihren Dienst, von denen heute noch ein Exemplar im Industriemuseum in Chemnitz besichtigt werden kann. Daneben wurden 1911 eigens spezielle Aussichtswagen für die Strecke beschafft, der letzte erhaltene befindet sich im Besitz des Windbergbahn-Vereins, der sich der Pflege, Wiederinstandsetzung und schrittweisen Wiederinbetriebnahme eines Museumsverkehrs auf der Strecke verschrieben hat - langfristig gar mit dem Ziel des Wiederaufbaus bis Boderitz - Cunnersdorf, dem heutigen Ziel der Reise…


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    Genug der Vorrede. Wir laufen ein kurzes Stück die Kleinnaundorfer Straße entlang, hier der Bereich des ehemaligen Bahnübergangs.


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    Auf dem Bahndamm, der durch seinen Birkenbewuchs im Gelände stets gut auszumachen ist. In wenigen Metern ist er dann auch ganz offiziell begeh- und befahrbar.


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    Das Straßenschild lässt heute noch keinerlei Zweifel an der ehemaligen Existenz der Bahnstrecke zu.


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    Blick zurück in Richtung Gittersee.


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    Der ausgebaute Weg entlang des ehemaligen Bahndamms. Im Hintergrund erkennen wir den einstigen Abzweig in den bereits 1872 abgeworfenen Reiboldschacht, an den heute nur noch ein gleichnamiger Straßenring in Burgk erinnert.


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    Im weiteren Verlauf wurde der gut frequentierte Bahnwanderweg nach Guido Brescius benannt, dem Dresdner Ingenieur, dem die Hänichener Kohlebahn ihre Existenz verdankte.


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    In einem größeren Bogen nähert sich die Bahntrasse nun dem Windbergmassiv. Am Abzweig Kleinnaundorf begann die Windberg-Zweigbahn, die allein der Andienung der dortigen Schächte diente. Hier eine grafische Darstellung der Anlage.


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    Noch heute ist der Damm der mit dem Ende des Kohleabbaus im Segen-Gottes-Schacht 1916 abgebauten Zweigbahn im Gelände gut zu erkennen. Ab 1857 wurden zunächst der Neuhoffnungs- und Windbergschacht angebunden. Von ersterem ist heute noch ein Teil des Huthauses erhalten. Dahinter verläuft der Bahndamm zum Windbergschacht.


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    Zeitgenössische Darstellung des Neuhoffnungsschachtes. Dahinter ist der Bahndamm zu erkennen, im Hintergrund der Segen-Gottes-Schacht, der erst 1868 an die Windbergzweigbahn angeschlossen wurde.


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    Erhalten ist bis heute eines der beiden Widerlager der Brücke über den Kommunikationsweg hinab ins Poisental. In Richtung Windbergschacht wurde der Bahndamm auf einigen Metern Länge nach 1872 abgetragen, wie auch das gegenüberliegende Widerlager. Der Brückenkorpus selbst bestand aus Holz.


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    Beginn des Bahndamms mitten im Wald. Trotz der Überwucherungen ist er im Gelände immer noch gut auszumachen. Seit fast 150 Jahren ist er ungenutzt.


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    In einem größeren Bogen näherte sich die Anschlussbahn nun dem Windbergschacht, zunächst auf einem Damm, später in einem ebenfalls noch gut erkennbaren Einschnitt, in dem sich wohl auch die Ablaufanlage des Schachtes befand.


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    Ansicht des Windbergschachtes. Erhalten ist von den Baulichkeiten nur noch das Huthaus, rechts erkennbar. Auffällig auf den Motiven aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ist das fast völlige Fehlen der heute sehr üppigen Bewaldung des Areals.



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    Das Huthaus diente nach Ende des Schachtbetriebs u. a. als Altenheim, Gästehaus oder Gaststätte. Heute logiert hier der Freitaler Tierschutzverein.


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    Zurück zum Abzweig Kleinnaundorf. Gut erkennbar ist noch immer die Rampe, mit der das Gleis auf den Bahndamm hinaufführte, der im Hintergrund in Richtung Segen-Gottes-Schacht verläuft.


