"Flora" Teil II
Ein erster fotografischer Blick ins Stadtarchiv. Wir befinden uns unter der um 1895 im alten Bahnviadukt neu geschaffenen breiten Durchfahrt der Magdeburger Straße und blicken in die Ostra-Allee. Links das ehemalige Brückenzoll-Einnehmerhäuschen, mittlerweile von der Königlich-Sächsischen Staats-Eisenbahn als Beamtenwohnhaus genutzt. Rechts daneben die Einfahrtstore des Straßenbahnhofs im ehemaligen „Flora“-Grundstück. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II4073, Fotograf/in unbekannt, um 1898)
Näherer nachkolorierter Blick auf die Einfahrt des Bahnhofs mit abgestellten Einspännern, um 1895. Leider scheinen keinerlei bildliche Belege aus dem Inneren zu existieren. Das zweistöckige Gebäude rechts der Einfahrt dürfte ab 1890 die Direktion der Deutschen Straßenbahn beherbergt haben, bevor sie in die wesentlich geräumigere und im Hintergrund sichtbare (das helle Gebäude) Ostra-Allee 30 umzog.
Die neu geschaffene Könneritzstraße nahm auch die ehemalige Straße „Am Viaduct“ auf. Die Engstelle an der Einmündung der Ostra-Allee zeigt sich noch gleislos, links lugt ein abgestellter Pferdebahnwagen aus der Ostra-Allee, der den Gleisstumpf des zukünftigen Streckengleises voll ausgenutzt haben muss.
Rekonstruktion der Straßenansicht.
Lange existierte der Bahnhof nicht, das Gelände bot keine Erweiterungsmöglichkeiten. Um die Jahrhundertwende wurde außerdem ein Teil seines Geländes für den Ausbau der Marienbrücke benötigt. Für den elektrischen Betrieb wurde er daher nicht mehr ertüchtigt und zuletzt zur Zwischenlagerung umzubauender Pferdebahnwagen genutzt. Im Geschäftsbericht von 1901 wird er bereits als schnellstmöglich zu veräußerndes Bauland ausgewiesen. (Quelle: Archiv DVB)
Die Umgebung des „Flora“-Grundstücks sollte sich wegen des Ausbaus der Verbindungsbahn mit neuer Eisenbahn-Marienbrücke, Straßenausbauten und der weiteren städtebaulichen Entwicklung der nördlichen Wilsdruffer Vorstadt in den folgenden Jahren grundlegend wandeln. Um 1898 war der zukünftige Ostring der Straßenbahn ein wenig nördlich bereits baulich vorbereitet, denn auch hier an der Kreuzung Maxstraße/Könneritzstraße existierte schon ein Gleisstumpf, wie dieses Foto aus dem Fundus des Stadtarchivs beweist. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II4062, Fotograf/in unbekannt, um 1898)
Nach Schließung des Bahnhofes wurden die Baulichkeiten sehr schnell entfernt und die Baulichkeiten wenn möglich vermarket. Am 20. August 1901 inserierte die Deutsche Straßenbahn in den „Dresdner Nachrichten“ den ehemaligen Wagenschuppen, über den Verbleib desselben ist leider nichts bekannt. (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]
Ende 1901 wurde die ausgebaute Marienbrücke für den Straßenbahnverkehr freigegeben und nun von der „roten“ Rundbahn, der späteren Linie 26, befahren. Die Engstelle an der Einmündung der Ostra-Allee wurde dabei zunächst nur eingleisig angelegt. Das „Flora“-Grundstück zeigt sich beräumt und unbebaut, ebenso musste das alte Brückenzoll-Einnehmerhäuschen der Straßenverbreiterung weichen. Im Hintergrund an der Ecke Devrientstraße sehen wir direkt am Brückenkopf seinen noch heute vorhandenen Nachfolger. Weitere bemerkenswerte Details: An der Einmündung Ostra-Allee erkennen wir das „rote“ Schild der Haltestelle „Marienbrücke, Ecke Ostra-Allee“. Im Hintergrund das mächtige Gebäude des Hoftheater-Kulissenhauses, das uns im nächsten Teil noch näher beschäftigen wird. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XVI12, Fotograf/in unbekannt, um 1900)
