taz, 05.08.
http://www.taz.de/pt/2004/08/05/a0291.nf/text
Kulturforum überschreitet Traufhöhe
Berlin will die Debatte über das Kulturforum. Es kann sie haben, wird sich der Präsident der Bundesbaudirektion gedacht haben und veröffentlicht im Jahrbuch der Behörde einen Hochhausentwurf für das Areal. So viel Radikalität ist Hans Stimmann zu viel.
[...]Mit der Vision für eine "Museumsinsel der Moderne" haben Florian Mausbach und das Architekturbüro Gruber/Kleine-Kraneburg einen "Diskussionsbeitrag" vorgelegt, der es in sich hat. Dabei wird nicht nur das halbe Kulturforum unter Wasser gesetzt. Ihr Entwurf sieht auch ein neues Museum an dem seit Jahren umstrittenen Standort vor und mehrere Ergänzungsbauten zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie.
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Clou der Planungen aber sind zwei Hochhäuser: Ein 250 Meter hoher, sehr schmaler Bibliothekstower und ein 150 Meter hoher Turm am Tiergarten. Mausbach sieht den 250-Meter-Turm als "Obelisk", der neben der Staatsbibliothek in die Höhe schießen soll, um "einen baulichen Anziehungspunkt" am Eingang des Kulturforums zu kreieren. Das 150 Meter hohe Diplomatenhochhaus am nördlichen Ende des Forums bildet sozusagen sein städtebauliches Pendant für Nutzer der Botschaften und anderer Repräsentanzen.
Vor der Staatsbibliothek soll ein großer "Büchersee" entstehen, der seine landschaftsplanerische Fortsetzung in der grünen Wiese gegenüber bei den zahlreichen Museen findet. Statt der ansteigenden Rampe planen die Architekten außerdem ein neues "Museum des modernen Stils", das die "Entwicklung von Architektur, Design und Mode im 20. Jahrhundert vorführt", so Mausbach.
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Mausbach hatte übrigens die Eingebung, nachdem die Bauverwaltung den Bund aufgefordert hatte, auch einmal etwas zum Kulturforum beizutragen. Jetzt ist ihr das Ergebnis doch etwas zu irre. Senatsbaudirektor Stimmann hat schon mal Denkzensur signalisiert und will höchstens sechsgeschossige Häuser dort.
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Warum werden in Berlin regelmäßig solche Projekte verhindert, besser gesagt: im Keim erstickt?! Auch wenn Berlin mMn bereits heute eine Weltstadt ist, würde ich mir wünschen, man könnte diesen Status auch baulich noch weiter festigen.
Warum sperrt man sich so vehement gegen Hochhäuser, obgleich es teilweise willige Investoren gibt (siehe Friedrichstraße, Riesenrad)? Hochhäuser gehören für mich zu Metropolen, wie der Eiffelturm nach Paris - sie schaffen eine besondere Atmosphäre der Dynamik, der Modernität und verleihen ihrer Stadt eine unnachahmliche Großartigkeit, die der Wahlbewohner einer solchen Stadt mMn sucht.
Außerdem finde ich den Platz am Kulturforum durchaus geeignet für derlei Planungen...das gegenwärtige architektonische Chaos, geprägt durch eine städtebauliche Ungefülltheit, könnte jedenfalls Verdichtung vertragen. Gegenwärtig läuft man hinter dem großartigen Potsdamer Platz, welcher so angenehm amerikanisch-großstädtisches Flair verbreitet, in ein städtebauliches Vakuum...letztlich eine Straße mit Bäumchen, welche das Kulturforum noch zusätzlich weitgehend verdecken. Die Gebäude selbst tragen ebenfalls kaum zur Raumverdichtung bei (sämtliche Scharouns sowie die Neue Nationalgalerie).
Direkt hinter dem Potsdamer Platz fände ich eine kleine Downtown auch deshalb sehr passend, weil die Hochhäuser am Platz ein perfektes Tor dort hinein bildeten - ein Auftakt zu mehr bzw. Höherem, sozusagen.
Ob ein 250m-Bau nun das Areal erdrückte mag ich allerdings ohne Visualisierungen nicht von vornherein beurteilen.
Leider werden solche Planungen wohl niemals auch nur annähernd in Betracht gezogen werden. Es sei denn, die verantwortlichen Entscheidungsträger öffneten sich der städtebaulichen Metropolenkultur der Gegenwart und Zukunft endlich etwas weiter gegenüber als bisher.