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    Der hohe Damm der Anschlussbahn zum Segen verläuft zunächst neben der Kohlenstraße, um dann in einem eleganten Bogen in Richtung der Schachtanlage abzubiegen.


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    Mehr noch als von den anderen Anlagen haben sich vom Segen-Gottes-Schacht diverse Baulichkeiten erhalten, wenngleich auch der markante Malakoff-Förderturm verschwunden ist. Dies dürfte mit der Schließung des Schachtes genau zur Endphase des Ersten Weltkrieges zusammenhängen, als sich die verlassenen Gemäuer als Wohnraum nahezu anboten. Vorhanden sind u. a. noch die beiden Revierhäuser…


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    …und ein Teil des Kesselhauses, was eine neuzeitliche Aufstockung erfahren hat.


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    Segen-Gottes-Schacht mit Anschlussbahn um die Jahrhundertwende.


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    Bekannt wurde der Segen-Gottes-Schacht jedoch aus sonstigen traurigen Gründen. Am 2. August 1869 starben 276 Bergleute hier und in den Stollen des benachbarten Neuhoffnungsschachtes durch eine in ihrem Ausmaß nie dagewesene Schlagwetterkatastrophe, hervorgerufen durch unzureichende Bewetterung der Grube. Das Unglück sorgte damals für größtes Aufsehen. Eine Informationstafel zur Katastrophe wurde erst kürzlich am Segen-Gottes-Schacht aufgestellt.


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    Die Toten wurden an Ort und Stelle beerdigt und 1870 ein Denkmal für die ums Leben gekommenen Bergleute eingeweiht.


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    Inschriften am Denkmal.


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  • Teil III (Fortsetzung)



    Wir verlassen den Windberg und wenden uns wieder der Stammstrecke zu. Diese führt in einem großen Bogen nach Kleinnaundorf hinein, wo sich ab 1907 die nach Gittersee zweite offizielle Unterwegsstation befand. Erkennbar ist noch eine der originalen Gewölbebrücken aus der Erbauungszeit der Bahn.


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    Unmittelbar vor dem Bahnhof Kleinnaundorf existiert ein weiterer der originalen Durchlässe.


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    Liebevoll hergerichtet zeigen sich die Gebäude des Bahnhofs. Von 1951 bis 1957 diente er als Endpunkt der Strecke.


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    Stationsgebäude mit Freiabtritt. Man fühlt sich fast an eine Schmalspurstrecke versetzt. Eigentlich waren derartige einfache Wartehallen mit Pultdach nach der Jahrhundertwende nicht mehr üblich. Die kurze Bauzeit und die berüchtigte Sparsamkeit der Königlich-Sächsischen Staats-Eisenbahn lassen den Gedanken nicht abwegig erscheinen, dass man das Gebäude zweitverwertet und von andernorts hierhin umgesetzt hat. Dies war gängige Praxis, wie wir noch sehen werden…


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    Erläuterungstafel des Windbergbahn-Vereins.


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    Nach Stilllegung des Reisezugverkehrs 1957 diente die Strecke nach Kleinnaundorf noch bis 1967 dem Anschluss des ehemaligen Glück-Auf-Schachtes, der seit seiner Schließung 1930 von verschiedenen Industrien nachgenutzt wurde. Zuletzt besaßen hier die Dresdner Mineralölwerke das Privileg einer direkten Eisenbahnverbindung. Anstelle des Gleises wurde später eine Straße mit dem passenden Namen „Alter Bahndamm“ angelegt.


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    Blick vom einstigen Anschlussgleis zurück zum Bahnhof Kleinnaundorf.


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    Ehemaliges Gelände des Glück-Auf-Schachtes mit Bahnplanum in Bildmitte. Die Hütte rechts steht mitten auf dem ehemaligen Streckengleis in Richtung Hänichen und Possendorf.


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    Glück-Auf-Schacht als Bestandteil einer launigen zeitgenössischen Postkarte.


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    Der allerletzte Fahrplan der Windbergbahn der Relation Dresden - Kleinnaundorf, gültig ab 29. September 1957, nimmt sich sehr bescheiden aus. Am 9. November war dann endgültig Schluss.