Der Blick in die Gegenrichtung von der Brücke in die Könneritzstraße zeigt neben dem freien „Flora“-Grundstück die Halle der Eisenbahn-Haltestelle Wettiner Straße und einen Triebwagen der Rundbahn. Erst der Bau der rechts angeschnittenen neuen Eisenbahnbrücke ermöglichte die Fahrbahnverbreiterung der alten Marienbrücke und deren Nutzung für die Straßenbahn. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XVI17, Fotograf/in unbekannt, um 1900)
Blicken wir noch einmal in die Ostra-Allee. Im Jahre 1908 herrscht reger Straßenbahnverkehr auf den seit 1905 mit geraden Nummern versehenen ex-„roten“ Linien, hier der aus dem Plauenschen Grund kommenden „22“ zum Postplatz und davor einem Zug der Linie 8 Wilder Mann – Bergkeller, der Zwischenlinie zur „6“ nach Räcknitz. Das kleine alte Eckhaus an der Maxstraße wird bald weichen und den Platz für eine weitere Verbreiterung der Ostra-Allee freigeben. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. I696, Fotograf/in unbekannt, 1908)
Zu einer geregelten städtebaulichen Entwicklung des „Flora“-Grundstücks kam es bis zur Zerstörung 1945 nicht. Bald zierten wenig repräsentative Gewerbehallen das Restareal, und die „Automobil-Droschken-Gesellschaft“ zog ein. In den folgenden Jahren bis zur Zerstörung diente das Gelände als Garagenkomplex mit angeschlossenen Dienstleistungen. Reklame um 1910.
Luftansicht der nördlichen Wilsdruffer Vorstadt und des Ostrageheges mit dem Brückenkopf der Marienbrücke, 1924. Ein Straßenbahnzug biegt vor dem „Flora“-Grundstück aus der Ostra-Allee in die Könneritzstraße ein. Auf dem Grundstück erkennen wir die Automobilhallen, rechts das nie fertig entwickelte Areal um die heute überbaute Pöppelmannstraße mit der Turnhalle des Allgemeinen Turnvereins. (Quelle: SLUB/Deutsche Fotothek, df_hauptkatalog_0305926, Walter Hahn 09.1924.)
Im Jahre 1937 blicken wir vom Eisenbahnviadukt auf die Einmündung der Ostra-Allee. In der „Flora“ residieren mittlerweile die „Ostra-Garagen“ und eine Mineralölhandlung. Im Hintergrund das Kulissengebäude des Hoftheaters an der Devrientstraße. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. I1983, Fotograf/in unbekannt, 1937)
Ein weiterer Blick auf das einstige Bahnhofsgelände und die Höfe der Pöppelmannstraße, deren nach der Jahrhundertwende erbauten Wohnhäuser den südlichen Teil des „Flora“-Grundstücks einnehmen. Im Hintergrund gut erkennbar die Ostra-Allee 30, ehemals der dritte Firmensitz der Deutschen Straßenbahngesellschaft, die 1905 von der Stadt übernommen worden war. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. I1982, Fotograf/in unbekannt, 1937)
Damit endet die kurze, aber hochinteressante Geschichte des „Flora“-Grundstücks als Straßenbahnhof. Bereits im zweiten vollständigen Betriebsjahr zeigten sich die Kapazitäten des kleinen Bahnhofs an der Ostra-Allee erschöpft, und die Deutsche Straßenbahngesellschaft musste sich nach Alternativen umschauen. Hierzu und zu einem verkehrstechnischen Kuriosum in unmittelbarer Nähe komme ich im nächsten Beitrag und bedanke mich abschließend für die Veröffentlichungsgenehmigung des Stadtarchivs, ohne die der Beitrag maximal halb so gehaltvoll geworden wäre.
Schönes Rest-Osterwochenende allerseits!