Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie unmittelbar nach den komliziertesten und künstlerisch anspruchsvollsten Rekonstruktionen viele mit Blick auf andere wünschenswerten Projekte behauptet wird dies oder jenes sei technisch und künstlerisch nicht machbar.
Rein von der technisch-künstlerischen Seite ist eine Rekonstruktion der Ostfassade sicher möglich, dies ist in erster Linie eine Kostenfrage.
Die andere Sache ist, ob die Rekonstruktion für den heutigen Gebrauch des Schlosses sinnvoll ist. Und da wird man zugeben müssen, dass mit der Rekonstruktion der Ostfassade Rundwege und Austellungsfläche entfallen würden und man wegen der verschiedenen Niveaus der Geschosshöhen große Probleme mit der Barrierefreiheit bekäme.
Ich kann ja verstehen, dass man sich mit der neuen modernen Ostfassade nicht anfreunden kann, weil sie einfach zu glatt und monoton wirkt. Begeistern tut sie mich auch nicht. Mich begeistert die alte Ostfassade allerdings auch nicht. Deren zusammengewürfelte Kleinteiligkeit war ja ok, solange die Spree in erster Linie Transportweg war und diese Ansicht des Schlosses mehr oder weniger dessen Hinterhof.
Heutzutage ist die Spreeseite aber auch eine der Schauseiten des Schlosses. Dem reinen "es war früher mal so" kann ich keinen so wichtigen Wert abgewinnen, dass ich diese Fassade umbedingt rekonstruiert haben möchte.
Meiner Meinung nach hat auch die Rekonstruktion des exakten Vorkriegszustandes der restlichen Fassaden mit all ihren Fehlern und späteren Umbauten wie vergrößerten Fenstern oder heutigen Blindfenstern zu ehemaligen Zwischengeschossen, den Hauptsinn, dass Reiseführer zu den Unzulänglichkeiten Geschichten erzählen können. Hier hätte man auch auf einen idealeren Zustand glätten können. Aber gut, der Unterschied ist so marginal, was will man sich darüber aufregen.
Zurück zur Ostfassade: Leider war und wird es wohl kaum möglich sein eine historisierende, aber einheitliche Ostfassade über die ganze Breite zu schaffen, da sind sich nämlich sowohl Traditionalisten als auch die Modernisten einig, dass dies ja nur schlimmstes Disneyland wäre. Die schweigende Mehrheit könnte mit solch einer Lösung dagegen wohl leben.
Das Bessere ist der Feind des Guten. Deshalb hatte man in früheren Zeiten auch wenig Hemmungen jahrhunderte alte Bausubstanz abzureißen. Um 1900 hat man z.B. massenhaft noch echte romanische kleine Kirchen abgerissen um sie durch große, prächtige, der gewachsenen Bevölkerung angemessene neogotische Bauten zu ersetzen. Gleiches galt auch für alte Rathäuser. Auch der Schinkeldom war ja nicht mehr gut genug und musste weg.
Die ersten Bauten der Moderne galten in ihrer Schlichtheit noch schick. Dies änderte sich erst, als soviel Altes abgerissen oder durch den Krieg zerstört war, dass einem die Moderne nur noch langweilig vorkommt. Um jeden Gründerzeitler wird heftig gestritten, werden dagegen Gebäude aus den 60ern oder gar erst 20 Jahre Gebäude abgerissen kräht fast kein Hahn danach, weil sie in der Regel zu gesichtslos und langweilig daherkommen.
Ich wünsche mir zwar, dass man die Ostfassade irgendwann nochmal aufpeppt und sie etwas historisierender gestaltet und ich denke auch, dass die Zahl der ideologischen DDR- und Vorkriegsromantiker zurückgehen wird, dafür wird man sich aber wohl an die jetzige Fassade gewöhnen und diese erreicht wiederum Denkmalstatus als spezielle Wiederaufbauleistung. Insofern sollte man sich mit ihr abfinden, es gibt sinnvollere Rekonstruktionsprojekte in die man seine Energie stecken kann.