Naja, vielleicht war Ziegel ja mit dabei, bzw ein Kollege, und kann noch detaillierter berichten.
Ja, ich war dabei. Wie zu erwarten, war die Veranstaltung, die man für verschiedene Verbände und Vereine abhielt, wenig aufschlussreich für jene, welche das Thema schon intensiv verfolgen. Neu, aber nicht überraschend waren Überlegungen, warum die Stadtverwaltung zu einer Kfz-Dreispurigkeit der neuen Brücke rät. Inzwischen hat sich jedoch die CDU deutlich auf Vierspurigkeit wie bisher festgelegt, Team Zastrow schlägt in die selbe Kerbe. Die AfD will eine Spurreduzierung nur mittragen, wenn die St. Petersburger auch entsprechend rückgebaut und der Äußere Stadtring vollendet wird. Die St. Petersburger wollen wiederum CDU und BSW erstmal nicht anfassen. Die Grünen wollen genau das und auf der Brücke Zweispurigkeit. Es wird also munter Uneinigkeit zelebriert. Eigentlich ein guter Grund, erstmal eine Übergangsbrücke hinzustellen, denn acht Monate sind schon vertrödelt und ähnlich dürfte es weitergehen.
Eines der Probleme an Baubürgermeister Kühns Idee eines Ersatzneubaus ist, dass ein Planfeststellungsverfahren immer unvermeidlicher wird, je mehr Änderungen im Vergleich zum Vorzustand man vornehmen möchte. Naheliegenderweise muss oder möchte man aber fast alles verändern: Konstruktion und Bautechnologie, Anordnung der Spuren, Querschnittsbreite, Auffächerung der Auffahrten, Bau zusätzlicher Radrampen...
Das Gesetz für beschleunigte Ersatzneubauten wurde vor allem mit Blick auf Autobahnbrücken geschrieben. Für eine hochsensible, komplexe, gesellschaftlich aufgeladene Angelegenheit wie hier ist das Gesetz überhaupt nicht gedacht. Noch dazu ist es neu und mit vielen Rechtsunsicherheiten belegt.
Man setzt jedoch darauf, die Landesdirektion von der Genehmigungsfähigkeit überzeugen zu können. Das beauftragte Rechtsgutachten und der gesellschaftliche Druck, schnell zu einer Lösung kommen zu müssen, soll der Genehmigungsbehörde wohl nahelegen, keine Scherereien zu machen. Stephan Kühn hat auch schon gesagt, die anliegenden Grundstücke gehörten Stadt und Land, mit Klagen sei also nicht zu rechnen.
Doch egal, welches Genehmigungsverfahren gewählt wird, die Belange z. B. des Umwelt- oder Denkmalschutzes bleiben die gleichen, auch die Klagemöglichkeiten. Gut denkbar z. B. dass der Stadtrat einen Ersatzneubau mit vier Spuren beschließt, die Brücke dadurch sieben Meter breiter wird, Umweltverbände dagegen klagen und es dann doch in ein Planfeststellungsverfahren rutscht.
Das Rechtsgutachten verweist zwar darauf, dass Anpassungen an heutige Normen und Standards genehmigungsfrei sind. So könnte man sagen, die sieben Meter mehr seien nur modernen Sicherheitsabständen geschuldet. Aber andererseits machen "erhebliche" bauliche Änderungen oder Kapazitätserweiterungen für Kfz ein Planverfahren nötig. Ob eine sieben Meter breitere Brücke auch breitere Pfeiler braucht oder großere Abstände auch die Kapazität erhöhen, ist ungeklärt. Es gibt überdies wohl ein Gerichtsurteil, dass +20% Breite nicht mehr als Ersatzneubau durchgeht, das würde bei sieben Metern knapp zutreffen.
Anderer Fallstrick: die von der Stadt beauftragten Juristen schreiben deutlich, dass sie eine Minderheitsmeinung vertreten, wenn sie sagen, dass Kapazitätserweiterungen für Radverkehr kein Planfeststellungsverfahren benötigen, die Mehrheit sieht das wohl anders. Gerade diese Erweiterung will die Stadt aber haben.
Ich trete vehement für eine "erhebliche bauliche Umgestaltung" ein und will einen Wiedergänger der eingestürzten DDR-Brücke unbedingt verhindern. Aber selbst, wenn mir die Architektur egal wäre, hielte ich es für eine schlechte Idee, das Verfahren eines Ersatzneubaus zu wählen. Es gibt einfach zu viele Risiken, dass man damit Zeit und Geld verliert, weil dann doch ein Planfeststellungsverfahren nötig wird. Und ich finde auch: selbst, wenn Kühns Plan aufginge, rechtfertigt die mögliche Zeitersparnis nicht, die Beteiligung der Öffentlichkeit zu umgehen. Denn darum - und nur darum - geht es beim Ersatzneubau.
Das wird sich meiner Einschätzung nach rächen. Man kennt das doch: in der Hektik macht man Fehler und dann dauert alles viel länger. Den Wunsch vieler Dresdner nach einem schöneren Dresden zu unterschätzen, könnte so ein Fehler sein.