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    Nächste Station war Boderitz - Cunnersdorf. Lange gab es Streit zwischen den beiden Gemeinden, welcher Name denn nun zuerst genannt werden sollte. 1930 wurde daraus schließlich ein schnödes Cunnersdorf b. Freital, und Boderitz hatte das Nachsehen.


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    Hübsch sanierte Wartehalle des Haltepunktes. Diese hat eine sehr interessante Geschichte, denn sie wurde nachweislich zweitverwertet. Davon ist bereits in älterer Literatur die Rede, inzwischen weiß man auch woher: Einst zierte sie den stadtwärtigen Bahnsteig der Haltestelle Plauen tief unten im Plauenschen Grund. Mit Höherlegung der Bahnanlagen und Verlegung des Haltepunktes zur Bienertmühle wurde sie überflüssig und bot den Reisenden ab 1923 endlich hier oben Schutz, nachdem sie siebzehn Jahre bei Wind und Wetter im Freien ausharren mussten.


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    Den Beweis der Provenienz bietet diese Postkarte aus dem Hause Brück und Sohn. Ein kleines Suchspiel…


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    Vergrößerung mit Wartehalle am Originalstandort. Die ehedem offene Vorderfront wurde mit der Versetzung nach Cunnersdorf verglast.


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    Von draußen bot sich den wartenden Fahrgästen zumindest dieser grandiose Blick über den Dresdner Elbtalkessel.


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    Zum Abschluss queren wir im Zuge des Bahndamms die Schachtstraße, die ihren Namen nicht zufällig trägt. Die ehemalige Hutschänke weist ebenso auf den bergbaulichen Hintergrund hin…


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    …denn genau vis à vis liegt einer der Höhepunkte entlang der ehemaligen Bahnstrecke: der Marienschacht mit seinem weit ins Tal sichtbaren markanten Malakoff-Turm.


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    Das Teufen des Schachtes begann unter widrigen Umständen erst 1886. Vier Jahre später wurde das Maschinenhaus und der wohl letzte traditionelle Malakoff-Förderturm des Bergbaugebiets südlich von Dresden erbaut, denn wenig später dominierten die bekannten Stahlgerüste. Kohle wurde hier bis 1930 gefördert.



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    Heute befindet sich hier ein kleines Bergbaumuseum, das ich selbst aber noch nicht in Augenschein genommen habe.



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    Blick auf den Malakoff-Turm. Nach dem Krieg wurde die Kohleförderung ab 1957 noch einmal kurzzeig aufgenommen. Dumm nur, dass seit sechs Jahren der Eisenbahnanschluss fehlte…


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    …denn ursprünglich wurden die geförderten Kohlen über diese Mauer aus den Loren direkt in die Hunte bzw. Güterwagen der Hänichener Kohlenbahn verladen.


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    Endgültig Schluss mit den Bergbauaktivitäten war dann 1990 mit Einstellung der Gewinnungsarbeiten, die seit 1968 der Urankohle galten. Heute ist der Marienschacht ein zu Unrecht wenig beachtetes technisches Denkmal am Südrand von Dresden, welches aber einen prägnanten Eindruck davon vermittelt, wie die ehedem kahle Hochebene zu Ende des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben mag, als noch die Malakoff-Türme der zahlreichen Schachtanlagen die Szenerie prägten. Fast fühle ich mich an Nordostengland erinnert…


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    Wir kehren noch einmal kurz zu unserer Bahnstrecke zurück und werfen einen letzten Blick auf den Haltepunkt Boderitz - Cunnersdorf.


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    Weiter führte die Strecke nun nach Bannewitz hinein. Der Fortsetzung werde ich mich zu gegebener Zeit natürlich auch noch widmen.


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    Abschließend noch einige Dokumente aus der Betriebszeit der Bahn. Sommerfahrplan von 1918 und 1932 im Vergleich.


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    Ausschnitt aus einer von der Reichsbahndirektion Dresden in den dreißiger Jahren herausgegebenen Wanderkarte.


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    Damit bis demnächst und Glück Auf!


  • Sehr interessant und wie immer sehr schön aufgearbeitet.

    Ich war im vorletzten Jahr auf einer meiner Radwanderungen mal den oberen Teil ab Gittersee abgefahren; ein großer Teil der ehemaligen (Haupt-)Strecke ist ja jetzt Radweg.